Protokoll der Sitzung vom 08.11.2007

Der angebliche Sachsensumpf hat noch zwei weitere Konstrukteure. Ihre Rollen, Herr Bartl und Herr Külow, bleiben nach wie vor mehr als fragwürdig. Ich meine, Sie blenden die tatsächlichen Fakten und Erkenntnisse aus der Untersuchung und Evaluierung der Arbeitsabläufe innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz des Freistaates Sachsen einfach aus, wenn sie Ihnen nicht in Ihr perfides Konzept passen.

(Vereinzelt Gelächter bei der Linksfraktion)

Es wird Ihnen auch nicht helfen, wenn Sie jetzt vermutlich die Vorwürfe erheben, der Staatsminister selbst hätte die ganze Geschichte eskalierend ins Rollen gebracht, die Aufsicht habe versagt und Führungsversagen an allen Ecken sei daran schuld. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Innenminister Dr. Buttolo hat erste und richtige Konsequenzen aus dem Bericht zum Verfassungsschutz gezogen.

(Zuruf von der Linksfraktion: Wir sind beeindruckt!)

Es sind genau diese Konsequenzen, die ich Ihnen vorgetragen habe. Auch personelle Veränderungen hat es natürlich gegeben. Wir wissen, dass es weitere Anstrengungen geben wird.

Herr Bandmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, danke, Frau Präsidentin.

Ich denke, dass die Koalition auf dem richtigen Weg ist. Wir werden uns aber nicht in das von Ihnen schlecht konstruierte Märchen vom Sachsensumpf, erfunden von früheren SED-Kadern, einwickeln lassen.

(Gelächter bei der SPD und den GRÜNEN)

Die CDU-Fraktion und mit ihr die Koalition steht für eine konsequente und sachgerechte Aufklärung der Arbeitsabläufe innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz und für die Umsetzung der notwendigen Konsequenzen. Wir als Koalition werden den Rechtsstaat nicht von denen

verunglimpfen lassen, die diesen Rechtsstaat immer bekämpft haben.

(Zuruf von der Linksfraktion: Ganz klar!)

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Herr Bandmann, bevor ich dem nächsten Redner das Wort gebe, wollte ich Sie erstens daran erinnern, dass heute Morgen der Landtagspräsident kundgegeben hat, wer heute aus berechtigten Gründen an der Sitzung nicht teilnimmt. Ich meine damit Ihre Bemerkung zum Abg. Lichdi. Sie wissen ganz genau, warum er heute nicht hier ist. Zweitens wollte ich Sie bitten, sich künftig inhaltlich mit Abgeordneten dieses Hauses auseinanderzusetzen und nicht zu urteilen, ob jemand diesem Haus zuzumuten ist oder nicht.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN, der FDP und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Jetzt erteile ich dem Abg. Brangs für die SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem mein Kollege Volker Bandmann für die CDU gesprochen hat, spreche ich nun für die SPD.

(Beifall des Abg. Karl Nolle, SPD)

Ich glaube, dass es in der Tat so ist, dass wir uns in der letzten Zeit verstärkt mit einer sogenannten Mafia- und Korruptionsaffäre beschäftigen müssen, aber nichtsdestotrotz: Die Vorlage des Beyer-Berichtes hat gezeigt, dass es scheinbar immer deutlicher wird – ich betone scheinbar –, dass es da wohl keine Mafia- und Korruptionsaffäre gegeben hat, sondern eine Verfassungsschutzaffäre in unserem Land.

(Vereinzelt Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Ich will aber auch ganz deutlich klarstellen: Diese Affäre darauf zu reduzieren, dass es angeblich eine überforderte Referatsleiterin oder einen missverstandenen Polizisten gegeben habe, das lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen und abschließend erst recht nicht.

(Torsten Herbst, FDP: Aha! – Beifall des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Im Fokus der Betrachtungen – in der Tat spiele ich natürlich darauf an, dass sich das gleichnamige Magazin in den letzten Tagen damit auseinandergesetzt hat – liegen aktuell die Untersuchungen der Arbeitsabläufe des Landesamtes für Verfassungsschutz. Hier geht es im Wesentlichen um den Bereich des Referates der Organisierten Kriminalität. Als derjenige, der sowohl in der PKK als auch in der Öffentlichkeit seine Fraktion vertritt, betone ich ausdrücklich, dass wir uns als Koalition von Anfang an dazu bekannt haben – das ist von meinem Kolle

gen Bandmann gesagt worden –, dass es grundsätzlich notwendig ist, diese Arbeitsabläufe und die entstandene Situation schonungslos und ohne Rücksicht auf Parteibücher aufzuklären. Ich glaube, dazu gehört, dass man sich genau diesem Aktenbestand und diesen Informationen und der Art der Informationsgewinnung nähern muss.

