Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich erteile der zweiten einreichenden Fraktion, den GRÜNEN, das Wort; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Tausende Beschäftigte und Studierende haben heute vor dem Sächsischen Landtag demonstriert. Die SPD hat sich bei dem Hochschulgesetz entschlossen, nach dem Prinzip „Augen zu und durch!“ vorzugehen; dann sieht man auch die Demonstrantinnen und Demonstranten nicht mehr so genau.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Aber eines steht fest: Das Dauerdrama „Hochschulreform“ erlebt mit der gegenwärtigen Demonstration einen vorläufigen Höhepunkt. Noch steht nicht fest, ob dieses Drama als klassische Tragödie mit einem katastrophalen Ausgang endet oder ob es nicht vielmehr zu einem Lehrstück über eine doch noch erfolgreiche Hochschulreform wird. Vieles, was schon in mehreren Akten auf der Bühne dieses Plenums aufgeführt wurde, erinnert freilich auch an eine Tragikomödie – und das ist auch nahe liegend; denn „die Tragödie setzt“, wie man den Dramatiker Friedrich Dürrenmatt zitieren kann, „Schuld, Not, Maß, Übersicht und Verantwortung voraus, um ihr Ziel, die Läuterung des Einzelnen, zu erreichen“. In der Unübersichtlichkeit der modernen Welt, so Dürrenmatt, werde Schuld verwischt und abgeschoben. Der Moderne komme nur die Groteske bei.

In der Tat scheint es, als ob bei der Staatsregierung in Sachen Hochschulreform weder Maß noch Übersicht noch Verantwortung vorhanden sind. Auch Schuld und Not scheinen die Koalitionspartner ständig zu verwischen und abzuschieben. So sind einige groteske Züge nicht verwunderlich. Von Monat zu Monat werden neue Termine für die Vorstellung und die 1. Lesung des Gesetzes verkündet und nicht eingehalten. Kompromisse werden vereinbart, die dann von der Fraktion wieder zurückgepfiffen werden. Unzählige Arbeitsfassungen wurden und werden erarbeitet und wieder zurückgezogen; und wie man hört, wurde einigen Mitarbeitern des Wissenschaftsministeriums der Weihnachtsurlaub gestrichen, damit wir das Gesetz im Januar endlich bekommen.

Dieses Getöse auf offener Bühne verdeckt nur mühsam die massiven Probleme, die auf die sächsischen Hochschulen mit dem geplanten Gesetz zukommen. Das Ziel einer Tragikomödie, die Zuschauer in Distanz zum Geschehen auf der Bühne zu bringen und zum Nachdenken anzuregen, haben Sie spätestens mit dem heutigen Tag erreicht. Vor dem Landtag stehen heute Tausende Studierende und Beschäftigte, die längst Distanz gewonnen und nachgedacht haben und die dieses Hochschulgesetz nicht wollen. Der Protest richtet sich dabei nicht generell gegen eine Modernisierung der Hochschulstrukturen, sondern gegen eine neoliberale Ausrichtung der Reform, mit der Mitbestimmungsstrukturen abgeschafft und Hochschulen unternehmensähnlich gestaltet werden sollen.

Die Studierenden und Beschäftigten der sächsischen Hochschulen sind keineswegs Modernisierungsverweigerer, sondern sie stimmen mit vielen weitreichenden

Reformpunkten überein, die wir in unserem Antrag aufgeführt haben. Wenn wir mit diesem Antrag davon ausgehen, dass die Hochschulreform im Konsens mit Studierenden und Beschäftigten gestaltet werden kann, dann ist das unserer Auffassung nach alles andere als Rhetorik. Wenn Sie sich sowohl die Forderungen der Studierendenvertretungen, der Rektorenkonferenz oder der Gewerkschaften, als auch die verschiedenen Programme der Parteien anschauen, dann findet sich ein genügend großer Vorrat an Gemeinsamkeiten, um ein Hochschulgesetz zu verabschieden, mit dem nicht nur die Betroffenen gut leben können, sondern das die sächsischen Hochschulen insgesamt voranbringt.

