Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Frau Präsidentin! Werte Damen und Herren Abgeordneten! Es ist schön, dass es Männer gibt, die sich noch der Sorgen der Frauen annehmen.

(Beifall des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion.PDS)

Deshalb möchte ich es noch einmal wiederholen: In Deutschland gibt es seit 2002 einen Bundestagsbeschluss zur Einführung des Mammografie-Screenings. In Sachsen liegt seit Mai 2006 – also vier Jahre später – ein Gesetzentwurf zur Einführung eines Screening-Programms vor. Das war ein Gesetzentwurf der Regierung mit dem Ziel, zum 1. Januar dieses Jahres zu beginnen. Aber nun kann das nicht pünktlich umgesetzt werden. Diese Verzögerung ist nicht mehr zu verhindern.

Was wurde seit Mai letzten Jahres zur Umsetzung des Gesetzes getan, Frau Ministerin, und welche Vorarbeiten wurden geleistet?

Im Moment gibt es damit noch eine Benachteiligung für 550 000 sächsische Frauen. Sie müssen noch immer für die Vorsorgeuntersuchung bezahlen, wenn sie diese durchführen lassen wollen. Oder sie nehmen nicht daran teil.

Andere Bundesländer haben den Bundestagsbeschluss seit Jahren umgesetzt und halten dieses kostenfreie Angebot für ihre Frauen vor. Bayern hat seit 2003 ein flächendeckendes, qualitätsgesichertes Mammografie-ScreeningProgramm. Ausdrücklich hinweisen möchte ich auf die mobilen Screening-Stationen, die allen Frauen der Altersgruppe den Zugang zu diesem präventiven Angebot erleichtern. Die rasche Umsetzung war durch eine beispiellose Zusammenarbeit mit der AOK Bayern, den Ministerien und den Experten aus der Brustkrebsdiagnostik und -therapie möglich.

(Elke Herrmann, GRÜNE, tritt ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, das möchte ich nicht.

Das Programm der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern bietet den Frauen eine qualitätsgesicherte Brustkrebsfrüherkennung nach europäischem Vorbild. Sachsen kann hier nur nach Bayern schauen und versuchen, das so schnell wie möglich umzusetzen.

Das bayerische Ministerium hat das Programm von Beginn an in eigener Verantwortung unterstützt und Fördermittel bereitgestellt. Dieser frühe Beginn war nur möglich, weil bereits eine gute Vorarbeit geleistet wurde. Durch die Kassenärztliche Vereinigung und die Landesärztekammer wurden Ärzte auf ihre Qualifikation überprüft und spezielle Schulungsprogramme angeboten. Insgesamt haben in Bayern derzeit 145 Ärzte alle Anforderungen erfüllt und erhielten ein Zertifikat für die Teilnahme am Screening-Programm. Weiterhin wurden die

Auflagen für die eingesetzten Röntgengeräte gemäß der EU-Förderrichtlinie erfüllt.

Welche Vorarbeiten wurden bisher in Sachsen geleistet, um diesen Zeitverzug zu kompensieren? Jeder Zeitverzug in Sachsen bedeutet weniger Vorsorge für Frauen und mehr erkrankte Frauen. Herr Zastrow hat es bereits gesagt: In Sachsen betrifft das jährlich 2 600 Frauen und deren Familien. Im Jahr 2005 haben 840 dieser Frauen den Kampf gegen Brustkrebs verloren.

Sehr geehrte Damen und Herren! MammografieScreening ist ein Programm der Früherkennung. Früherkennung ist aber nur möglich, wenn die Voraussetzungen zeitig genug zur Verfügung stehen. Sonst nützen uns das beste Programm und auch das von uns beschlossene Gesetz nichts.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Das Gesundheitswesen in Sachsen ist da wohl eher ein Reparaturbetrieb. Das ist kurzsichtig, weil durch Vorsorge viel Geld gespart und menschliches Leid verhindert werden könnte. Für mich ist eine gute Prävention das bessere Arzneimittelsparpaket.

Die Linksfraktion.PDS wird diesen Antrag unterstützen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS und der FDP)

Die SPDFraktion? – Sie möchte nicht sprechen. NPD-Fraktion? – Herr Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Frau Staatsministerin! Meine Damen und Herren! Vier Jahre ist die Entscheidung des Deutschen Bundestages her, das Mammografie-Screening flächendeckend einzuführen. Die Planung sah ursprünglich vor, dass die Umsetzung in die Praxis bundesweit bis zum Jahr 2005 abgeschlossen sein sollte, wobei sich Länder und ärztliche Selbstverwaltungen ergänzen sollten.

