Die zentralen Fakten sind gerade in den letzten Wochen und Monaten auch Menschen näher gebracht worden, Herr Lehmann, die dem vorher nicht sehr aufgeschlossen gegenüberstanden. Wir brauchen eine Reduzierung der globalen CO2-Emission um mindestens 80 % bis zum Jahr 2050, wenn wir verhindern wollen, dass das Klima völlig aus dem Ruder läuft. Als Zwischenschritt schlägt die EU-Kommission vor, bis 2020 eine Absenkung um 30 % zu erreichen. Kyoto war gestern; auch das sächsische Klimaschutzprogramm aus dem Jahr 2001 hat sich überlebt. Wir brauchen neue Ziele – global und hier im Freistaat. – Herr Staatsminister Tillich nickt zu meiner Aussage; das möchte ich betonen, damit es Niederschlag im Protokoll findet.
Zu den Kosten, die der Klimawandel voraussichtlich global verursachen wird, gibt es mehrere Studien. Erst in dieser Woche hat Vattenfall eine eigene Untersuchung dazu vorgelegt. Alle mir bekannten Untersuchungen
stimmen in einer Aussage überein, und zwar darin, dass es ökonomisch vernünftiger ist, jetzt in eine Klimaschutzstrategie zu investieren und zu versuchen, das Zwei-GradZiel als die beschränkende Erhöhung der globalen Mitteltemperatur zu erreichen, als nur tatenlos zuzusehen. Die Haltung des Abwartens wird uns – so Nicholas Stern in seinem Bericht für die britische Regierung – eine Wirtschaftskrise im Ausmaß derer aus den Zwanzigerjahren bescheren. Stern prognostiziert einen Rückgang des Sozialprodukts um nicht weniger als 20 %. Nach seinen Berechnungen wären wir gut beraten, 1 % des Bruttosozialprodukts in Klimaschutzmaßnahmen zu investieren.
Ich erlaube mir, diese Zahlen auf den Freistaat umzurechnen. Ein Rückgang des Sozialprodukts um 20 % macht 19 Milliarden Euro aus. Um die Forderungen von Nicholas Stern bei den Investitionen zu berücksichtigen, müssten 900 Millionen Euro jährlich in den Klimaschutz fließen. Ich spreche bewusst im Konjunktiv, denn die mir bekannten Studien untersuchen die wirtschaftlichen Phänomene aus globaler Sicht. Vielleicht sind die Relationen im Freistaat Sachsen andere. Wir wissen es nicht, aber wir brauchen dieses Wissen, denn ohne diese Erkenntnisse können wir nicht ökonomisch sachgemäß über eine Klimaschutzstrategie sprechen.
Im Haushalt des Landes sind in verschiedenen Titeln Gelder eingestellt, die dem Klimaschutz zugute kommen werden. Erstmalig gibt es eine Förderung für Energieeffizienzmaßnahmen für die Wirtschaft. Die Frage aber, ob diese Anstrengungen ausreichend sind, können wir alle hier und heute guten Gewissens nicht beantworten.
Sie ahnen, dass meine Fraktion sehr stark dazu neigt, diese Frage mit Nein zu beantworten. Aus Sicht der Umweltpolitik halten wir den Klimaschutz in der Tat für ein Stiefkind der Landespolitik und dieser Koalition.
Welche Anstrengungen sind aus wirtschaftlicher Sicht adäquat? Bei dieser Frage tappen wir doch alle ein wenig im Dunkeln. Wir wissen noch nicht einmal, was uns dieser Winter an Einnahmenausfällen im Erzgebirge beschert hat. Über die Kosten, die „Kyrill“ verursacht hat, gehen die Schätzungen weit auseinander.
Ich möchte beispielsweise den Tourismus nennen. Selbst wenn wir das Zwei-Grad-Ziel erreichen, wird in Sachsen in wenigen Jahrzehnten kaum noch Wintersport möglich sein. Hierbei wird es Umsatzrückgänge geben. Es wird in Anpassungsstrategien zu investieren sein. Herr Tillich, Sie wissen, dass gerade dieser Aspekt bei den Annaberger Klimatagen schon Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gewesen ist.
