Protokoll der Sitzung vom 05.07.2007

Und weil wir nichts ermitteln, brauchen wir auch die Sozialarbeit nicht so dringend. KARO wird vom SMS seit 2005 nicht mehr gefördert. Aber auf die Kleine Anfrage in Drucksache 4/4355 zum Thema „sexuelle Dienstleistungen und Prävention gegen Kindesmissbrauch“ antwortet die Staatsregierung: „Im Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit deutscher und tschechischer Polizeidienststellen … wird in konkreten Fällen auch der Verein ,Karo e. V’ einbezogen, der in der grenzüberschreitenden Sozialarbeit in der Prostitutions- und Drogenszene tätig ist.“

Mein Gefühl beim Lesen ist, ehrlich gesagt: Das ist perfide. Wenn die Opposition Stress macht mit Fragen, die Sie nicht hören wollen, dann greifen Sie auf die Arbeit derer zurück, denen Sie zuvor jegliche Unterstützung versagt und entzogen haben! Ebenso gern verweisen Sie ja auch auf KOBRAnet – um sie dennoch statt einer Aufstockung um die beantragten 30 000 Euro um weitere über 6 000 Euro zu kürzen!

Wir sind auch für eine Evaluation von Aufgaben und Umsetzungsstrategien sowie Erfolgen. Aber wenn Projekte so kleingehalten werden, dass sie nicht wirklich professionell arbeiten können, und man dann zu der „Erkenntnis“ kommt, dass es so nicht geht – dann läge es doch nahe, sie professioneller zu machen. Wenn ich lese, dass die Außenstelle in Cheb zum Zeitpunkt der Evaluation nur ehrenamtlich arbeiten konnte, dann frage ich mich schon, wie die das aushalten.

Ein Blick in andere Bundesländer, die nicht diesen „kleinen Grenzverkehr“ haben, zeigt: Es gibt Wege einer effektiven Aufklärung und Unterstützung von Opfern der Zwangsprostitution und des Menschenhandels: Wie viele Opfer man auffindet und wie vielen man helfen kann, wie

viele Hintermänner man ermittelt und an Strukturen der Organisierten Kriminalität herankommt – das hängt wesentlich von der Ermittlung ab. In Hamburg, so sagt das Bundeslagebild Menschenhandel 2005 des BKA, ist die Anzahl der Anzeigen am deutlichsten gestiegen. Sie führen es auf den Einsatz von sogenannten „Milieuaufklärern“ oder Kontaktbeamten zurück. Sie – und nicht die

Sozialarbeiterinnen – können hoheitliche Aufgaben wahrnehmen. Deren Aufgabe ist eine ganz andere und nicht minder wichtige.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe nun auf:

Tagesordnungspunkt 15

Beschlussempfehlungen und Berichte zu Petitionen

Sammeldrucksache –

Drucksache 4/9251

Entsprechend § 77 Abs. 2 der Geschäftsordnung liegt Ihnen die Sammeldrucksache vor.

Ich frage zunächst, ob jemand der Berichterstatterinnen und Berichterstatter zur mündlichen Ergänzung der Berichte das Wort wünscht. – Das ist nicht der Fall.

Wünschen Fraktionen zu den Petitionen zu sprechen? – Von der Linksfraktion im Rahmen der Redezeit der Fraktion Herr Abg. Kosel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hiermit zeige ich bezüglich der Petition zum Erhalt der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau das von der ablehnenden Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses abweichende Stimmverhalten meiner Fraktion an und begründe dies wie folgt:

Aus Sicht der Fraktion DIE LINKE muss der Petition zum Erhalt der sorbischen Mittelschule in PanschwitzKuckau unbedingt entsprochen werden, und dies umso mehr, nachdem heute früh die Dringlichkeit unseres diesbezüglichen Antrags abgelehnt worden ist. Sechs Gründe seien dafür genannt, weit mehr ließen sich aufführen.

Als Erstes möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass die seinerzeitige Entscheidung des Kultusministeriums wie auch des Kreistages zur Schließung der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau auf Schülerzahlen und daraus abgeleiteten Prognoseentscheidungen basierten, die sich nunmehr als falsch bzw. unzutreffend erwiesen haben. Die sorbische Mittelschule Panschwitz-Kuckau ist nach den bisher unwidersprochen gebliebenen, von der Elterninitiative beim zuständigen Einwohnermeldeamt und der Sächsischen Bildungsagentur Bautzen erhobenen Schülerzahlen diejenige sorbische Mittelschule im Landkreis, die in den nächsten fünf bis neun Jahren die meisten Schüler haben würde.

Im Vergleich zu den unzutreffenden und nicht nachvollziehbaren Zahlen des Schulnetzplanes hat sich also die Entscheidungsgrundlage wesentlich verändert.

Dies müsste aber auch zu einer Veränderung der Entscheidung selbst führen. Oder spielen hier etwa sachfremde Gesichtspunkte, wie zum Beispiel der Wohnort des

Wahlkreismitarbeiters des Ministerpräsidenten, bei der Entscheidungsfindung eine Rolle?

