Protokoll der Sitzung vom 16.03.2007

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir müssen unsere Hausaufgaben beim Klimaschutz machen, ganz unabhängig davon, was in China, Indien oder den USA geschieht. Täuschen wir uns aber nicht! In diesen Ländern

geschieht gerade bezüglich erneuerbarer Energien und Energieeffizienz viel mehr, als uns vielleicht bewusst ist. China plant gegenwärtig im Bereich erneuerbarer Energien gewaltige Investitionen. Im Jahr 2020 sollen bereits 40 % des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. In Indien bin ich vor wenigen Wochen immer wieder auf das Thema angesprochen worden. Die wenigsten wissen, dass es in Neu-Delhi ein eigenes Ministerium für erneuerbare Energien gibt.

Das alles wird aber nur Früchte tragen, wenn wir unsere Vorbildfunktion in diesem Bereich wahrnehmen.

(Beifall des Abg. Martin Dulig, SPD, und bei den GRÜNEN)

Historisch gesehen waren wir keine Vorbilder. Unsere Industrialisierung ist bis weit in das 20. Jahrhundert auf dem Rücken der Umwelt erfolgt. Wenn wir also jetzt von den großen Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien verlangen, dass sie bei der Entwicklung ihrer eigenen industriellen Basis mit Rücksicht auf die Menschheitsinteressen einen anderen Weg einschlagen, dann wäre es der Gipfel an Zynismus, wenn wir hier nicht einerseits vorangingen und ihnen andererseits nicht mit unseren Erfahrungen, Verfahren und Produkten zur Seite stünden.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute brauchen wir ein Patt zwischen erneuerbaren Energien, Energieeffizienztechnologien und der heimischen Braunkohle für die nächsten Jahrzehnte. Damit die Braunkohle möglichst bald in der Gesamtbilanz nicht mehr zum CO2-Zuwachs der Erdatmosphäre beiträgt, müssen wir intelligente Maßnahmen ergreifen. Hierzu gehören Technologien der CO2-Abscheidung und der CO2-Speicherung, wie sie derzeit erforscht und erprobt werden. Es ist absehbar, dass sich daraus eine – wenngleich nicht ganz preiswerte – Übergangstechnologie entwickeln wird, die in jedem Fall technologisch besser handhabbar und weniger risikoreich ist als die Beherrschung des Atommülls.

(Beifall der Abg. Martin Dulig, SPD, und Dr. Martin Gillo, CDU)

In den vergangenen Tagen haben wir immer wieder das Argument gehört, Deutschland habe seit 1990 den CO2Ausstoß schon so erheblich reduziert, dass es seine Anstrengungen jetzt verringern könne, und das Gleiche gelte auch für Sachsen. Ich halte das für unlauter.

(Beifall des Abg. Mario Pecher, SPD, bei der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN)

1990 war das Jahr des Wechsels von der Plan- zur Marktwirtschaft, der mit großen ökonomischen und sozialen Verwerfungen verbunden war. Es ist keine Kunst, den Ausstoß von Schadstoffen und Klimagasen dadurch zu reduzieren, dass man Betriebe schließt und Arbeitsplätze abbaut, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion.PDS und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Das war CO2-Reduktion durch wirtschaftlichen Abschwung.

Wir wollen und können heute CO2-Reduktion durch mehr Wertschöpfung und Beschäftigung schaffen, durch einen ökonomischen Aufschwung ganz im Sinne einer Winwin-Situation. Schon jetzt arbeiten in Sachsen mehr als 5 000 Menschen im Bereich der erneuerbaren Energien und wir stehen erst am Anfang eines Entkopplungsprozesses des Wirtschaftswachstums vom Energie- und Ressourcenverbrauch.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Es handelt sich dabei um ein Wirtschaftswachstum, das mit dem massiven Aufbau von Arbeitsplätzen und der Verringerung von Umweltbelastungen verbunden ist. Wir können es auf die einfache Formel bringen: Wer weniger Energie verbraucht, schafft mehr Arbeit.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Vielen Dank. – Unterstützen Sie Umweltminister Gabriel in seiner Position, den CO2Ausstoß, die Zertifikate bei Braunkohlenkraftwerken auf 750 g/kWh zu belassen und die Zuweisung der Zertifikate auf die Allokationsperiode, also bis 2011, zu beschränken?

Nein.

Unterstützen Sie ihn da oder nicht?

Nein, ich unterstütze Herrn Gabriel nicht, und das aus sehr guten Gründen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich will es Ihnen erläutern, Herr Lichdi. Ich bin sehr dafür, dass wir über den CO2-Ausstoß von Kraftwerken nachdenken und reden. Aber bereits im Nationalen Allokationsplan I sind die Leistungen, die im Osten geliefert wurden, nicht ausreichend berücksichtigt worden.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss Ihnen ganz klar und deutlich sagen: Man kann über Gewinne von Vattenfall so oder so diskutieren, aber es ist eine unfaire Wettbewerbssituation entstanden und diese Situation macht eine Trennlinie nicht nur zwischen

alten und neuen Bundesländern, sondern auch zwischen Nord und Süd deutlich. Es gibt nämlich Unternehmen, die ihre Kraftwerke wirklich komplett rekonstruiert haben.