Weitgehend unerforscht sind die Kosten, die uns der Klimawandel im Gesundheitswesen verursachen wird. Es zeichnet sich eine Zunahme von Allergien und der damit zusammenhängenden Krankheiten ab. Klimabedingte Todesfälle nehmen zu. Im Jahrhundertsommer 2003 wurden in dieser Rubrik europaweit 58 000 Tote gezählt. Ich möchte Sie auch daran erinnern, dass wir mit einer Zunahme der sogenannten Tropennächte zu rechnen haben. Das sind Nächte, in denen die Temperatur nachts nicht unter 20 Grad absinken wird, und das hat aufgrund des Stresses, der für den Körper besonders von alten Menschen und Kindern hervorgerufen wird, fatale Folgen. Bekannt sind die Folgen im Bereich der Herz-KreislaufErkrankungen. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass die Anophelesmücke vom Stamm der Anopheles algeriensis klimabedingt mittlerweile in Norddeutschland heimisch geworden ist. Wir müssen also damit rechnen, dass uns der Klimawandel möglicherweise ein Malariaproblem schaffen wird.
Im Gegensatz zum Bereich Gesundheit sind die Kosten des Klimawandels bei den Schäden relativ genau prognostizierbar. Es ist ganz gleich, ob wir das Jahrhunderthochwasser von 2002 oder den Sturm „Kyrill“ als Wetter- oder Klimaereignis bewerten, fest steht: Durch die Erwärmung der Erde nehmen Extremwetterereignisse wie Starkniederschläge, Orkane und lange Trockenperioden zu. Dies alles hat Ihr Amt, Herr Tillich, aufs Sorgfältigste dokumentiert. Auch die Versicherungswirtschaft berichtet seit Jahren über diese Entwicklungen. Hochwasserschutzprogramme – wir haben es mehrmals angesprochen – sind tatsächlich Folgekosten, die wir alle zu tragen haben, und das sind Klimafolgekosten.
Diesen Kosten wäre die Investition gegenüberzustellen, die wir veranlassen müssen, um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen. Wie schaffen wir es, uns bei den Emissionen pro Kopf und Jahr auf zwei Tonnen zu beschränken? Zurzeit liegen wir in Sachsen bei 14 Tonnen. Das erste Ziel der EU zu erreichen – die 30 % bis 2020 – würde Emission pro Kopf und Jahr von 7 Tonnen bedeuten, also eine Absenkung um die Hälfte. Für uns in Sachsen ist es unmöglich. Es sei denn, dass Vattenfall mit all seinen Kraftwerken vom Netz ginge. Bei einer Anpassungsstrategie für den Klimawandel haben wir mit der heimischen
Braunkohle ein Problem. Ich habe das öfter thematisiert. Umso stärker sind wir in der Pflicht, uns jetzt mit langem Atem auf den Weg zu machen. Unser heutiger Antrag soll dafür wichtige Voraussetzungen liefern.
Der Klimawandel verursacht nicht nur Kosten, sondern bringt auch ökonomische Prozesse in Gang. In den letzten Wochen und Monaten haben wir beispielsweise Heizöl und -gas eingespart. Ökonomisch viel interessanter sind die Aspekte der erneuerbaren Energien. Wir haben es hier schon oft genug gesagt und ich kann nur feststellen, dass mittlerweile alte Gegner des EEG, Herr Lehmann, sich etwas gemäßigt haben und sich allmählich – vermeine ich zu vernehmen – zu einer leichten Zustimmung – möglicherweise irgendwann, in naher Zukunft – durchringen könnten, um es vorsichtig auszudrücken.
Jedenfalls sprechen die Arbeitsplätze, die geschaffen werden, und die positiven Nachrichten, die uns zum Glück mittlerweile fast monatlich erreichen, hier eine eigene Sprache.
Ähnlich, wie wir bei den erneuerbaren Energien einen Boom haben, geht es jetzt darum, dass wir bei den Themen Energieeinsparung, Energieeffizienz und Energiedienstleistungen einen solchen Boom auslösen. Im Bereich der Energieeffizienztechnologien sind heute schon Weltmarktvolumina von K 400 Milliarden Euro gegeben. Der größte Teil davon entfällt auf die Sektoren Mess-, Steuer- und Regeltechnik, den Bereich der Haushaltsgeräte sowie Gebäude-, Heiz- und Klimatechnik. Weltweit wird in diesen Bereichen von einem soliden Marktwachstum von K 5 % ausgegangen.
