Angesichts des Dauerbrenners Hochschulgesetz möchte ich fragen, was an dieser Debatte mit dem Titel „Die Unfähigkeit der CDU/SPD-Koalition, ein modernes Hochschulgesetz für Sachsen vorzulegen“ wirklich aktuell ist. Schließlich sind die jüngsten Querelen um die Personalhoheit der Hochschulen doch nur ein vorläufiger Höhepunkt einer Dauerunfähigkeit der Koalition in diesem Bereich.
Ich möchte diese Dauerunfähigkeit nicht nur im Sinne einer politischen Unfähigkeit verstanden wissen, im Konsens ein Hochschulgesetz vorzulegen.
Herr Dr. Gerstenberg, stimmen Sie mir zu, dass bei einem Dauerbrand nicht nur die Dauer entscheidend ist, sondern auch das aktuelle Feuer?
Darin stimme ich Ihnen vollkommen zu. Deshalb bin ich auch bereit, mit diesem Beitrag den Dauerbrand zu löschen.
(Beifall bei den GRÜNEN und des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS – Jürgen Gansel, NPD: Bambini-Feuerwehren!)
Weit wichtiger ist mir der Umstand, dass die Koalition trotz der langen ihr zur Verfügung stehenden Zeit offenbar unfähig ist, ein wirklich modernes Hochschulgesetz zu erarbeiten.
Frau Staatsministerin Stange, was Sie vorhin an Punkten zur Selbstverwaltung ausgeführt haben, hat meine Einschätzung nur noch verstärkt. Modern wäre doch ein Gesetz, welches die Mitbestimmung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Wissenschaftler und der Studierenden bewahrt und stärkt, anstatt sie einer umfassenden Entscheidungsgewalt von Rektorat und Hochschulräten zu unterwerfen.
Modern wäre ein Gesetz, welches das höchste Gremium der Hochschulen, das Konzil, weiterentwickelt, anstatt es abzuschaffen. Modern wäre ein Gesetz, welches den Studierenden ein privilegiertes Stimmrecht in Fragen der Studienorganisation garantiert, anstatt ihre Mitwirkung in den Gremien der Hochschule zu minimieren.
Wenn ich die Betonung auf „modern“ lege, so meine ich damit auch die Qualität hochschulgesetzlicher Regelungen, die jenseits dieser politischen Konfliktlinien liegen. So wie die bisherigen Entwürfe aussehen, zeigt sich, dass dieses Gesetz nicht modern, nicht innovativ und alles andere als ein großer Wurf werden wird.
Was bisher als Arbeitsfassung bekannt wurde, ist nicht mehr als eine müde Neuauflage dessen, was in den letzten fünf Jahren andere Bundesländer beschlossen haben: billige Konfektionsware aus dem Hause Centrum für Hochschulentwicklung, die sich allzu oft schon an anderen deutschen Hochschulen im Nachhinein als ein schlecht sitzendes Leibchen entpuppt hat. Um eine hochwertige Maßanfertigung für unsere sächsischen Hochschulen hat sich die Koalition nie bemüht und es scheint, dass mit jeder neuen Debatte um des Kaisers neue Kleider nur verdeckt werden soll, dass der Kaiser oder, besser gesagt, die Koalition nackt ist.
Regelrecht symptomatisch dafür ist die von der CDUFraktion kurz vor Toresschluss angezettelte Phantomde
batte um die Arbeitgebereigenschaft der Hochschulen und die Auflösung der Tarifbindung. Dieser Streit ist weit entfernt von den tatsächlichen Problemen der Hochschulen.
Worum geht es dabei eigentlich? Die CDU will die Arbeitgebereigenschaft an die Hochschulen geben und gleichzeitig die Tarifbindung der Angestellten und Arbeiter aufgeben. Laut Ministerpräsident Milbradt ist die Hochschulautonomie ohne die so von ihm verstandene Personalfreiheit ein Muster ohne Wert. Rektoren der sächsischen Hochschulen lehnten angesichts der Aussicht, Tarifverhandlungen mit ihren eigenen Beschäftigten führen zu müssen, dankend ab. Nur vom Rektor der TU Dresden wird die Gewinnung von Spitzenwissenschaftlern als Argument ins Feld geführt; offensichtlich aber ohne Rückhalt bei den eigenen Beschäftigten.
Bei einer Aufhebung der Tarifbindung ist nicht nur mit einem Lohndumping an allen sächsischen Hochschulen zu rechnen, sondern ein Tarifkonflikt zwischen der Hochschulleitung und den Beschäftigten führt vor allem zur Ausweitung der tariflichen Kampfzone in die Wissenschaft hinein, und das mit unabsehbarem Schaden für das Klima an den Hochschulen.
