Protokoll der Sitzung vom 04.07.2007

Herr Abg. Bartl, bitte.

Ich möchte auf die Anmerkungen von Kollegen Lichdi noch Folgendes ergänzen: Die Kommentierung von Kunzmann/Haas/BaumannHasske und Barthel zur Sächsischen Verfassung führt zu dieser Problematik zum Artikel 54 eindeutig aus, wenn dem Verlangen der Minderheit auf unverzügliche Einsetzung des Ausschusses widersprochen wird: Verweigert die Mehrheit den Einsetzungsbeschluss, so muss sie die Ablehnung ausreichend begründen. Das heißt also, wir brauchen laut Kommentierung zur Verfassung einen sachgerechten Antrag auf Überweisung an den Verfassungs- und Rechtsausschuss mit sachgerechter Ausführung der konkreten sachlichen und rechtlichen Fakten, die Sie berechtigen, uns die Einsetzung zu verweigern.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach meiner Auffassung geht es jetzt nicht darum, den Untersuchungsausschuss abzulehnen, sondern wir entscheiden über den weiteren Umgang zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses.

(Staatsminister Thomas Jurk: Richtig!)

Der Sächsische Landtag hat gemäß Artikel 54 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen und § 2 Abs. 1 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Dazu liegt Ihnen der Antrag vor mit der Drucksachennummer 4/9265; er trägt auch die notwendige Anzahl der Unterschriften.

Es wurde von mehreren Fraktionen beantragt, weil damit im Plenum Zweifel bestehen, dass dieser Antrag zunächst an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss überwiesen werden soll. – Dazu noch einmal Herr Lichdi.

Frau Präsidentin! Ich möchte, auch um es für das Protokoll klarzustellen, förmlich rügen, dass Sie diesen Vertagungsantrag jetzt zur Abstimmung bringen. Wie ich vorhin begründet ausgeführt habe, ist das nach meiner Rechtsauffassung nicht zulässig. Das möchte ich ausdrücklich für das Protokoll förmlich rügen. – Vielen Dank.

Herr Lichdi, dann möchte ich für mich jetzt 5 Minuten Auszeit in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Kurze Unterbrechung)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten vorhin aus verschiedenen Fraktionen einige Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit, die verfassungsmäßigen Bedenken noch einmal expliziert vorzutragen bzw.

schriftlich einzureichen, erfahren. Das ist aus meiner Sicht gesetzlich nicht so geregelt, nicht gefordert. Aus dem Grund sehe ich es so, dass es kein Vertagungsantrag, sondern ein Überweisungsantrag ist, der zunächst einmal den Vorrang vor der Weiterbehandlung hat. Die Bedenken verschiedener Fraktionen sind geäußert worden.

Deshalb sollten wir so verfahren, wie es im Untersuchungsausschussgesetz geregelt ist. Dort steht geschrieben: „Bei Zweifeln über die Zulässigkeit einer Untersuchung überweist der Landtag den Antrag auf Einsetzung zur gutachterlichen Äußerung an den für Rechtsfragen zuständigen Ausschuss.“ Das wäre in unserem Fall der Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss. „Der Ausschuss hat diese Äußerung unverzüglich abzugeben.“ Das heißt, der Ausschussvorsitzende wird unverzüglich, soweit das organisatorisch schnell zu regeln ist, die Ausschussberatung ansetzen, in der Weiteres zu klären ist. Ich schlage Ihnen vor, dass wir so verfahren.

Die Begründung zur Überweisung wurde bereits durch Herrn Lehmann und Herrn Dulig gegeben. Ich schlage vor, dass wir über die Überweisung der Drucksache 4/9265 an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss abstimmen. Wer dieser Überweisung seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen.

Bei einer großen Anzahl von Gegenstimmen ist der Überweisung dennoch mehrheitlich zugestimmt worden.

Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet. – Es gibt noch eine Wortmeldung. Herr Dr. Martens, bitte.

Frau Präsidentin! Zu dieser Verweisung nach § 1 Abs. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes ist bestimmt, dass der Verfassungs- und Rechtsausschuss unverzüglich zu tagen hat. Für meine Fraktion und die Antragsteller würde ich zu Protokoll geben, dass insofern beantragt wird, die Sitzung noch am morgigen Tage durchzuführen, damit im Laufe des morgigen Tages diese Äußerung erstellt werden kann.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich denke, dem steht nichts entgegen, und der Ausschussvorsitzende wird entsprechend einladen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt noch etwas Weiteres zu besprechen. Dazu unterbreche ich kurz die heutige Sitzung.

Ich möchte zurückkommen auf die

Ergänzung zur 80. Sitzung vom 6. Juni 2007, Tagesordnungspunkt 5

Im Tagesordnungspunkt 5 haben wir damals die 2. Lesung des Entwurfs Gesetz zur kostenrechtlichen Gleichstellung der Begründung eingetragener Lebenspartnerschaften und Eheschließungen beraten. Mir liegt inzwischen dazu das schriftliche Protokoll – wie auch Ihnen – vor.

Ich habe Veranlassung, auf den Redebeitrag des Abg. Gansel der NPD-Fraktion einzugehen. Herr Gansel hat laut genehmigter Niederschrift im Protokoll auf Seite 6644 in der Zeile 35 den Regierenden Bürgermeister von Berlin beleidigt. Das war den Mitgliedern des Hauses, dem Sitzungsvorstand und auch den Protokollanten damals entgangen. Nachdem Herr Gansel auf der wörtli

chen Ausführung und Aufführung seiner Aussagen im Protokoll bestanden hat und mir diese Mitteilung schriftlich vorliegt, erteile ich Herrn Gansel an dieser Stelle für die Verunglimpfung nachträglich einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Zuruf von der NPD: Das schockiert uns aber!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich schlage Ihnen vor, dass wir an dieser Stelle in die Mittagspause gehen. Wir treffen uns 14:30 Uhr wieder.