Richtig ist es deshalb gewesen zu sagen, dass diese Akteninhalte an die Staatsanwaltschaft gelangen müssen und dass man gleichzeitig durch externe Experten untersuchen lässt, wie die Arbeitsabläufe waren und ob verfassungsschutzrechtlich und fachlich richtig gearbeitet wurde.

Genau diese Prüfung ist durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten und durch die genannte externe Arbeitsgruppe unter der Führung des ehemaligen Ermittlungsrichters am Bundesgerichtshof Dr. Dietrich Beyer erfolgt. Dieser Bericht ist vorgestellt worden und insofern muss es nun Ziel der Koalition sein – deshalb liegt dieser Antrag vor, und genau das gibt dieser Antrag der Koalitionsfraktionen wieder –, dass wir uns über diese zunächst bekannt gewordenen Missstände austauschen und konkrete Vorschläge machen, wie wir diesen Missständen zukünftig begegnen können.

Ein entscheidender Punkt dabei ist, dass wir die Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission stärken müssen. Aus meiner Sicht lautet die Kurzform – das hat das bisherige Prüfergebnis gebracht; es ist ja immerhin auf zwei Pressekonferenzen vorgestellt worden, und zwar am 24.08. und zu Beginn des letzten Monats –, dass die Beobachtung der Organisierten Kriminalität, so wie sie war und wie sie festgestellt worden ist, nicht mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes vom 21.07.2005 übereinstimmt und dass es eklatante Verstöße gegen die Grundsätze von nachrichtendienstlichen Ermittlungsmethoden und -arbeiten gab und dass es ein Versagen – das muss man feststellen dürfen – der Dienstaufsicht von ganz oben bis ganz unten gegeben hat.

Richtig ist auch, dass es scheinbar Anhaltspunkte dafür gibt, dass es Bedienstete öffentlicher Stellen gab, die als Quellen geführt wurden, dass Sachverhalte verborgen bzw. teilweise anders oder verfälscht dargestellt worden sind; und die Frage, ob all das rechtlich und fachlich richtig war, muss vor allem vor Gericht und durch die Staatsanwaltschaft geprüft werden.

Eines ist allerdings auch klar: Wenn dem so ist, dass es rechtlich und fachlich eben nicht geboten war, dass eine solch sensible Behörde wie der Verfassungsschutz so gearbeitet hat, dann ist das nicht hinnehmbar. Insofern müssen wir uns damit auseinandersetzen, welche Konsequenzen das haben sollte. Eine Konsequenz, die wir aus SPD-Sicht sehen, ist, die Befugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission erheblich auszuweiten. Es kann nicht sein, dass dieses Gremium gerade einmal immer so viele Informationen bekommt, wie das Landesamt oder das Innenministerium von sich aus abliefern wollen.

Wenn man die Kontrolle ernst nimmt und wenn dieses Gremium in die Lage versetzt werden soll, diese Kontrolle auszuüben, dann muss es wesentlich engmaschiger sein und dann muss diese Kontrolle der Parlamentarischen Kontrollkommission so ausfallen, dass wir die Mittel an die Hand bekommen, um sie auch auszuführen.

Es ist bekannt, dass es in der Debatte Vergleichsüberlegungen gibt. Eine Vergleichsüberlegung ist das parlamentarische Kontrollgremium des Bundes. Im Deutschen Bundestag verfügt dieses parlamentarische Kontrollgremium – anders als die sächsische PKK – nicht nur über das Recht der Auskunft, sondern darüber hinaus über das Recht der Einsicht, und vor allem können Mitarbeiter des Nachrichtendienstes unmittelbar angehört werden, und Mitglieder dieser Kommission können die Dienste besuchen und im Einzelfall externe Sachverständige hinzuziehen.

Ich halte es für sinnvoll, über solche Rechte und darüber nachzudenken, ob wir der Parlamentarischen Kontrollkommission diese Rechte einräumen.

Ich gehe davon aus, dass wir uns innerhalb der Koalition mit diesem Thema auseinandersetzen. Wir werden uns auch noch im Laufe dieses Jahres mit diesem Thema beschäftigen, und wenn ich die Zeichen richtig verstanden habe, werden wir in diesem Punkt zu einer Änderung des Verfassungsschutzgesetzes kommen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, ja.

Herr Kollege Brangs, ich wollte Sie nur fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass zu all den Punkten, die Sie gerade genannt haben – der Stärkung der Parlamentarischen Kontrollkommissionsrechte –, ein entsprechender Gesetzentwurf der Linksfraktion vorliegt, und ob Sie bereit sind, gemeinsam mit uns möglichst schnell im Ausschuss diese Rechte auch in der Praxis zu stärken und nicht nur darüber zu sprechen?

