Protokoll der Sitzung vom 26.01.2007

Der ist auch dringend nötig, denn 2008 findet die 9. UNVertragsstaatenkonferenz zum Erhalt der biologischen Vielfalt in Deutschland statt. Nichts ist peinlicher, meine Damen und Herren, da stimmen Sie mir sicher zu, als vor

Fachleuten aus der ganzen Welt als Gastgeber 2008 ohne eine wirksame nationale Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt dazustehen.

Meine Fraktion fordert deshalb, die Bundesstrategie mit einer Landesstrategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt zu unterlegen, auch wenn das die Staatsregierung in ihrer Stellungnahme zu unserem Antrag ablehnt. Die Ziele für eine solche Strategie haben wir dem Beschluss der Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel 2001 in Göteborg entnommen. Bis 2010 soll in der EU das Artensterben gestoppt werden. Wir fordern zusätzlich entsprechend dem Entwurf der Nationalen Strategie, dass für Arten, für die Sachsen eine besondere Eigenverantwortung trägt, bis 2020 überlebensfähige Populationen existieren. Gute Argumente für eine solche Strategie lieferten gestern Prof. Mannsfeld und Minister Tillich in ihren Beiträgen.

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin)

Prof. Mannsfeld sprach von einem Artensterben trotz Ausweitung der Schutzgebietsfläche in Sachsen. Besonders benannte er das Artensterben in der offenen Landschaft als nicht gelöstes Problem. Minister Tillich gab zu, das Artensterben nicht im Griff zu haben. Was ist dazu geeigneter, als eine Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt mit klaren Zielen und Terminen, einzelnen Schritten und einer Evaluation in Gang zu setzen? Wie könnte eine solche Strategie aussehen? Dazu gibt uns der Sachverständigenrat für Umweltfragen eine Antwort: „Kernanliegen einer Biodiversitätsstrategie sollte ein verstärkter und erweiterter Naturschutz, eine umfassende Integration des Schutzes der Biodiversität in sektorale Politikbereiche und die gemeinsame Bearbeitung von Querschnittsthemen durch beteiligte Akteure sein.“

Eine solche Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt sollte erstens konkrete, gut begründbare und messbare Umweltqualitätsziele für die drei Ebenen der Biodiversität in allen relevanten Politikbereichen und zweitens konkrete, gut begründbare Kriterien und Indikatoren zur Berichterstattung und Ergebniskontrolle enthalten.

Herr Minister Tillich, an Sie richte ich eine Frage: Wie wollen Sie diese hohen Ziele, die international wie auch national vorgegeben sind, ohne eigenständige sächsische Strategie erreichen? Geben Sie sich einen Ruck und verlassen Sie endlich Ihre Verteidigungshaltung. Sie befinden sich in durchaus illustrer Gesellschaft, wenn Sie das Thema Biodiversität zur Chefsache machen. Es verspricht Ihnen Ruhm, den Sie durchaus mögen,

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Ja!)

ja, genau – und Sie finden Parteifreunde, die Ihnen das bereits erfolgreich vorgemacht haben. Prof. Klaus Töpfer spielte 1992 bei der Erarbeitung der Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt eine zentrale Rolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in einer Rede auf der Jahresveranstaltung des Rates für nachhaltige Entwicklung in Berlin im September 2006 von der Herausforderung, sich national wie international dem Erhalt der biologischen Vielfalt zu stellen.

Herr Tillich, natürlich ist der Schutz der Biodiversität eine Querschnittsaufgabe, die Sie nicht allein bewältigen können. Minister Jurk muss endlich die Mittel der klassischen Wirtschaftsförderung für die Großschutzgebiete bereitstellen, und Minister Buttolo ist verantwortlich dafür, dass die großen Lücken in der Landschaftsplanung verkleinert werden. Aber Sie müssen koordinieren, denn Sie sind der Umweltminister. Auf die Landwirtschaft haben Sie selbst direkten Zugriff.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu Zeiten der PISA-Studien und der Problematisierung der Entwicklungsverläufe unserer Kinder und Jugendlichen abschließend auf die positiven Aspekte von Naturerfahrung hinweisen. Erziehungswissenschaftler und Psychologen sind sich mittlerweile einig: Naturerfahrung stärkt das Lebensgefühl, sie schult die sinnliche Wahrnehmung und das ästhetische Empfinden. Außerdem vermindert Naturerfahrung Aggressivität, fördert die Aufmerksamkeit, Konzentration und Wahrnehmungsfähigkeit sowie die Ausbildung motorischer Fähigkeiten. Die Grundvoraussetzung der Naturerfahrung, wie sie sein sollte, ist eine hohe Biodiversität.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke schön.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN)

