Ich bedaure sehr, dass Sie diesen wirklich offensichtlich vernünftigen Antrag aus ideologischen Gründen ablehnen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich stelle nun die Drucksache 4/7129 zur Abstimmung. Wer ihr die Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmen dafür ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Dieses eindimensionale und unvernetzte Denken reicht schon nicht mehr aus, wenn man politische Entscheidungen treffen will: Ein winziges Drehen an einer politischen Stellschraube kann zwar den erhofften Effekt bringen, ist aber in der Lage, dann oft unerwünschte Nebeneffekte zu erzeugen, die die wenigsten erwartet haben. Das ist auch einer der Gründe, weshalb politische Entscheidungen heute oft so schwer erklärbar sind.
Gehen wir in den Bereich der Ökologie, wird es noch vernetzter. Eines der ersten Beispiele, was man mir während meines Biologieunterrichts nahebrachte, war das von dem See, dessen Algenbewuchs sich jeden Tag verdoppelt. Der See ist riesengroß und die Algenblüte beginnt in einer kleinen Bucht: Am ersten Tag ist ein Quadratmeter befallen, am zweiten Tag sind es zwei, am dritten Tag vier, dann acht usw. Selbst wenn der See erst zu einem Viertel mit Algen befallen ist, wird das von vielen noch nicht als Bedrohung wahrgenommen, obwohl es nur noch zwei Tage dauert, bis er komplett zu ist. Um im Bild zu bleiben: Klimamäßig befinden wir uns irgendwo in dieser Bucht und sehen den zunehmenden Algenbewuchs – der Sturm von letzter Woche im frühlingshaften Januar war ja nur eines von vielen Zeichen!
Und nur wenige haben die gedankliche Kraft, sich vorzustellen, dass sich in relativ kurzer Zeit unser Wettersystem komplett umstellen kann – ein System, das sich über zigtausende Jahre auf die heutigen immer wiederkehren
den Formen eingepegelt hat und dann auch noch dem viel längeren Rhythmus der Warm- und Eiszeiten unterliegt.
Noch schwieriger wird es, weil zum normalen Wettergeschehen auch Fluktuationen, also nicht genau vorhersagbare Extreme, gehören. Damit trösten sich viele Verantwortliche, die natürlich auch die heutigen Zeichen sehen: Es hat schon immer Ausrutscher gegeben und es gab auch schon Januare, in denen die Blumen geblüht haben. Und es gab schon immer mal ganz starke Stürme mit großen Schäden. Das ist alles richtig.
Aber genau hier beginnt die Trennung der Denkarten und mit ihr die Art der politischen Reaktion oder Verdrängung: Noch ist es eine Mehrzahl der politisch Verantwortlichen – auch hier in Sachsen! –, die sich damit tröstet, dass es Wetterextreme schon immer gegeben hat. Und man vertraut oder – besser – hofft darauf, dass sich schon alles wieder einpegeln werde.
Und dann gibt es solche wie den ehemaligen USamerikanischen Vizepräsidenten Al Gore, der statistische Langzeitbeobachtungen an sich heranlässt und in seine Überlegungen einbezieht. Diese Politiker kommen natürlich zu ganz anderen Ergebnissen. Und diese sind nicht endzeitlich ganz schlimm – das würde im Fatalismus enden –, aber sie sind dramatisch und erfordern baldiges Handeln.
Einer, der sich ökonomische Gedanken darüber gemacht hat, ist der ehemalige Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern. Auf vielen hundert Seiten rechnet er der britischen
Regierung vor, was es kostet, wenn wir einfach mal nichts tun, was wir ja bis auf winzige Ausnahmen heute so machen. Sein wichtigstes Ergebnis (ich wiederhole es): Die Kosten und Risiken des Klimawandels, wenn nichts dagegen unternommen wird, kämen in Abhängigkeit von den angesetzten Parametern einer Einbuße von mindestens 20 % des globalen Bruttoinlandsprodukts jährlich gleich. Dagegen brauchten wir für die Reduzierung der schlimmsten Folgen des Klimawandels jährlich „nur“ circa 1 % des globalen BIP.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN: Was haben wir davon, wenn wir eine Menge Geld dafür ausgeben, um zu wissen, wie viele Milliarden davon auf Sachsen entfallen würden. Brächte uns das einen politischen Erkenntniszugewinn? Ich sage: nein! Alles, was wir heute wissen müssen, wissen wir schon, wenn ideologische Überheblichkeit, Ahnungslosigkeit oder Ignoranz nicht unsere Augen und Ohren verschließen. Dieses Geld wollen wir lieber in gezielte Klimaschutzprogramme investieren!
Dem Antrag der GRÜNEN nach zu urteilen, gibt es an unseren bisherigen Strategien zum Klimaschutz nicht allzu viel auszusetzen. Wie sonst sollten wir es interpretieren, dass von grüner Seite schon Studien zu den wirtschaftlichen Folgen gefordert werden, obwohl derzeitige Studien noch nicht einmal sicher sind, welche Folgen der Klimawandel genau hat.
Beispielsweise rechnen wir aufgrund der erheblichen Niederschlagsrückgänge und der leichten Böden mit deutlichen landwirtschaftlichen Ertragsrückgängen in Nord- und Ostsachsen, können aber nicht abschätzen, wie diese möglicherweise durch Ertragssteigerung im Erzgebirgsvorland kompensiert werden. Ähnliches gilt für die Forstwirtschaft. Insoweit ist eine wirklich belastbare Abschätzung der Gesamtkosten möglicher Anpassungsmaßnahmen für Sachsen derzeit nicht möglich. Diese noch mit Unsicherheiten behafteten Daten sind keine ausreichende Grundlage beispielsweise für die Haushaltsplanung der kommenden Jahre.