Wissen Sie, Herr Lichdi, ich will es am Beispiel Kraftwerk Boxberg sagen. Boxberg war einst das größte Braunkohlenkraftwerk der Welt mit 3 520 Megawatt installierter Leistung. Die sind auch gefahren worden mit einem Umweltverschleiß sondergleichen. Ich wohne in der Gegend. Ich weiß, wie viele Dörfer sterben mussten, wie viele Menschen umgesiedelt wurden. Mein Heimatort wäre 2010 dran gewesen, wenn diese wahnwitzige Energiepolitik der DDR so fortgeführt worden wäre.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Aber eines steht auch fest: In Boxberg hat man zwei 500MW-Blöcke ertüchtigt, hat modernste Rauchgasentlüftungsanlagen eingebaut. Man hat ein neues Kraftwerk mit über 900 MW gebaut und der neue Block R, das Werk 4, steht bereits. Ich habe mich manchmal gewundert, was die Kollegen so von sich geben. Der zukünftige Block mit etwa 670 MW Leistung wird jetzt errichtet werden und dort wird die modernste Technik zum Einsatz kommen.

Was mich ärgert, ist, dass auch Herr Gabriel oder sein Umweltministerium nicht berücksichtigt, dass in Westdeutschland viele Kraftwerke mit wesentlich schlechterer Technik stehen, die abgeschrieben sind, also auch höhere Gewinne bringen – und das finde ich nicht fair. Hier, glaube ich, gehört Fairness in die Debatte. Deshalb habe ich mich dafür ausgesprochen, dass wir nicht über 750 Gramm reden, über 830, sondern Sie wissen, dass man unter bestimmten technologischen Voraussetzungen bei Block R bei 930 Gramm pro Kilowattstunde ankommen kann. Das wäre ein Beispiel dafür, dass man sich in Deutschland verständigen kann. Ich glaube nicht, dass es am Ende an 180 Gramm je Kilowattstunde scheitern darf, dass wir in Deutschland faire Wettbewerbsbedingungen bei der Energieerzeugung haben.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Herr Minister, Herr Lichdi hat noch eine Frage. Gestatten Sie die noch?

Gern. Das kann ja nur helfen.

(Volker Bandmann, CDU: Das Problem ist, es hilft nicht!)

Sie haben faire Wettbewerbsbedingungen angesprochen. Aber diese neue Position, die Herr Gabriel eingenommen hat, ist unter anderem durch wettbewerbsrechtlich motivierten Druck aus der EU-Kommission zustande gekommen. So ist jedenfalls meine Wahrnehmung. Was in der Debatte immer leicht unter den Tisch gefallen ist, war die Klageandrohung durch Gas- und Dampfkraftwerkshersteller, die diese Privilegierung aus Wettbewerbsgründen mit Aussicht auf Erfolg angreifen wollten.

Wenn Sie den Wettbewerb ansprechen, wie rechtfertigen Sie dann Ihre Position vor dem Hintergrund, dass es wahrscheinlich rechtlich gar nicht haltbar wäre und wettbewerbsrechtlich bezüglich der Gaskraftwerke auch nicht haltbar ist?

Sie bauen jetzt fast die Brücke zu dem, was ich noch zu Herrn Morlok zum Thema Energieautonomie sagen wollte.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Darin sind wir uns einig!)

Autonomie ist ja Unabhängigkeit. Ich habe sehr klar gesagt, dass es mir darum geht, dass wir wirklich eine Autonomie erzielen, und zwar nicht nur bei der Stromerzeugung – hier habe ich schon gesagt, dass wir in Sachsen Stromexporteur sind –, sondern auch, was den Wärmemarkt betrifft, wo wir auf Importenergien wie Gas und Öl zugreifen müssen. Diese haben wir nicht im eigenen Land. Deshalb muss es auch in diesem Rahmen darum gehen, dass wir unser Programm durchsetzen.

Mir stößt bei der Debatte um den Klimaschutz übel auf, dass wir in Europa mittlerweile so tun, als müssten wir mit dem Aufstellen von immer neuen Wettbewerbsregeln dafür sorgen, dass der Wettbewerb in Europa funktioniert. Dabei übersehen wir, dass dieser Wettbewerb in Europa meiner Ansicht nach teilweise überreguliert wird und das dazu führt, dass wir industrielle Arbeitsplätze in Europa verlieren, die an anderer Stelle entstehen.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Deshalb müssen wir sehr genau hinschauen, welche Weichen wir auf diesem Gebiet stellen und welches Gleis in die richtige Richtung führt.

Wir haben aber in Sachsen enorme Potenziale, die im Bereich der Forschung und der erneuerbaren Energien liegen. Diese Potenziale sollen ausgeschöpft werden.

Ich denke, dass die Reaktion weiter Teile der Wirtschaft auf die EU-Beschlüsse der vergangenen Woche zeigt, welchen motivierenden Einfluss politische Absichtserklärungen auf Investitionsentscheidungen haben. Auch deshalb muss die Politik nicht nur Maßnahmen umsetzen und Vorbild sein, sondern auch programmatisch Wege aufzeigen. In diesem Sinne werde ich energiepolitisch handeln.

Wir können uns dabei in Sachsen auf die drei Felder stützen, die das Fundament des von mir vorgelegten Energieprogramms darstellen: eine moderne und vielfältig vernetzte Wirtschafts- und Forschungslandschaft, kreative und gut ausgebildete Menschen und eben auch die heimische Braunkohle.

Nach den Beschlüssen des EU-Gipfels zum Klimaschutz in der vergangenen Woche erwartet die Branche der erneuerbaren Energien eine gewaltige Zunahme der Exporte und der Arbeitsplätze. Frank Aspeck, der Chef des Unternehmens Solarworld, der Ihnen sicherlich gut

bekannt ist, Herr Lichdi, da dieses Unternehmen in Freiberg immerhin über 600 Menschen beschäftigt, rechnet mit einer Steigerung der Beschäftigtenzahlen bis zum Jahr 2020 von jetzt 200 000 auf 500 000. Es liegt auch in unseren Händen, wie viele Arbeitsplätze davon in Sachsen entstehen.

Ich grüße Sie alle zum Schluss der Rede herzlich mit einem Glück auf!