Hier müssen alle für die Schulnetzplanung im sorbischen Siedlungsgebiet zuständigen Behörden und Gremien und auch wir im Landtag, meine Damen und Herren, unsere Aufgaben so erfüllen, dass bereits der leiseste böse Anschein zerstreut wird.

In besonderer Weise sind bei der Entscheidung über die vorliegende Petition auch Inhalt und Wirkung des Vertrages zur Übernahme der Trägerschaft der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau durch den Landkreis Kamenz zu berücksichtigen. Aufgrund eines Angebotes des Landkreises Kamenz an die Gemeinde PanschwitzKuckau, die sich unverschuldet in Haushaltskonsolidierung befindet, übernahm der Landkreis zum 01.01.2003 die Schulträgerschaft mit der vertraglich geregelten Verpflichtung – und das ist an dieser Stelle als wichtig zu vermerken – zur dauerhaften Aufrechterhaltung als sorbischer Mittelschulstandort.

Nur fünf Monate später verneinte der Landkreis Kamenz das öffentliche Bedürfnis für die langfristige Fortführung dieser Schule. Für solch ein Verhalten des Landkreises – oder konkret gesagt: der CDU-Landrätin – gibt es eine klare Bezeichnung. Sie lautet Vertragsbruch. Dieser Vertragsbruch wurde weiter fortgesetzt, indem der Landkreis Kamenz von seiner ihm als nunmehrigem Schulträger zustehenden Klagebefugnis gegen den zur Schulschließung ergangenen Bescheid des Kultusministeriums keinen Gebrauch machte. Dieses durch Tricks und Manipulationen einer kommunal- und landespolitischen CDUConnection erzielte Abschneiden der Klagemöglichkeit für die Gemeinde Panschwitz-Kuckau ist bereits, für sich genommen, höchst skandalös.

Verschärfend kommt hinzu, dass bezüglich der Schließung der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau die gleiche Sach- und Rechtslage, insbesondere bei der Abwanderung von Schülern an Schulen ohne sorbischsprachiges Angebot, besteht wie im Streit um die sorbische Mittelschule in Radibor. Dort konnte die Gemeinde Radibor durch ihre Klage vor dem OVG die Schließung der Schule durch das Kultusministerium verhindern.

Ein Schelm, der mit Blick auf die Panschwitz-Kuckauer Verhältnisse dabei Arges denkt.

Als Schelm, meine Damen und Herren, kann auch gelten, wer zunächst wie die Staatsregierung bestehende sorbische Schulen schließt und danach, weil durch einen Landtagsbeschluss dadurch veranlasst, ein Konzept für das sorbische Schulnetz zu erarbeiten gedenkt. Wie die Staatsregierung den Landtagsbeschluss, dass dieses Konzept gemeinsam mit den Vertretern des sorbischen Volkes zu erstellen ist, umsetzen will, nachdem sie in der Entscheidung zur Schließung der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau den klaren Willen ebendieser Vertreter des sorbischen Volkes komplett ignoriert hat, wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Überhaupt ist der im Zusammenhang mit der Debatte um die sorbische Mittelschule Panschwitz-Kuckau gepflegte Umgang mit den demokratisch legitimierten Vertretern des sorbischen Volkes und den von ihnen gemachten Vorschlägen und Kompromissangeboten in wesentlichen Punkten kritikwürdig.

Zwei Beispiele seien hierfür genannt. So wurde der Vorschlag, die sorbische Mittelschule Panschwitz-Kuckau als Außenstelle einer benachbarten sorbischen Mittelschule fortzuführen, durch die Vertreter des Kultusministeriums ebenso leichtfertig abgelehnt wie die sogenannte Tangentenvariante. Dabei hatte doch noch im Dezember 2001 der damalige Kultusminister Rößler, noch ganz unter dem Eindruck des Crostwitzer Schulstreikes stehend, bezüglich der Außenstellenalternative der Presse erklärt: „Ich sehe eine gute Perspektive für die auch zeitlich unbegrenzte Existenz einer Zentralschule Räckelwitz mit zwei Außenstellen in Panschwitz-Kuckau und Ralbitz.“

Im Jahre 2007, auf diese Kompromissvariante angesprochen, erklärt das Kultusministerium nun: „Außenstellen an Mittelschulen sind im Schulgesetz nicht vorgesehen. Sie werden nur befristet geführt. Im Mittelschulbereich gibt es daher grundsätzlich keine dauerhaften Außenstellen.“

Wem im Kultusministerium kann man noch trauen?

