Protokoll der Sitzung vom 21.01.2005

Ich bitte Sie, ans Mikrofon zu kommen, wenn Sie eine Frage stellen wollen.

Ich fordere Sie auf, den politischen Missbrauch des SEK zu beenden.

(Beifall bei der NPD – Karl Nolle, SPD: Das ist eine blanke Lüge!)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Leichsenring, was Sie gerade in Ihrem Beitrag über „Kontraste“ nicht erwähnt haben, ist natürlich wieder symptomatisch für Ihre Geisteshaltung: dass Ihre Gesinnungsgenossen, die HammerSkins in Berlin, den dort zum Glück tätigen Polizeidirektor Knape in seinem persönlichen Wohnumfeld bedrohen. Also stellen Sie sich nicht hier hin und gerieren sich als unschuldiges Lamm. Das ist unerträglich! interjection: (Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der PDS, der SPD und der FDP)

Nun zur Sache. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte soll sich nach dem Willen der FDP grundsätzlich mit der Planung und Durchführung von SEK-Einsätzen beschäftigen. Wir begrüßen es ausdrücklich, wenn sich der Sächsische Landtag mit der Kontrolle der Institution beschäftigt, die das staatliche Gewaltmonopol ausübt und deshalb zwangsläufig tief in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreift. Wir sollten diese Aufgabe als Parlament gemeinsam sehr ernst nehmen.

Die Fragen, die Kollege Dr. Martens nach der Sorgfalt der Vorermittlungen gestellt hat, teilen wir und halten sie für berechtigt. Allerdings frage ich mich schon, ob die Voraussetzungen für die inhaltliche Debatte überhaupt gegeben sind. Der Innenminister – Herr Kollege Bartl hat darauf hingewiesen – hat dem Innenausschuss jede Auskunft über Einsatzmethoden der SEKs unter Hinweis auf eine angeblich notwendige Geheimhaltung verweigert. Wir kritisieren das und weisen ausdrücklich darauf hin, dass der Innenausschuss eben nicht öffentlich tagt und öffentliche Mitteilungen nur über das Beratungsergebnis zulässig sind.

Ich habe im Verlauf der Debatten heute und vor zwei Tagen gelernt, dass dies offensichtlich im Parlament nicht so eng gesehen wird, weil sowohl Sie, Herr Innenminister, als auch Herr Bandmann und andere Kollegen lustig aus diesen Beratungen zitieren.

Der Innenminister stellt hier offensichtlich taktische Geheimschutzinteressen über das Kontrollrecht des Parlamentes. Wenn die Aktuelle Debatte aber dazu dienen soll, auf diesen Umstand hinzuweisen – nun gut. Ob wir dadurch mehr in der Sache erfahren, wage ich durchaus zu bezweifeln. Wenn die FDP jedoch darauf abzielt, aus dem SEK-Einsatz in Dresden-Loschwitz am 17. Dezember 2004 politisches Kapital zu schlagen, dann soll sie diesen Einsatz auch zu diesem Thema machen. Darüber hat der Landtag jedoch bereits am Mittwoch debattiert. Das war natürlich eine geschickte Abwehrreaktion der Koalition. So ist das nun einmal.

Ich möchte dennoch unsere Position zum SEK-Einsatz in Dresden nochmals zusammenfassen.

Erstens. Wir können als Parlamentarier die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Einsatzes nicht beurteilen, da wir die Akten nicht kennen. Dies ist im Übrigen auch die Aufgabe der Gerichte und nicht unsere.

Zweitens. Nach den vorliegenden Presseberichten und den Berichten des Innenministers erscheint es nicht ausgeschlossen, dass der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Dresden, die Anordnung des SEK-Einsatzes und sogar dessen Durchführung rechtmäßig waren.