Ich rufe die CDUFraktion; Herr Prof. Mannsfeld, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch wenn wir am Ende einer langen und sicherlich anstrengenden Plenarwoche stehen, ist noch einmal ein Thema auf der Tagesordnung, mit dem wir uns – das will ich nicht bestreiten – immer und zunehmend gründlich und nicht oberflächlich auseinandersetzen müssen. Aber mir ist nicht so recht klar geworden, zu welchem Antrag die Frau Kollegin vor mir gesprochen hat, denn der eingereichte Antrag ist lediglich in den Ziffern 1 und 2 mit dieser Materie verbunden. Ich halte es für keine günstige Konstellation, über einen Antrag abzustimmen, der nach Abschluss der Ausweisung der Vogelschutzgebiete und nach Verabschiedung des Haushalts Nachforderungen an die Anmeldung bei der EU und Wünsche an die Gestaltung des Haushalts beinhaltet. Verehrte Kolleginnen und Kollegen dieser Fraktion, das kann man nur ablehnen, weil es nicht mehr zeitgemäß ist und nicht mehr mit der Realität übereinstimmt.

(Beifall bei der CDU)

Ich hatte vor, die eine oder andere Anmerkung zu machen, aber ich muss mich ein Stück weit mit Ihrem Redebeitrag auseinandersetzen. Ich weiß nicht, wer darauf geachtet hat. Sie haben einleitend in Bezug auf die gestrige Debatte davon gesprochen, dass es für Sie, also für Ihre Fraktion, nachrangig ist, wenn wir, also die Koalition, Erfolge im Naturschutz benennen. Genau das werfe ich Ihnen vor! Das sind nicht unsere Erfolge im Sinne der Fraktionen,

sondern es werden die Erfolge, die in Sachsen für die ganze Bevölkerung und die Natur errungen worden sind!

(Beifall bei der CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Prof. Mannsfeld?

Wir können gern in das Protokoll hineinschauen.

Gestatten Sie die Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Gestatten Sie mir bitte eine Richtigstellung?

Eine Richtigstellung nicht, nur eine Frage.

Gut, dann möchte ich fragen, ob es Ihnen aufgefallen ist, dass ich in meinem Redebeitrag formuliert habe, dass die Erfolge, die Sie erzielt haben, einer Öffentlichkeit bedürfen und dass ich es sehr schätze, dass Sie diese Werbetrommel rühren.

Diesen Kontext habe ich nicht in Erinnerung. Ich habe nur gesagt, was ich schon einmal ausgeführt habe: dass Sie es als für Sie nicht so entscheidend ansehen – ich habe es ja notiert –, wenn Sie, bezogen auf unsere Fraktion, Erfolge benennen.

An Ihren Worten will ich Sie erkennen. Erfolge, die durch andere Verantwortungsträger in der politischen Landschaft zustande gekommen sind, sind letztlich Erfolge für ganz Sachsen. Das sollten wir akzeptieren.

(Beifall bei der CDU)

Nun noch zwei Anmerkungen. Sie haben dem Ministerium heftige Versäumnisse vorgeworfen. Ein Stück weit haben wir als regierungstragende Fraktion in der Zeit bis 2004 Verantwortung gehabt. Deswegen ist es völlig abwegig, der Regierung komplexe Fehler bei der FFHGebietsausweisung vorzuwerfen, selbst wenn der Prozess nicht in einem linearen Zug und nicht ganz reibungsfrei war. Die „katastrophalen Versäumnisse“ bei der Umsetzung der Ausgleichsleistungen, von denen Sie sprachen, will ich zumindest so weit aufgreifen, dass wir uns auch vorstellen können, dass die Dinge in der Zukunft besser werden. Wir wollen auch in der Gesetzesnovelle, die uns sehr bald beschäftigen wird, dazu einige Verankerungen treffen, damit diese Dinge noch besser stattfinden.

Warum Sie der kommunalen Landschaftsplanung absprechen, ein geeignetes Instrument als Beitrag zu einem Biotopverbund zu sein, – –

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Unglaublich!)

Was ist denn da unglaublich? Wenn Sie der Landschaftsplanung diese Eigenschaft absprechen, kann ich

nur sagen: Lesen Sie einmal, was Landschaftsplanung tun soll.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Natürlich, bitte schön.