Deshalb solidarisiere ich mich ausdrücklich mit den Beschäftigten der TU Dresden und dem Votum der offenen Gewerkschaftsversammlung vom vergangenen Montag gegen einen solchen Kurs.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz gleich, wer diese Diskussion für sich entscheiden wird: Die tatsächlichen Probleme der Hochschulen beim Personaleinsatz werden nicht über Arbeitgebereigenschaft und Tarifbindung entschieden, im Gegenteil: Echte Autonomie im Personaleinsatz braucht andere Instrumente. Sie lässt sich mit der Tarifbindung vereinbaren und mit der Arbeitgebereigenschaft des Landes sogar besser realisieren.
Was muss echte Autonomie leisten? Eine eigenständige Entscheidung der Hochschulen über ihr Personal! Der Personaleinsatz muss vor allem im Bereich der Lehrer flexibler werden, größere personelle Umstrukturierungen in und zwischen den Hochschulen müssen möglich sein, teilzeit- und nebenberufliche Lösungen müssen erleichtert werden und letztlich im Ausnahmefall auch Spitzengehälter für Spitzenwissenschaftler gezahlt werden. Für alle diese Zielstellungen bietet der aktuelle Konflikt der Koalition keinerlei Lösung.
Nehmen wir das schillernde Argument, die sächsischen Universitäten müssten in die Lage versetzt werden, Spitzenwissenschaftler überdurchschnittlich zu bezahlen. Da Spitzenwissenschaftler in aller Regel auf Professur
berufen werden, sind sie Beamte. Auf sie trifft die Aufhebung der Tarifbindung überhaupt nicht zu. Im Vergleich zu den Angestellten ist die Beamtenbesoldung wesentlich unflexibler. Spitzengehälter lassen sich bei der ohnehin niedrigen Besoldungshöhe in Sachsen damit jedenfalls nicht erzielen. Über die Abschaffung der Verbeamtung von Professoren – das wäre die Aufgabe des Tages – verliert der Ministerpräsident entgegen der früheren Verlautbarung jedoch kein Wort. Genau dieses wäre aber nötig.
Ich könnte Ihnen weitere Beispiele nennen, aber meine Redezeit ist zu kurz. Allein dieses eine Beispiel zeigt – weitere Beispiele nenne ich gern auf Nachfrage –, wie personelle Flexibilität tatsächlich umgesetzt werden kann.
Meine Damen und Herren von der Koalition! Die Vorschläge und Alternativen liegen mit unserem Gesetzentwurf wie auch mit dem von der Linksfraktion.PDS auf dem Tisch. Beenden Sie Ihre Phantomdebatte!
Wagen Sie sich endlich an die wirklichen Probleme heran und zeigen Sie in der Hochschulpolitik eine Leistungsfähigkeit, die der Leistungsstärke unserer Hochschulen gerecht wird!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer möchte denn heute noch bezweifeln, dass das, was im Jahre 2004 als Koalition angekündigt war, in Wahrheit und nach wie vor nichts als eine Notgemeinschaft der damaligen Wahlverlierer ist?
Ich will das der CDU und der SPD gar nicht allzu sehr vorwerfen. Das Wahlergebnis schien unter den Bedingungen spezifisch sächsischer politischer Arithmetik kaum etwas anderes zuzulassen. Heute wissen wir aber auch, dass die ganze Sache – trotz aller Arithmetik – nicht funktioniert. Die Unfähigkeit dieser Notgemeinschaft, ein modernes Hochschulgesetz vorzulegen, ist nur ein Beispiel dafür. Weitere Exempel beizubringen, erfordert kaum Mühe; Belege für die Arbeitsfähigkeit der zur Zusammenarbeit genötigten Partner gibt es aber kaum.
Nichts geht vorwärts in der Schulpolitik. Die Gemeinschaftsschule bleibt nach wie vor ein frommer Wunsch denn der Ausweis für den Übergang zu neuen Qualitäten im Schulbereich.
Dem Ministerpräsidenten kann die Waldschlösschenbrücke nicht schnell genug gebaut werden, der Wirtschaftsminister zieht die dafür vorgesehenen Fördermittel zurück usw. usf. Eine Bilanz der Halbzeit der Koalition geht nicht gemeinsam, sondern nur getrennt. Was soll man dazu sagen?