Drittens. Ob es einen Polizeiskandal gibt, ist ungewiss. Dass es einen Ministerskandal gibt, Herr Dr. de Maizière, ist dagegen sicher! Den Skandal hat der neue Innenminister de Maizière durch seine Äußerungen in der Presse verursacht, in denen er Unschuldige absichtlich in ein kriminelles Licht gerückt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Der Minister hat den Eindruck erweckt, dass allein das Wohnen unter einem Dach mit einem „Rotlichtkönig“, wie die Presse sagt, den Einsatz eines SEK rechtfertige.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Richtig!)

Dies ist offensichtlich falsch – rechtlich falsch und politisch falsch. Es muss immer wieder darauf hingewiesen werden: Gegen die Mitarbeiterin und den Polizeibeamten läuft bis heute kein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren wegen der Delikte, die das Amtsgericht Dresden zur Rechtfertigung des Durchsuchungsbefehls herangezogen hat.

Herr Minister, ich wiederhole, was ich am Mittwoch gesagt habe: Diese Aussage grenzt an üble Nachrede und verletzt Ihre dienstrechtliche Fürsorgepflicht gegenüber Ihrer Mitarbeiterin und dem Polizeibeamten. Ich erwarte immer noch von Ihnen eine öffentliche Richtigstellung dieser Äußerungen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS, der SPD und der FDP)

Nun zum SEK: Herr Kollege Bräunig hat viel dazu gesagt. Um was für eine Truppe handelt es sich dabei? Die Beamten werden eingesetzt, wenn es aufgrund der vermuteten Gefährlichkeit des Täters gefährlich erscheint, „normale“ Polizeibeamte einzusetzen. Entsprechend sind aber auch die Einsatzkonzepte. Es geht darum, sofort und ohne jedes weitere Risiko – Herr Bräunig hat auf München hingewiesen – jeden möglichen Widerstand zu brechen. Das hat gerade auch der Einsatz in Dresden gezeigt. Natürlich handelt es sich dabei aus rechtsstaatlicher Sicht, Herr Bräunig, nicht um juristische Spitzfindigkeiten, sondern es handelt sich um die Wahrung der Grundrechte, und das sollte in erster Linie unsere Angelegenheit als Parlamentarier sein. Dies ist natürlich aus rechtsstaatlicher Sicht eine höchst unbefriedigende Situation, da eine Feinsteuerung der konkreten Einsatzmittel während des Einsatzes kaum mehr möglich ist, wenn die Entscheidung zum Einsatz des SEK erst einmal gefallen ist.

Genau deshalb muss die Vorermittlung – Kollege Dr. Martens hat darauf hingewiesen – umso sorgfältiger ausfallen. Ob dies in Loschwitz der Fall war, daran bestehen auch aus unserer Sicht durchaus Zweifel. Aber ich wiederhole: Wir können dies ohne Aktenkenntnis nicht nachvollziehen.

Herr Präsident, ich sehe, dass meine Zeit abgelaufen ist, und würde nachher noch einmal dazu sprechen.

Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Heinz Lehmann, CDU: In der Tat!)

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS, der SPD und der FDP)

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das von der FDP beantragte Thema der Aktuellen Stunde gibt mir die Gelegenheit, die Arbeit von Menschen in den Mittelpunkt zu stellen, die unter Einsatz ihres Lebens dazu beitragen, die Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten. In den meisten Fällen geschieht dies, ohne dass die Öffentlichkeit davon Notiz nimmt. Ich will drei jüngere Beispiele benennen, an die Sie sich vielleicht erinnern. Eine Schlagzeile im Juni 2004: „Leipziger Drogenbande verhaftet – 310 Kilo Hasch im Wert von einer Million Euro sichergestellt“. Hier hat das SEK Sachsen in Zusammenarbeit mit der Polizei anderer Bundesländer über mehrere Tage hinweg einen Reisebus observiert, mit dem internationale Drogenkuriere Rauschgift transportierten. Anschließend griffen die Beamten in NordrheinWestfalen zu und nahmen drei Straftäter fest.

Oder die Schlagzeile vom September 2003: „Streit ums Kind – da stürmte das SEK“. Ein 36-jähriger Familienvater randalierte im Haus, griff Polizeibeamte an, verschanzte sich mit einer Propangasflasche und Feuerzeugen auf dem Dachboden und drohte, das ganze Haus und sich selbst in die Luft zu sprengen. Das SEK griff bei günstiger Gelegenheit zu und überwältigte den Mann.