Tatsächlich ließen sich bis Ende 2005 lediglich 46 % der Bundesrepublik mit einer Screening-Regelversorgung abdecken. Aktueller Stand ist, dass neben einigen Schlusslichtern in den Altbundesländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Sachsen erst im Laufe des Jahres 2007 – Sachsen voraussichtlich im III. Quartal – in die Regelversorgung gehen werden.

Kollege Zastrow hat das erst dieser Tage in der „Sächsischen Zeitung“ als „unerträglich“ bezeichnet. Unerträglich, wenn man den ursprünglichen Zeitplan als Messlatte nimmt. Ich denke aber, dass man hierbei die Kirche im Dorf lassen sollte; denn zum einen dauert es seine Zeit, bis ein nationales Screening-Programm vollständig etabliert ist. Das lehrt die Erfahrung in Schweden und in den Niederlanden, wo es neun Jahre dauerte, bis das System eingerichtet war und flächendeckend zufriedenstellend funktionierte.

Bei aller gebotenen Eile – hier teile ich die grundsätzliche Position des Kollegen Zastrow nur teilweise –, sei mir als Arzt die Feststellung gestattet, dass der Aufschub bis zum

III. Quartal 2007, der dann hoffentlich der letzte gewesen sein wird, gleichwohl kein Weltuntergang ist. Im Freistaat Sachsen gibt es durchaus Ausweichmöglichkeiten zur allgemeinen Screening-Untersuchung, zum Beispiel die Wahrnehmung regelmäßiger gynäkologischer Vorsorgeuntersuchungen und die danach erfolgende verdachtsorientierte Überweisung zur Mammografie, die schon jetzt flächendeckend im Freistaat Sachsen möglich ist.

Nicht zuletzt sollte man selbst bei hoffnungsvollen medizinischen Projekten wie dem MammografieScreening auch einmal vor übertriebenen Erwartungen warnen. Die offizielle Absicht, durch das Screening werde sich die Sterblichkeit von an Brustkrebs Erkrankten erneut um 30 % senken lassen, ist sicherlich übertrieben, zumal man weiß, dass die Brustkrebssterblichkeit in den zurückliegenden zwölf Jahren schon einmal um etwa die gleiche Höhe zurückgedrängt werden konnte.

Dennoch wird meine Fraktion das grundsätzliche Anliegen des Punktes 1 des Antrages unterstützen. Das heißt, dass jetzt umgehend die Umsetzung des MammografieScreenings erfolgen sollte. Die Punkte 2 und 3 sind meiner Meinung nach überflüssig. Wir bitten deshalb um punktweise Abstimmung.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Frau Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Natürlich ist es ärgerlich, wenn der einmal verkündete Zeitplan nicht eingehalten wird. Aber das ist ein Fachproblem und ein Fachthema und gehört deshalb in den Fachausschuss.

Frau Orosz, warum berichteten Sie darüber nicht im Sozialausschuss? Dazu wäre doch im Dezember oder Januar Gelegenheit gewesen und Sie hätten uns die Debatte heute hier im Hohen Haus ersparen können.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion.PDS und der SPD)

Das wäre der direkte und angemessene Weg gewesen, und den Frauen wäre es erspart geblieben, diese erneute Verunsicherung hinnehmen zu müssen. Stattdessen informieren wir uns über die Presse. Deshalb gibt es den Berichtsantrag der FDP und den kann man eigentlich nicht ablehnen.

Im Interview am Montag sagten Sie, Frau Staatsministerin, dass andere Bundesländer deshalb schneller waren, weil sie nicht solch einen akribischen Datenschutz akzeptieren mussten. Schwarzer Peter ist ein Kartenspiel für Kinder. Wir haben mit unseren Änderungsanträgen dafür gekämpft, dass die vom Screening betroffenen Frauen ihr Recht auf Nichtwissen wahren können.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Das ist im Bereich der Medizin international gültiger ethischer Standard und keine datenschutzrechtliche Akribie. Dies wollten wir und haben wir für die Frauen in Sachsen erreicht. Ein Blick auf die bundesweite Homepage zum Mammografie-Screening zeigt, dass erst Ende 2007 in allen Bundesländern zum Screening eingeladen wird. Wir sind beileibe nicht die Ersten, aber wir werden hoffentlich nicht die Letzten sein. Ich frage mich aber, ob wir eine Alles-oder-nichts-Lösung für Sachsen brauchen. Fünf Screening-Einheiten sind für Sachsen vorgesehen. Könnten nicht diejenigen, die schon jetzt den Standards entsprechen, ihre Arbeit aufnehmen?

