Protokoll der Sitzung vom 11.05.2007

publik Online-Durchsuchungen durchgeführt werden. Ich weiß nicht, was noch alles ans Tageslicht kommen wird, wenn man sich das genauer ansieht.

Meine Damen und Herren! Wir sind nicht nur auf dem Weg in eine Überwachungsgesellschaft, wie der Bundesdatenschutzbeauftragte äußerte – ich glaube, in manchen Punkten sind wir dort bereits angekommen.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und den GRÜNEN – Jürgen Gansel, NPD: Das haben wir gestern auch gesagt!)

Im März 2007 kamen dann die bereits hier diskutierten Vorschläge des sächsischen Innenministers für Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Sexualstraftätern: Sexualstraftäterdateien, die für jedermann zugänglich sind, ein erweitertes Betretungsrecht für Wohnungen von Sexualstraftätern, die Erhebung von DNA-Daten bei allen Straftätern und die Nutzung des kommunalen Melderegisters. Diese Vorschläge waren allesamt verfassungswidrig, und ich denke, die Staatsregierung hat das inzwischen auch eingesehen. Aber die Frage, die dahintersteht, ist: Inwieweit darf man, wenn man Verantwortung trägt, überhaupt solche Vorschläge in der politischen Diskussion machen?

(Beifall bei der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Diesen Vorschlägen ist vonseiten des Justizministeriums emsig nachgeeifert worden. Im März wurden Vorschläge unter dem Synonym „Bannmeilen für Rechtsextreme“ präsentiert, die vorsahen, dass an bestimmten historischen Orten zu bestimmten Zeiten Demonstrationen verboten werden können. Die Aussagen des Ministers im Rechtsausschuss haben mich darin bestärkt, dass wir hier in einem sehr bedenklichen Diskurs angelangt sind. Die Würde der Opfer muss geschützt werden, und die Angriffe, die vor allen Dingen von den Rechtsextremisten kommen – auch von der NPD-Fraktion in diesem Haus –, sind nicht hinnehmbar. Meine Damen und Herren, sosehr man dieses Treiben verachtet, sosehr muss man trotzdem darauf achten, dass man die Grundrechte insgesamt nicht beschädigt!

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion.PDS und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wer versucht, bestimmte Orte von Demonstrationen freizuhalten, beschädigt damit das Grundrecht auf De

monstrationsfreiheit insgesamt; denn er maßt sich eines an: eine staatliche Deutungshoheit über Symbole, Gedenktage und bestimmte Symbolorte. Das lässt sich nicht nur gegen Rechts verwenden, sondern je nach politischer Beliebigkeit auch zu anderen Gelegenheiten und Anlässen. Das ist es, was wir Liberale nicht akzeptieren können.

(Beifall bei der FDP – Johannes Lichdi, GRÜNE, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Vielen Dank. – Herr Kollege Martens, stimmen Sie mir darin zu, dass die gerade von Ihnen zu Recht angesprochene Anmaßung einer Deutungshoheit explizit durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes verworfen worden ist?

Herr Kollege Lichdi, ich gebe Ihnen darin recht. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass die Demonstrationsfreiheit auch als Teil der Meinungsfreiheit für die Demokratie schlechthin konstitutiv ist und dass selbstverständlich Demonstrationen von den Demonstrierenden dort abgehalten werden können, wo sie es wünschen – es sei denn, aufgrund von Bannmeilengesetzen wird zum Beispiel die Funktionsfähigkeit von Verfassungsorganen beeinträchtigt. Dabei sind Einschränkungen möglich, sonst nicht. Und – das ist das Wichtige – Demonstrationen müssen manchmal gerade an Symbolorten stattfinden, weil sie sonst in der Tat ihren Sinn verlieren würden. Ich sage es mal so: Wenn es bestimmte Orte im Tagebau-Restloch gegeben hätte, hätte selbst Erich Mielke die Montagsdemonstrationen zugelassen.

(Beifall des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Demonstrationen müssen an Orten stattfinden, sonst bewirken sie nichts, meine Damen und Herren, und das wird hier in sehr bedenklicher Weise verkannt!