Nicht zuletzt wurde das SEK Sachsen im Rahmen der Hochwasserkatastrophe 2002 zur Rettung und Bergung von Menschen aus Notsituationen eingesetzt. Ein besonders gefährlicher Einsatz dürfte allen Sachsen besonders in Erinnerung geblieben sein: Eine führerlose und manövrierunfähige Fähre drohte auf der Elbe die ohnehin schon stark belasteten Brücken zu beschädigen und stellte eine erhebliche Gefahr dar. SEK-Beamte wurden unter Lebensgefahr – ich sage dies bewusst im Hinblick darauf, was am Montag passiert ist – von einem Polizeihubschrauber auf die frei treibende Fähre abgeseilt. Sie versuchten zuerst, die Maschine zu starten. Als dies nicht gelang, brachten sie einen Sprengsatz an, ließen sich wieder durch den Polizeihubschrauber von der Fähre holen, sprengten ein Loch in die Bordwand und versenkten so die Fähre.

Wir haben das alles im Fernsehen gesehen. Das waren nur drei Beispiele, in denen mit Selbstverständlichkeit das Handeln eines Spezialeinsatzkommandos registriert worden ist. Die Wenigsten wissen natürlich Näheres über die Grundlagen der Arbeit des SEK. Das, Herr Bartl, gehört zum Geschäft.

Ich nehme heute gern die Gelegenheit wahr, einiges über die konkrete Arbeit des SEK zu berichten, ohne ihre Arbeit zu gefährden, bevor ich noch einiges zur politischen Dimension, zu den Diskussionen der letzten Wochen und zum Argumentationsstrang des Abg. Lichdi sage.

Erstens. In welchen Fällen wird das SEK eingesetzt? Das SEK wird grundsätzlich in Fällen besonderer Gewaltkriminalität eingesetzt. Hierzu gehören insbesondere Einsätze gegen Bewaffnete und möglicherweise bewaffnete Täter, Zugriffsmaßnahmen bei Festnahmen von gefährlichen Personen, Fahndung nach Personen und Durchsuchungsmaßnahmen, bei denen ein hoher Gefährdungsgrad auch bei den eingesetzten Polizeibeamten besteht. Die Rechtsgrundlage dafür, Herr Abg. Bartl, sind selbst

verständlich das Polizeigesetz und die Strafprozessordnung. Die Verwaltungsvorschrift ist eine interne Dienstanweisung und kann nie eine eigenständige Rechtsgrundlage bedeuten, Herr Rechtsanwalt.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, PDS)

Diese Verwaltungsvorschriften werden in keinem deutschen Bundesland veröffentlicht. Was das Land BadenWürttemberg veröffentlicht hat, schaue ich mir anschließend an. Jeder Einsatz der Polizei in Sachsen und in Deutschland kann von jedem zuständigen Gericht kontrolliert werden. Dort ist die Kontrolle und dort ist sie auch gut aufgehoben.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, PDS)

Zweitens. Nach welchen Grundsätzen kommt das SEK zum Einsatz? Der Polizeieinsatz wird, sofern es sich nicht um einen Vorfall handelt, der ein sofortiges Handeln erforderlich macht, wie zum Beispiel die Geiselnahme in der JVA Dresden am vergangenen Freitag, im Prinzip zunächst von der einsatzführenden Polizeidienststelle vorbereitet. Dazu werden Informationen erhoben und bewertet sowie die Gefahrenlage beurteilt. Auf dieser Basis wird eine Lagebeurteilung auch für vermeintlich harmlose Situationen vorgenommen, insbesondere werden Gefahren und Risiken eingeschätzt.

In diesem Zusammenhang ist mit dieser Sicherung von Personen und Sachwerten auch die Eigensicherung der Polizisten zu berücksichtigen. Die Vernachlässigung von Eigensicherungsregeln wäre ein einsatztaktischer Fehler und könnte für die Polizeibeamten tödlich sein.

