Protokoll der Sitzung vom 16.03.2007

Frau Merkel hat Sie doch mittlerweile überholt. Wenn Frau Merkel 20 % in 2020 Primärenergie macht – Sie machen nur Strom –, dann ist das natürlich wesentlich mehr. Ich weiß nicht, Sie sind dann irgendwann bei 30 bzw. 34 % Strom.

Bitte kämpfen Sie weiter, kämpfen Sie aber an der richtigen Stelle. Rekalibrieren Sie Ihre Position zur Braunkohle; erst dann sind Sie glaubwürdig. Sie können nachher dem Kollegen Morlok den Begriff der Energieautonomie erklären, den er völlig verkannt hat.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Linksfraktion.PDS hat das Wort die Abg. Frau Dr. Runge.

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss wieder in die Diskussion einsteigen. Über die globalen Herausforderungen im 21. Jahrhundert, denke ich, sind wir uns in diesem Hohen Hause einigermaßen einig. Aber noch immer gilt der Slogan: Global denken, lokal handeln!

(Beifall der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion.PDS)

Wenn sich die Staatsregierung nicht als Verhinderer notwendiger ökologischer Modernisierungsprozesse erweisen will, muss sie das vorgelegte überarbeitete Energieprogramm nutzen, um eine öffentliche Debatte zu einem gewiss schwierigen Thema zu führen. Auch die heutige Diskussion in diesem Hohen Haus zeigt, dass oft in einer Art und Weise über Dinge diskutiert wird, bei der man bei einigen am Sachverstand zweifeln kann.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das stimmt!)

Erst gestern berichtete die „Financial Times Deutschland“ über einen Bericht des deutschen Wirtschaftsinstituts, das in einer Studie die Kosten für den Klimawandel errechnet und mit den Kosten für den Klimaschutz verglichen hat, wenn man CO2 und andere Klimagase reduziert. Dieser Bericht des DWI kommt zu dem Ergebnis: Nichts für die CO2-Reduktion zu tun würde uns in Deutschland bis zum Jahre 2050 allein 800 000 Milliarden Euro kosten. Klimaschutz hingegen kostet natürlich auch Geld, aber deutlich weniger.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Woher wissen Sie das?)

Dass für eine Übergangszeit für die nächsten Jahrzehnte die Stromerzeugung aus Braunkohle gebraucht wird, bestreitet in diesem Hohen Haus niemand,

(Zuruf von der CDU: Doch!)

es sei denn – ich bin noch nicht fertig – die Lichtgestalten der GRÜNEN, Herr Lichdi und Frau Hermenau.

Für die Kohlewirtschaft sind klare politische Rahmenbedingungen notwendig, worauf sich die Energieunternehmen langfristig einstellen können. Dabei ist es kontraproduktiv, wenn der Ministerpräsident in der „Lausitzer Rundschau“ den Erhalt der Braunkohlenkraftwerke fordert. Was denken Sie sich, Herr Milbradt? Die modernen Braunkohlenkraftwerke in Ostdeutschland sind selbst bei den verschärften Bedingungen in der zweiten Handelsperiode nicht gefährdet. Davon bin ich fest überzeugt.

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Da täuschen Sie sich!)

Allerdings wird wohl der Maximalgewinn, den Vattenfall in Sachsen einfährt, etwas geschmälert werden.

Wenn Minister Jurk im überarbeiteten Energieprogramm versucht, diese ambitionierten Herausforderungen in gewisser Weise umzusetzen, dann ist das zu unterstützen. Hierzu gibt es nach den Szenarien des UN-Klimaberichtes und des Stern-Berichtes für Tony Blair auch keine vernünftige Alternative, es sei denn, wir riskieren das von den Klimaforschern gezeichnete pessimistische Szenario. Das wäre aber unverantwortlich gegenüber nachfolgenden Generationen und würde im wahrsten Sinn des Wortes bedeuten: Nach uns die Sintflut!

Mit dem Antrag der Linksfraktion.PDS wurde die Debatte im Landtag zu dem von der CDU vorgelegten Energieprogramm 2004/2005 wieder aufgenommen. Herr Jurk hat dem Landtag während dieser Diskussion 2005 versprochen, ein überarbeitetes Programm vorzulegen. Dazu sollte nun, obwohl alle Ministerien ihr Okay gegeben hatten, ein Kabinettsbeschluss gefasst und in die Debatte eingebracht werden. Dann kam der Eklat. Umweltminister Tillich, der sich noch am 9. Februar 2007 in einer Pressemitteilung für die Fortschreibung des Energieprogramms aus dem Jahre 2004 aussprach und im Wesentlichen die ambitionierten Ziele Jurks teilt, tauchte ab, ließ Jurk im Regen stehen und zog gegenüber dem Ministerpräsidenten den Schwanz ein. Wie soll es weitergehen in der energiepolitischen Diskussion Sachsens?

Herr Jurk, dass Sie Ihren Entwurf ins Internet gestellt haben, begrüßen wir ausdrücklich. Es zeugt vom Willen für einen demokratischen Meinungsbildungsprozess zu diesem schwierigen Thema. Herr Jurk, ich mache Ihnen einen Vorschlag.

Ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Ja, ich komme zum Schluss. – Verteilen Sie Ihren Entwurf als Unterrichtung für die Abgeordneten. Dann könnten wir im Ausschuss ausführlich darüber diskutieren. Oder aber die Linksfraktion.PDS bringt ihren Entwurf als Antrag in die Diskussion des Parlamentes ein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS – Alexander Delle, NPD: Das haben wir schon gemacht! Haben Sie nicht zugehört?)