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte nicht weiter auf die drohenden Einschränkungen eingehen, wie zum Beispiel in Berlin den Umgang mit der Unschuldsvermutung seitens des Innenministers. Das ist mehr als bedenklich, meine Damen und Herren. Man bekämpft die Feinde des Rechtsstaates nicht mit dessen Abbau und man verteidigt die Freiheit nicht mit deren Einschränkung.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wir haben den Eindruck, dass die Bürger dem Staat bei der Gewährleistung innerer Sicherheit inzwischen im Weg stehen; sie sind ihm lästig. Während bisher Grundrechtseinschränkungen als Kollateralschaden der Sicherheitspolitik hingenommen werden mussten, gibt es jetzt eine neue Qualität: Grundrechte werden direkt ins Visier

genommen für einen fragwürdigen Sicherheitsbegriff, und dem stellen wir, die FDP, die Liberalen, uns entgegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion.PDS, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Bandmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Anschläge in Europa, in den Vereinigten Staaten, die Angriffe auf das Welthandelszentrum, die feigen Morde an Tausenden Menschen zeigen, dass die Gewährleistung der Sicherheit für Menschen schwieriger geworden ist

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: … die irakische Bevölkerung!)

und die Maßnahmen in der Tat umstritten diskutiert werden.

Wir alle erinnern uns der in der letzten Zeit geführten Debatte um die Begnadigung des Terroristen der RAF Christian Klar. Mehrfach wurde dabei ein Vergleich hergestellt zwischen den damaligen entschlossenen Handlungen der Bundesrepublik Deutschland zu Zeiten der RAF und den Vorschlägen von Herrn Innenminister Dr. Schäuble in den letzten Wochen und Monaten, die er der Öffentlichkeit präsentiert hat.

Ich möchte an dieser Stelle nicht noch einmal die Diskussion wiederholen, sondern nur eines deutlich machen: Die Innenpolitik hat neben vielfältigen Aufgaben ihren Schwerpunkt in der Gewährleistung der inneren Sicherheit, dem Schutz der Gesellschaft, der Menschen, die in unserem Land leben, des Staates vor Kriminalität, Terrorismus und vergleichbaren Bedrohungen, die sich aus dem Innern der Gesellschaft selbst heraus entwickeln.

(Jürgen Gansel, NPD: Und aus der Zuwanderung!)

Die Gewährleistung der inneren Sicherheit gehört daher nicht umsonst zu den Kernaufgaben nationaler und europäischer Politik. Mit der schrittweisen Verwirklichung des gemeinsamen Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts leistet die Europäische Union einen wichtigen, aus meiner Sicht unverzichtbaren Beitrag zu mehr Freiheit und Freizügigkeit.

Dies sollte man immer berücksichtigen, wenn man über Innenpolitik und innere Sicherheit spricht; denn nur so gewährleistet man, dass eine sachliche Argumentation in dieser Frage geführt wird und überhaupt leistbar ist. Die Sicherheitslage der Bundesrepublik Deutschland im 21. Jahrhundert ist eben eine ganz andere, als sie noch zur Zeit der Verabschiedung des Grundgesetzes 1949 war. Deutschland ist heute zu Recht ein geachtetes Mitglied der Europäischen Union – eine Staatengemeinschaft, welche unter anderem durch das Schengenabkommen erstmals europaweit offene Grenzen ermöglicht. Diese

Grenzöffnung bietet natürlich nicht nur Chancen, sondern auch Risiken, wie zum Beispiel die Internationalisierung der Kriminalität.

Ein weiterer Punkt ist der weltweite Terrorismus, welcher nach dem Ende des Kalten Krieges in den Vordergrund gerückt ist. So haben neben den Anschlägen in den USA und im Nahen Osten auch die Anschläge zum Beispiel in Madrid oder in London und der zum Glück vereitelte Kofferbombenanschlag hierzulande deutlich gemacht, dass diese Gefahren auch unmittelbar für Europa und für Deutschland bestehen.

Ein dritter Punkt ist das Internet, welches nicht nur als Datenautobahn den Austausch terroristischer, krimineller oder pädophiler Gedanken ermöglicht, sondern sogar zur Begehung von Straftaten genutzt wird. Der Bundesinnenminister hat am Dienstag dieser Woche die Kriminalitätsstatistik 2006 präsentiert. Eine der Kernaussagen ist, dass sich insbesondere die Internetstraftaten bedrohlich ausweiten.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Illegaler Zugriff!)

Betrügerische E-Mail-Programme, welche versuchen, auf allen Wegen Bankdaten der Kunden zu erhalten, der zunehmende EC- oder Kreditkartenbetrug bzw. der betrügerische Verkauf von Waren über das Internat machen deutlich, dass hier teilweise massive Risiken und Probleme für den Betroffenen vorhanden sind.

