Protokoll der Sitzung vom 19.07.2007

Jedenfalls heute – Ex-Post-Prinzip, alles, was er bisher gesagt hat.

Das ist ja das Problem. Was ist denn das wohlverstandene Interesse der Mehrheit im Ausschuss gewesen? Ist es das Interesse, zu einem Bericht zu kommen, der in den Raum stellt, was die Opposition als Einsetzungsauftrag vorgelegt hat, ist in Bausch und Bogen verfassungswidrig, die Botschaft soll ins Land und dem Herrn Ministerpräsidenten als Aufhänger dienen, nach Leipzig zu gehen und gegen den Einsetzungsauftrag zu klagen? Niemand hat mitbekommen, dass das, worüber Sie hier referieren, Herr Prof. Schneider, inzwischen längst aus der Welt ist. Sie haben eine schizophrene Veranstaltung durchgeführt, indem wir im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss sieben Stunden über einen Antrag gesprochen haben, den es eigentlich so überhaupt nicht mehr gibt, weil die Einbringer diesen Antrag durch die Änderungsfassung längst verändert haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Mit jedem Antrag, der in einen Ausschuss überwiesen wird, kann geschehen, dass die Einbringer sagen können, wir haben uns eines Besseren bedacht, wir haben weitere Erkenntnisse, unsere Erkenntnisse sind gereift. Sie sind auch durch die Hinweise des juristischen Gutachtens gereift. Wir haben eine neue Fassung. Wir müssen doch mal darüber sprechen. Diese ganz normale, völlig nahe liegende Verfahrensweise haben Sie uns bis zuletzt verwehrt.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das war der Moment, in dem wir gesagt haben, jetzt ist es vielleicht doch gut, dass die Öffentlichkeit nicht an den Sitzungen der Ausschüsse des Landtages teilnehmen kann.

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Wenn das die Öffentlichkeit miterleben würde, würde sie uns in Scharen aus diesem Haus hinausjagen und uns wegen unserer Diäten verdreschen.

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und des Abg. René Despang, NPD)

Für eine solche schizophrene Arbeitsweise würde uns der Souverän steinigen. Das ist eine völlig verantwortungslose Handhabung Ihrer Aufgabe als Abgeordnete und Missbrauch Ihrer Mehrheit!

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Ich bin mir sicher, dass die jetzt noch antretenden Vertreter der CDU fein ziseliert auseinandernehmen werden, in welchen Punkten wir uns denn bewegt haben, ob wir einen Paragrafen da oder dort geändert haben. Das ist uns

doch völlig wurst. Sie haben doch Ihre Genugtuung! Es ist uns völlig wurst, dass Sie den Beschluss gefasst haben, dass der Einsetzungsauftrag nach Ihrer Auffassung in der Erstfassung nicht verfassungskonform war. Das ist uns so wichtig, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Um die Frage geht es doch gar nicht mehr. Wir haben längst einen Änderungsantrag eingebracht. Den haben wir Ihnen vorgelegt. Sie haben sich in borniertester Weise geweigert, über ihn zu debattieren. Daraus folgte in der Befragung der mir entschlüpfte Satz: „Wer hier nicht verrückt wird, hat die letzte Chance verpasst“.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Noch 2 Minuten, Herr Bartl.

Es ist nun wahrlich unübersehbar, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu dieser Thematik nötig, unverzichtbar und höchst dringlich ist. Das ist deshalb so, weil uns kein Staatsanwalt, kein Kriminalist, kein Verfassungsschützer, kein wohlwollender Präsident aus Waldshut oder von sonst wo her und kein wohlwollender Kriminalamtschef vom Niederrhein die politische Verantwortung der Staatsregierung aufklärt. Es ist zu klären, ob und inwieweit die Mitglieder der Staatsregierung und Verantwortungsträger von Ministerien oder zuständigen Behörden ihre Aktie daran haben, dass solche vermeintlich kriminellen Netze entstehen konnten und über so lange Zeit bestehen.