Ebenso dreist und arrogant ist das Kultusministerium mit der Tatsache umgegangen, dass die sogenannte Tangentenvariante ein äußerst schmerzhafter und übrigens von mir persönlich nie geteilter Kompromissvorschlag war, da er die Opferung der sorbischen Mittelschule Räckelwitz für den Erhalt der sorbischen Mittelschule PanschwitzKuckau beinhaltete. Die Sorben haben sich bewegt. Sie haben Lösungsvarianten unterbreitet und – wie gesagt – auch schmerzhafte Kompromissvorschläge vorgelegt. Von den Vertretern des Kultusministeriums wurde das alles ignoriert. Der Landtag muss diesen überheblichen Umgang des Kultusministeriums mit den Vertretern des sorbischen Volkes und deren Lösungsvorschlägen ein klares Signal des Respekts und der Akzeptanz entgegensetzen

(Beifall bei der Linksfraktion)

und als ersten Schritt hierzu den von den sorbischen Gremien aufgestellten Forderungen nach Erhalt der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau entsprechen. Dies entspräche auch ganz klar Geist und Buchstaben unserer Verfassung. In Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 heißt es, dass das Land das Recht auf Bewahrung der Identität der Sorben sowie auf Pflege und Entwicklung ihrer angestammten Sprache, Kultur und Überlieferung gewährleistet und schützt, insbesondere durch Schulen, vorschulische und kulturelle Einrichtungen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Das ist an Klarheit und Deutlichkeit kaum zu überbieten, aber – wie es scheint – trotzdem noch nicht allen hier im Hohen Haus bekannt. Deshalb noch einmal der Hinweis darauf, dass der Sachverständigenausschuss des Europarates zur Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen „höchste Besorgnis über die Schließung sorbischer Mittelschulen“ geäußert hat.

Damit gilt es, den sechsten und somit letzten Grund zu benennen, der uns allen Anlass sein sollte, uns für die Petition zum Erhalt der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau auszusprechen:

(Unruhe im Saal – Glocke der Präsidentin – Zuruf von der NPD: Herein!)

nämlich das minderheitenpolitische Ansehen des Freistaates Sachsen. Über 3 200 Bürgerinnen und Bürger aus der Region haben sich für den Erhalt der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau in einer Resolution ausgesprochen. Hinzu kommen weitere Unterschriftensammlungen im In- und Ausland, organisiert von Schriftstellern, Jugendorganisationen, Unternehmern und Abgeordneten verschiedener Parlamente. Von den 60 Abgeordneten des polnischen Sejms, die sich für den Erhalt der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau aussprachen, und von ähnlichen Signalen aus der russischen Staatsduma ist hier bereits gesprochen worden. Erst in den letzten Tagen verabschiedete das tschechische Parlament auf Antrag des Abgeordneten Vaclav Exner von der oppositionellen KSČM-Fraktion einen Berichtsantrag zur sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau.

Wenn man bedenkt, wie sich Kultusminister Flath hier in diesem Hohen Haus bereits vor Jahr und Tag über kritische Briefe aus der Staatsduma, die sich mit der Schließung sorbischer Schulen befassten, geärgert hat, so gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, wie es ihm wohl ergeht, falls die sorbische Mittelschule PanschwitzKuckau geschlossen werden sollte.

Aber es geht um mehr als um ministerielle Verärgerung. Es geht um die Reputation Sachsens. Es ist deshalb an der Zeit, dafür zu sorgen, dass die solide Förderpolitik des Freistaates Sachsen gegenüber der Stiftung für das sorbische Volk nicht mehr länger durch eine das minderheitenpolitische Ansehen des Freistaates diskreditierende Schulschließungspolitik konterkariert wird.

Deshalb wirbt die Linksfraktion für eine Unterstützung der Petition zum Erhalt der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau in der jetzigen Abstimmung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Gibt es dazu Aussprachebedarf? – Frau Abg. Pfeiffer.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen jetzt darauf antworten, weil es so, wie es dargestellt ist, nicht stimmt. Zumindest in Gänze stimmt es nicht.

Dass es ärgerlich ist, ist verständlich. Aber im Schuljahr 2005/2006 sind nur noch sieben Schüler der Klassenstufe 5 angemeldet gewesen. Nur 4 Kilometer entfernt ist die sorbische Mittelschule Räckelwitz und 7 Kilometer entfernt die sorbische Mittelschule Ralbitz. Dort können die Schüler aufgenommen werden. Die Schulen stehen allen zur Verfügung. In beiden Schulen besteht Kapazität, sodass überhaupt keine große Schwierigkeit aufgetreten ist.

Der Petitionsausschuss hat sogar einen Termin vor Ort durchgeführt. Die Petition ist von einer Kollegin der Linkspartei bearbeitet worden. Die Kollegin hat dem Petitionsausschuss vorgelegt, dass der Petition aus Sicht des Landtages nicht abgeholfen werden kann. Die abschließende Beurteilung zur Petition konnte auch nicht durch den Ortstermin verändert werden. Das alles wurde dem Petitionsausschuss vorgelegt und mit großer Mehrheit so beschlossen.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich habe eine Erklärung abgegeben; da muss ich keine Zwischenfrage gestatten. – Danke.

(Beifall bei der CDU)

Eine andere Möglichkeit sehe ich jetzt nicht, Herr Abg. Hahn. Die Redezeit der Fraktion ist beendet. Sie haben noch eine Minute und 20 Sekunden.

Frau Präsidentin! Erstens reichen die eine Minute und 20 Sekunden mit Sicherheit aus. Zweitens kommt ein guter Parlamentarischer Geschäftsführer immer dazu, noch sprechen zu können, zum Beispiel über den Weg einer sachlichen Richtigstellung vor der Abstimmung, die ich auch noch hätte machen können.