Es bilden sich gewisse Strukturen heraus, die allgemein bekannt sind. Es gibt den Bereich der Bagatellkorruption und der Gelegenheitskorruption. So mancher gelernte DDR-Bürger kennt das noch: Beziehungen schaden nur dem, der sie nicht hat. Wir haben die gewachsenen Beziehungen und gewisse Verflechtungen. Wir haben Netzwerke, die insbesondere im Bereich von Großaufträgen arbeiten und stark in der Wirtschaft angesiedelt sind.
Gerade aus diesen beiden zuletzt genannten Bereichen heraus droht eine Korruptionsstufe, die bis in demokratische Institutionen geht. Es zeigt sich, dass prinzipiell alle Bereiche und Branchen von diesem Übel betroffen sind. Daraus resultieren im Zweifelsfall politische Einflussnahme – das ist, wie Herr Schiemann sagte, eine Gefahr für die Demokratie –, aber in hohem Maße auch andere Straftaten und hohe Schadenswirkungen. Man schätzt den Schaden der Korruption in Deutschland auf über 350 Milliarden Euro.
Das Problem ist: Korruption ist leider oft nur zufällig aufdeckbar, denn der typische Täter ist – nachzulesen – männlich, deutsch, nicht vorbestraft und hat keine illegalen Wertvorstellungen.
Das trifft auf Nehmer und Geber zu. – Herr Porsch, auf Ihre Wertvorstellungen will ich jetzt nicht eingehen.
Es zeigt sich als weiteres Problem, dass hohe Strafmaße insgesamt nicht abschrecken, weil die ökonomische Abwägung zwischen Nutzen und Entdeckungswahrscheinlichkeit allzu verlockend in die Richtung geht, es zu tun, insbesondere bei hohem Auftragsvolumen, bei dem der Anreiz sehr hoch ist. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass es in der Wirtschaft schon zum allgemeinen Standard der Akquise zählt, dieses Mittel einzusetzen, um Aufträge zu generieren. Parallel dazu haben wir ganz offensichtliche Mängel in der Strafverfolgung.
Schaut man sich das an, braucht man gar nicht so weit in die Ferne zu schweifen. Manchmal wird untersucht, um nichts zu finden. Das haben wir auch in Sachsen gehabt. Es gibt in der Strafverfolgung das Problem, dass mit Deals und Bagatellstrafen ein System geschaffen wird, das es insgesamt schwierig macht, den Anreiz für Korruption zu senken.
Das einzig Entscheidende und Richtige ist, die konsequente Vergabesperre über ein Korruptionsregister durchzusetzen. Es sei dahingestellt, ob auf Bundes- oder Landesebene. Es seien die Kriterien dahingestellt, ob das
Schwarzarbeit oder Tariftreue ist, Herr Schiemann, oder bestimmte andere Dinge, die man da hineinpacken kann. Wichtig ist, dass eine Brandmarkung und eine Vergabesperre konsequent stattfinden.
In der Verwaltung an sich, denke ich, sind die Themen Vieraugenprinzip oder Geschenkverbotannahme erste Schritte, aber mit Sicherheit nicht das Entscheidende. Man muss über das Register neue technische Verfahren einsetzen, man muss das Thema Vertrauensanwalt anschieben, man muss mobile Prüfgruppen einsetzen, und an dieser Stelle sei auch mal daran erinnert, dass in Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof konsequenter nachgesehen wird, wo bestimmte Dinge passiert sind und was dahintersteckt.
Korruption verhindert einen fairen Wettbewerb. Unser Antrag zielt auf die Einrichtung eines Korruptionsregisters. Ich denke, dass das der richtige Weg ist. Im Ausschuss hat Herr Staatsminister Jurk schon ausführlich darüber informiert, was dazu in seinem Haus läuft. Wir hoffen natürlich auf ein bundesweites Register, wollen aber nicht darauf warten. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Korruption beim Bau der A 72 und der A 4 hat ein erschreckendes Ausmaß. Das ist der größte Korruptions- und Betrugsfall der letzten Jahre in Ostdeutschland. Ja, es erhebt sich der Verdacht, dass Sachsen anscheinend seit Jahren einer kriminellen Vereinigung ausgeliefert war. Die Methode ist höchst kriminell, zugleich skrupellos, weil sie so einfach funktionieren konnte. Nicht erbrachte Leistungen werden über Nachträge in Millionenhöhe und in langen Zeiträumen zur Abrechnung gebracht. Dazu bedarf es neben skrupellosen Firmenchefs wohlwollender Prüfer und beteiligter Amtsträger, die ihr Amt missbräuchlich ausüben.
