Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass zehn Minuten viel zu kurz sind, um diese Große Anfrage auszuwerten, auch wenn ich gemerkt habe, dass viele Fragen nur sehr unzureichend beantwortet worden sind.
Ich möchte aber zum Schluss ein Fazit ziehen: Förderung beginnt damit, dass Menschen das Gefühl bekommen, dass sie an ihrer Lage etwas ändern können. Das ist wichtig, und danach sollten wir uns richten.
Ihren Entschließungsantrag können wir zum Teil, vor allem in Ihren Feststellungen, nicht mittragen. Bei den Forderungen sind wir an vielen Stellen bei Ihnen. Wir würden uns aus diesem Grund enthalten.
Gibt es aus den Fraktionen noch weitere Redewünsche? – Bei der Linksfraktion? – Frau Abg. Lay, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe hier nach der Einführung des Hartz-IV-Gesetzes in einer Aktuellen Debatte, die die Linksfraktion beantragt hatte, gesagt: „Hartz IV ist ein Flop.“ Sie haben mich damals kritisiert und gesagt: Warten Sie die Ergebnisse doch erst einmal ab!
Ich gebe ja auch zu, dass wir etwas voreingenommen waren. Das Problem ist nur, dass ich mich einfach in dieser Ansicht bestätigt sehe, auch jetzt, nach der Einführung, nachdem wir die ersten Bilanzen vorliegen haben. Hartz IV ist nach allem, was wir wissen, tatsächlich ein Flop.
Wie sieht die arbeitsmarktpolitische Bilanz der HartzGesetze denn nach eineinhalb Jahren aus, ein Gesetz, mit dem – so hatte es Gerhard Schröder damals zu Beginn der entsprechenden Legislaturperiode angekündigt – die Arbeitslosigkeit halbiert werden sollte? Nach Einführung der Hartz-Gesetze war die Arbeitslosigkeit so hoch wie nie zuvor.
Gegenwärtig erleben wir einen Aufschwung; das ist richtig. Aber erstens geht dieser Aufschwung an den Langzeitarbeitslosen fast vorbei, und zweitens kann niemand im Ernst behaupten, dass der Aufschwung Ergebnis der Hartz-Gesetze ist. Er basiert – das hat Kollege Morlok zum Teil schon richtig dargestellt – auf wirtschaftlichem, konjunkturellem Aufschwung. Aber er basiert auch auf der Ausweitung von Leiharbeit, und er basiert vor allem auf der Ausweitung von Teilzeitarbeit.
Das Arbeitsvolumen hat sich lange nicht in dem Maße ausgeweitet, wie es vielleicht nach außen suggeriert wird. Jedenfalls kann niemand ernsthaft behaupten, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt Ergebnis der Hartz-Gesetze ist. Im Gegenteil. An der Spaltung des Arbeitsmarktes
sind diejenigen beteiligt, die noch eine Chance haben, die im SGB III sind, die Arbeitslosengeld bekommen, und diejenigen, die tatsächlich abgeschrieben sind, die in das SGB II fallen, und die, die in die Langzeitarbeitslosigkeit abgeschoben werden. Diese Spaltung hat sich auch auf dem Arbeitsmarkt weiter verfestigt. Langzeitarbeitslose profitieren kaum von diesem Aufschwung. Das kann niemand mit Statistiken anders belegen.
Meine Damen und Herren! Die Beantwortung unserer Großen Anfrage ist ja sehr dürftig. Schuld sind zum Teil die mangelnden Statistiken und statistischen Vorschriften von der Bundesebene. Schuld ist aber aus meiner Sicht auch die Tatsache, dass die Staatsregierung versäumt, hier von den ARGEN und den Kommunen auch die entsprechenden Informationen offensiv abzufordern. Deswegen bleibe ich bei der Einschätzung, die ich in der Vergangenheit schon zu Hartz-Gesetzen formuliert habe: Hartz IV bedeutet auch Arbeitsmarktpolitik im Blindflug.
