(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Lachen bei der NPD – Holger Apfel, NPD: Träumen Sie weiter!)
Das Land hat damit eine neue Chance bekommen. Diesen Erfolg müssen wir festigen und dauerhaft sichern. Leichtfertige Reden über den Abzug und ein Ende der Hilfeleistungen bringen uns nicht weiter. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: In Ihrer Begründung haben Sie auch geschrieben, „... um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“. Sie dürfen mir glauben, ich sage das aus Überzeugung: Um Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, werden alle Demokraten dieses deutschen Vaterlandes dafür sorgen, dass Sie hier verschwinden werden.
(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Lachen bei der NPD – Jürgen Gansel, NPD: Eine mitleiderregende Rede!)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN haben wir in den vergangenen Wochen und Monaten eine intensive Diskussion über einen möglichen Truppenabzug aus Afghanistan geführt. Im Ergebnis sprechen wir uns für das sofortige Beenden der Operation Enduring Freedom und ein Zurückholen der Tornados aus.
Ein schneller Rückzug der Bundeswehreinheiten im Rahmen des ISAF-Mandats, wie ihn die NPD fordert, würde jedoch die vergleichsweise stabilen Regionen im Norden in das Chaos zurückfallen lassen. Der begonnene zivile Aufbau muss verstärkt und zu einem erfolgreichen Ende geführt werden. Solange dafür noch eine Absicherung notwendig ist und solange diese nicht vom afghanischen Militär oder von der Polizei geleistet werden kann, so lange ist der Abzug der Bundeswehreinheiten nicht zu verantworten.
Unsere Fraktion hat sich hier aber nicht wegen unserer friedenspolitischen Diskussionen zu Wort gemeldet; denn diese Diskussionen laufen mehr oder minder heftig in allen demokratischen Parteien ab.
In der Frage des Einsatzes der Bundeswehr und der unterschiedlichen Afghanistanmandate sind schwerwiegende Abwägungsentscheidungen zu treffen. Es geht hier um das Leben von Menschen. Es geht um die Zukunft eines Landes, ja vielleicht einer ganzen Region.
Bei der Bewertung des Erfolgs oder Misserfolgs der Afghanistanmandate und daran anknüpfend bei der Entscheidung der Frage ihrer Fortführung kann man nach einem sorgsamen Abwägungsprozess durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Diese Ergebnisse selbst tun hier aber nichts zur Sache; denn der grundlegende Unterschied zu Ihnen, den Antragstellern von der NPD, ist, dass andere sich überhaupt diesem gründlichen Abwägungsprozess unterziehen. Sie von der NPD haben hingegen mitbekommen, dass Ihnen Afghanistan als Thema nützlich sein könnte, um Ihr populistisches Süppchen auf diesem Herd zu kochen.
Der Schlachtruf „Raus aus Afghanistan!“, der in Ihrem Antrag steht, mag ja populär sein. Aber halten Sie die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen wirklich für so dumm, nicht zu bemerken, dass Sie uns hier im Landtag eine sicherheitspolitische Debatte aufs Auge drücken wollen, um sich als Friedensengel emporzuschwingen?
Im Unterschied zu Ihnen geht es anderen wirklich um den Frieden, um die Frage, wie er zu erringen und wie er zu bewahren ist. Von Frieden verstehen Sie nichts!
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion, der SPD und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Und Ihr Ex- Außenminister...? – Alexander Delle, NPD: Was hat Ihr Herr Fischer gemacht?)
Eines sei Ihnen zugestanden: In der Traditionslinie der NPD spielen militärische Interventionen in fremde Länder eine viel größere Rolle als in allen anderen Parteien. Von der Unterdrückung fremder Völker, von der Missachtung der Menschenrechte verstehen Sie etwas.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion, der SPD und der FDP – Caren Lay, Linksfraktion: So ist es!)
Das Wissen darüber, wie man Menschenrechte mit Füßen tritt, scheint eine Kernkompetenz Ihrer Partei zu sein. Bei Ihnen weiß man bis heute nicht einmal, auf welcher Seite Sie stehen: aufseiten der Taliban oder aufseiten des afghanischen Volkes, das den Krieg und den Terror satt hat?
