Aktenvernichtung gleich Vertuschungsabsicht, das muss sich bei Herrn Bartl so festgesetzt haben, dass er offenbar gar nicht mehr anders denken kann.
(Beifall bei der CDU – Lachen des Abg. Volker Bandmann, CDU – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)
Bis zur friedlichen Revolution galt jedoch in SEDKreisen eine Art ewige Bestandsgarantie für die Datensammlung,
Ganz anders im demokratischen Rechtsstaat. Da steht im Gesetz über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen im § 6 Abs. 3: „Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Speicherungsdauer auf das für seine Aufgabenerfüllung erforderliche Maß zu beschränken.“
Im § 7 Abs. 2 steht: „Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die in Dateien gespeicherten personenbezogenen Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Erkenntnis für die Aufgabenerfüllung nicht mehr erforderlich ist.“
Die Löschung unterbleibt, Herr Hahn, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass durch sie schutzwürdige Belange der Betroffenen beeinträchtigt würden. In diesem Fall sind die Daten zu sperren. Sie dürfen nur noch mit Einwilligung der Betroffenen übermittelt werden.
Es gibt im Verfassungsschutzgesetz weitere Paragrafen, die den Umgang mit den gespeicherten Daten regeln und in vielen Fällen eben auch die Löschung und Vernichtung zwingend vorschreiben.
Ich meine damit nur: Ehe das große Geschrei fortgesetzt wird, wäre es geboten, die näheren Umstände der beklagten Vernichtung der Kopien von Prozessakten, die – wie bereits erwähnt – nicht identisch sind mit den 15 600 Blatt mit angeblichen Hinweisen auf die Verquickung Organisierter Kriminalität mit Personen, die öffentliche Ämter inne haben, erst einmal einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Das kann der Untersuchungsausschuss vielleicht auch leisten.
Daran scheint den Antragstellern insgesamt nicht gelegen zu sein. § 12 des Verfassungsschutzgesetzes regelt auch die Übermittlung personenbezogener Daten für das Landesamt für Verfassungsschutz. § 12 Abs. 5 besagt: „Der Empfänger prüft, ob die übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich sind. Ergibt die Prüfung, dass sie nicht erforderlich sind, hat er die Unterlagen zu vernichten. Die Vernichtung kann unterbleiben, wenn die Trennung von anderen Informationen, die zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich sind, nicht oder nur mit unvertretbar hohem Aufwand möglich ist. In diesem Fall sind die Daten zu sperren.“
Also verbietet sich auch hier großes Geschrei, bevor nicht geprüft ist, unter welchen Umständen und auf welcher Grundlage nicht mehr benötigte Datensammlungen gelöscht oder vernichtet worden sind.
Ich will einräumen, dass es jetzt, da es in aller Munde ist, vielleicht etwas unglücklich ist, Daten zu vernichten. Aber es ist längst nicht nachgewiesen, dass es unrechtmäßig geschehen ist.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass einige Verwirrung aufgetreten ist, weil sich die Gesetzeslage seit Inkrafttreten des Verfassungsschutzgesetzes vom 16. Oktober 1992
zweimal geändert hat. Wir sind ja auch daran schuld, besser: dafür verantwortlich; schuldig ist vielleicht der falsche Begriff.
Angesichts der Ereignisse des 11. Septembers 2001 hatte der Landtag auf Antrag der CDU die Beobachtung der Organisierten Kriminalität zu einer zusätzlichen Aufgabe des Verfassungsschutzes gemacht, so wie es in Bayern zum Beispiel bis heute üblich ist. Es ist daraufhin eine Abteilung Organisierte Kriminalität aufgebaut worden, und diese hat angefangen, Informationen darüber zu sammeln. Diese Informationen beruhen – so kann vermutet werden – nicht auf gerichtsfesten Beweisen, sondern beziehen sich zum Beispiel auf Zeitungsmeldungen, auf kursierende Gerüchte und auf Aussagen aus Quellen, die aus berechtigten Schutzgründen in der Regel als Zeugen nicht vor Gericht aussagen können. Das weiß man über die Arbeit des Verfassungsschutzes.