Bis 2030 beträgt das unmittelbar der Steigerung der Energieeffizienz zurechenbare zusätzliche Marktvolumen – schön, dass Sie eingetroffen sind, Herr Staatsminister – ohne den Transportsektor K 1 000 US-Dollar, die etwa zu einem knappen Drittel in Nicht-OECD-Staaten und zu zwei Dritteln in OECD-Staaten anfallen. Die Industrie steht für gut 40 %, während der Gebäudebereich einschließlich nichtindustrieller elektrischer Technologien K 60 % repräsentiert. Die Marktpotenziale allein im Bereich Recycling belaufen sich weltweit auf circa 55 Milliarden Euro.
Diese Zahlen – Herr Staatsminister Jurk, deshalb habe ich Sie gerade erwähnt – entnehme ich einer Veröffentlichung Ihres Parteifreundes Gabriel, seines Zeichens Bundesumweltminister. Was ich hier für den Bereich Effizienz ausgeführt habe, ließe sich auch für die anderen Segmente des Klimaschutzes untersetzen.
Sie sehen, meine Damen und Herren, in der Herausforderung des Klimawandels stecken nicht nur Gefahren. Nein, in der Herausforderung liegen auch Chancen. Um diese zu nutzen, sollten wir unsere gewohnte Denkweise nicht nur in der Umwelt, sondern auch in der Wirtschafts-, Finanz- und Wissenschaftspolitik auf den Prüfstand stellen. Dazu will unser Antrag heute einen ersten Beitrag
leisten. Lassen Sie uns gemeinsam einen ökonomischen und einen monetären Blick auf den Klimawandel werfen.
Wie die Staatsregierung einen Parlamentsauftrag ausführt, ist ihre Sache. Ich denke, unser Antrag wäre eine gute Gelegenheit, eine interministerielle Arbeitsgruppe ins Leben zu rufen. Bislang ist der Klimawandel das Thema einer Handvoll Spezialisten, die im LfUG und der Landesanstalt für Landwirtschaft Detailfragen bearbeiten. Wenn ein Thema, wie in der letzten Woche geschehen, auf der ersten Seite der „Bild“-Zeitung auftaucht, ist spätestens der Zeitpunkt gekommen, an dem das Thema die Nische verlassen hat. Beim Klimawandel ist das längst geschehen. Er ist die zentrale Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert, um mit den Worten eines CDU-Politikers zu sprechen. Es ist ein Thema, das uns über lange Jahre nicht mehr loslassen wird. Es ist ein Thema, bei dem die Bevölkerung mit Fug und Recht von uns Politikern Antworten erwartet. Deshalb bitte ich Sie mit Nachdruck auch zu dieser späten Stunde um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nichts ist beständiger als der Wandel. Das trifft auch auf den Klimawandel zu. Den gibt es schon so lange, wie es den Planeten Erde gibt. So lange haben Menschen Anpassungsstrategien in Phasen der Erwärmung und in Phasen der Abkühlung entwickelt. Nur das Tempo des Klimawandels ist neu. So rasant wie in den letzten 100 Jahren haben wahrscheinlich Klimaveränderungen nie zuvor stattgefunden. Natürliche Klimaschwankungen werden von anthropogenen Faktoren überlagert und zurzeit deutlich verstärkt.
Die Folgen spüren wir global immer deutlicher in Form der Vergrößerung des Ozonlochs, des Abschmelzens der Polkappen und der Gletscher, aber eben auch lokal hier bei uns in Sachsen mit der höheren Häufigkeit von extremen Wetterereignissen, mit der Zunahme der Winterniederschläge bei gleichzeitigem Rückgang im Sommerhalbjahr und der Erhöhung der Jahresdurchschnittstemperatur in den letzten 50 Jahren von einem Grad.
Der Klimawandel macht vor Sachsen nicht Halt, und so müssen wir entschlossen handeln. Alles heute unterlassene Handeln wird der Menschheit mittel- und langfristig sehr teuer zu stehen kommen. So weit können wir als CDU-Fraktion auch das Grundanliegen des Antrages, die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels zu beleuchten, nachvollziehen.