Die SPD hat noch drei Minuten Redezeit. Herr Gerlach, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, ob das Letzte eine Drohung oder was auch immer war.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion.PDS: Eine Hilfestellung!)

Frau Windisch, Kernkraft spiele in Sachsen keine Rolle, sagten Sie. Willkommen im Club!, kann ich dazu nur sagen. Genauso ist es, so sehe ich das auch. Eines haben Sie leider nicht richtig gesagt, und zwar: Im Kabinett wurde das Energieprogramm behandelt. Das wurde es gerade nicht, sonst hätten wir uns manche Diskussion erspart.

Das sächsische Energieprojekt der Zukunft heißt: schrittweises Ersetzen der Braunkohlenverstromung durch erneuerbare Energien und Energieeinsparung. Darum geht es.

Ich möchte mit wenigen Worten an die EURatsbeschlüsse erinnern. Es waren drei wesentliche Dinge: Reduzierung der Treibhausgase gegenüber dem Jahre 1990 um 30 % bis zum Jahre 2020, wenn die anderen entsprechend mitmachen, ansonsten mindestens 20 %; bis zum Jahre 2020 verbindlich 20 % erneuerbare Energien am Gesamtenergieverbrauch der EU und noch einmal 20 % Einsparungen.

Bevor ich allen Ideologen in diesem Haus und denen draußen – denn dort gibt es noch genug im Energiebereich – einen Satz aus dem vielseitigen EU-Ratspapier ins Stammbuch schreibe, will ich noch einen Vers verlesen, den heute schon viele Millionen Menschen auf der Welt gelesen haben: „Die irrenden Geistes waren, werden Einsicht lernen!“

Jetzt zu dem Zitat des EU-Rates: „Der Europäische Rat betont, dass alle Arten erneuerbarer Energien, wenn sie kosteneffizient genutzt werden, gleichzeitig zur Versorgungssicherheit, zur Wettbewerbssicherheit und zur Nachhaltigkeit beitragen. Er“ – der Europäische Rat – „ist überzeugt, dass es von äußerster Wichtigkeit ist, der Industrie, den Investoren, den Innovatoren und den Forschern ein deutliches Signal zu geben.“

Auf dieses wichtige Signal warten auch die sächsische Industrie sowie unsere Forschungseinrichtungen. Deshalb brauchen wir ein solches Energieprogramm.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Diese Zitate sind die gebündelte politische Meinung Europas. Auch die von mir getragene Regierung – ich wiederhole es, weil es mir wichtig ist – hat nun die Möglichkeit, für Sachsen als stolzes zänkisches Bergvölkchen im geeinten Europa tapfer Widerstand zu leisten, weil man die Nasen einiger Leute nicht leiden kann, oder sich an die Spitze der Bewegung zu stellen, um so unseren Kindern, über die

wir so gern sprechen, eine nachhaltige Gesellschaft und den Arbeitslosen gute Chancen für zukünftige Jobs zu eröffnen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Die Tatsache, dass sich einige die Größe eines Projektes – es ist ein riesengroßes Projekt, das gebe ich gern zu – noch nicht vorstellen können, heißt nicht, dass das Projekt nicht leistbar ist. Mit dieser – Entschuldigung – kleinkrämerischen Denkweise, mit der unser ehrgeiziges Energieprojekt in Sachsen vom einzigen Nicht-Fachministerium angehalten wurde, wären die Amerikaner nie auf den Mond gekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vor 15 Jahren wurde hier im Landtag vom Wähler ungestraft gelacht, wenn ich zur Klimaproblematik gesprochen habe. 2009 wird dies nicht wieder passieren.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Das ist richtig!)

Da ich die Fachlichkeit vieler Koalitionskolleginnen und -kollegen kenne, fordere ich uns alle auf, die Kehrtwende zu machen. Noch ist es Zeit, bevor das gorbatschowsche Zeitzitat zu wirken beginnt.

Ich schließe mit einem Zitat von Prof. Dr. Hoimar von Ditfurth: „Wir haben nur die Wahl, durch Vernunft zu lernen oder durch Katastrophen belehrt zu werden.“

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Die PDS-Fraktion hat noch eine Minute Redezeit. Möchten Sie diese in Anspruch nehmen? – Dann die CDU-Fraktion; Herr Dr. Hähle, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte versuchen, die Sache etwas vom Gesichtspunkt der Logik her zu betrachten. Bisher hat jeder nur seine eigene ideologisch geprägte Argumentation vertreten.

Wir schalten in Deutschland also die Atomkraftwerke ab. Anders als Herr Gerlach sagte, ist es natürlich nicht so, dass wir, da wir in Sachsen kein Atomkraftwerk haben, keinen Atomstrom nutzen, sondern wir haben ein Verbundsystem, und 40 % der Stromerzeugung geschehen in Deutschland derzeit noch über Atomkraftwerke.

Nun ist die nächste Frage: Auf welche Energiequellen greifen wir stattdessen zurück, wenn sie abgeschaltet sind? Sie können künftig nur durch fossile Rohstoffe mit höherem CO2-Ausstoß ersetzt werden; denn fast alle erneuerbaren Energieerzeugungsformen sind nicht grundlastfähig.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS, und Johannes Gerlach, SPD, melden sich zu Zwischenfragen.)

Herr Dr. Hähle, gestatten Sie Zwischenfragen?

Eigentlich nicht, ich wollte nur einen kurzen Beitrag erbringen, am Schluss dieser Debatte. Sie haben doch schon genug gesprochen. Ich beginne jetzt gerade zu sprechen und werde den Gedanken weiterentwickeln, sonst wird das Ganze immer nur von Ihren ideologischen Vorstellungen geprägt. Ich wollte nun einmal darstellen, wie die Situation wirklich ist.