Meine Damen und Herren, man könnte diese Aufzählung beliebig weiterführen. Diese drei angesprochenen Punkte sollen aber genügen und deutlich machen, welche Anforderungen in Zukunft an die innere Sicherheit gestellt werden.

Meine Damen und Herren, wenn sich jetzt die FDP hier hinstellt und versucht, dies alles zu diskreditieren, dann ist das aus meiner Sicht der falsche Ansatz. Wir werden der technischen Entwicklung Rechnung tragen und die notwendigen Maßnahmen für die Sicherheit leisten.

Meine Damen und Herren von der FDP: „Auf Parteitagen werben die Freien Demokraten immer tapfer für Bürgerrechte. Wenn es ernst wird, entscheiden sie sich aber im Zweifel für den populistischen Weg.“ – Dies ist lediglich ein Zitat, welches eine große Wochenzeitschrift in ihrer 14. Ausgabe zutreffend festgestellt hat. Genau dies versuchen Sie derzeit in Berlin, und wir werden Sie hier in Dresden mit diesen Aktionen nicht durchlassen. Wenn Sie im Grunde genommen in Bezug auf das Demonstrationsrecht noch eine Steilvorlage für die Rechtspopulisten in diesem Hause liefern, dann kann ich nur sagen: Herr Dr. Martens, bei allem Respekt, schämen Sie sich!

(Beifall bei der CDU – René Despang, NPD: 6, setzen!)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort; Frau Dr. Ernst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jeden Monat wieder müssen wir über dieses Thema sprechen, und vieles, was Herr Dr. Martens gesagt hat, kann ich nur unterstreichen. Was erleben wir seit 2001, wenn wir einmal Revue passieren lassen, in welchem Verhältnis Bürger und Staat heute zueinander stehen? Seit dem 11. September 2001 folgt doch ein sogenanntes Antiterrorpaket nach dem anderen, eine Sicherheitsmaßnahme nach der anderen, ein Gesetz nach dem anderen – niemand kann es mehr überschauen.

Wenn ich andeuten darf, in welche Richtung es geht: Antiterrordatei, zentrale Datei zur Verfolgung der sogenannten illegalen Migrationen, elektronische Fotos und genetische Merkmale im Pass, Speicherung von Fingerabdrücken, Mautdaten zur Fahndung, Computer-OnlineDurchsuchung, zentrale Datenbank, Extensivierung der Videoüberwachung und natürlich die Einschränkung des Versammlungsrechtes, was sich auch unser Innenminister ausgedacht hat. All das, was Sie hier vorschlagen, schafft eines nicht: mehr Sicherheit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Man muss sich von dem Gedanken verabschieden, dass wir damit tatsächlich mehr Sicherheit schaffen – im Gegenteil: Der Staat schafft sich gegen den Bürger ein riesiges Instrumentarium zur Überwachung des Bürgers. Ich sage Ihnen ganz offen: Diesen Weg will ich nicht mitgehen. Was Sie innere Sicherheit nennen, Herr Buttolo – ich könnte auch sagen: Herr Schäuble –, bedeutet in Wahrheit die Aufhebung persönlicher Sicherheit der Bürger. Was Sie innere Sicherheit nennen, ist doch in Wahrheit der Weg vom demokratischen Rechtsstaat der Bürger hin zum präventiven Überwachungsstaat über Bürger. Auch das ist ein Weg, den Sie mit uns nie gehen können und den wir mit Ihnen nicht gehen werden.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Weil der kleine Bandmann nun mal Angst hat!)

Weil er Angst hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn Sie die Diskussion, die wir hier, aber auch im Bundestag führen, verfolgen, werden Sie eines merken: dass wohl das letzte rechtsstaatliche Halteseil gegen diese Entwicklung offensichtlich die Verfassung ist, wie wir immer feststellen. Seit 2001 erleben wir Dauerattacken gegen das Grundgesetz, aber auch gegen unsere Verfassung hier in Sachsen. Sechs der sogenannten grandiosen Antiterrorpakete hat das Grundgesetz in den Orkus befördert, wie den Abschuss von entführten Pax-Flugzeugen oder die Legitimierung des Großen Lauschangriffes und die Ausweitung der Rasterfahndung.

Aus Ministersesseln heraus – das ist ja das Verrückte an der Situation, in der wir uns befinden, denn wo kommen die Angriffe auf die Verfassung her? – wird die Verfassung gewissermaßen sturmreif geschossen, im wahrsten Sinne des Wortes.