Möchten Sie eine Frage stellen, Herr Kollege Porsch? Wir haben jetzt neue Saalmikrofone, damit das auch für das Protokoll nachvollziehbar ist.
Jetzt noch einmal zum Punkt. Wir haben uns in der Tat als sächsische Sozialdemokraten bereits vor unserem vorletzten Landesparteitag im Dezember 2006 genau dieser Problematik angenommen: Das Thema Verlängerung ALG I ist ein Kernelement sozialdemokratischer Politik. Es gab dort schon Anträge, da wusste DIE LINKE wahrscheinlich noch gar nicht, wie ALG geschrieben wird,
Das heißt, wir haben uns klar zu dieser Frage bekannt und auch klar diese Auseinandersetzung gesucht. Wir haben bundesweit mit unseren Anträgen aus sächsischer Sicht genau die Debatte befördert, die dazu geführt hat, dass Kurt Beck auf dem Bundesparteitag in Hamburg diesen Weg gegangen ist. Unser Landesvorsitzender und Wirtschafts- und Arbeitsminister Thomas Jurk war einer der Ersten, die gesagt haben: Ich unterstütze Kurt Beck in dieser Frage in Gänze.
Ist Ihnen bekannt, dass lange bevor die SPD diesen Beschluss auf ihrem Landesparteitag gefasst hat, DIE LINKE in diesem Landtag einen Antrag zur Verlängerung von ALG eingebracht und dass die SPD-Fraktion ihn damals abgelehnt hat?
Frau Lay, es interessiert mich auch gar nicht. Der Unterschied zwischen uns beiden ist: Wir setzen unser Handeln in Politik um. Wir haben die Möglichkeit, es in Politik umzusetzen. Sie schreiben vielleicht Anträge. Aber wir haben uns in einer gemeinsamen Koalition auch darauf verständigt, diesen Weg zu gehen. Der Antrag, der hier vorliegt, sieht genau diesen Weg vor. Das heißt, darin ist auch enthalten, dass wir als Koalition wollen, dass es zu einer Verlängerung des ALG I kommt. Das ist der Unterschied zu Ihnen.
Herr Kollege Brangs, können Sie mir die Frage beantworten, wer eigentlich die Situation zu verantworten hat, aus der heraus wir überhaupt erst einen Antrag stellen müssen, dass das ALG für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlängert werden muss? Wer hat diese Situation zu verantworten, dass wir einen solchen Antrag stellen müssen?
Diese Situation hat garantiert nicht der zu verantworten, den Sie jetzt gern genannt haben möchten, sondern es hat etwas damit zu tun,
und dass man nicht stur, ohne die Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Menschen im Lande zu berücksichtigen, an seinem Konzept festhält. Gerhard Schröder hat auf dem Parteitag in Hamburg ganz klar gesagt, dass die Agenda 2010 das Instrument war und nicht das Ergebnis. Insofern kann man auch bei Instrumenten nachstellen.
Wenn wir bei dem Thema Nachsteuern sind, würde ich Ihnen als Linke empfehlen, dass Sie in Ihrem Antrag ganz schnell nachsteuern,
weil nämlich aus Ihrem Antrag nicht hervorgeht, wie Sie die Belastungen der Jüngeren in unserer Gesellschaft abdecken wollen. Wenn Sie nämlich Ihren Antrag zu Ende lesen, ist der ganz nahe an dem Antrag der CDU auf dem Bundesparteitag in Dresden. Nur ob Sie das wollen, dass Sie Jüngere belasten, um Ältere damit zu entlasten und Älteren damit eine längere Möglichkeit zu geben, ALG-ILeistungen zu empfangen,
das würde mich wirklich einmal interessieren. Ich würde Sie geradezu auffordern, ob Sie denn damit einen Einklang in Ihrer Programmatik finden.
Eines ist auf jeden Fall richtig: Durch die kürzeren Bezugszeiten von ALG I – das ist gesagt worden – geraten eben gerade ältere Menschen schnell auf das Abstellgleis. Es geht in der Tat um eine Würdigung ihrer erbrachten Lebensleistung. Da gibt es eben ein subjektives Gefühl in der Gesellschaft. Das kann man einfach nicht fiskalisch erklären. Es gibt das subjektive Gefühl von Menschen, die sagen: Wir haben länger in die Kasse eingezahlt, wir haben ein langes Berufsleben hinter uns, wir möchten deshalb einen längeren Anspruch genießen.