Objektiv betrachtet – und das hat die Rede von Herrn Apfel heute noch einmal deutlich gemacht – betreiben Sie das Spiel der Taliban. Das passt zur Doppelstrategie, die Ihr Parteivorsitzender Udo Voigt jüngst zum Besten gegeben hat. Innenpolitisch ist die NPD gegen die Ausübung des Islam in Deutschland, außenpolitisch sieht sie die islamischen Länder aber als Verbündete im Kampf gegen die USA an. Das heißt übersetzt: Sie in der NPD bekämpfen friedliche Gläubige, die hier in Deutschland Moscheen bauen wollen, aber Sie paktieren außenpolitisch zur Not auch mal mit Terroristen, die Sportstadien zu Hinrichtungsstätten umfunktionieren und Mädchen den Schulbesuch verbieten. Ihre Sympathien für Saddam Hussein in der Vergangenheit und für den iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad heute verdeutlichen, dass es Ihnen ganz bestimmt nicht um den Frieden geht.
Meine Damen und Herren! Die Abstimmung über den weiteren Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan werden die Mitglieder des Deutschen Bundestages nach sorgsamer Abwägung treffen. Diese Entscheidung wird nicht hier im Sächsischen Landtag fallen und sie wird vor allem ohne die kruden Einwendungen der NPD auskommen.
(Beifall bei den GRÜNEN, der CDU, der Linksfraktion und der SPD – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion – Jürgen Gansel, NPD: Was hätte in der Debatte denn Oskar Lafontaine gesagt, Herr Prof. Porsch?)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ungeachtet der hier geäußerten üblichen Entgleisungen sachlich auf die Dinge eingehen, die meine Vorredner angesprochen haben.
Herr Dr. Gerstenberg, Sie sagen, dass die Militäreinsätze notwendig wären, um dort Frieden zu stiften. In allen Parteien und bei Militärexperten ist immer mehr von einer Irakisierung Afghanistans die Rede. Das heißt, es wird nicht besser, sondern schlimmer in Afghanistan. Das ist keine Sache, die in der NPD-Fraktion erfunden worden ist, sondern das wird von Sicherheitsexperten ganz offen so ausgesprochen. Da verwundert mich Ihre Argumentation schon erheblich.
Frau Henke, sicher ist das eine außen- und verteidigungspolitische Debatte, und das obliegt der Bundesregierung und dem Bundestag. Aber deswegen dürfen wir als
Ein anderer Punkt, den Sie angesprochen haben, war die angeblich strikte Trennung der Mandate von ISAF und Enduring Freedom. So straff ist die Trennung gar nicht, wenn man den Medien glauben darf. In den Auswertungszentralen gibt es unter anderem amerikanische Soldaten, die ein Doppelmandat haben und sowohl zur ISAF als auch zu Enduring Freedom gehören. So gespalten sind doch deren Persönlichkeiten nicht, dass sie es so trennen können, dass sie die Bilder, die sie gerade gesehen haben, nicht in dem anderen Mandat verwerten. So naiv können Sie doch nicht sein!
Eines der wesentlichen Argumente, das seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland fast gebetsmühlenartig vorgetragen wird, ist, dass man aus der Geschichte lernen solle.
Bezogen auf den aktuellen Krieg in Afghanistan muss man sich zwangsläufig die Frage stellen, ob sich die Bundesregierung auch in dieser Hinsicht historisch kundig gemacht hat. Falls das der Fall ist, wie erklären Sie sich dann, dass die Engländer Anfang des 19. Jahrhunderts zum ersten Mal in Afghanistan gescheitert sind und am Khayberpass mit 15 000 Mann vollständig aufgerieben wurden, eine Schlappe, die man zwar nicht wettmachen, aber zumindest zu einem Heldenmythos verklären konnte? 1878 versuchte man es erneut. Man eroberte Afghanistan und bestimmte 40 Jahre lang dessen Außenpolitik. Vor den nicht abreißenden Aufständen musste die damalige Weltmacht Nummer eins schließlich doch genervt aufgeben. Es war also fast so wie heute.
Überhaupt fällt bei einer Analyse der Kriege der letzten beiden Jahrhunderte auf, dass 80 % aller Kriege von Staaten der sogenannten westlichen Wertegemeinschaft, insbesondere von England, den USA und Frankreich, leichtfertig vom Zaun gebrochen worden sind.
(Stefan Brangs, SPD: Da wurde ein entscheidender Krieg vergessen! Partielle Amnesie nennt man so etwas!)