Das wird nie Aufgabe der Staatsanwälte, der Richter und der Ermittler sein. In diesem Ausschuss wird zu klären sein, ob, wo, wie, in welchem Zusammenhang und in welcher Weise Mitglieder der Staatsregierung und leitende Vertreter der Exekutive auf anderer Ebene mitgeholfen haben, dass es über so lange Zeiträume möglich war, Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit im Freistaat Sachsen zu verletzen und dadurch selbst Gewaltenteilungsprinzipien zu paralysieren.

Mit der heutigen Einsetzung des Ausschusses, wenn sie denn erfolgt, sind wir nicht zu Ende, auch nicht mit der Frage, wie wohlwollend er mit der Mehrheit des Parlaments arbeiten kann, wie mit Anträgen, insbesondere Beweisanträgen, im Ausschuss umgegangen wird. Das wissen wir spätestens, seit gestern Abend und heute früh noch einmal Herr CDU-Generalsekretär Kretschmer, das Hauptsprachrohr des Ministerpräsidenten und Parteivorsitzenden, verkündet hat, dass man so oder so zum Verfassungsgericht gehen werde. Man wird weiter Nebelbomben zünden und in der Bevölkerung den Anschein erwecken wollen, alles, was hier geschieht, sei verfassungswidrig. Man wird bei jedem Zeugen verbreiten, die Absicht, ihn zu hören, sei verfassungswidrig. Man wird zu jedem Beweisthema, das wir aufrufen wollen, behaupten, das sei nicht durch den Einsetzungsauftrag gedeckt, etc. pp.

Bitte zum Schluss kommen.

Das alles werden wir hinnehmen. In jedem Falle – das dürfen wir versprechen – werden wir in diesem Ausschuss ohne Ansehen der Person, unvoreingenommen in be- und entlastender Hinsicht, aber auch mit der notwendigen Konsequenz darauf bedacht sein, dass Ross und Reiter für diese Zustände im Freistaat Sachsen genannt werden.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und vereinzelt bei der FDP)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Dr. Martens, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem, was Herr Prof. Dr. Schneider soeben gesagt hat, nur so viel: Er hat sein Amt gründlich falsch verstanden oder absichtlich missbraucht.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, den GRÜNEN und vereinzelt bei der NPD)

Ein Ausschuss des Landtages ist bei Beschlussfassungen vorbereitendes Organ des Parlaments. In diesem Fall sollte er eine Gutachtliche Äußerung abgeben, die nach dem Untersuchungsausschussgesetz schriftlich vorzulegen ist. Ich bin gespannt, ob diese schriftliche Äußerung vom Vorsitzenden des Rechtsausschusses noch beigebracht wird; ich fürchte, nein.

Stattdessen hat, ohne dass es beschlossen worden ist, Herr Prof. Dr. Schneider einen bemerkenswerten Vortrag gehalten. Erstens. Sein Vortrag als Berichterstatter war nicht beschlossen. Dennoch ergreift man dann schon einmal ungefragt das Wort. Das Präsidium lässt ihn auch noch gewähren.

Zweitens. Der Vortrag selbst enthielt jede Menge Wertungen, zum Beispiel die, dass Untersuchungsausschüsse keine Spielwiese der Politik seien und dass diejenigen, die das verkennen, nicht auf dem Boden der freiheitlichdemokratischen Grundordnung stünden. Vielen Dank, Herr Prof. Dr. Schneider, wir hatten gerade noch darauf gewartet, dass uns so etwas einmal erzählt wird!

Drittens. Der Vortrag war um Zitate von Herrn Prof. Dr. Weiss angereichert. Herr Prof. Dr. Weiss, ich werde Ihnen nicht zu nahe treten, wenn ich behaupte: Sie waren in keiner Sitzung des Rechtsausschusses anwesend. Gleichwohl wird fröhlich darüber berichtet.