Über die Verwicklung von Behörden des Freistaates – das sind die Skandale – wird offen in den Medien berichtet. Staatsanwälte, Innenrevision, neu eingesetzte Korruptionsbeauftragte arbeiten hinter verschlossenen Türen an der Aufarbeitung dieser Betrügereien, Herr Schiemann. Ergebnisse in Form von Aufklärung und Ursachenforschung, wie dieser kriminellen Energie Einhalt geboten werden kann, gibt es bis zum heutigen Zeitpunkt nicht. Fest steht, dass sich die in der Vergangenheit in den gefährdeten Behörden des Freistaates Sachsen getroffenen Vorkehrungen gegen Korruption – Herr Lichdi hat Sie gefragt, Herr Schiemann –, wie die Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung und der Verhaltenskodex
Mit dem Antrag der Koalition wird nicht das System des Betruges aufgeklärt, um danach die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um diesen Betrügereien Einhalt zu gebieten. Nein, man macht sofort den dritten Schritt vor dem ersten. Die Reizformel heißt landes- und bundesweite Korruptionsregister.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das wird auch von uns, der Linksfraktion.PDS, gefordert. Für wirkliche Aufklärungen und Veränderungen wird es jedoch nicht ausreichen. Die Staatsregierung ist in dreifacher Hinsicht herausgefordert:
Erstens mit der Überprüfung des Korruptionskonzeptes der Innenministerkonferenz hier bei uns in Sachsen. Herr Buttolo, keiner hat ja von Ihnen je etwas gehört. Also: Sie werden Ihrer Verantwortung gegen Korruption in keiner Weise gerecht.
Zweitens. Bei der Einführung eines Antikorruptionsgesetzes in Sachsen mit der gleichzeitigen Schaffung eines bundesweiten Korruptionsregisters, für das sich Sachsen seit langer Zeit sehr lieblos eingesetzt hat, wird auch Herr Mackenroth seiner Verantwortung nicht gerecht. Er kann die Rolle Sachsens im 3. Bericht über Prävention und Bekämpfung gegen Korruption nachlesen. Eine neue Position hat er in der Öffentlichkeit noch nie geäußert.
Drittens. Die Staatsregierung ist durch den Wirtschaftsminister herausgefordert, den kriminellen Nachtragsbestätigungen von nicht erbrachten Leistungen ein für allemal einen Riegel vorzuschieben. Das hat mit einer gründlichen Prüfung des Verfahrens zur Auftragsvergabe öffentlicher Aufträge zu tun. In Ihrer Stellungnahme zum Antrag der Linksfraktion registrieren wir positive Zeichen, Herr Jurk. Sie entsprechen unseren Forderungen, die Straßenbauaufträge der Firma Strabag durch eine Prüfungsgruppe rückwirkend von 2004 zu untersuchen. Dass Sie mit Ihrer Innenrevision die Kosten aller Bauaufträge mit der DEGES GmbH überprüfen, war eine zweite Forderung von uns. Dass in Ihrem Haus ein so grundlegendes Prinzip gegen Korruption wie das Vieraugenprinzip nunmehr grundsätzlich angewendet und kontrolliert werden muss, ist aus der Verwaltungsvorschrift zur Korruptionsvorbeugung schon immer Pflicht. Ich bin gespannt auf die Auswertungen Ihrer Innenrevision. Diese notwendige Kontrolle zeigt, wie die Situation in Wirklichkeit ist. Die mit den Arbeitsabläufen begünstigten Rechtswidrigkeiten müssen mit klaren, regelmäßigen Kontrollen bekämpft werden.
Dennoch meine ich, dass das für den Wirtschaftsminister nicht reicht. Ihre vordringlichste Aufgabe ist es, den kriminellen Auswüchsen durch ein transparentes Vergabe- und Kontrollrecht Einhalt zu gebieten.
