Protokoll der Sitzung vom 19.07.2007

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Der Mafia!)

so, als stünden wir unmittelbar vor der Machtergreifung durch die Mafia. Irgendwer hat da nicht recht.

Wir wollen es wissen. Wir wollen es durch diesen Untersuchungsausschuss herausbekommen. Wir wollen aufklären. Die Union will das nicht. Sie will nicht aufklären, nachdem sie Anfang Juni den Fragenkatalog der FDP erhalten hat. Dazu gab es keinerlei Reaktion. Sie will auch zu dem ersten Antrag nichts beitragen, bei dem wir in der Sondersitzung des Rechtsausschusses gefragt haben, was denn zu beanstanden sei. Es ist nichts gesagt worden. Auch nach mehrstündigen Nachfragen blieb es bei Schweigen.

Die Union wollte in der letzten Sitzung am 13. Juli den Änderungsantrag der antragstellenden Fraktionen nicht einmal zur Kenntnis nehmen. Herr Lichdi hat es in seiner Zwischenfrage bereits dargestellt: Sieben Stunden musste in einem Ausschuss darüber gestritten werden, ob die regierungstragenden Fraktionen auch nur bereit sind, eine geänderte Fassung zu lesen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: So etwas gibt es nicht!)

Wahrscheinlich wurde fraktionsintern schon die Augenseife für jene bereitgehalten, die sich das tatsächlich angeschaut haben. Nein, so kann man Aufklärung nicht betreiben.

(Karl Nolle, SPD: Das war eine Sternstunde!)

Ich behaupte, Sie wollen es auch nicht. Die heutigen Äußerungen des CDU-Generalsekretärs lassen das in aller Deutlichkeit hervortreten. Da wird behauptet, man wolle Aufklärung, aber in Wirklichkeit – das merken die Bürger – verhält man sich genau andersherum. Hier wird Obstruktion betrieben, wo immer es geht – mit allen Mitteln, auf allen Wegen, in allen Ausschüssen, auch heute wieder.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Da wird von der Verfassungswidrigkeit von Anträgen gesprochen und behauptet, man könne diese im Detail noch nicht prüfen, weil man sie erst seit Kurzem kenne. Nein, man kennt sie bereits seit dem 13. Juli. Man hat sie auch selbstverständlich bereits zur Kenntnis genommen. Das sagt man nur nicht. Man tut so, als wüsste man von nichts, obwohl man die Papiere längst vorliegen hat. Das ist unehrlich. Diesen geheuchelten Aufklärungswillen nimmt Ihnen in diesem Land wirklich niemand ab, nicht einmal Sie selbst.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion, der NPD und den GRÜNEN)

Da verweisen Sie darauf, dass die Aufklärung durch die Staatsanwaltschaft betrieben werden soll. Ach ja? Seit wann? Wer hat denn die Staatsanwaltschaft in der Vergangenheit über welche Vorgänge unterrichtet? Davon habe ich noch nichts gehört. Das hat es bisher auch noch nicht gegeben. Was soll also die Staatsanwaltschaft aufklären? Die Staatsregierung bemüht sich ja überhaupt erst einmal, die Akten versendungsfertig zu machen, um sie dann, erheblich geschwärzt, der Staatsanwaltschaft – vielleicht – zur Verfügung zu stellen.

(Frank Kupfer, CDU: Sie wissen nicht so richtig, wovon Sie reden, oder?)

Die andere wichtige Frage, nämlich die politische Verantwortung, kann die Staatsanwaltschaft nicht aufklären. Dabei geht es um die politische Verantwortung für ein Landesamt für Verfassungsschutz, in dem es offenbar drunter und drüber ging, in dem jeder machen konnte, was er wollte. Hier wurden Informationen rechtswidrig gesammelt, auch nach einem Urteil. Zu fragen ist, was nach diesem Urteil geschah. Welche Prüfungen wurden veranlasst und von wem? Welche Entscheidungen wurden getroffen oder nicht getroffen? Auf wessen Veranlassung geschah das, und wer trägt für all das die politische Verantwortung? Wie konnte es zur Vernichtung von umfangreichen Aktenbeständen im Herbst 2006 und im April 2007 im Amt kommen? Wie konnte es dazu kommen, dass in diesem Amt Personen als Informanten geführt werden, die gleichzeitig Polizeibeamte sind? Welche Ermittlungen laufen dort möglicherweise wegen des Verdachts der Anstiftung zum Geheimnisverrat und anderes? Wie sieht es tatsächlich mit der Aufsicht über den Verfassungsschutz aus?

