Mit Wohlwollen haben wir zur Kenntnis genommen, dass der von der Koalition vorgeschlagene Anhörungsplan bereits von Teilen der Opposition mitgetragen wird. Wir halten es für wichtig, dass der zuständige Fachausschuss, der Innenausschuss, in dieser wichtigen Frage eine gemeinsame Position bezieht und dadurch eine intensive und umfassende Behandlung des Reformprojektes ermöglicht wird.
Ich denke, der dargestellte Fahrplan, dieser Kurs, ist richtig. Wir gründen so ein gutes Fundament, auf dem das Haus der Funktional- und Verwaltungsreform für den Freistaat Sachsen stabil und zukunftssicher errichtet wird.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Wir wollen den Gesetzentwurf sehen; noch haben wir ihn nicht!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da ist er nun also, der große Wurf, der uns schon zu Beginn der Legislatur angekündigt wurde. Endlich, endlich liegt er vor.
Mir wird etwas mulmig dabei, denn ich habe das Gefühl, das einzig Große an diesem Entwurf ist, dass er überhaupt zustande gekommen ist. Ansonsten fällt mir leider nicht allzu viel dazu ein.
Während zweieinhalb Jahren haben wir sehr darauf gedrungen, dass wir als Landtag gern einbezogen worden wären. Wir wären gern in die Ausgestaltung der Leitlinie einbezogen worden, mit welchen Prämissen man herangeht und welche konzeptionellen Grundgedanken dieser Landtag der Staatsregierung mit auf den Weg geben
Allein das half nichts. Wir haben zu hören bekommen, dass wir uns doch überraschen lassen sollten. Wir haben alles Mögliche zu hören bekommen, nur leider keine wirklichen Vorlagen, die wir hier hätten diskutieren können. Das bedauern wir sehr. Wir haben es nur über Winkelzüge ermöglicht, eine Anhörung zum Expertenbericht durchführen zu können. Wir haben auf unser Drängen hin zur 1. Lesung nach zweieinhalb Jahren überhaupt das erste Mal die Möglichkeit, ein paar Punkte dazu in diesem Hohen Hause zu sagen. Das finde ich schon sehr bedauerlich. Es ist meines Erachtens kein sehr guter Stil, gerade wenn es um das wichtigste Vorhaben in dieser Legislaturperiode gehen soll, meine Damen und Herren.
Die Lustlosigkeit, Herr Buttolo, mit der Sie gerade den Gesetzentwurf eingebracht haben, kann ich gut verstehen. Ich gebe Ihnen gern ein paar Auszüge aus den Stellungnahmen der Landkreise. Der Muldentalkreis sagt: „Beide Referentenentwürfe der Sächsischen Staatsregierung verfehlen in wesentlichen Punkten diese Zielstellung“ – gemeint ist das Ziel einer stärkeren Bündelung ortsnaher kommunaler Verwaltung – „und sind deshalb in dieser Form nicht zustimmungsfähig.“
Döbeln: Der Gesetzentwurf könnte nicht mit letzter Sicherheit die Notwendigkeit einer Kreisreform begründen. Es fehle unter anderem an dem Nachweis über eine tatsächliche Verbesserung der Verwaltungstätigkeit für den Bürger.
Es ist doch ein Armutszeugnis für eine Staatsregierung, die einen Gesetzentwurf in eine Anhörung gibt und sich dann solche Anhörungsergebnisse vorlegen lassen muss! Ich könnte über das, was die kommunale Familie über diesen Gesetzentwurf denkt, noch zwei Seiten vorlesen. Das ist sehr bitter und ich hätte mir wirklich gewünscht, dass wir im Vorfeld eine solche Entscheidung gemeinsam hätten treffen können.
Ein Punkt zur Entstehung; ich habe schon ein paar Punkte angesprochen. Diese Reform ist in Hinterzimmern entstanden. Der Lenkungsausschuss, bestehend aus den Koalitionsfraktionen und den kommunalen Spitzenverbänden, hat sich diese Reform ausgedacht. Sie ist vor allem aus faulen Kompromissen entstanden. Ich denke, ich brauche hier nicht allzu viel zur Frage zu sagen, wie viele Regierungspräsidien unser Land braucht oder ob es überhaupt welche braucht. Dass ein solches Possenspiel in diesem Land möglich ist, ist wirklich sehr traurig.