Aber auch die hoch gerüstete Sowjetarmee, vor der ganz Europa zitterte, trug vom Dezember 1979 bis zum Jahre 1986 den Krieg ebenfalls nach Afghanistan, versagte am Hindukusch kläglich und musste sich sang- und klanglos zurückziehen.
Das, was sowohl Engländer als auch Russen hinterlassen haben, war jedes Mal ein unbeschreibliches Elend unter dem afghanischen Volk und das Entstehen eines ausge
Und heute? Die Rücksichtslosigkeit der Amerikaner gegenüber ihren Bundesgenossen in Krisengebieten ist ebenso groß wie ihre Treulosigkeit. Sie ist im Hinblick auf ihr rein nutzenorientiertes Interesse schon fast sprichwörtlich zu nennen. Gestern waren die Taliban noch willkommene Verbündete gegen die Russen, heute stellen sie das Böse schlechthin dar. Gestern wurden sie mit modernsten Boden-Luft-Raketen ausgerüstet, heute werden sie durch die US-Amerikaner in den Boden gebombt.
Den unbeugsamen Freiheitsdrang des afghanischen Volkes und der dort angesiedelten Volksstämme haben allerdings bislang alle Besatzer am eigenen Leib erfahren können. Die Amerikaner sind im Augenblick dabei, das Schicksal der Briten und der Russen zu kopieren, und zwar vollkommen zu Recht.
Der amerikanische Angriff auf eine der geopolitisch wichtigsten Regionen der Welt, auf Afghanistan, hat nichts, rein gar nichts mit einer Reaktion auf die Zerstörung des World Trade Centers zu tun. Man nahm dies nur zum Anlass für längst beschlossene geostrategische Militärplanungen. Die wahren Absichten der globalen Strategie der USA hat einer der neokonservativen Vordenker der USA, Michael Ledeen, 2002 in einer Veröffentlichung preisgegeben. Ich zitiere: „Die furchterregende Macht, mit der unsere freie demokratische Gesellschaft unbeirrt ihr Ziel verfolgt, ist unseren Feinden noch immer nicht bewusst.... Unser schneller Sieg in Afghanistan war nur das Vorspiel für einen noch viel größeren Krieg, der nicht nur im Nahen Osten neue Verhältnisse schaffen, sondern auch die politischen Verhältnisse in vielen Staaten der Welt umgestalten wird.“
Meine Damen und Herren Abgeordneten! Dass Deutschland sich nicht an einem solchen völkerrechtswidrigen Krieg beteiligen muss, hat der damalige Bundeskanzler, Gerhard Schröder, bereits unter Beweis gestellt, auch wenn seine Motive einen stark wahltaktischen Hintergrund gehabt haben mögen. Die unterwürfige Art und Weise, mit der sich jetzt die Bundeskanzlerin in vorauseilendem Gehorsam jeglichen amerikanischen Forderungen und Anmaßungen unterwirft, wäre zwar erbärmlich, aber noch nicht schlimm, wenn dabei nicht der letzte Rest an politischem Kapital zerschlagen würde, was wir Deutschen im arabischen und islamischen Ausland besitzen.
Die im relativ sicheren Norden des Landes stationierten Soldaten der Bundeswehr werden Ihnen, meine Damen und Herren, auf Befragen gern erklären, dass die Afghanen inzwischen auch den deutschen Truppen mit mehr als Misstrauen begegnen. Der Bundesregierung dürfte bekannt sein, dass diese Tatsache nicht nur darauf beruht, dass die Afghanen Soldaten, die sich wie Mitarbeiter des
Roten Kreuzes oder des Technischen Hilfswerkes suggerieren, nicht als vollwertig betrachten. Dieses zunehmende Misstrauen gegenüber deutschen Soldaten beruht unter anderem darauf, dass die Amerikaner widerrechtlich und unbefragt unter deutscher Flagge Patrouillen und Einsätze durchführen und auf ihren Militärfahrzeugen widerrechtlich deutsche Hoheitszeichen anbringen, in der Hoffnung, dann weniger beschossen zu werden. Dass dabei in vielen Fällen unter deutscher Flagge sogenannte Kollateralschäden unter Zivilisten durch die als schießwütig bekannten amerikanischen Eliteeinheiten die Folge sind, ist sogar schon bis ins Verteidigungsministerium vorgedrungen. Herr Jung äußerte sich kürzlich in diesem Sinne.