Liebe Kolleginnen und Kollegen des grünen Gewissens – ohne sichere Ausgangsdaten wird Ihnen kein Ökonom seriöse Folgekosten errechnen können. Selbst die Münchener Rück, der weltgrößte Rückversicherer, hält sich aufgrund der Unschärfe bewusst mit Konkretisierungen auf Länder-, geschweige denn auf regionaler Ebene zurück.
Es gibt derzeit hunderte Modelle, die ebenso viele mögliche Klimafolgen aufzeigen. Sie haben ja selbst in Ihrem Antrag erwähnt, dass für Sachsen Regionalisierungsstudien zum Klimawandel vorliegen. Übrigens haben wir mit
derartigen Studien schon vor acht Jahren begonnen. Damit waren wir bundesweit Vorreiter. Aber auch diese Studien weisen beim Anstieg der Jahresmitteltemperatur ein Spektrum zwischen 2,4 und 3,2 °C aus.
Seriöse Politik heißt für mich, nie den zweiten Schritt vor den ersten zu setzen. Wir gehen daher zurzeit – ausgehend von den Klimaprojektionen – der Frage nach, welche Auswirkungen diese Klimaveränderungen auf die verschiedenen Bereiche menschlichen Wirtschaftens haben werden. Dazu zählen die Land- und Forstwirtschaft, die Wasserwirtschaft einschließlich der Talsperrenbewirtschaftung oder auch unsere Ökosysteme.
Dabei wird uns die Bergakademie Freiberg helfen, die zurzeit mit den Fachbehörden meines Geschäftsbereiches sowie mit polnischen, tschechischen, slowakischen, britischen und österreichischen Partnern ein umfassendes Forschungsprojekt vorbereitet. Ziel ist es, ein System zu entwickeln, das trotz mancher Unsicherheiten der Klimamodelle hilft, auch künftig langfristige Investitionsentscheidungen beispielsweise in der Forstwirtschaft oder in der Talsperrenbewirtschaftung begründet treffen zu können.
Erst wenn wir einigermaßen gesicherte Ausgangsdaten vorliegen haben, ist es meines Erachtens sinnvoll, ökonomische Folgeabschätzungen vorzunehmen. Im Übrigen lassen sich zumindest näherungsweise mit erheblich geringerem Aufwand ökonomische Abschätzungen aus den bereits vorhandenen Studien ableiten.
Parallel zu unseren wissenschaftlichen Untersuchungen treiben wir auch den praktischen Klimaschutz voran. Dazu benötigen wir keine neue Studie zur CO2Minderung. Wir senken im Rahmen des derzeitig Möglichen die Emission von Treibhausgasen mit zahlreichen Maßnahmen zur Erhöhung der Energieeffizienz. Und wir bauen die Nutzung erneuerbarer Energien aus. Damit setzen wir das Signal, langfristig die Energieerzeugung aus Braunkohle durch erneuerbare Energien abzulösen.
Sie wissen genauso gut wie ich, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, dass das nicht von heute auf morgen geht. Wollten wir den derzeit modernsten Braunkohlenkraftwerkspark in Sachsen abschalten, würden ältere und ineffizientere Kraftwerke an anderen Standorten außerhalb Sachsens für sofortigen Ersatz sorgen.
Eine solche, sehr begrenzte Sichtweise ist nicht meine Sache und entspricht auch nicht dem Klimaschutz als globaler Herausforderung. Das haben wir bereits mehrfach in diesem Kreis diskutiert. Daher lehne ich Ihren Antrag ab.
Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen
Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht trotzdem ein Abgeordneter, das Wort zu nehmen? – Alle bleiben sitzen. Das ist also nicht der Fall.
Wir stimmen nun ab über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 4/7638. Wer gibt die Zustimmung? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmenthaltungen wurde mehrheitlich zugestimmt. Ich beende den Tagesordnungspunkt.
Wird dazu das Wort gewünscht? – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Gemäß § 99 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit die Zustimmung des Plenums entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest, es sei denn, es wird ein anderes Stimmverhalten angekün
digt. – Ich sehe, dass das nicht der Fall ist. Damit ist der Sammeldrucksache im Sinne von § 99 Abs. 7 Geschäftsordnung durch den Landtag zugestimmt. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.
Zunächst frage ich den Berichterstatter, ob er eine mündliche Ergänzung machen will. – Das ist nicht der Fall.
Zu verschiedenen Beschlussempfehlungen haben die Linksfraktion.PDS bzw. die Fraktion der NPD ihre abweichende Meinung bekundet. Die Zusammenstellung dieser Beschlussempfehlungen liegt Ihnen zu Drucksache 4/7640 vor. Gemäß § 99 Abs. 7 der Geschäftsordnung stelle ich hiermit zu den Beschlussempfehlungen die Zustimmung entsprechend dem Abstimmungsverhalten im Ausschuss fest, es sei denn, es wird ein anderes Stimmverhalten angekündigt. – Das ist nicht der Fall.
Damit ist die Tagesordnung der 71. Sitzung abgearbeitet. Die nächste Plenarsitzung ist für morgen, Freitag, den 26. Januar 2007, 10:00 Uhr, einberufen. Die 71. Sitzung ist damit geschlossen. Ich wünsche einen guten Nachhauseweg.