Was sind eigentlich die Ursachen und was und wie kann diese kriminelle Energie gebremst werden? Es herrscht ein harter Wettbewerb am Markt. Dumpingangebote, um zu überleben, sind an der Tagesordnung. Kostendruck auf
Löhne, Druck auf die Staatsbediensteten, nur ja das Billigste auszusuchen und zu erwirtschaften, sind tägliche Praxis. Untersuchen wir einmal ausgeschriebene Projekte nach Einhaltung der angebotenen Preise, so würden wir feststellen, dass kaum ein Preis eingehalten wird. Nach Erhalt des Auftrages beginnt sofort das Zerren um Zusatzzahlungen. So werden schon beim Kalkulieren stille Reserven eingeplant, Subunternehmen zu Niedrigstlöhnen werden eingeschleust, oder plötzlich auftretende geologische Unwägbarkeiten sind oft Auswege für Kostenabwälzungen oder Begründungen für Nachzahlungen durch den Auftraggeber, von Schwarzarbeit ganz zu schweigen. Das Ergebnis: Die Qualität sinkt, die Kosten für den öffentlichen Auftraggeber steigen, man einigt sich immer, nur das Volumen und die Entscheidungsebenen unterscheiden sich. Das ist tägliche Praxis und wird offen unter Unternehmern diskutiert.
Auch wundert man sich nicht, dass bei öffentlichen Aufträgen zumeist das Planungsbüro der Bauherr ist. Damit werden Planungsfehler meist gar nicht bekannt, eine wirkliche Kontrolle zur Einhaltung der Qualität ist so fast ausgeschlossen. Aus solcher Praxis ist Transparenz nicht gewährleistet.
Ich frage, weil nicht gewünscht: Bestes Beispiel, Herr Minister, ist Ihre unsinnige Anzeige damals gegen Unbekannt beim Bau des City-Tunnels in Leipzig. Solche irregulären Bedingungen sind meines Erachtens reine Brutstätten für rechtswidrige Praktiken am Markt. Öffentliche Aufträge werden so meist von illegalen Methoden begleitet. Ich sage es offen: Die Staatsregierung befindet sich mittendrin. So frage ich: Kann ich da an ehrliche politische Aufklärung und geeignete Schutzvorkehrungen gegen Betrug und Korruption glauben? Die Frage geht auch an Sie, Herr Schiemann.
Wie viele Vorwürfe sind in der Öffentlichkeit mit Recht erhoben worden? Geht die Staatsregierung und gehen wir als Parlament nicht offen und ehrlich mit den herrschenden Verhältnissen um, so wird es keine Aufklärung und keine wirkliche Veränderung geben. Deshalb warne ich davor, ein Korruptionsregister als Allheilmittel zu betrachten. Wir als Linksfraktion werden eine einseitige Diskussion nicht hinnehmen.
Auch deshalb, Herr Jurk, liegt seit Wochen der Gesetzentwurf für die Vergabe öffentlicher Aufträge im Freistaat Sachsen seitens der Linksfraktion vor. Längst überfällige Regelungen, besonders gegen Korruption, können Sie dort nachlesen. Dass Sie davon bisher keine Kenntnis genommen haben, kann an Ihrem Koalitionspartner – der Ministerpräsident ist ja jetzt hier im Hause –, aber auch an Ihrem Willen selbst liegen, Neues endlich durchzusetzen. Unsere Vorschläge in diesem Gesetz behandeln Ursächliches gegen kriminelles Handeln bei öffentlicher Auftragsvergabe. Das sind
drittens, die Einrichtung einer neutralen Vergabeprüfstelle, um die Zuständigkeit der Vergabekammer und ihre Kontrolle zur Einhaltung der Bestimmungen zu gewährleisten. Über das Innenministerium sind damit auch kommunale Vergabeprüfstellen einzurichten.
Viertens sind in unserem Gesetzentwurf die Einrichtung und transparente Führung des Registers über Unternehmen, die von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden, durch eine Rechtsverordnung dem Wirtschaftsministerium unterstellt.
Herr Jurk, Sie sehen, wir helfen Ihnen. Es gibt viel zu tun, wenn man nur will, und die Aufforderung der IG BAU Ihres Genossen Steppuhn, Bundestagsabgeordneter der SPD, an alle Landtagsfraktionen, einem Gesetzentwurf über die Vergabe öffentlicher Aufträge zuzustimmen, sollte Ihnen zusätzlich Mut machen, den Dingen auf den Grund zu gehen und grundsätzliche Änderungen einzuführen – auch in unserem Freistaat Sachsen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Bau der A 72, von denen Kollege Zais eben gesprochen hat und auf die sich der Antrag der Linksfraktion.PDS allein bezieht, gehören nur zu dem Hintergrund, vor dem die FDP ihren Antrag eingebracht hat, der sich mit der Korruptionsbekämpfung sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene befasst.
Korruption geht als Begriff weit über die klassischen Korruptionsdelikte wie Vorteilsgewährung, Vorteilsnahme oder Bestechung hinaus. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen gehören ebenso zu diesem extrem schadensträchtigen Kreis von Straftaten wie Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr der privaten Wirtschaft.
