Protokoll der Sitzung vom 16.03.2007

Um den zukünftigen Herausforderungen zu begegnen, hat Sachsen bereits 2001 das Klimaschutzprogramm beschlossen, das die Senkung der jährlichen CO2Emissionen bis 2010 um zweieinhalb Millionen Tonnen festschreibt. Erreicht werden soll dies – das ist bekannt – durch die Steigerung der Energieeffizienz und die verstärkte Nutzung erneuerbarer Energieträger.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wenn man die Diskussion verfolgt, meine Damen und Herren, dann wird der Eindruck erweckt, als würden die erneuerbaren Energien in Sachsen überhaupt keine Rolle spielen. Wir haben nur über Braunkohle gesprochen.

Frau Windisch, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte, Herr Lichdi.

Vielen Dank, Frau Kollegin. Da Sie das Klimaschutzprogramm 2001 angesprochen haben, frage ich Sie: Stimmen Sie mir zu, dass darin als Zielmarke, wie Sie es gerade erwähnt haben, 44 Millionen Tonnen stehen, während wir jetzt schon bei 52 Millionen Tonnen sind und mit dem neuen Kraftwerk ab 2011 bei 57 Millionen Tonnen sein werden? Können Sie mir beantworten, wie Sie bis zum Jahr 2010 die von Ihnen selbst gesetzte Zielmarke von 44 Millionen Tonnen erreichen wollen?

Herr Lichdi, ich weiß nicht, mit welchen Zahlen Sie jetzt operieren.

Seinen Zahlen.

Moment! Das Reduktionsziel für 2010 ist mit 1,2 Millionen Tonnen bereits übererfüllt worden. Ich weiß nicht, von welchen Zahlen Sie jetzt sprechen. Es gab einen leichten CO2-Anstieg, aber trotzdem ist die insgesamt erreichte Reduktion schon unter der Zielmarke. Was Sie hier sagen, stimmt nicht.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer weiteren Zwischenfrage.)

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass sich der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch zwischen 1998 und 2005 bereits verachtfacht hat. Auch dieses Ergebnis sollte gewürdigt werden.

Frau Windisch, es gibt noch eine Zwischenfrage.

Herr Lichdi, ich lasse mir jetzt nicht von Ihnen die Argumente verdrehen.

Die Ablösung fossiler Energieträger durch erneuerbare erfolgt Schritt für Schritt. Die erneuerbaren Energien haben 2006 in Sachsen bereits die 11-%-Marke beim Primärenergieverbrauch überschritten. So viel zu den Fakten.

Die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz haben wir haushaltspolitisch durch Anträge der Koalitionsfraktionen begleitet. Im EFRE-Förderzeitraum stehen rund 50 Millionen Euro für die Förderung von Projekten zur Steigerung der Energieeffizienz bereit. Hier wird sich – davon gehe ich aus – der positive Trend fortsetzen. Wir verfügen in Sachsen über ein großes Potenzial führender Industrie- und Forschungseinrichtungen auf dem Sektor der erneuerbaren Energien und haben gute Chancen, das Know-how sowie die entsprechende Technik zu exportieren und eine internationale Führungsrolle bei klimaschonenden Technologien einzunehmen.

Energiepolitik ist ureigenste Wirtschaftspolitik, nicht nur hinsichtlich der Energiepreise, sondern auch hinsichtlich der Beschäftigungswirkung. Solange den meisten erneu

erbaren Energieträgern eine Grundlastfähigkeit fehlt, kann mittelfristig nicht auf die Arbeitsplätze in der Braunkohle verzichtet werden. Demgegenüber verspricht das Potenzial von neuen Arbeitsplätzen im Bereich der erneuerbaren Energien große Zuwachsraten, was deren Steigerung von 1 500 Beschäftigten 2002 auf über 5 000 im Jahr 2006 belegt.

(Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Wir müssen uns tatsächlich entscheiden, ob wir die Braunkohlenverstromung diskreditieren oder die Kernkraftwerke abschalten wollen. Beides gleichzeitig geht zum heutigen Zeitpunkt nicht.