Aber da kann man zumindest Danke an die SPD sagen, dass sie umgefallen ist, denn sonst hätten wir wahrscheinlich den Gesetzentwurf nicht. Insofern vielen Dank an die SPD, dieser Dank soll nicht bei Herrn Buttolo allein bleiben.
Wir haben es hier eindeutig mit einer Reform der Landräte zu tun, die ihre Bedingungen diktiert haben, ihre Bedingungen dafür, dass diese Kreisneugliederung, die dieser Freistaat, die der Ministerpräsident, Herr Milbradt, und die wahrscheinlich auch Herr Buttolo will, zustande kommt. Deshalb haben sie gesagt, wir wollen mindestens von dir, Freistaat, 4 000 Mitarbeiter, sieh zu, wie du sie ranbekommst. Da geht es nicht um Aufgabenkritik, zumindest nicht im vorrangigen Sinne, da geht es nicht um eine wirkliche Frage – ich gehe einmal meine Strukturen, die sich dort in den ganzen Jahren entwickelt haben, Punkt für Punkt durch –, sondern da geht es nur darum, ich will mehr Macht. Das wurde den Landräten gegeben; sie haben ihre 4 000 Mitarbeiter bekommen. Der Preis dafür war ihnen egal. Der Preis dafür ist zum Beispiel auch die Zerschlagung von funktionstüchtigen und vernünftigen Strukturen in diesem Land. Das ist sehr bedauerlich, meine Damen und Herren.
Die Kosten dieser Reform will ich zumindest einmal benennen. Ein kleiner Anreiz an die Landräte ist ja gegeben worden. 260 Millionen Euro werden über das Land verstreut, jeder Landkreis bekommt 10 Millionen Euro, um damit das eine oder andere zu finanzieren. Das ist erst einmal nett vom Freistaat. Aber das ist das Einkaufen der Landräte gewesen, und die über 28 Millionen Euro Ausgleich für den Wegfall der Kreissitze haben ein Übriges getan. Allein zu den Einsparungen dieser Reform können wir im gesamten Gesetzentwurf nichts lesen. Da wird fabuliert von 20 %, da werden Vermutungen angestellt. Allerdings ist eine belastbare Grundlage, welche Einsparungen wir wirklich zu erwarten haben, nicht gegeben.
Dazu möchte ich Ihnen gern vom Ministerpräsidenten Dieter Althaus aus Thüringen, warum er eine solche Reform im Moment nicht anstrebt, zumindest das eine Zitat mitgeben: „Schließlich hat der erste kommunale Umbau von 1993 bis heute zu keinerlei Kostenreduzierung geführt.“ Allein für Sachsen fehlt eine Analyse der 1994 durchgeführten Kreisgebietsreform bis heute. Insofern würde ich mich erst einmal – unwissend, ob es denn eine Kostenreduzierung gegeben hat –, dem Urteil des Ministerpräsidenten von Thüringen anschließen wollen, solange Sie den Nachweis einer wirklichen Kostensenkung schuldig bleiben.
Was haben wir hier mit dieser Verwaltungsreform vorliegen? Sie sagen, die kommunale Familie wäre gestärkt worden. Ich kann allerdings nur lesen, dass Aufgaben an die Kommunen übertragen werden, und nicht, dass sie darüber entscheiden könnten, sondern dass ein unbedingtes Weisungsrecht daran gebunden ist. Nur bei Kleinigkeiten darf die Kommune auch einmal überlegen, wie sie es vielleicht ausgestalten will. Der Großteil der Aufgaben ist an Weisungsrecht gebunden. Das haben wir von vornherein kritisiert. Das ist auch nach den Anhörungen, die noch einmal deutlich darauf abgestellt haben, nicht verändert worden. Das bedauern wir sehr.
