Danke schön. – Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass noch weiterer Aussprachebedarf besteht. Ich möchte nur noch einmal daran erinnern: Wir sind formal noch beim Gesetzentwurf der Linksfraktion; wir haben vier Gesetzentwürfe. Möchten die Fraktionen nun von ihrem Redewunsch Gebrauch machen? – Ich rufe nun die Gesetze der Reihenfolge auf, wie wir darüber abstimmen, und dann gibt es ohnehin noch Änderungsanträge. Ich gebe auch den jeweiligen Fraktionen noch einmal die Gelegenheit, eine Bemerkung zur Einbringung ihrer Gesetzentwürfe zu machen. – Erhebt sich Widerspruch dagegen, dass wir – – Wer möchte jetzt sprechen? Keine Mimik und Gestik.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sie müssten bitte so nett sein, noch einmal das von Ihnen vorgeschlagene Verfahren zu erläutern. Jetzt ist der Gesetzentwurf der Linksfraktion aufgerufen, aber im Tagesordnungspunkt sind doch alle Gesetzentwürfe aufgerufen, und nach der Rednerliste wäre nun als nächste Fraktion die PDS-Fraktion dran.
Nein, in der zweiten Runde lege ich das fest, Herr Schiemann, und ich würde dem normalen Schlüssel wieder folgen und mit der größten Fraktion beginnen; denn wir haben vorhin in der Reihenfolge der Einbringung der Gesetzentwürfe gesprochen. – Herr Schiemann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst noch einmal herzlich dafür bedanken, dass dieses Hohe Haus seit dem Jahr 2006 ein sehr umfassendes, umfangreiches Verfahren beschritten und sich dem Jugendstrafvollzug sehr intensiv gewidmet hat. Ich glaube, dass die Großen Anfragen und die Initiativen, die wir hier bereits 2006 besprochen haben, eine gute Grundlage waren, nun die Debatte zum Jugendstrafvollzugsgesetz weiterzuführen. Dennoch möchte ich auch ein wenig kritisch auf meine Vorredner reagieren, die der Meinung waren, dem Jugendstrafvollzug im Freistaat Sachsen alles Mögliche überzustülpen und – –
Ich glaube, Herr Prof. Porsch, Sie haben bestimmt von vielen Dingen Ahnung, aber von dieser Sache haben Sie keine Ahnung.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich bin Abgeordneter, Herr Schiemann, ich kann zu allem sprechen!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt sicher Dinge, die man im Zusammenhang mit dem Jugendstrafvollzugsgesetz diskutieren kann; aber man kann den Jugendstrafvollzug nicht überfordern.
Man kann ihn nicht überfordern, und ich sage Ihnen an dieser Stelle: Es handelt sich um Strafvollzug. Das ist ein Gefängnis; es ist ein Ort, den ich nicht verlassen kann und an dem ich mich besonderen Regeln unterwerfen muss.
Es ist weder ein Erholungsheim noch ein Hotel, es ist auch kein Kuschelvollzug. Es wäre nämlich eine Lüge,
wenn man jungen Menschen erzählen würde, im Gefängnis würde es gar nicht so schlimm sein. Es wäre nicht die richtige Antwort, die man besonders jungen Menschen geben sollte.
Es ist sicher so, dass es im Leben der Gesellschaft, auch im Freistaat Sachsen, vielerlei Probleme gibt, die vielleicht Ursache dafür sein können, dass Menschen auf die schiefe Bahn geraten und kriminell werden. Diese Probleme möchte ich nicht in Abrede stellen, zumal die Kollegen aus dem Wirtschaftsbereich, aber auch der Sozialpolitik dies hier im Hohen Hause des Öfteren angesprochen haben. Aber eines möchte ich deutlich machen und davor warnen: Die Justiz ist nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft, und sie kann es auch nicht sein; denn diejenigen, die ins Gefängnis kommen, sind letztendlich am Ende dieses Weges, und wir müssen im Strafvollzug alles dafür tun, dass sie nach Verbüßung der Haft eine Chance habe, wieder ins Leben zurückzufinden.
Die Demokratie, meine sehr geehrten Damen und Herren, steht im Spannungsverhältnis zwischen staatlicher Macht und der Sicherung von Freiheit und Verantwortung des Einzelnen. Die Freiheit eines jeden hat als logische Grenze jedoch immer die Freiheit des anderen. Diese Grenzen der persönlichen Freiheit muss jeder lernen. Auch junge Menschen lernen dies bereits auf ihrem Entwicklungsweg. Wenn die Rechte und Freiheiten eines Menschen durch einen anderen beschnitten werden, muss dies Konsequenzen haben.
Wenn Erziehungsmaßregeln, Verwarnungen, Auflagen und Jugendarrest bei Jugendlichen und Heranwachsenden nicht mehr ausreichen, dann muss diese Erkenntnis in Jugendstrafanstalten durch Jugendstrafe – leider, sage ich – vermittelt werden. Dort muss das Leben der jungen Straftäter streng am Vollzugsziel der Erziehung ausgerichtet sein. Gefangene müssen befähigt werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen, und ich möchte betonen: Soziale Verantwortung ist nichts Kuscheliges oder Linksliberales; soziale Verantwortung ist die Einhaltung von Regeln, denen alle hier im Land lebenden Menschen unterworfen sind.
Herr Schiemann, Sie haben eben als Vollzugsziel die Erziehung genannt. Sind für Sie Erziehung und Resozialisierung das Gleiche, oder fassen Sie das doch weiter auf, als das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle das Ziel des Jugendstrafvollzuges benannt hat?