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Sonst bleibt nachts oder bei Windstille die Küche kalt, der Kühlschrank wird warm und die Produktionsanlagen stehen still. Man sollte auch die Diskussion Kernkraft ja oder nein – in Sachsen spielt es eh keine Rolle; aber wir brauchen Strom aus dem Verbundsystem – auf ein wissenschaftlicheres Niveau heben, denn es verbessern sich auch dort die Technologien.

Bitte zum Schluss kommen.

Das möchte ich abschließend noch sagen: Im Rahmen von Konversionsmaßnahmen, zurückgewonnenes spaltbares Material kann inzwischen wiederaufbereitet werden.

Kommen Sie bitte zum Schluss!

Das spart Endlagerungskapazität. Es gibt inzwischen auch Technologien, die es ermöglichen, bereits verbrauchte Brennstäbe noch weiter „auszulutschen“.

Frau Windisch, kommen Sie bitte zum Schluss.

Auch dadurch wird die Zahl der endzulagernden Materialien erheblich reduziert. Wir müssen ganz einfach ein Gefühl dafür entwickeln, wie wirkungsvoll welche Maßnahmen im Klimaschutz

Frau Windisch, bitte kommen Sie zum Schluss!

tatsächlich sind. Letzter Satz. Sonst beschränken wir uns lediglich auf Fensterreden und ideologische Symboldiskussionen.

Ich danke Ihnen ganz herzlich.

(Beifall bei der CDU – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Das hat ja gerade stattgefunden.)

Herr Lichdi, Sie können gleich den Weg nach vorn nehmen. Ich hatte tatsächlich vorhin einen Reihenfolgefehler. Sie sind an der Reihe. Für die Fraktion GRÜNE Herr Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Vordebatte nur in sehr groben Auszügen eingehen, aber ein Argument ist mir wichtig. Kollege Herbst hatte zwischengefragt, ob wir den ganzen dreckigen Braunkohle- und Steinkohlestrom aus Polen nehmen. Ich glaube, Sie verkennen die dortige politische Situation. Polen ist seit einiger Zeit Mitglied der Europäischen Union und ist durch die Ziele, die Frau Merkel durchgesetzt hat, verpflichtet worden.

(Widerspruch bei der SPD – Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS)

Das heißt, mittelfristig werden sich die mittel- und osteuropäischen Staaten diesen Zielen stellen müssen.

Ein zweites Argument – das hat Frau Hermenau zu Recht angesprochen; da haben Sie nicht richtig zugehört –: Wir haben das Klima in den letzten 150 Jahren versaut. Das waren wir! Das waren die Europäer und die Amerikaner. Ich sage es ganz hart. Wir haben eine moralische Verantwortung, dass das, was wir versaut haben, wieder in Ordnung gebracht wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Das dritte Argument ist: Wir wollen tatsächlich in die solare Energiezukunft durchstoßen. Sachsen, Deutschland, Europa will die Gegend werden, die diesen Umstieg schnell schafft, und zwar im Interesse der Umwelt, der Ökologie, des Klimas und der wirtschaftlichen Entwicklung. Das ist eine Einheit. Ihr Grundproblem ist, dass Sie diese Einheit noch nicht verstanden und akzeptiert haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion.PDS)

Jetzt aber zu meiner Rede. Bevor am 3. Februar – jetzt ist er weg, wo ist Herr Tillich? – der Klimabeirat der Vereinten Nationen seinen Bericht über den Stand des Klimawandels veröffentlichte, hatte ich gedacht, dass die Zuständigkeit für den Klimaschutz in das Ressort von Herrn Staatsminister Tillich fällt. Was ist aber mit unserem Umweltminister seit dem 3. Februar passiert? Hat er sich als fachlich zuständiger Minister zum IPCC-Bericht geäußert? Ich kann mich nicht erinnern. Der Klimawandel hatte also bereits das erste Opfer in der Staatsregierung. Der Ministerpräsident, der sich jetzt auf der letzten Bank befindet und sich mit seinem Umweltminister berät, hat ihn in einer Art und Weise abgefrühstückt, wie dies wohl selten ein Vertreter der Umwelt in einem Kabinett über sich ergehen lassen musste. Der Ministerpräsident begründete die Ablehnung des Energieprogrammentwurfs damit, dass 100 % erneuerbare Energien nicht möglich seien.