Sie werden sich sicherlich wundern, aber es ist ein Teil dessen, was ich sagen wollte: dass wir darüber reden sollten; und wenn Sie konstruktive Vorschläge zu machen haben – was sich wohltuend von den Vorschlägen abhebt, die Sie manchmal hier einbringen –, dann lässt sich sicherlich darüber reden, wenn es in diesem Hause mehrheitsfähig ist; warum nicht.

Die Arbeit der PKK muss natürlich untersucht werden; ich sehe dort Handlungsbedarf. Ich sehe aber auch, dass wir uns darüber verständigen müssen, ob wir im Bereich des Verfassungsschutzes grundsätzlich Strukturveränderungen vornehmen wollen und ob wir im Rahmen einer Klarstellung des Verfassungsschutzgesetzes dort etwas festschreiben wollen.

Wir sollten überlegen, welche Konsequenzen die Arbeitsweise des Nachrichtendienstes hat, und wir sollten uns neben den Ausführungen des Innenministeriums in

der Koalition noch darüber Gedanken machen. Aber dem Kernproblem, nämlich der fehlenden Dienstaufsicht – in diesem Fall durch das Innenministerium –, müssen wir uns nähern und wir dürfen es zukünftig nicht mehr zulassen, dass das Landesamt ein Eigenleben führt. Wenn wir das nicht zulassen wollen, sollten wir darüber nachdenken, ob wir nicht auch Beispiele anderer Bundesländer in die Diskussion einfließen lassen, wie die Struktur des Landesamtes in den anderen Bundesländern geregelt ist.

Ich will damit nicht abschließend sagen, dass wir eine Empfehlung aussprechen, beispielsweise das Landesamt an das Innenministerium anzugliedern; aber ich will auch nicht, dass es hier Denkverbote gibt und dass in bestimmten Bereichen von vornherein, jetzt schon, feststeht, wie die Entscheidung aussehen soll. Der Beyer-Bericht hat zwar kein Votum über eine andere Organisationsform des Verfassungsschutzes abgegeben, aber er hat doch eingeräumt, dass es bestimmte Vorzüge für eine bestimmte Regelung gibt. Insofern sollten wir auch über andere Modelle nachdenken: ob wir das Landesamt für Verfassungsschutz beispielsweise analog den Regelungen des Bundes ansiedeln – dort ist es beim Bundeskanzleramt angesiedelt; in unserem Fall wäre es die Staatskanzlei –; dafür sollte Raum vorhanden sein.

Meine Fraktion hat noch keine Grundsatzentscheidung getroffen, aber wir plädieren für einen offenen Dialog.

Herzlichen Dank.

(Beifall der Abg. Martin Dulig und Karl Nolle, SPD, sowie vereinzelt bei der CDU)

Die Linksfraktion erhält das Wort; Herr Bartl, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer den Weg und die Gebaren dieses Sächsischen Landtages seit dem Herbst 2006 rund um das Thema vermeintlicher Sachsensumpf von außen beobachtet, versteht durchaus, weshalb die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande in eine Krise geraten, wenn sie von der nächsten selbst beschlossenen Diätenerhöhung ihrer Parlamentarier erfahren.

Die Wertungen dürften – wenn eher zurückhaltend – lauten: das blanke Drunter und Drüber; und bei jenen, die es etwas deftiger lieben: die blanke Chaostruppe, eine Zusammenkunft von 124 Freischaffenden, die sich selbst zum Frühstücksterritorium degradiert und nichts im Griff hat.

Und tatsächlich wird im Frühjahr 2006 – ein knappes Jahr nach der Feststellung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes, dass die gesetzliche Zuordnung der Aufgabe auf das Landesamt für Verfassungsschutz „Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ im Wesentlichen verfassungswidrig und unwirksam ist – das hiesige Verfassungsschutzgesetz novelliert, besser: rückabgewickelt auf den Stand von 2002. Dies mit allergrößten Schmerzen aufseiten der Koalition mit fortwährender Betonung, dass wir doch einen Mehrwert in puncto Aufklärung Organi

sierter Kriminalität eingebüßt haben, weil die renitente Linke nach Leipzig gezogen ist und die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes geerdet hat.

Im September 2006 hatten wir die Situation, dass die Staatsregierung und die Koalition im Allgemeinen und Innenminister Dr. Buttolo im Besonderen die Beanstandung des Datenschutzbeauftragten, das Landesamt habe rechtswidrig nicht nur die während der gesetzlich zugeordneten OK-Zuständigkeit gesammelten Daten unverändert gespeichert, sondern auch noch nach Beendigung der gesetzlichen Zuständigkeit – also jenseits des 31. Mai 2005 – weiter recherchiert, quasi als üble Nachrede beiseiteschieben.