Zu guter Letzt werden nicht einmal die einfachsten Regeln beachtet. Minderheitenpositionen finden nicht statt. Der Ausschuss hat mit 12 : 8 Stimmen beschlossen. In der Welt von Herrn Schneider sind es Minderheiten anscheinend nicht wert, auch nur erwähnt zu werden.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: So ist es! – Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, den GRÜNEN und vereinzelt bei der NPD)

Herr Schneider hat offensichtlich weder Lust noch Nerven, vielleicht nicht einmal den Anstand, sich das hier anzuhören; sonst wäre er im Saal.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN – Prof. Dr. Günther Schneider, CDU: Er ist hier!)

Dort ist er! Dann nehme ich das zuletzt Gesagte zurück.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Er ist schon zum Hinterbänkler geworden!)

Von dem, was ich davor gesagt habe, ist nichts zurückzunehmen. Sie haben sich von dem, was einen Ausschussvorsitzenden an und für sich auszeichnen sollte – Sachlichkeit und Überparteilichkeit –, heute gründlich verabschiedet.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der NPD und den GRÜNEN)

Wenn Sie ab und zu von Ihrem Manuskript aufgeschaut hätten, dann hätten Sie das an den entgeisterten Blicken Ihrer Fraktionskollegen auch erkannt.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion, hält ein Schriftstück hoch – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Er musste es ja vorlesen! Es stand ja schon drauf!)

In der Sache selbst haben Sie zu einem Antrag gesprochen, der so dem Haus gar nicht mehr vorliegt, sondern am 28. Juni eingebracht wurde. Die Beanstandungen sind durch die Änderungsanträge längst klargestellt worden.

Was Sie hier ausgeführt haben, ist in vielen Fällen nicht richtig. Sie führten beispielsweise aus, dort, wo die Staatsanwaltschaft selbst untersuchend tätig werde, dürfe ein Untersuchungsausschuss keine eigenen Untersuchungen anstellen. Das ist rechtlich falsch. Diese Frage ist ausdiskutiert worden. Es gibt Urteile von verschiedenen Staats- und Verfassungsgerichtshöfen einschließlich des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage sogenannter Paralleluntersuchungen zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen. Selbstverständlich kann sich ein Untersuchungsausschuss auch mit solchen Sachverhalten beschäftigen, die Gegenstand laufender Ermittlungsverfahren von Strafverfolgungsbehörden sind.

Mit dem Antrag soll auch nicht in die richterliche Unabhängigkeit eingegriffen werden. Es geht uns nicht um das Beratungsgeheimnis, sondern um die Ergebnisse der Geschäftsverteilung, sprich: um die schlichten Sachstände.

Eines ist auch klar: Es geht uns selbstverständlich nur um die abgeschlossenen Sachverhalte bis zur Einreichung des Antrags am 28. Juni 2007.

Das wissen Sie; aber Sie verschweigen es. Sie sagen, da Sie den Änderungsantrag verschweigen, insofern nicht die Wahrheit.

Der Untersuchungsausschuss, den wir heute beantragen und von dem wir der festen Überzeugung sind, dass er im

Interesse des Freistaates eingesetzt werden muss, ist nicht unnötig. Auch in diesem Punkt erheben wir heftigen Widerspruch zu dem, was der Ministerpräsident gesagt hat. Die Staatsregierung steht nicht unbedingt im Verdacht, besonders energisch Aufklärung zu betreiben, was den sogenannten sächsischen Sumpf anbelangt.

Es ist weiterhin alles unklar. Es ist unklar, ob es den Sumpf in dieser Form, wie man annehmen muss, gibt. Es ist erst recht unklar, wie tief er ist. Handelt es sich um Hirngespinste einer Abteilung im Landesamt für Verfassungsschutz, die weiterhin ihren Arbeitsplatz sichern will?

(Heiterkeit der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Dann verstehe ich aber nicht, warum der Innenminister in einer geradezu dramatischen Rede Staat, Volk, Bürger und Abgeordnete vor dem Zurückschlagen der Organisierten Kriminalität warnt,