Die Frage der Zerschlagung des Sachsenforstes, der eigentlich einmal eine Vorzeigeeinrichtung des Freistaates Sachsen war, brauche ich nicht noch einmal aufzurufen. Wir hatten eine Anhörung dazu. Wir werden uns wahrscheinlich auch weiter damit beschäftigen. Allerdings halten wir auch die Zerschlagung einer funktionstüchtigen Struktur der Umweltfachverwaltungen in diesem Land für sehr bedenklich.
Insofern lässt sich nur eine Frage anschließen: Was soll denn der Sinn dieser Reform sein? Herr Buttolo, Sie haben es angesprochen, auch für uns sind bei der Beurteilung der vorgeschlagenen Punkte zwei Kriterien ausdrücklich wichtig:
Landläufig wird dies nach Artikel 88 unserer Verfassung das Wohl der Allgemeinheit genannt. Wir werden in den kommenden Anhörungen unseren Finger sehr deutlich auf jeden einzelnen Punkt, auf jede einzelne Wunde dieses Gesetzentwurfes legen und uns genau nach diesen beiden Fragen erkundigen: Wo ist der Nutzen für den Bürger und wo ist die Qualitätsverbesserung in der sächsischen Verwaltung? Sollte das nicht nachweisbar sein – viele Stellungnahmen haben darauf abgestellt –, werden wir, glaube ich, dieser Reform nicht zustimmen können.
Wir müssen feststellen, dass uns allein die Beibehaltung eines dreigliedrigen Verwaltungsaufbaus in diesem Freistaat Sachsen am Sinn der Reform zweifeln lässt. Sie lässt uns erkennen, dass dieses Reformvorhaben auch im Kern als der Versuch einer bürgernahen effizienten Verwaltung vor dem Scheitern steht, bevor sie überhaupt erst beschlossen ist.
Ich möchte Sie, Herr Buttolo, an Ihre kleine Presseerklärung, die Sie heute 15:14 Uhr herausgeschickt haben, erinnern. Es ist ein sehr spannendes Dokument: „Jetzt liegt es in den Händen des Sächsischen Landtages, diese umfassende Reform zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger und im Interesse der Unternehmen zu vollenden.“ Schön wär’s! Aber wir werden aufgeklärt, was unsere Aufgabe ist, nämlich ein paar Sätze weiter. „Beide Gesetzentwürfe sind ein in sich geschlossenes, ausgewogenes Paket. Weitreichende Kommunalisierung von Aufgaben und die Kreisneugliederung bedingen sich gegenseitig.“ Jetzt kommt’s: „Wer glaubt, Bausteine herauslösen zu können, rüttelt am Gesamtpaket und gefährdet die Reform in Gänze.“
Meine Damen und Herren! Das ist der Maulkorb für den Sächsischen Landtag. Hier heißt es mitmachen, durchziehen, und jeder, der sich nur im Entferntesten dagegen stellt, ist ein Feind dieser Reform. Das ist kein guter Stil,
das muss ich ganz deutlich sagen. Diese Reform kann in die Annalen der Geschichte als mut-, kraft- und konzeptionslos eingehen. Wir bedauern das außerordentlich.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, dass wir uns bei der Einbringung des Gesetzentwurfes schon so dezidiert damit auseinandersetzen.
Herr Scheel, bleiben Sie einmal ruhig. Ich habe Ihnen doch auch zugehört. Es war zwar manchmal schwer erträglich, aber ich habe es doch auch getan.
Dieser ungewöhnliche Vorgang zeigt natürlich auch, dass diese Reform seit Monaten die Menschen umtreibt. Es ist so, dass dies ein Dauerthema ist und bleiben wird. Es ist aber auch so, dass wir am Beginn der Diskussion stehen. Insofern verstehe ich, dass man mit Blick auf ein solches Gesetzgebungsverfahren auch die Chance nutzen möchte, wenn es eingebracht ist, weil es eines der größten innerhalb der Legislaturperiode ist, sich damit auseinanderzusetzen.
Herr Brangs, Sie sagen, dass wir am Beginn der Diskussion sind. Wie erklären Sie sich dann die Auskunft eines Landrates, der sagt, dass jetzt genug diskutiert worden ist, dass die Messen gesungen sind und die Reform jetzt vorbereitet werden muss?