Diese Taten schädigen nicht nur das ordnungsgemäße staatliche Handeln oder die staatlichen Finanzen; Korruption greift über den konkreten Tatschaden hinaus weitere Rechtsgüter an, von deren Schutz wichtige Bereiche des öffentlichen Lebens wie auch die Wirtschaftsordnung insgesamt abhängen.
Die Bestechung richtet sich gegen die Integrität der Verwaltung, gegen die Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz und damit letztlich gegen das Funktionieren eines demokratischen Rechtsstaates. Wettbewerbsabreden schaden dem Steuerzahler; aber sie schaden auch dem Wettbewerb und seinem Funktionieren insgesamt – und zwar nicht nur durch den Einzelfall, sondern auch durch die sogenannte Sog- und Spiralwirkung, die dazu führt, dass nicht korrupte Unternehmen vom Markt verdrängt werden oder sich gezwungen sehen, die gleichen korrupten Maßnahmen anzuwenden wie die anderen Unternehmen, die dann wesentlich mehr Erfolg haben.
Mit unserem Antrag wollen wir dazu beitragen, dass die Bekämpfung von Korruption auf Bundes- wie auf Landesebene den Stellenwert erhält, den diese Bekämpfung verdient hat. Auf Bundesebene ist die Einrichtung eines Bundesregisters für die Korruptionsbekämpfung eigentlich längst überfällig. Das Lagebild von 2005 des Bundeskriminalamtes zeigt dies deutlich. Hier ist bundesweit ein Anstieg der Korruptionsstraftaten von 93 % ausgewiesen – von 7 610 in 2004 auf 14 689 im Jahr 2005. In Sachsen ist die Zahl von Korruptionsdelikten von 352 im Jahr 2004 auf 552 im Jahr 2005 gestiegen – das ist ein Anstieg von 57 %, meine Damen und Herren.
Angesichts dieser Zahlen wird zwar auf Bundesebene seit Jahren über die Einrichtung eines Registers für unzuverlässige Unternehmen diskutiert – mehr aber auch nicht. Der Gesetzentwurf aus der 14. Legislaturperiode ist im Vermittlungsausschuss versackt. In der 15. Wahlperiode war die Errichtung eines Korruptionsregisters vorgesehen, kam aber auch über das Entwurfsstadium nicht hinaus; beide Entwürfe fielen der jeweiligen Diskontinuität anheim. Seither hat sich auf Bundesebene nichts getan und es sieht auch nicht so aus, als würde sich kurzfristig etwas daran ändern.
Im Freistaat Sachsen sieht es entgegen der Beteuerung von Herrn Kollegen Schiemann nicht wesentlich besser aus.
Es mag zwar sein, Herr Kollege Schiemann, dass Sie bereits 1997 über dieses Problem diskutiert haben – aber angegangen sind Sie es in den letzten zehn Jahren nicht wirklich. Der 4. Bericht über die Umsetzung des Präventions- und Bekämpfungskonzeptes zur Korruption der Innenministerkonferenz trifft die Feststellung: „Die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben vor dem Hintergrund der gemeinsamen Forderung der Innenministerkonferenz nach einem bundesweit und bundeseinheitlich geltenden Register bislang von der Schaffung landesrechtlicher Regelungen abgesehen.“
Das ist unbefriedigend, meine Damen und Herren; andere Bundesländer haben nämlich längst ländereigene Regelungen zur Korruptionsbekämpfung. Baden-Württemberg verfügt seit 1997 über eine Melde- und Informationsstelle beim Landesgewerbeamt, Bayern hat eine Informationsstelle, in Berlin gibt es seit 2006 das Gesetz zur Einrichtung und Führung eines Registers usw. Die anderen Bundesländer sind hier wesentlich weiter. NordrheinWestfalen hat ein eigenes Korruptionsbekämpfungsgesetz verabschiedet.
Mit unserem Antrag wollen wir im Hinblick auf die auf Landesebene vorzunehmende Bekämpfung der Korruption den Landtag in die Lage versetzen zu entscheiden, welche Maßnahmen zu treffen sind, um auf Landesebene mit einem Register gegen Korruption vorgehen zu können. Dazu dient der Berichtsteil in unserem Antrag. Die
bisherigen Maßnahmen in Sachsen sind unzulänglich. Die zentrale Innenrevision, die schon erwähnt wurde, ist bisher nur angekündigt, steht aber auch noch nicht.