Vielen Dank. – Herr Kollege Mannsfeld, sind Sie bereit anzuerkennen, dass sowohl ich gestern als auch meine Kollegin Günther-Schmidt soeben die Staatsregierung insoweit kritisiert haben, als sie das Instrument der Landschaftsplanung ebenso hängen lässt, weil es in Sachsen flächendeckend umgesetzt ist, und wir es deswegen so sehr bedauern, weil wir das für ein zentrales Instrument zur Umsetzung des Biotopverbundes betrachten?

Ich bitte Sie, doch hier nicht laufend so zu tun, als ob wir das Instrument infrage stellen würden.

Bitte nur die Frage formulieren.

Ganz im Gegenteil.

Herr Lichdi, vom Prinzip her kann ich Ihnen zustimmen, aber Sie verkennen die rechtliche Lage. Nicht der Freistaat macht die Landschaftsplanung, sondern die Gemeinden. Der Freistaat hat ein langjähriges Förderprogramm aufgestellt, das bis 1998 ging und deswegen viele Gemeinden veranlasst hat, sehr schnell die Landschaftsplanung durchzuführen.

Es gab ja beim Gesetz 1992 eine Sonderklausel, die im Lande auch sehr stark kritisch hinterfragt worden war.

Wenn die zuständigen Ebenen der Planung hier keine flächendeckende Landschaftsplanung hinbekommen, dann kann man Appelle an sie richten, für die nicht ganz so eindeutig der Umweltminister zuständig ist, denn wir haben die Abteilung Raumordnung und Landesplanung in das Innenministerium versetzt. Das ist alles richtig, aber wir müssen den Zustand zur Kenntnis nehmen und mit dem Abschluss der Bauleitplanung in den Gemeinden werden wir auch flächendeckende Landschaftsplanung haben.

Mir ging es nicht um den gegenwärtigen Stand, wie viele Kommunen das haben, sondern sie haben in dem Diskussionsbeitrag dem Instrument die Fähigkeit abgesprochen, für den Biotopverbund Wesentliches zu leisten.

Ich bin mehr oder weniger etwas sprachlos gewesen. Was nützen mir die Beispiele „Hoher Fläming“ und von der Müritz? Warum übersehen Sie die Erfolge, die in unseren Großschutzgebieten auch im Zusammenhang mit Naturtourismus vorhanden sind?

Als Beiratsmitglied der Stiftung Natur und Umwelt – dazu gehören beispielsweise auch das Naturparkhaus und die gesamte Entwicklung der Besucherlenkung und die Wirtschaftsentwicklung – habe ich die gleichen Zahlen von einer positiven Entwicklung. Bleiben wir doch im

Lande und sagen immer wieder, dass intakte Natur auch eine Voraussetzung für einen gelenkten Tourismus und damit für einen Wirtschaftszweig ist. Nur, wenn wir uns hier hinstellen und alles schlechtreden und sagen, nur die Nachbarländer bringen das fertig, dann wird die zaghafte Pflanze in dieser Richtung in Sachsen nicht gut vorankommen.

(Beifall bei der CDU)

Weil wir schon recht weit vorangeschritten sind, möchte ich nicht noch einmal den ganzen Kontext zu den Artenentwicklungen hier aufmachen. Das haben wir schon gestern im Zusammenhang mit der Großen Anfrage weitestgehend debattiert.

Ich denke nur, man sollte noch einmal klarmachen: Man kann, wenn man Naturprozesse anerkennt – wir wollen sie möglichst mit Prozessschutz und solchen Dingen, wie man sagen könnte, auch laufen lassen –, nicht hier hingehen und einer staatlichen Verwaltung vorschreiben, in einem bestimmten Kalenderjahr müssten diese oder jene Arten alle erhalten sein. Es ist in diesem Falle quasi nicht so, dass die Politik Vorgaben bekommt, die Natur möge doch bitte nach einer bestimmten Parteiideologie in Zukunft statisch werden. Die Dynamik ist auch im Naturschutz das Entscheidende und deswegen sind alle Instrumente, um Artenerhaltung zu erreichen, zu nutzen. Da treffen sich auch unsere Intentionen. Also: die Vermeidung der Zerschneidung von Lebensräumen, wirkungsvollere Revitalisierung von Brachflächen zur Vermeidung des berühmten oder berüchtigten Bauens auf der grünen Wiese, mehr Kenntnisvermittlung, um viele unerfreuliche Eingriffe, die aus Unkenntnis oder fehlendem Werteverständnis existieren, zurückzudrängen. All das muss in Sachsen sicher noch besser funktionieren.