Nur, betrachten wir des Pudels Kern genau. Was ist die Intention des Antrages? Sie wollen wieder einmal eine Studie, eine Studie, die die möglichen Folgen des Klimawandels beschreibt und quantifiziert. In der Antragsbegründung wird Bezug genommen auf die viel beachtete
Studie von Sir Nicholas Stern, der auf 600 Seiten Umfang die Folgen des Klimawandels weltweit bewertet hat. Allerdings wird von Experten als Schwäche dieser Studie gerade der Teil der Schadensberechnung wegen des Zugrundelegens extrem pessimistischer Szenarien ausgemacht. Mögliche Schäden seien viel zu hoch und die Kosten für die Emissionsreduktion viel zu niedrig angesetzt worden. Die Schlussfolgerungen dieser Studie hingen entscheidend von den in den Modellberechnungen zugrunde gelegten Diskontierungssätzen, mit denen der Gegenwartswert der künftig zu erwartenden Schäden berechnet wird, ab. – So weit zur fachlichen Bewertung der Studie.
Genau aus diesem Grunde hält meine Fraktion ein solches, ein weiteres Gutachten für Sachsen mit den zwangsläufig enthaltenen Unschärfen – gerade wegen der unklaren Berechnungsgrundlagen – für entbehrlich. Union und Staatsregierung setzen statt auf Studie seit Jahren konsequent auf Handeln, und das in zweierlei Hinsicht:
erstens die Treibhausgasemissionen auf der Basis des integrierten sächsischen Klimaschutzkonzeptes, das sich nicht überlebt hat, Herr Lichdi, sondern ständig fortzuschreiben ist, konsequent zu vermindern und
Die Veränderung des Klimas in den kommenden Jahrzehnten lässt sich angesichts der langen Nachwirkungszeit des Treibhausgases nicht aufhalten. In den nächsten 50 Jahren wird der Erwärmungsprozess fortsetzen, selbst wenn wir heute den Ausstoß an Treibhausgasen auf null reduzieren. Das müsste allen klar sein. Gerade deshalb müssen wir jetzt vorrangig unsere Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme in gewissem Maße vor den Folgen schützen, unter anderem durch bessere Information. Dafür gibt es im Freistaat bereits eine ausgezeichnete fachliche Vorarbeit.
Insbesondere durch die Studie „Klimawandel in Sachsen – Sachstand und Ausblick“ von 2005 hat der Freistaat eine fachlich fundierte Grundlage geschaffen, mit deren Hilfe die Entscheidungsträger und Akteure in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Wasserwirtschaft und Talsperrenbewirtschaftung, im Tourismus, in der Gesundheitsfürsorge, im Naturschutz und auch in der Landesentwicklung und Stadtplanung eine langfristige Planungsgrundlage haben. Damit können die möglichen Auswirkungen des Klimawandels im jeweiligen Aufgabenbereich prognostiziert und, daraus abgeleitet, frühzeitig und vorsorgend Anpassungsstrategien geplant und umgesetzt werden. Dadurch wird es auch zu Kostenreduzierungen und Kostenbegrenzungen kommen.
Machen wir uns jedoch nichts vor. Auch bei größter Anstrengung auf diesem Sektor wird aus Sachsen keine Insel der Glückseligen im globalen Klimawandel zu machen sein. Dazu zwei Fakten: 85 % aller Treibhausgase werden nach wie vor außerhalb Europas emittiert. Die aufstrebenden Volkswirtschaften Chinas, Indiens usw. werden laut der Stern-Studie ihren Energiehunger in den
nächsten 50 Jahren überwiegend aus fossilen Energieträgern stillen. Der Verlust natürlicher Wälder auf der Erde trägt mehr zur globalen jährlichen Emission bei als der Verkehrssektor. Die Industrieländer sind gefragt, den aufstrebenden Volkswirtschaften und Entwicklungsländern mit Know-how und finanzieller Unterstützung in ihrem eigenen Interesse zu helfen. Ein Euro in den Umweltschutz dieser Länder investiert, bringt gegenwärtig den zehnfachen Nutzen als in Europa.
Unsere Bundeskanzlerin Merkel, die als ehemalige Bundesumweltministerin 1997 mit am Verhandlungstisch von Kyoto 1 saß, hat gestern bei der Eröffnung des Weltwirtschaftsgipfels in Davos vor über 2 000 Vertretern aus Politik und Unternehmen die Vorreiterrolle Europas beim Klimaschutz betont und diese zur globalen Überlebensfrage erklärt. Sie hat angekündigt, dass im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft die Fortführung der internationalen Klimaschutzverhandlungen ein Schwerpunktthema sein wird.
