werden. Aber Vorsicht, Herr Zastrow, nicht, dass wir dann im nächsten Monat über die Augenärzte, danach über die Urologen, Hautärzte, HNO usw. klagen – mir fallen noch eine Menge Sparten ein, über die wir diskutieren können. Wir dürfen eines nicht machen: einzelne Sparten herausgreifen. Wir müssen die Gesamtheit der Ärzte, der ärztlichen Versorgung im Blick haben. Wir dürfen nicht sagen, wir machen nur für die oder die etwas. Dann heben wir für die das Geld an. Beim nächsten Mal beschweren sich die HNO-Ärzte. Dann heben wir die HNO-Ärzte an. Und beim nächsten Mal beschweren sich wieder andere. Das kann nicht die Lösung sein, sondern da müssen wir den Blick schon etwas weiter richten und das Ganze sehen.
Ich denke, das Anreizsystem, wie es mit dem neuen Gesundheitsgesetz beschlossen wurde, wird wirken. Ob es ausreicht, werden wir sehen, wenn es greift.
Natürlich sind die Zeiten vorbei, in denen eine Kommune einen Arzt in den ländlichen Bereich hereinholte, indem sie ihm eine einigermaßen hergerichtete Villa und einen Wartburg zur Verfügung stellte. Das ist ein paar Tage her. Das weiß ich auch. Aber – und die Frage muss gestellt werden dürfen und dann ist offen, was sich dahinter verbirgt – was hindert den Freistaat, der die Ausbildung der Mediziner in Dresden und Leipzig finanziert, daran, Ansprüche an diese jungen Leute zu stellen?
In welcher Form die sich dann verwirklichen und welche Mittel man dazu einsetzen kann, das weiß ich nicht. Darüber muss noch einmal nachgedacht werden. Aber das einfach so dahinzustellen, das wäre mir zu wenig.
Das Letzte – und damit mache ich Schluss –: Ich denke, das System Versorgungszentren kann von uns deutlich weiter ausgebaut werden. Sie haben es benannt. Manche Ärzte wollen diesen Druck nicht haben, durch ein eigenes Geschäft, eine eigene Firma. Dann gehen sie als angestellte Ärzte und kommen vielleicht dienstemäßig und stundenmäßig noch günstiger weg, wenn sie zum Beispiel kleine Kinder haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt noch einmal etwas gerade rücken, was Frau Herrmann vorhin gesagt hat; nicht den Unfug vom Anfang, aber das fachliche Hasardspiel, das Sie betreiben wollen.
Ich hatte es in meiner Rede eigentlich schon angedeutet, dass Kinder nicht per se kleine Erwachsene sind. Es wäre wirklich ein Wahnsinn, wenn Sie der Allgemeinmedizin, die selbst ein Breitenfach ist, noch eine detaillierte kinderärztliche Betreuung aufs Auge drücken wollten. Das geht nicht.
Schauen Sie sich bitte einfach einmal bei der Sächsischen Landesärztekammer im Online-Bereich die Weiterbildungsrichtlinien für Allgemeinmedizin und für Pädiatrie an. Da werden Sie gravierende Unterschiede feststellen. Da kann man nicht einfach Äpfel und Birnen vermischen. Das geht einfach nicht. Das sind zwei Fachrichtungen, die sich irgendwo ergänzen, teilweise auch überlappen, aber die wirklich auch ganz spezifisch sind.
Gerade der ganze Bereich der Entwicklung eines Kindes ist in der Allgemeinmedizin nie so detailliert erfassbar, wie er vom Pädiater erfasst werden muss. Ich muss wirklich davor warnen, dass man auf den Gedanken kommt, man schafft die Trennung dieser Fachgebiete ab und der Allgemeinmediziner wird es schon irgendwie vor Ort mit richten. Das ist sicher der falsche Weg.
Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Herr Zastrow, mit Ihnen ging es mir jetzt so wie mit manchen Backrezepten, die man sich aus dem Internet laden kann: Es sind immer ganz tolle Bilder dabei. Wenn man das dann ausprobiert, kommt manchmal etwas heraus, was man gar nicht erwartet hat und was unter Umständen auch nicht genießbar ist.
Ich meine – Frau Nicolaus hat es schon gesagt –, Ihre Anzeigenkampagne und die Art und Weise, wie Sie hier diskutiert haben, kann durchaus dazu führen, dass sich sowohl potenzielle Eltern als auch potenzielle Kinderärzte statt angezogen eher verunsichert fühlen und sagen: Wenn die Situation so unmöglich ist, dann muss ich mir das wirklich noch einmal überlegen. – Es kann also nach hinten losgehen.
Ich denke, wir sollten vielmehr konstruktiv diskutieren. Herr Wehner, ich habe mitnichten das Facharztprinzip aufgekündigt. Ich habe davon gesprochen, dass wir über eine stärkere Verzahnung von Allgemeinarztpraxen und Kinderarztpraxen reden müssen,
und zwar deshalb, weil es durchaus sinnvoll sein kann, dass der Allgemeinmediziner, der meist auch die Familie kennt, eine Anlaufstelle ist.
Da kommen also noch andere Gesichtspunkte hinzu. Der kann dann zum Kinderarzt überweisen bzw. die eine oder andere Sache selbst in die Hand nehmen. Davon bin ich schon überzeugt. Das geht in dieselbe Richtung wie die Kritik an dem, was Herr Dr. Müller jetzt eben gesagt hat.