Völlig unstrittig ist doch, dass die Hochschulen eine größere finanzielle und personelle Unabhängigkeit brauchen. Sie müssen innerhalb eines Globalhaushaltes, der an Zielvereinbarungen gekoppelt ist, eigenständig über Berufungen, Investitionen und vieles andere mehr entscheiden können. Das ist ein von Studierenden, Gewerkschaften, Linksfraktion, GRÜNEN bis hin zu CDU und SPD breit getragener Konsens. Auch auf die Studiengebührenfreiheit, zumindest für das Erststudium, kann sich eine große Mehrheit einigen. Die Koalition selbst hat dies für sich unter Beweis gestellt und sieht einen solchen Punkt im Hochschulgesetzentwurf vor.

Konsens ist auch, dass die Qualitätssicherung der künftigen Hochschulentwicklung im Rahmen von landesweiten Rahmenvereinbarungen und hochschulspezifischen Zielvereinbarungen erfolgen wird. Über ihre Ausgestaltung kann man streiten, aber dass die Hochschulsteuerung nicht mehr über den ministeriellen Eingriff der Fachaufsicht en detail erfolgen soll, sondern über das Prinzip der Zielvereinbarung, bestreitet wohl niemand.

Aus dieser weitgehenden Einigkeit über die Zielstellung einer Hochschulreform folgt unseres Erachtens eine eindeutige Konsequenz für die Organisation der Hochschulen. Wer mehr Autonomie wagen will, darf die demokratische Mitbestimmung nicht abschaffen, sondern muss sie weiterentwickeln und ausbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Darüber aber herrscht bekanntermaßen ein Dissens zwischen der CDU-/SPD-Koalition und den heutigen Antragstellern von LINKE und GRÜNEN, der sich aber an den Hochschulen kaum wiederfindet. Die übergroße Mehrheit an den Hochschulen will die demokratischen Mitbestimmungsstrukturen nicht, wie die Koalition, abschaffen, sondern beibehalten und modernisieren. Sie haben sich nicht nur aus der Sicht der Studierenden und Beschäftigten, sondern auch aus der Sicht der meisten Hochschulleitungen bewährt.

Wo Probleme auftreten wie beim Konzil, kann die Antwort nicht die Abschaffung des Konzils sein, sondern dessen sinnvoller Umbau. Wir GRÜNEN haben in unserem Hochschulgesetz vorgeschlagen, das Konzil zu verkleinern und die Kompetenzen klar auf wesentliche, unverzichtbare Punkte, wie die Wahl der Hochschullei

tung und die Beschlussfassung über die Grundordnung, zu konzentrieren. Auch andere Vorschläge sind denkbar. Auf die Idee, das Konzil ohne Not abzuschaffen, kommt jedoch nur die Koalition, genauer gesagt, niemand außer der CDU, die sich dabei an den Blaupausen des Centrums für Hochschulentwicklung orientiert.

Auch die Installation eines nahezu allmächtigen Rektorates, das faktisch nur einem von der Staatsregierung bestellten Hochschulrat verpflichtet ist, findet an den Hochschulen so gut wie keine Unterstützung. Einem Hochschulrat, dessen Mitglieder alle halben Jahre zu einer Sitzung einfliegen, vertrauen Studierende und Beschäftigte nicht – und das zu Recht. Echte Autonomie heißt, dass die Mitglieder der Hochschulen selbst über ihre Belange entscheiden, in einem Rahmen, der vom Landtag – nicht zuletzt als Geldgeber – vorgegeben wird.

Wenn die Hochschulen einen größeren Spielraum erhalten, über ihre eigene Entwicklung zu entscheiden, dann muss dies eine entsprechende Ausweitung der Beteiligung der Mitglieder an den Hochschulen nach sich ziehen. Die Frage der Mitbestimmung ist vor allem auch eine Frage der Qualität von Forschung und Lehre. Wenn Studierende und vor allem die Beschäftigten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Strukturen arbeiten müssen, durch deren Entscheidung sie sich als fremdbestimmt erfahren, dann wirkt sich dies unmittelbar negativ auf ihre Motivation aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch eine alte Erfahrung: Wenn Gremien gelegentlich folgenlose Stellungnahmen abgeben können zu Entscheidungen, die über ihre Köpfe hinweg getroffen werden, dann wird sich kaum jemand engagieren. Mit dem Hochschulgesetz der Koalition gerät die Mitbestimmung zur Farce. Damit schaden Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, letztlich Forschung und Lehre.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Egal, ob die Mitglieder in Instituts- oder Fakultätsräten, im Senat oder in Kommissionen mitwirken, sie müssen auf jeder Ebene nicht nur das Gefühl, sondern auch das tatsächliche Recht haben, auf ihre eigenen Arbeitsbedingungen Einfluss nehmen zu können und so gemeinsam ihre Hochschule voranzubringen. Die Hochschule als Gemeinschaft von Lernenden und Lehrenden – diese Kernidee ist es, die die Wissenschaft so stark gemacht hat – gilt es zu bewahren und zeitgemäß weiterzuentwickeln.