All das sind Fragen, die die Staatsanwaltschaft nicht klären kann und die Sie mit dem Hinweis auf die Staatsanwaltschaft anderweitig auch nicht stattfinden lassen wollen, meine Damen und Herren. Die Erklärungen, die uns bisher für all dies geboten worden sind, wie die Missverständnisse bei der Aktenvernichtung, sind reichlich dünn. Wir geben uns damit nicht zufrieden, und auch der Bürger gibt sich damit längst nicht mehr zufrieden.

Wir wollen durch den Untersuchungsausschuss aufklären. Wir wollen nicht verurteilen. Der Untersuchungsausschuss soll Klarheit schaffen. Es geht nicht um einen

Generalangriff auf den Rechtsstaat als solchen, sondern es geht darum, den Rechtsstaat in seinen wichtigen Funktionen

(Dr. André Hahn, Linksfraktion:... wieder herzustellen!)

zu erhalten.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Die Bürger haben uns in dieses Haus gewählt und können von uns erwarten, dass wir dieser Aufgabe nachgehen, dass wir klarstellen, was faul im Staat ist, und dazu beitragen, dies abzustellen. Wenn es schon die Koalitionsfraktionen oder zumindest die größte Fraktion in der Koalition nicht will – die Opposition und insbesondere wir Liberale wollen es, und wir werden weiter dafür kämpfen – auch mit einem Untersuchungsausschuss –, dass hier Klarheit herrscht, gegen alle Obstruktion, gegen alle Verhinderungsversuche. Wir werden versuchen – und ich bin überzeugt davon, dass wir es schaffen –, Klarheit zu schaffen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Prof. Schneider, es ist Ihnen inzwischen klar geworden, nehme ich an, dass das keine Rede eines parlamentarischen Berichterstatters gewesen ist; aber das klären wir nicht hier und nicht heute, sondern im Präsidium. Wir werden beantragen – die anderen beiden Fraktionen haben mir schon mit Kopfnicken zugestimmt –, dass wir auf der nächsten regulären Sitzung des Präsidiums darüber sprechen werden, was man als Standard, Norm und Maß für einen Berichterstatter in diesem Parlament erwarten darf.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der FDP und vereinzelt bei der NPD)

Bis dahin liegt das schriftliche Protokoll vor, sodass wir Wort für Wort in Ruhe herausfinden können – und wenn es 50 Fragen sind, die juristisch geklärt werden müssen, das ist mir egal –, was geht und was nicht. Wenn Ihnen Ihre eigene Parlamentarierehre nicht angemessene politische Zurückhaltung auferlegt, dann wird es eben das Präsidium tun müssen. Mit einer solchen Rede jedenfalls werden Sie nicht neuer Justizminister, falls der Stuhl wirklich noch in dieser Legislaturperiode verwaisen sollte. Der Ministerpräsident hat Herrn Prof. Schneider gerade im Foyer die Hand geschüttelt und sich dafür bedankt, wie er hier gesprochen hat, aber die Union spricht ja noch, nehme ich jedenfalls an. Theoretisch könnten Sie sich damit herausreden, Prof. Schneider habe nicht für die Fraktion der CDU, sondern als Berichterstatter des Ausschusses gesprochen. Aber unabhängig vom

feudalen Handschlag des Ministerpräsidenten – wie erklären Sie sich, dass es der Pressesprecher der CDUFraktion ist, der oben auf den Rängen an die Presse die Rede des Prof. Schneider verteilt, und nicht der des Landtages?

(Karl Nolle, SPD: Hört, hört!)

Also war es doch ein Auftragswerk, muss ich mal sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben hier 14 Tage Theater ertragen. Inzwischen ist der Vorwurf, dass die drei Oppositionsfraktionen, die den Untersuchungsausschuss beantragt haben, Klamauk veranstalten, durch die mediale Lage und die Bevölkerung vom Tisch. Der Ministerpräsident ist damit gescheitert, das Ganze zum Klamauk zu erklären. Also sprechen wir jetzt mal darüber, dass der Untersuchungsausschuss kommt. Davon gehe ich jedenfalls aus. Dann müssen wir noch im Detail darüber sprechen, warum das nötig ist.

Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ vom 16.07., also von dieser Woche: „Wenn auch nur ein Bruchteil der bisher bekannt gewordenen schmuddeligen Details der sächsischen Korruptionsaffäre der Wahrheit entsprechen sollte, dann muss man ernsthaft um die junge Demokratie im weiß-grünen Freistaat bangen. Dies ist längst Grund genug, einen Untersuchungsausschuss einzurichten.“ Genau darum geht es, meine Damen und Herren von der Union; genau darum geht es. Es geht um die Frage, ob die parlamentarische Demokratie in Sachsen in der Lage ist, die gegenwärtige Situation zu bewältigen. Dass Ihnen das der Ministerpräsident nämlich nicht zutraut, habe ich hier oft genug beobachten können. Aber trauen Sie sich das selbst zu? Das ist doch die Frage. Wo ist denn Ihre Parlamentarierehre?

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Ich glaube, dass das der entscheidende Punkt ist. Wenn Sie nur in der Klassenkampfattitüde verbleiben, die – das gebe ich gern zu – in so mancher Rede von Herrn Bartl nahe liegt; das provoziert sich auch gegenseitig, verspielen Sie das Restvertrauen der Bevölkerung in dieses Parlament. Das können wir als Parlamentarier, egal von welcher Fraktion, nicht dulden. Das können wir nicht machen! Wir sind die Instanz, und Sie gehören dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion, der SPD und der FDP)

Es geht nicht, auf die Mühe zu verzichten, selbst wenn beim Untersuchungsausschuss herauskommen sollte, dass sehr viele der Befürchtungen in der Tat substanzlos waren. Das kann das Ergebnis sein; ich schließe das überhaupt nicht aus. Wenn dem so ist, werden wir das transparent und offen im Parlament vortragen. Aber so zu tun, als wäre es der Mühe nicht wert, sich dieser Prüfung zu unterziehen – das müsste doch ganz massiv Ihren inneren Werten widersprechen. Das muss Sie doch quälen. Ich verstehe überhaupt nicht, dass Sie eine derartige Aktion veranstaltet haben. Der Schiffbruch ist erlitten.

Der Ministerpräsident ist mit seinem Klamauk-undKlabautermann-Getöse untergegangen. Die Rambonummer hat nicht gezogen.

(Jürgen Gansel, NPD: Milbradt-Titanic!)

Wie auch immer. Parlamentarische Demokratien kennen doch das Instrument des Untersuchungsausschusses, weil sie wissen, dass es auch in offenen Gesellschaften zu Situationen kommen kann, die nicht in Ordnung sind, auch in der Verwaltung, auch bei der Polizei. Das sind Instanzen, denen man normalerweise vernünftiges Verhalten zutraut. Deswegen gibt es das Instrument dieses Untersuchungsausschusses. Es hat doch auch den Charme, dass wir dann in ein geordnetes Verfahren übergehen. Dann ist Schluss mit den ganzen nicht beweisbaren, nicht belegbaren und sonstigen Gerüchten, die medial verhandelt werden und dem Ansehen des Freistaates viel mehr schaden, als es ein Untersuchungsausschuss je könnte.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der FDP)

Diese parlamentarische Normalität – das fällt Ihnen vielleicht schwer als Mehrheitsfraktion, die 15 Jahre lang machen konnte, was sie wollte – muss doch möglich sein.

(Marko Schiemann, CDU: Das stimmt nicht! Das ist unwahr!)

Herr Schiemann, Sie können gern ans Pult treten. Es war Kollege Lichdi, der wiederholt betont hat, dass es darum geht, – –

(Sven Morlok, FDP, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Nein, keine Zwischenfragen.

das Vertrauen in Justiz und Verwaltung wieder herzustellen. Das ist auch unser Anliegen. Das muss man jetzt schon mal aushalten.

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der FDP und der CDU)

Ich darf um Ruhe bitten.

Ja, das ist sehr schön. Danke.