Im „SZ“-Interview sagten Sie, Frau Orosz, dass nicht in allen Regionen entsprechend qualifizierte Bewerber für die Screening-Einheiten vorhanden sind. Müssen deshalb alle Frauen warten? In anderen Bundesländern gibt es Beispiele, dass die Einheiten nacheinander ihre Arbeit aufgenommen haben. Dann wäre die Gruppe der Frauen kleiner, für die gemeinsam mit den Krankenkassen eine Lösung gefunden werden müsste, um die Zeit bis zum Start zu überbrücken.

Ich weiß nicht, wie Frau Lauterbach darauf kommt, dass die Frauen die Untersuchung selbst bezahlen müssen. Das ist schon seit geraumer Zeit nicht mehr der Fall. Die Frauen können beim Frauenarzt auf diese Untersuchung drängen. Dann wird sie auch vorgenommen, ohne dass die Frauen bezahlen müssen.

Frau Orosz, wie viele anspruchsberechtigte Frauen wären es noch, wenn wir die Screening-Einheiten nach und nach an den Start gehen ließen? Wir hoffen, dass die jetzt aufgetretenen Probleme mit gutem Willen und einem Schuss Kreativität in dieser Beziehung schnell überwunden werden.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Wünscht von den Fraktionen, außer der FDP, noch jemand das Wort? – Das ist nicht der Fall. Frau Ministerin, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Zastrow, gestatten Sie mir, Sie als Ersten anzusprechen. Es ist eigentlich die ureigenste Aufgabe der Opposition, die Regierungsarbeit zu kontrollieren und ihre Missstände zu kritisieren. Was Sie jedoch mit Ihrem Antrag zum Mammografie-Screening machen, ist – da schließe ich mich meiner Kollegin Kerstin Nicolaus an – purer Populismus.

Wider besseres Wissen – ich betone noch einmal: wider besseres Wissen – versuchen Sie den Eindruck zu erwecken, dass die Staatsregierung es allein in der Hand habe, die notwendigen Voraussetzungen für den Start des Mammografie-Screenings zu schaffen.

Ich darf noch einmal auf Ihre Fragen eingehen. Mein Haus hat im Jahre 2006 alle rechtlichen Voraussetzungen für den Beginn des Mammografie-Screenings in Sachsen

geschaffen. Dazu gehören nicht nur das Gesetz über die Durchführung eines Mammografie-Screenings, sondern auch der Abschluss der Verwaltungsvereinbarung mit der Kassenärztlichen Vereinigung zur Durchführung des Einladungswesens, die Erteilung der röntgenrechtlichen Genehmigung zur Durchführung und freiwilligen Röntgenreihenuntersuchung sowie die vorläufige Vereinbarung einer Kostenregelung mit dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag für die Übermittlung der Meldedaten.

Die weitere Organisation obliegt – ich gehe davon aus, dass Sie das wissen, Herr Zastrow, und ich möchte es noch einmal ausdrücklich betonen – der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen. In der Tat lasse ich mir regelmäßig von der KVS über den Sachstand berichten.

Ich gebe Ihnen recht, dass natürlich die derzeitige Situation nicht zufriedenstellend ist, aber es ist für den Außenstehenden vielleicht nicht auf den ersten Blick nachvollziehbar, warum für die Einführung des Screenings eine längere, für uns alle nicht tragfähige Vorbereitungszeit notwendig ist. Natürlich müssen nach Abschluss des Ausschreibungsverfahrens die eingereichten Konzepte für die Screening-Einheiten zunächst einer fachlichen Überprüfung unterzogen werden. Die Kassenärztliche Vereinigung hat diese Überprüfung, wie in der Krebsfrüherkennungsrichtlinie vorgesehen ist, innerhalb von zwei Monaten vorgenommen und die vorläufigen Genehmigungen erteilt. An die Erteilung der vorläufigen Genehmigung schließt sich eine weitere neunmonatige Realisierungsphase bis zur Erteilung der endgültigen Genehmigung an. Diese wird unter anderem benötigt, damit sich die Ärztinnen und Ärzte fortbilden können.

(Holger Zastrow, FDP, winkt ab.)

Außerdem sind bestimmte technische Voraussetzungen zu schaffen, von denen wir schon gesprochen haben. – Sie brauchen nicht abzuwinken, Herr Zastrow. Das ist ein Beweis dessen, dass Sie sich vorher nicht informiert haben, wie der regelgerechte Werdegang ist.