Was ist denn das für eine Reform – die zu einer der größten der Nachkriegszeit werden sollte –, die sich noch nicht einmal aufgrund belastbarer Zahlen bilanzieren lässt? Es ist ja auch verständlich: Man will die negativen Botschaften vermeiden. Deswegen verzichtet man auf Bundesebene auf die entsprechenden statistischen Vorschriften, und deswegen versucht auch die Staatsregierung, wann immer sie kann, sich mit Aussagen herauszureden, wie: „Dazu liegen keine Statistiken bei der Bundesagentur für Arbeit vor.“
Fast, so muss ich einmal sagen, freue ich mich, dass die Plenardebatten und auch die Plenarprotokolle öffentlich sind. Man kann das dann auch der Öffentlichkeit zugänglich machen und zusehen, wie Sie sich selbst blamieren. Aber im Interesse der Betroffenen komme ich nicht umhin, auch auf Ihren Redebeitrag einzugehen, denn Sie reden ja von der Arbeitsmarktpolitik wie ein Blinder von der Farbe.
Die CDU kann offensichtlich nicht anders, als Arbeitslose zu beschimpfen, zu suggerieren, dass sie faul sind, dass sie nicht arbeiten wollen, dass sie die Angebote nicht annehmen.
Danke, Herr Kollege Nolle, für das Stichwort – auch die Verwendung des Begriffes „Hängematte“ in Ihrer Rede. Das ist ja auch genau diese repressive Logik von Hartz IV gewesen: die Daumenschrauben weiter anzuziehen.
Herr Krauß, Sie appellieren an die Bereitschaft der Langzeitarbeitslosen, Arbeit anzunehmen. Aber das ist doch eine völlig absurde Logik. Wenn wir nach wie vor über 30 Bewerberinnen und Bewerber auf eine offene Stelle haben, wie wollen Sie dann noch weiter den Druck
auf die Langzeitarbeitslosen, auf die Arbeitslosen erhöhen? Es fehlt an Arbeitsplätzen in Sachsen und im gesamten Osten. Das ist das Problem!
Wie kommt es denn – ich nannte das Beispiel mit der Obsternte oder das andere Beispiel –, dass es Unternehmen in Sachsen gibt, die Arbeitskräfte suchen, wenn nach Ihrer Logik alle Arbeitsplätze besetzt sind?
Ich habe vorhin schon dazwischengerufen. Soweit ich das gelernt habe, regeln ja bei der Marktwirtschaft Angebot und Nachfrage den Preis. Vielleicht, wenn sich der Preis entsprechend erhöht, werden sich auch wieder Arbeitskräfte für diese Arbeitsplätze finden. Es ist ja auch sehr bemerkenswert – das haben Sie bei Ihrer Rede ausgelassen –, dass es in der Tat zunehmend weniger polnische Arbeitskräfte gibt, die bereit sind, hier als Saisonarbeitskräfte zu arbeiten. Diese gehen nämlich gleich nach Großbritannien, weil es dort Mindestlohnregelungen gibt. Das ist vielleicht auch ein Ergebnis, zu dem man in Auswertung dieser Umstände kommen kann.
Meine Damen und Herren! Ihre Rede, Herr Krauß, war letztendlich ein Beweis für die autoritäre Logik der HartzGesetze, auch für die autoritäre Logik, die Sie damit verfolgt haben: Wer nicht arbeitet, der soll auch nicht essen. Ich finde, dass es peinlich ist für eine Partei, die das große C im Namen trägt.
Von Arbeit muss man leben können. Das ist richtig. Genau deshalb brauchen wir einen Mindestlohn, und genau deshalb hätten Sie auch unseren Anträgen zur Einführung eines solchen Mindestlohnes zustimmen sollen.
Wussten Sie eigentlich – um noch einmal auf Ihre Argumentation einzugehen –, dass 23 % der Hartz-Empfänger in der Stadt Dresden in Vollzeit arbeiten gehen? In keinem anderen Bundesland gibt es prozentual mehr Menschen, die zusätzlich zu ihrer Vollzeittätigkeit noch Hartz IV beantragen müssen. Das ist der eigentliche Skandal!
Wenn ich Sie so reden höre, dann frage ich mich, ob Sie eigentlich auch einmal mit einem Hartz-IV-Empfänger oder mit einem Langzeitarbeitslosen gesprochen haben, ob Sie Einblick in die Alltagsprobleme, in die Sorgen und Nöte dieser Menschen haben, ob Sie wissen, dass Hartz IV zur Folge hat, dass diejenigen, die arbeitslos sind, zusätzlich in der Regel auch noch wohnungssuchend
sind, sich von der Gesellschaft ausgeschlossen fühlen und am Monatsende jeden Pfennig umdrehen müssen. Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie in irgendeiner Art und Weise Kontakt mit dieser Bevölkerungsschicht hatten.