100 % erneuerbare Energien! Herr Tillich, erinnern Sie sich an etwas? Sie erinnern sich vielleicht noch nicht, aber ich erinnere mich sehr gut an Ihre Pressemitteilung vom 26.04.2006, unter anderem der 20. Jahrestag von Tschernobyl. Die Überschrift lautete: „Nicht mehr nur Zukunftsmusik – in 100 Jahren nur noch erneuerbare Energien“. „Tillich: Erneuerbare Energien in Sachsen haben eine große Zukunft.“ Herr Staatsminister Tillich, ich war damals sehr erfreut und bin Ihnen beigesprungen. Ich habe gesagt, das ist die richtige Richtung, so muss es sein, nur brauchen wir nicht 100 Jahre, wir schaffen das in 50 Jahren. Ich habe in dieser ganzen Debatte mit Herrn Jurk von der SPD-Fraktion Ihre Stimme nicht gehört. Das können Sie sich als Umweltminister, der sich selbst ernst nehmen will – ich weiß nicht, ob Sie den Anspruch mittlerweile aufgegeben haben –, nicht erlauben. Ich hätte erwartet, dass Sie öffentlich einspringen, zumal Sie es selbst verkündet haben. Herr Tillich, Sie sind alles andere als glaubwürdig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben auch gestern geschwiegen, als Kollege Heinz Dinge von sich gegeben hat, bei denen ich fast vom Hocker gefallen bin. Ich habe Sie aufgefordert, das richtig zu stellen. Kollege Heinz hat von dem, was Ihr Haus seit Jahren richtigerweise publiziert, nicht die Spur einer Ahnung. Herr Staatsminister, der Beitrag des Kollegen Heinz hat deutlich gemacht, dass auch beim Klimawandel der Kampf gegen die Dummheit gerade erst begonnen hat.

(Beifall bei den GRÜNEN – Antje Hermenau, GRÜNE: Der lässt doch aus der Hand lesen!)

Meine Vorredner haben auch schon angesprochen, Herr Jurk, dass Sie sich als der Kämpfer für die erneuerbaren Energien, für die Energieeffizienz usw. gerieren. Sie gehen dort richtige Schritte in die richtige Richtung, aber den Pseudokampfplatz, den der Ministerpräsident aufgemacht hat, dass er das Programm ablehnen würde, weil Sie die Braunkohle liquidieren wollen, ist natürlich kompletter Blödsinn. Wenn man in Ihrem Programm nachliest, dann treten Sie für die weitere Subventionierung der Braunkohle im Rahmen des NAP II ein.

(Staatsminister Thomas Jurk: Nein!)

Sie haben der Stellungnahme von Herrn Tillich vom April 2006, als Sie gefordert haben, die geschenkten Verschmutzungszertifikate von 750 auf 830 Gramm hochzusetzen, zugestimmt. Herr Gabriel, so ist heute in der Presse zu lesen – das finde ich sehr schön –, will diesbezüglich hart bleiben. Ich habe Ihre Stimme dazu nicht gehört. Ich habe nur gehört, dass Sie weiterhin für diese 830 Gramm eintreten.

(Staatsminister Thomas Jurk: Ich bin für noch mehr!)

Jetzt haben Sie Gelegenheit, das sicherzustellen. Auch Ihre großartigen erneuerbaren Ziele möchte ich nennen. Sie schreiben 25 % Strom in 2020. Schön. Das ist ein

riesiger mentaler Schritt, aber in der Sache doch ein Minischritt.

Frau Merkel hat Sie doch mittlerweile überholt. Wenn Frau Merkel 20 % in 2020 Primärenergie macht – Sie machen nur Strom –, dann ist das natürlich wesentlich mehr. Ich weiß nicht, Sie sind dann irgendwann bei 30 bzw. 34 % Strom.