Vielleicht können Sie, Herr Zastrow, das Rezept noch ein bisschen vervollständigen, damit die ganze Sache auch wirklich genießbar wird.
Frau Nicolaus, möchten Sie noch einmal sprechen? – Nein, das hat sich jetzt erledigt. Gibt es noch weitere Wortmeldungen? – Frau Staatsministerin. Für die Linksfraktion noch Dr. Pellmann? – Ja, bitte.
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie haben es ja eben gehört, mein Fraktionsvorsitzender hätte gern, dass ich nach Frau Staatsministerin spreche. Aber ich möchte mich nicht in die Gefahr begeben – es ist nicht unsere Aktuelle Debatte –, dann möglicherweise ein Schlusswort zu halten. Deswegen aus meiner Sicht ein paar Zwischenbemerkungen.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr gut erinnern. Es war an einem trüben Februartag im Jahre 2001, als ich von diesem Pult aus in einer Reihe von Punkten deutlich gemacht habe, wie dramatisch die Situation bereits damals war, was die Versorgungsdichte mit Allgemeinärzten, aber auch bei einer Reihe von Fachärzten, darunter Kinderärzten, betraf. Der damalige Sozialminister Dr. Geisler hatte mir in einer Interventiondeutlich zu machen versucht, dass es natürlich üblich sei bei der PDSFraktion – wir hießen damals noch PDS-Fraktion –, alles zu dramatisieren und schwarzzumalen und dass es gar nicht so sei, wie ich es damals dargestellt hatte.
Ich will Ihnen sagen: Inzwischen dürften wir uns in der Bewertung der Dinge einig sein. Die Situation ist dramatisch. Ich will auch sagen, es wurde allzu viel Zeit verschenkt. Warnungen, wie wir sie damals – deshalb habe ich auf diese Debatte noch einmal Bezug genommen – vorgetragen haben, wurden als Schwarzmalerei der Opposition in den Wind geschlagen. Das will ich zunächst einmal deutlich darstellen.
Was das Problem von Kinderärzten betrifft, so ist hier ganz offensichtlich – Herr Gerlach hat das freundlicherweise angedeutet – ein durchaus funktionierendes kinderärztliches Versorgungssystem der DDR zumindest nicht weiter so gepflegt worden, wie es hätte sein können und müssen. Das hing sicher auch damit zusammen, dass genau dieses Versorgungssystem in den alten Bundeslän
dern so nicht üblich war. Nicht alles, was über uns gekommen ist, muss sich – und das kann man nach 17 Jahren deutsche Einheit durchaus sagen – als hilfreich und segensreich erwiesen haben. Das ist ein deutliches Beispiel dafür.
Ich denke, die Lage ist dramatisch. Ich beteilige mich nicht an der Debatte, ob es fünf nach zwölf oder bereits zehn nach zwölf ist. Das ist, glaube ich, gegenstandslos.
Liebe Frau Nicolaus, sonst sagen Sie mir das ja immer, ich bin schon daran gewöhnt. Aber wenn Sie Herrn Zastrow Populismus vorwerfen, kann ich das einfach nicht stehen lassen.
Deswegen sollten wir gelegentlich auf solche Debatten insofern abstellen, als wir dann das, was die Bevölkerung empfindet, hier nachvollziehen. Ob Sie das als Populismus bezeichnen oder nicht, das ist immer so ein Totschlagargument, aber es greift nicht.
Lassen Sie mich noch zwei, drei Bemerkungen machen, was wir wirklich tun sollten. Die erste: Verehrte Frau Staatsministerin, setzen wir den Kurs der weiteren Entwicklung und Förderung von Polikliniken oder – wie es heute modern heißt – von medizinischen Versorgungszentren fort. Es ist einiges getan worden. Das erkenne ich an. Aber es reicht bei Weitem noch nicht aus.
Das Nächste und was, denke ich, das Allerwichtigste eigentlich ist – Frau Nicolaus, Frau Herrmann, da stimme ich Ihnen zu –: Versuchen wir gemeinsam, das Ethos und die Anerkennung des Arztstandes in Sachsen wieder auf die Beine zu stellen. Das ist das Entscheidende. Es geht nicht nur um Geld, sondern es geht darum – das habe ich hier schon mehrfach gesagt –, dass der Arzt wieder den Stellenwert in dieser Gesellschaft haben muss, den er einmal hatte. Das – so denke ich – ist sehr entscheidend.
Ich bin – das habe ich immer gesagt – unzufrieden damit, dass der Freistaat, auch die Sozialministerin, sich oft in die Rolle der Moderatorin begibt, aber wir haben hier mehrfach beantragt und das sage ich heute erneut: Wir müssen dem Ärztemangel auch dadurch begegnen, dass wir mehr finanzielle Mittel vom Freistaat einsetzen. Das ist das Problem. Wir könnten es, aber wir tun es nicht.
Da das Licht blinkt, möchte ich mich im Namen meiner Fraktion bei der FDP für diese außerordentlich wichtige
Debatte bedanken. Ich denke, sie war nötig, und es wird zukünftig noch nötiger sein, dass wir darüber sprechen.