Sie wollen die Menschen integrieren. Wunderbar! Aber wie ist denn die Bilanz der Instrumente von Hartz IV, die Sie auch immer im Plenum befürwortet haben? Die Ein-Euro-Jobs sind ja zum arbeitsmarktpolitischen Regelinstrument geworden. Und wie sieht die Bilanz der Integration in den ersten Arbeitsmarkt aus? Ich habe es auf der Grundlage der Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nachgerechnet: 2 bis 3 % der Ein-Euro-Jobber werden danach in den ersten Arbeitsmarkt integriert. Diese Zahlen eignen sich aber kaum für eine Erfolgsbilanz.
Wollen Sie darauf wirklich stolz sein? Ich meine, es ist ja auch kein Wunder, dass die Bundesagentur für Arbeit, seitdem ich diese Presseerklärung abgegeben habe, mir die Zahlen nicht mehr herausrückt und die Zahlen auch nach außen hin verschweigt. Aber für eine Erfolgsbilanz reicht das mit Sicherheit nicht.
Wenn Ihnen die Integration in den Arbeitsmarkt tatsächlich so wichtig ist, wie Sie es hier dargeboten haben, dann frage ich mich, warum Sie eigentlich in den letzten zweieinhalb Jahren konsequent alle arbeitsmarktpolitischen Anträge unserer Fraktion, die genau auf arbeitsmarktpolitische Integration zielten, abgelehnt haben. Das widerspricht sich doch.
Wenn Fort- und Weiterbildung so erfolgreich sind, wie Sie es hier dargeboten haben, dann erklären Sie uns doch bitte einmal, warum im Zuge der Einführung der HartzGesetze Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen massiv heruntergefahren wurden? Das entspricht doch keiner Logik.
Die formale Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe, wie es vorher hieß, die Gleichbehandlung von ehemaligen Sozialhilfeempfängerinnen und Sozialhilfeempfängern, wobei diese rechtlich nicht komplett umgesetzt wird – hier wurde jetzt auch das Kriterium Erwerbsfähigkeit rechtlich eingeführt, was ich übrigens falsch finde –, halten wir im Prinzip für richtig. Das haben wir übrigens hier im Sächsischen Landtag auch nie anders behauptet.
Die einzige Diskussion, die wir haben, ist, ob man tatsächlich diejenigen, die lange in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, um ihre Versicherungsleistungen betrügen kann. Das ist eine Diskussion, die wir geführt haben. Aber die Zusammenlegung haben wir nie kritisiert.
Das ganze Projekt ist in der Theorie natürlich sehr schön, in der Praxis ist es komplett gescheitert. Das muss ich auch einmal sagen. Zeigen Sie mir doch einmal – auch Sie, verehrte Frau Kollegin Herrmann – die Nichtleistungsempfänger, denen es jetzt tatsächlich besser geht, die
jetzt bessere Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt haben. Ihr Zugang zu den arbeitsmarktpolitischen Instrumenten existiert doch nur auf dem Papier.
Jede ARGE und jede Optionskommune weiß genau, dass sie die knapp bemessenen Gelder dann doch für die – sage ich mal – „teuren Arbeitslosen“ einsetzt und nicht für diejenigen, die ohnehin nichts bekommen, für diejenigen, die aufgrund ihrer Zurechnung zu einer Bedarfsgemeinschaft sogar vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind. Das betrifft nun einmal auch ganz viele Frauen.
Deswegen kann ich Ihrer Argumentation nicht folgen, dass von dieser Reform im Wesentlichen Frauen profitiert haben. Nein, ich würde im Gegenteil sogar behaupten: Frauen sind durch die Hartz-Reform in deutlich stärkerem Maße als vorher in die Abhängigkeit von ihren Ehemännern oder von ihren Lebenspartnern geraten.
Uns ist vorgeworfen worden, die Menschen ruhigstellen zu wollen. Nein, das wollen wir nicht. Das bezwecken wir nicht mit unserer Forderung nach höheren Regelleistungen. Wir wollen, dass die Menschen mehr Geld zum Leben haben, dass die Menschen eine Grundlage haben, um menschenwürdig leben zu können. Darum geht es.