Wenn ich Debatten höre, dass irgendwelche Versicherungsmathematiker mir erklären wollen, das sei alles nicht gerecht und es sei hier ein Umlagesystem und es hätte etwas mit dem Sozialversicherungssystem der Bundesrepublik zu tun, dann sage ich: Das mag zwar so sein, aber das trifft nicht den Kern des Gefühls der Menschen. Man kann eben keine Politik über die Köpfe der Menschen hinweg machen. Wenn dort eine Gerechtigkeitslücke empfunden wird, dann glaube ich, dass man als Politik Antworten darauf geben soll. Genau diese Antworten werden gegeben.
Ich finde es richtig, dass sich die SPD auf ihrem Bundesparteitag in Hamburg der Forderung des DGB angeschlossen hat. Der DGB hat vorgeschlagen, dass es einen Stufenplan geben soll, bei dem Beschäftigte ab 45 Jahren bis 18 Monate ALG I beziehen sollen und über 50-jährige maximal 24 Monate. Ich glaube, es ist erkannt worden: Jawohl, wir müssen nachsteuern. Die Frage, wie das zu finanzieren ist, kann man ganz einfach beantworten: Das kann man unter anderem aus Überschüssen der Bundesagentur für Arbeit finanzieren.
Genau diese Punkte dienen dazu, dass man dieses gefühlte Gerechtigkeitsempfinden nach dem Motto „Wer lange einzahlt, soll auch länger etwas davon haben“ zu Recht bedient. Ich finde es überfällig, dass wir diesen Schritt gehen wollen.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Gefühlter Sonnenschein bei der SPD, aber das scheint nur so!)
Auch alle Umfragen, die wir im Moment nachlesen können, belegen genau diesen Trend. Es würde zu lange dauern, sie alle aufzuführen; aber im Kern ist es so, dass ein großer Teil der Befragten – zwischen 80 und 85 % – sagt: Wir sind für eine Verlängerung dieser Leistungen. Die Mehrheit der Befragten äußert sich ganz klar zu der Frage der Belastung der Jungen; denn auch zu dem Vorschlag, den Rüttgers unterbreitet hat, gibt es keine Mehrheit.
Zu den konkreten Auswirkungen hat Kollege Pietzsch schon gesprochen. Ich habe etwas dazu gesagt, wo die Nachsteuerung möglich ist, will aber noch auf ein, zwei Punkte eingehen, die sich auf unseren Antrag beziehen.
Wir haben in einer Debatte innerhalb der Koalition diese Themen noch einmal sehr ausreichend abgewogen und uns darüber verständigt, dass wir mit der Drucksache 4/10269 einen eigenen Antrag in den Geschäftsgang eingebracht haben. Wenn man sich die Details dieses Antrages ansieht, dann steht darin etwas dazu, dass die Leistungs- und die Arbeitsfähigkeit der Arbeitsgemeinschaften nach dem Sozialgesetzbuch II gestärkt und ausgebaut werden sollen; das ist ein wichtiger Aspekt.
Wir glauben außerdem, dass es eine zielorientierte und stärker arbeitsplatzbezogene Qualifizierung geben muss und dass es sinnvoll ist, das Thema der Eingliederungsinstrumente nach Sozialgesetzbuch II und III zielgenauer zur Anwendung zu bringen. Wir sagen außerdem etwas zu stärkeren Anreizen, was die Aufnahme von Vollzeitbeschäftigung anbelangt. Wir sagen etwas zur längeren Bezugsdauer des ALG I, auf die ich schon hinreichend eingegangen bin. Wir sagen etwas zu den Zuschüssen zu den sozialversicherungspflichtigen Beiträgen im Niedriglohnbereich – ein entscheidender Punkt, der eine vollkommen andere Qualität in unserem Antrag darstellt als das, was die Linksfraktion vorgelegt hat –; und wir sagen etwas dazu, dass der Katalog des nicht anrechenbaren Vermögens überprüft und gegebenenfalls verändert werden soll, bis hin zum Kindergeldzuschlag für Geringverdiener.
Ich glaube, der eingebrachte Antrag ist die Antwort darauf. Insofern würde ich mich freuen, wenn wir dann, wenn wir den Antrag aufrufen werden, eine breite Zustimmung bekommen würden – und das wird sehr schnell passieren. Den Antrag der Linken lehnen wir ab; er geht in die falsche Richtung, er weckt vollkommen falsche Anreize,