Doch wieder zurück zu Sachsen und zu dem vorliegenden Antrag, den man nur im globalen oder zumindest im europäischen Gesamtzusammenhang sehen kann. Eine ökonomische Gesamtbetrachtung der Kosten des Klimawandels für Sachsen durch die Staatsregierung macht aus Sicht der CDU-Fraktion keinen Sinn. Die Auswirkungen in den vorgenannten verschiedenen Wirtschaftssektoren können nur von den jeweiligen Akteuren selbst mit einer gewissen Bandbreite hinreichend genau und vor allem kompetent prognostiziert werden. Dafür bietet die LfUGPublikation eine gute Basis. Man muss sie nur lesen, auswerten, die richtigen Schlüsse ziehen und natürlich auch – das sage ich in Richtung des Hauses – die Studie fortschreiben und anpassen.
Ich bin mir sicher, dass die Akteure in den unterschiedlich betroffenen Wirtschaftsbereichen hier bereits sehr verantwortlich handeln. Somit ist dieser Antrag für die CDUFraktion entbehrlich.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Unterschied zu Frau Windisch halte ich das Anliegen, das die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit ihrem Antrag eingebracht hat, nämlich eine besondere wissenschaftliche Studie zu den wirtschaftlichen und vor allem auch finanziellen Folgen des Klimawandels für Sachsen anzufertigen, für unterstützenswert.
Im Unterschied zu Frau Windisch bin ich schon der Meinung, dass es für die öffentliche Hand, wenn Regierung Politik machen will, sehr wichtig ist, dass man im Ungefähren, im Wahrscheinlichen weiß, was diese Herausforderung in den nächsten Jahrzehnten kosten wird. Dann kann ich eben auch nicht die Auffassung teilen,
wenn an dem Stern-Bericht derartig herumgemäkelt wird – auch wenn dieses Szenario sehr pessimistisch ausfällt. Prognosen haben nun einmal den Charakter, dass sie nur Wahrscheinlichkeiten beschreiben können; wir wissen es nicht genau.
Aber eines ist sicher: Wenn wir heute nicht genügend gegen die Klimaerwärmung tun, wird es übergroße Kosten, finanzielle Belastungen, Wanderungsbewegungen und Naturkatastrophen in Größenordnungen auslösen, und wir werden uns alle wundern, in welchen katastrophalen Szenarien wir uns dann tatsächlich befinden werden.
Ich zitiere nur Tony Blair, denn im Grunde genommen hat Nicholas Stern diesen Bericht im Auftrag der britischen Regierung angefertigt. Tony Blair sagt ganz richtig, dass mit diesem Bericht und der Bezifferung von möglichen finanziellen Belastungen von 5,5 Billionen Euro eine Weltwirtschaftskrise und Rezession – vergleichbar mit der Rezession Ende der Zwanzigerjahre – ausgelöst werden könnte. Tony Blair hat diesen Stern-Bericht ausdrücklich gelobt und gesagt, es sind alle Argumente damit zerstört, um nichts gegen den Klimawandel zu tun.
Er schlägt aber eben auch eine wirtschaftliche Gegenstrategie vor; und zwar nennt er diese Gegenstrategie den Einstieg in eine Niedrigkohlendioxidwirtschaft als ein gigantisches Konjunkturprogramm, das bis 2050 am Weltmarkt etwa rund 500 Milliarden Dollar generieren könnte. Zahlreiche Experten wie die Nobelpreisträger für Ökonomie Richard Solow, Armatyra Sen und Joseph Stieglitz lobten die Arbeit von Nicholas Stern.
Natürlich kamen auch sofort kritische Anmerkungen und Proteste gegen diesen Bericht, vor allem aus den Ölförderstaaten und von der OPEC, wie man sich vorstellen kann. Australiens Ministerpräsident erklärte: Solange sich die großen Klimaverschmutzer wie die USA, China und Indien nicht am Kyoto-Protokoll beteiligen, sei der weltweite Handel mit Verschmutzungsrechten zum Scheitern verurteilt. Diese politische Position halte ich für völlig abwegig. Die Europäische Union und Deutschland können und wollen eine Vorreiterrolle mit dem Ziel spielen, auch die USA, China, Indien und Australien mit ins Boot zu holen. Denn was zunächst kurzfristig in Bezug auf die Kosten des Klimaschutzes als Wettbewerbsnachteil wirkt, wird sich langfristig als technologischer Vorsprung und Standortvorteil erweisen.
Ich halte Barrosos euphemistische Äußerung zur Vision für die Europäische Union für richtig, die ökologische Modernisierung der Marktwirtschaft als nachindustrielle Revolution voranzutreiben.