Sehr geehrte Kollegin Herrmann! Ich werde in meiner Rede später darauf eingehen. Selbstverständlich ist Resozialisierung in dem Sinne, wie wir sie sehen, ohne Erziehung nicht machbar. Sie müssen dem jungen Menschen, der straffällig geworden ist, eine Orientierung geben; und das ist keine neue Erfindung der Koalitionsfraktionen, sondern es ist ein Ziel, dem sich viele Menschen, die im Strafvollzug tätig sind, bereits jetzt stellen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich verweise dabei auf die Stellungnahme und möchte, Herr Staatsminister, deutlich machen, dass es bei der Diskussion zum Jugendstrafvollzugsgesetz viele Verbände und Arbeitsgemeinschaften gegeben hat, die sich sehr intensiv mit der Rechtsmaterie auseinandergesetzt und diesem Verfahren ihren Stellungnahmen beigefügt haben. Ich zitiere aus der Stellungnahme – Frau Kollegin Herrmann, vielleicht auch für Sie wichtig – der Landesarbeitsgemeinschaft der Lehrerinnen und Lehrer im Justizvollzug: „Nicht die Ausgrenzung straffällig gewordener junger Menschen, nicht die Zementierung ethnischer und kultureller Gräben durch die Verstärkung von Feindbildern fördern das gesellschaftliche Gemeinschaftsbewusstsein, sondern nur die konsequente pädagogische Gestaltung des Justizvollzuges für junge Menschen als Raum des sozialen Lernens und der Bildungschancen. Weder Kuschelvollzug noch Bootcamp – der richtige Weg liegt in der Mitte und wird begrenzt zwischen Förderangeboten und konsequenten Forderungen an die Jugendlichen nach Mitarbeit an der Erreichung der vollzuglichen Ziele.“
Das macht deutlich, wie wichtig die Stellungnahmen bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes waren. Weiterhin war die Anhörung, die sehr umfangreich mit vielen Spezialisten aus den einzelnen Fachbereichen war und uns auch Vorschläge unterbreitet hat, wichtig. In Auswertung der öffentlichen Anhörung wird der Erziehungsauftrag deutlich konkretisiert. Bei den jungen Gefangenen muss eine Werteerziehung erfolgen. Ich verstehe einige meiner Vorredner überhaupt nicht, wieso man sich so deutlich und vehement gegen Werte positioniert,
obwohl wir doch alle wissen, dass viele junge Menschen diese Erziehungsziele und Werte in ihrem Leben nicht erfahren und nicht aufnehmen konnten.
Deshalb sehen wir es als eine Chance an, ihnen während der Haft diese Werte zumindest näher zu bringen, damit sie nach Haftverbüßung eine Chance haben, im Leben ohne Kriminalität auszukommen.
Entscheidungen zur Begehung von Straftaten stellen falsche Werteentscheidungen dar. Insofern muss eine Umorientierung gelebter Werte erfolgen. Zur Konkretisierung: Es ist angesprochen und von einigen kritisiert
worden. Greifen wir den Inhalt von Artikel 101 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung auf. Wir wollen verdeutlichen, dass junge Gefangene wie andere junge Menschen im Freistaat Sachsen zu erziehen sind und sich an Normen orientieren müssen. Heute und in der Ausschusssitzung ist dieses kritisiert worden.
Es ist für mich nicht nachvollziehbar, dass es Kollegen in Fraktionen gibt, die sich so massiv gegen die Wertebildung in Haftanstalten äußern. Manchen Fraktionen sind diese Wertebegriffe in der Verfassung wie Nächstenliebe und Ehrfurcht vor allem Lebendigen anscheinend unbekannt oder zu traditionell.
Diese bedeuten doch Respekt vor der Gesundheit und dem Leben der anderen Menschen. Diese Begriffe knüpfen an die Traditionen im europäischen Kulturkreis an. Sie sind unser abendländisches Fundament und unsere Geschichte. Sie passen als Grundlage der Wertevermittlung bei jungen Menschen genau, ob diese nun zur Schule gehen oder ob sie sich in einer Jugendstrafvollzugsanstalt befinden.
Das trifft auch auf den Begriff „Heimatliebe“ zu. Genauso wie dieser Begriff für einen Schüler mit Migrationshintergrund in der Schule verfassungskonform auszulegen ist, gilt dies auch für einen Straftäter mit Migrationshintergrund. Auch diese sollen Respekt vor den Traditionen, den Regeln und den Wertegrundsätzen des Landes zeigen, in welchem sie sich aufhalten. Wer seine eigene Heimat nicht schätzt, der wird der Heimat anderer nicht Respekt zollen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen, dass junge Gefangene zu einer Auseinandersetzung mit ihren Taten fähig werden. Sie müssen begreifen, dass sie den Opfern Schaden zugefügt haben. Sie müssen Einsicht in das Leid der Opfer gewinnen und die Fehler ihrer Tat erkennen und anerkennen. Durch wirksame Erziehungsmaßnahmen soll den Gefangenen ihre soziale Verantwortung bewusst gemacht werden. Sie müssen über einen geordneten Tagesablauf, durch Ausbildung und Beschäftigung lernen, Regeln einzuhalten – ich wiederhole: Regeln einzuhalten.
Die vorhandenen Defizite im sozialen, im schulischen oder im beruflichen Bereich müssen mit vielfältigen pädagogischen Maßnahmen nachhaltig korrigiert werden. Wir brauchen besondere Bemühungen bei dem Thema Schuldenregulierung, beim Täter-Opfer-Ausgleich, aber
auch im Zusammenhang mit der Haft um Schadenswiedergutmachung, Konfliktschlichtung und ein gewisses soziales Training.