Drittens. Wie läuft ein Einsatz des SEK in der Regel ab? SEK-Einheiten werden für die Dauer des jeweiligen Einsatzes dem Polizeiführer des Einsatzes unterstellt. Der Polizeiführer weist das SEK in die Lage ein und erteilt den Auftrag. Für die Vorbereitung der konkreten Einsatzmaßnahmen ist das SEK auf die Informationen der einsatzführenden Dienststelle angewiesen. Insofern, Herr Abg. Martens, betraf auch der Einsatz vor einem Jahr zwar die falsche Wohnung, aber er war deshalb in der falschen Wohnung, weil die ballistische Berechnung falsch war. Das SEK ist sozusagen in die ihr genannte und insofern für sie richtige Wohnung gegangen. Es war nur die falsch berechnete Wohnung.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Das macht doch keinen Unterschied! – Zurufe von der PDS)

Herr Abg. Martens, das ist für die Betroffenen kein Unterschied, das ist wohl wahr.

(Dr. Jürgen Martens, FDP: Eben!)

In diesem Fall hat es auch eine Entschuldigung der Polizei gegeben. Aber das war kein Problem des SEK-Einsatzkommandos, sondern der Einsatzvorbereitung der Polizei. Ich will gar nicht sagen, dass das ein glanzvoller Einsatz war, aber es war ein Fehler in der Einsatzvorbereitung.

Grundsätzliches Ziel des SEK-Einsatzes bei einer Gefahrenlage ist es, durch geeignete Maßnahmen eine Lage zu klären, zu stabilisieren bzw. sie zu beenden, Menschenleben zu schützen, Täter festzunehmen und Beweise zu sichern. Unmittelbar nach Herstellung der Sicherheit werden der Einsatzort und die eventuell festgenommenen Personen an die einsatzführende Dienststelle übergeben. Der SEK-Einsatz ist dann beendet.

Viertens. Wann kommt es zum Schusswaffengebrauch? Das ist eine sehr wichtige Frage. Der Abg. Bräunig ist darauf schon mittelbar eingegangen.

Oberste Maxime ist es, auf den Einsatz der Schusswaffe möglichst zu verzichten und sie nur dann als Ultima Ratio anzuwenden, wenn mildere Mittel nicht Erfolg versprechend sind bzw. nicht zum Erfolg geführt haben. Dies verdeutlichen die Zahlen der vergangenen fünf Jahre, Herr Abg. Bartl. In den Jahren von 2000 bis 2004 führte das SEK Sachsen 592 Einsätze durch. Dabei wurden 643 Personen festgenommen. Bei diesen Einsätzen kam es insgesamt dreimal zu einem Schusswaffengebrauch, also dreimal von 592 Einsätzen, aber nicht ein einziges Mal zum Schusswaffengebrauch gegen Menschen, auch nicht gegen Straftäter. Es wurden dort weder ein Tatverdächtiger noch andere Personen oder Beamte des SEK selbst verletzt. In allen drei Fällen des Schusswaffengebrauchs wurden die Schusswaffen gegen Hunde eingesetzt, die Polizeibeamte angegriffen hatten. Ich finde, das ist ein Zeichen für einen verhältnismäßigen und professionellen Einsatz des SEK.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Was die SEK-Beamten bei einem Einsatz durchleben, meine Damen und Herren, in welcher Anspannung sie sich befinden, welche Verantwortung sie tragen, kann man in Worten allerdings nur schwer vermitteln. Ein Dank an diese Truppe durch die Staatsregierung und nach meiner Auffassung auch durch den Sächsischen Landtag ist mehr als überfällig.

(Beifall bei der CDU und Staatsregierung)

Lassen Sie mich noch eine Frage stellen, die mich besonders beschäftigt hat. Was waren die Ursachen für die starke Beachtung des Geschehens am 17. Dezember 2004 und die zahlreichen Briefe und Leserzuschriften nach dem Polizeieinsatz und vor allem nach meiner Pressekonferenz?