Mit der von Ihnen geplanten Umwandlung von Hochschulen legen Sie die Axt an diese Idee. Hochschulen sind keine Unternehmen. Nicht Rendite, sondern Geist und kritische Auseinandersetzung sind Motor der wissenschaftlichen Entwicklung. Die übergroße Mehrheit der Mitglieder an den Hochschulen hat dies längst verstanden. Ich hoffe, das trifft am Ende unserer Debatten letztlich auch auf eine Mehrheit der Landtagsmitglieder zu. In den wesentlichen Fragen der Hochschulreform können wir

uns mit den Studierenden und Beschäftigten einigen, dessen bin ich mir sicher.

Ich habe eingangs erwähnt, dass unseres Wissens einigen Mitarbeitern des Wissenschaftsministeriums der Weihnachtsurlaub gestrichen wurde, um das Gesetz rechtzeitig fertigzustellen. Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen von Staatsregierung und Koalition, gönnen Sie den Ministerialen den Urlaub! Gehen Sie über die Feiertage in sich, zeigen Sie Läuterung und beenden Sie diese seit zwei Jahren laufende Tragikomödie. Zeigen Sie das Maß, die Übersicht und die Verantwortung, die nötig sind – nicht, um diese Hochschulreform zu einer Tragödie mit katastrophalem Ausgang zu machen, sondern zu einem Lehrstück darüber, wie aus einer missglückten Reform doch noch ein gelungenes Gesetz wird! Dafür werden Sie unseren Beifall haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Die Aussprache geht weiter. Die CDU-Fraktion, vertreten durch Herrn Hermsdorfer, ist an der Reihe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuerst, liebe Frau Kollegin Werner, ein Kompliment. Sie haben zumindest eingangs in Ihren Ausführungen klargemacht, dass Sie gar nicht so richtig wissen, was Sie uns mit dem Antrag heute sagen wollen. Wenn wir es richtig verstanden und aufgenommen haben, so war es doch das Ziel der Studierenden über alle Bundesländer hinweg, Veranstaltungen zu organisieren, um gegen Studiengebühren und für Mitbestimmung zu werben, und weniger, sich zu einem noch nicht vorhandenen Referentenentwurf über ein Sächsisches Hochschulgesetz zu positionieren.

(Caren Lay, Linksfraktion: Das Anliegen ist korrekt!)

Herr Kollege Hermsdorfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Frau Werner, bitte.

Herr Hermsdorfer, waren Sie vielleicht mal draußen und haben den Studierenden und den Beschäftigten zugehört? Es sind zum größten Teil sächsische Studierende und Beschäftigte gewesen, die genau mit dem Ziel der Beteiligung an einem Sächsischen Hochschulgesetz demonstriert haben. Diese möchten gern beteiligt werden, sie haben eigene Forderungen. Diese haben das deutlich dargestellt. Waren Sie einmal draußen?

Ich war zweimal draußen, selbstverständlich, und ich habe mir das angeschaut. Ich habe auch zur Kenntnis genommen – das macht die Sache etwas schwierig –, dass selbst Ausführungen der Staatsministerin, in denen es um Mitbestimmung ging, noch ausgebuht worden sind. Es macht die inhaltliche Positio

nierung solcher Veranstaltungen relativ schwierig, eine Klarheit hineinzubringen.

(Beifall bei der CDU – Heike Werner, Linksfraktion, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage? – Nein, sie verzichtet.