Das Wort „Koalition“ – Herr Hähle, hören Sie zu! – bedeutet von seinem Ursprung her das Zusammenwachsen, das Sich-Vereinigen. Aber nichts davon ist hier zu beobachten. Die Chance, die in der Notgemeinschaft lag, nämlich wirklich zusammenzuwachsen, ist offensichtlich vertan. Das Gegenteil ist der Fall, und all das im Koalitionsvertrag großmundig versprochene Gold, das man gemeinsam aus Stroh spinnen wollte, bleibt unauffindbar. Das Stroh freilich liegt allerwegen. Man wurschtelt sich so durch und verbiegt sich bis zur Bruchgrenze.
Nun, dies mag in der einen oder anderen Frage gerade noch so gehen. In zentralen Fragen der Entwicklung des Landes kann man aber – fühlt man sich dafür mitverantwortlich – einfach nicht mehr zusehen. Dazu gehört allemal die Frage der Entwicklung unserer Universitäten und Hochschulen. Tatenlos sollen wir hier zusehen, wie Ressourcen und Potenziale zerstört werden und Personal beschädigt wird. Der Ruf unserer Hochschulen und Universitäten nimmt rapide Schaden. In immer mehr Rankinglisten stehen wir am hinteren Ende oder bilden gar das Schlusslicht. Auch vor der Beschädigung des eigenen Personals schrecken die sogenannten Koalitionäre nicht zurück.
Da wird zum Beispiel vom kleinen Partner mutig eine Hochschulministerin bestellt, der man aufgrund ihrer vorherigen Funktion als Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft durchaus moderne Hochschulpolitik und entsprechende Lösungen zutrauen kann. Diese Frau landet dann – warum auch immer – in einem Kompromiss mit der hochschulpolitisch ja völlig ignoranten CDU – einem Kompromiss, den sie als Gewerkschaftsvorsitzende, denke ich, nie akzeptiert hätte –, um danach jedoch mit diesem Kompromiss auch noch in der eigenen Fraktion zu scheitern. Frau Staatsministerin, auch Ihr heute verkündetes Credo ist diskussionswürdig, das gebe ich gern zu; koalitionswürdig ist es offensichtlich nicht.
Merken Sie eigentlich nicht, wohin man Sie gedrängt hat, wo Sie gelandet sind, meine Damen und Herren von der SPD? Herr Pecher gestand gestern ein, dass die SPDFraktion eigentlich gern unserem Gesetzentwurf zur Offenlegung von Managergehältern zugestimmt hätte; die Zwänge der Koalition würden jedoch bewirken, dass man gegen unseren Entwurf stimmen müsse. Das hat er ebenfalls gesagt. Das gleiche Dilemma gestand dann Herr Gerlach bei der Auseinandersetzung um den Antrag der Bündnisgrünen zum CO2-Ausstoß von Dienstfahrzeugen ein.
Ich möchte ja gar nicht die Frage aufwerfen, ob in einer solchen Situation Abgeordnete noch davon sprechen können, an keine Aufträge gebunden zu sein und nur in der Verantwortung für ihr Gewissen zu stehen. Es kann ja sein – das will ich gern einräumen –, dass Ihr Gewissen immer noch den Pakt und seine Erhaltung höher einschätzt als dessen Arbeitsergebnis. Das mag Sie sogar ehren; dem Land bringt es jedoch kaum etwas.
Nun möchte ich Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU, heute nicht vorschlagen, den Vertrag aufzulösen. Ich möchte Sie aber auffordern, in einer solch zentralen Frage wie der Hochschulgesetzgebung einmal der parlamentarischen Demokratie pur mehr zu vertrauen als dem Versuch einer koalitionären Mehrheitsbeschaffung ohne wirkliche Aussicht auf Mehrheit.
Lösen Sie doch in dieser Frage, Herr Nolle – Sie helfen uns doch sicher gern dabei –, einmal probeweise Ihre Koalitionszwänge auf und lassen Sie uns dafür gemeinsam eine gute Lösung suchen.
Es liegen zwei Hochschulgesetzentwürfe vor, einer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und einer von meiner Fraktion. Sie unterscheiden sich in Teilen; sie sind beide passabel und gut. Nehmen wir diese Entwürfe zur Grundlage für eine freie Diskussion und eine freie Beschlussfassung hier in diesem Hause. Es gäbe eine Sternstunde der Demokratie,
ohne dass zugleich schon die Sterbestunde dieser kleinen Großen Koalition eingeläutet sein müsste. Trennen wir uns einmal – wenigstens probeweise – von den Axiomen längst überkommener sächsischer politischer Arithmetik!