Wie bekannt ist, hat die PDS damals eine Klage vor dem Landesverfassungsgericht angestrengt gegen den Umstand, dass der Verfassungsschutz die Organisierte Kriminalität nach der Novellierung des Gesetzes beobachten darf.
Das Verfassungsgericht hat den Klägern recht gegeben wegen einer Besonderheit in der Sächsischen Verfassung,
die ich überhaupt nicht infrage stelle. Darüber, ob wir das wollen oder nicht, müsste eine Zweidrittelmehrheit des Landtages beschließen.
Ich will nur sagen: Seither und vor allem nach der entsprechenden Gesetzesänderung vom 28. Mai 2006, die dem Verfassungsgerichtsurteil Rechnung getragen hat, ist die Beobachtung der gewöhnlichen Organisierten Kriminalität durch den Verfassungsschutz nicht mehr zulässig – es sei denn, die Organisierte Kriminalität wird im Zusammenhang mit Staatsschutzdelikten beobachtet. Dass dies aber eine ziemlich unsichere Rechtslage ist, lässt sich nicht bestreiten; denn man müsste erst einmal OK beobachten, bevor man feststellen könnte, ob das auch etwas mit der freiheitlich-demokratischen Ordnung zu tun hat. Meine Damen und Herren, bitte vergessen Sie nicht, dass es eben das Ansinnen der PDS war, dass die Organisierte Kriminalität durch den Verfassungsschutz überhaupt nicht beobachtet werden darf!
Umso verwunderlicher ist es, wie genüsslich sich diese Fraktion auf die Erkenntnisse stürzt, die nach ihrer eigenen Rechtsauffassung überhaupt nicht vorhanden sein dürften.
Und jetzt, Herr Lichdi, sage ich: Ginge es ihr tatsächlich um Rechtsklarheit – ich meine die PDS oder Linke oder wie sie im Moment heißt –,
dann könnte die Linkspartei doch, meinem Vorschlag folgend, durch eine Verfassungsänderung die notwendige Klarheit herstellen. Wenn sie das nicht will, heißt das doch, dass ihr ein Schwebezustand viel lieber ist, weil sie aus einem Lügengeflecht und einem nebulösen Wust aus Gerüchten viel mehr politisches Kapital ziehen kann als aus einer rechtlich eindeutigen Situation. Nur darum geht es!
Herr Präsident, ich möchte bitte keine Zwischenfragen beantworten. Herr Lichdi wird sicher noch einmal zu Wort kommen können. Dann kann er alles sagen, was er weiß.
Ich möchte noch den Hinweis loswerden: Dass der PDS bei diesem Ansinnen auch demokratische Fraktionen wie die FDP und die GRÜNEN folgen, hat mich doch sehr enttäuscht. Die ganze Verunsicherungskampagne, die im Gewand eines hehren Aufklärungsanspruches daherkommt, kann immerhin nur bewirken, dass die links- und rechtsextremen Ränder des politischen Spektrums gestärkt werden. Wer zuerst dabei unter die Räder kommt, sind üblicherweise die kleinen Parteien. Ich wundere mich über so viel politische Blindheit.
Von Herrn Nolle von der SPD war indessen von vornherein nicht zu erwarten, dass er sich in seinem beinahe krankhaften Verfolgungsdrang einen klaren Blick bewahren kann. Er saß mit glänzenden Augen in der vordersten Reihe bei der Buchvorstellung des Verschwörungstheorieautors Roth am 22. Juni in Plauen.
Es gab Bilder in der „Freien Presse“. Ich hoffe, dass die Bilder wenigstens die Wahrheit wiedergeben.
Nachdem das Machwerk von Herrn Roth auf dem Markt ist, macht sich allenthalben Enttäuschung breit. Ein Kapitel von nur 30 der 250 Seiten dieses Buches befasst sich mit angeblicher Korruption in Plauen. Es enthält nichts, was nicht schon einmal vor Jahren veröffentlicht worden wäre. Darunter war nichts Greifbares und Verwertbares. Nun frage ich mich: Warum kommt Herr Roth zu der Behauptung, Sachsen sei ein großer Sumpf, wenn sich doch nur ein kleiner Teil seines Buches überhaupt mit Sachsen und dort nur in einer sehr verächtlichen und überheblichen Weise beschäftigt?