Wir brauchen ein modernes und international wettbewerbsfähiges Hochschulwesen. Als Freistaat Sachsen sind wir – wie Deutschland – auf die besten Köpfe für unser Land angewiesen. Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes hängt wesentlich davon ab, ob es in den kommenden Jahrzehnten gelingen wird, Sachsen als Innovationsstandort von internationalem Rang weiter zu etablieren. Der Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte unterliegt einer positiven Eigendynamik. Die Verfügbarkeit von Spitzenleistungen in der Forschung ist ein wichtiger Standortfaktor für die Ansiedlung von Unternehmen, die hochwertige Arbeitsplätze bieten.

Das Angebot an hochwertigen Arbeitsplätzen ist seinerseits wiederum ein wichtiger Faktor, um Träger von Spitzenleistungen an den heimischen Standort zu binden; keine Großansiedlungen oder auch Leuchttürme genannt, wo wir nicht im Umfeld eine starke Universität mit ingenieurwissenschaftlichen Instituten finden. Unsere Universitäten brauchen Bewegungsspielraum, damit sie sich für die nationale und internationale Spitzenklasse profilieren können.

Deshalb wollen wir mit der im kommenden Jahr anstehenden Novelle des Hochschulgesetzes den Universitäten und Fachhochschulen in Sachsen erweiterte Gestaltungsspielräume eröffnen und insbesondere die Autonomie der einzelnen Hochschulen stärken. Wir wollen leistungsfähige Hochschulen organisieren, die die Qualität von Forschung und Lehre sichern. Wir wollen den jungen Menschen eine gute Hochschulausbildung mit auf den Weg geben.

Sie jedoch, meine Damen und Herren von meiner linken Seite, haben mit Ihrem Gesetzentwurf bewiesen, dass Sie gerade keine Hochschulen wollen, die für die Herausforderungen unserer Zeit bestens gerüstet sind.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Sie wollen eine weitere Bürokratisierung, Sie wollen Gängelung der Hochschulen und Sie wollen Zentralisierung.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Um Gottes willen!)

Komplizierte basisdemokratische Entscheidungsstrukturen stärken keinen Hochschulstandort. In Ihrem Selbstverständnis sehen Sie die ausufernde Gremienarbeit als Selbstzweck und nicht als verwaltungstechnisches Hilfsmittel. Die wesentliche Zielstellung – der Abbau von Überregulierung und Gesetzesvereinbarung,

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

wie von vielen Hochschulen gefordert –, wäre mit dem Gesetzentwurf der LINKEN nicht erreicht worden. Es wäre zum Beispiel in § 8 Abs. 2 Ihres Gesetzentwurfes noch ein zusätzliches Anhörungsgremium von Mitgliedergruppen für die Landesregierung geschaffen worden oder eine deutliche Erhöhung der Mitgliederzahlen, durch die angestrebte Viertelparität der Gremien an den Hochschulen in Ihrem § 44 des Hochschulgesetzentwurfs angestrebt.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Na und?)

Auf die Wahlen des vergangenen Jahres in Dresden und in Chemnitz durch das Konzil und die dabei fehlenden Vertreter möchte ich nicht detailliert eingehen.

In Richtung der Studierenden möchte ich Folgendes bemerken: Die Studenten sollen in die Belange, die sie wirklich elementar betreffen, eingebunden werden. Vor allem betrifft dies die Stärkung der Lehre und die Qualität der Studiengänge. Wir wollen beispielsweise, dass das Verfahren über die Evaluierung der Qualität der Lehre durch den Studentenrat abzustimmen ist. Im neuen Sächsischen Hochschulgesetz soll festgeschrieben werden, dass bei der Bewertung der Qualität der Lehre die Studenten zu beteiligen sind. Hierzu sollen jährlich Studentenbefragungen durchgeführt werden.

Mit unserem Ziel, Studenten künftig die Mitwirkung an der Organisation der Lehre zu ermöglichen, gehen wir dabei deutliche Schritte über die bisherige Praxis und Rechtslage hinaus. Beschlüsse in Angelegenheiten der Studienorganisation im Fakultätsrat bedürfen der Zustimmung der Mehrheit der anwesenden Studentenvertreter. Eine direkte Beteiligung an der Erstellung der Studienordnung und der Prüfungsordnung ist über den Senat vorgesehen.