(Unterbrechung von 13:33 bis 14:30 Uhr)

Tagesordnungspunkt 2

Festlegung der Stärke des 2. Untersuchungsausschusses

Wahl der Mitglieder und Stellvertreter

Drucksache 4/9266, Wahlvorschlag der Fraktionen

Wahl des Vorsitzenden und dessen Stellvertreter

Drucksache 4/9267, Wahlvorschlag der Fraktionen

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir setzen die Beratung der 83. Sitzung des Sächsischen Landtages fort. Der Tagesordnungspunkt 2 entfällt im Ergebnis der Entscheidung

zum Tagesordnungspunkt 1 und wird heute nicht realisiert.

Ich rufe deshalb auf

Tagesordnungspunkt 3

Aktuelle Stunde

Aktuelle Debatte Volksherrschaft durchsetzen! – Ja zur Direktwahl des Bundespräsidenten

Antrag der Fraktion der NPD

Die Fraktionen haben dazu Redezeit. Da ein Thema abgesetzt wurde, verändert sich die Redezeit für die Fraktionen. Ich nenne sie noch einmal: Die CDU-Fraktion hat 18 Minuten, Linksfraktion 13 Minuten, SPD 6 Minuten, NPD 11 Minuten, FDP 6 Minuten und GRÜNE 6 Minuten. Wenn die Staatsregierung sprechen möchte, 10 Minuten.

Ich erteile der einreichenden Fraktion das Wort. Herr Gansel, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bundespräsident Horst Köhler hat mit seinem Auftritt in der letzten Sendung von Sabine Christiansen eine öffentliche Debatte losgetreten, die wir Nationaldemokraten nur zu gern aufgreifen, nämlich die Direktwahl des Bundespräsidenten als wichtiges Element wirklicher Volksherrschaft.

Wenngleich Köhler in dieser Sendung noch weitere zustimmungswürdige Positionen vertrat, etwa, dass die Türkei geografisch nur zum geringsten Teil in Europa liegt und einem gänzlich anderen Kulturkreis angehört, möchte die NPD in dieser Debatte ihr Bekenntnis zu einer plebiszitären Umgestaltung des bundesdeutschen Parteiensystems erneuern, zu der die Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk ein erster Schritt wäre.

Wir haben immer wieder auch in diesem Hause klargemacht, dass wir der politischen Ordnung der Bundesrepublik einen eklatanten Mangel an wirklicher Volksherrschaft vorwerfen, da oftmals volksfremde Parlamentarier in abgehobenen Parlamenten am Volkswohl und am Volkswillen vorbeiregieren. Zu dieser Einsicht ist übrigens auch Oskar Lafontaine gelangt, der immer mal gern wieder nationale Stimmungen und Positionen aufgreift. So sagte Lafontaine – die NPD-Fraktion würde es sofort unterschreiben –: „In allen entscheidenden Fragen stimmen immer zwei Drittel der Volksvertretung, Bundestag genannt, gegen zwei Drittel des Volkes. Unsere Demokratie gerät aus den Fugen, wenn sich das nicht ändert“.

Ich würde dieses System nicht als Demokratie im Sinne echter Volksherrschaft bezeichnen, denn in keiner Lebensfrage ihrer Nation durften die Deutschen jemals ihre Meinung in einer Volksabstimmung kundtun. 1949 durften sie nicht über das Grundgesetz befinden und 1955 nicht über den NATO-Beitritt der Bundesrepublik. In den 1960erjahren wurden die Deutschen nicht zum massenhaften Ausländerzustrom befragt und 1970 bzw. 1972 nicht zu den Ostverträgen. Auch zum Vertrag von Maastricht, zur Aufgabe der D-Mark zugunsten des Euro, zur

EU-Osterweiterung und zur EU-Verfassung durften die Deutschen ihre Meinung nicht in Volksabstimmungen kundtun. Die Deutschen durften nie über eine solche Kernfrage ihrer nationalen Existenz abstimmen, weil sich – um eine berühmt gewordene Formulierung des Speyerer Staatsrechtlers von Arnim aufzugreifen – „die Parteien den Staat zur Beute gemacht haben“.

Genau dieses Strukturproblem fehlender Überparteilichkeit und Volkssouveränität dürfte Horst Köhler im Blick gehabt haben, als er die Debatte über die Direktwahl des Bundespräsidenten neu entfachte. Bislang ist der Bundespräsident nicht mehr als ein „Gruß-Onkel“, der folgenlose Sonntagsreden hält und im Ausland fleißig Hände schüttelt. „Das Grundgesetz hat den Bundespräsidenten geschaffen wie Gott den Adam, nackt und bloß“, formulierte kürzlich Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“, und er hat damit zweifelsohne recht.

Die Besetzung eines reinen Repräsentationsamtes ohne echte Kompetenzen und Entscheidungssouveränität könnte man getrost auch auswürfeln lassen, was nicht weniger skurril und willkürlich anmuten würde als das Prozedere und die Zusammensetzung der ominösen Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten nach Parteiabsprachen wählt.

Ein volksgewählter Bundespräsident, sozusagen ein Bürgerpräsident oder besser noch ein Volkspräsident, wäre in der Lage, das Gemeinwohl wieder aus dem Zangengriff der eigensüchtigen etablierten Parteien zu befreien und eine wohltuende, am Volkswohl orientierte Überparteilichkeit herzustellen.