Protokoll der Sitzung vom 13.12.2007

es liegt in ihrem Ermessen, über die Erhebung von Straßenbaubeiträgen situationsgerecht und zum Wohle ihrer

Einwohner zu entscheiden. Das muss den Verantwortungsträgern vor Ort bewusst sein und das muss mit Augenmaß gelingen. Dass das gelingt, haben wir in den letzten Wochen und Monaten immer wieder aus den Medien erfahren können. Viele Kommunen sind bereits in erfreulicher Weise aktiv geworden und weitere werden in nächster Zeit in erfreulicher Weise aktiv werden.

Damit ist aus der Sicht meiner Fraktion alles gesagt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Die NPDFraktion; Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Bandmann, Sie werden es mir als Sebnitzer Stadtrat, der erleben durfte, wie man durch einen durch rechtsaufsichtliche Verfügung geänderten Rechtsrahmen dieser Straßenausbaubeitragssatzung plötzlich durch dieses Urteil in die Situation kam, zurückzuzahlen bzw. zurückzahlen zu müssen und welche Kopfschmerzen es auch dem Kämmerer gemacht hat, nicht übelnehmen, dass ich nicht ganz so locker und leger darüber hinweggehen kann, wie Sie das jetzt getan haben.

Es waren nämlich überwiegend die CDU-dominierten Stadträte, die in vorauseilendem Gehorsam diese Satzung nach ihrer damaligen Rechtsauffassung erlassen und vollzogen haben, die jetzt plötzlich mit einem OVG-Urteil konfrontiert sind und denen es eben nicht so einfach möglich ist zu sagen: Wir heben jetzt die Satzung auf und erheben keine Beiträge. Wenn man 15 Jahre oder in dieser Größenordnung erhoben hat, wie viele Bürger sind davon schon betroffen. Wie ungerecht wäre es in dem Moment zu sagen: Jetzt heben wir die Satzung auf. Zurückzuzahlen sind die Beiträge auch kaum noch. Also ganz so leger, wie Sie das tun, kann ich es nicht verstehen.

Aber der vorliegende Antrag wirft ohnehin ein unschönes Bild auf die Handlungswilligkeit – besser: die Handlungsunwilligkeit – der Staatsregierung zu diesem Thema: Alles, was sich im Zusammenhang mit den Straßenausbaubeiträgen um § 26 Abs. 1 Sächsisches Kommunalabgabengesetz und § 73 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung rankt, beschäftigt dieses Haus nämlich in regelmäßiger Wiederkehr bereits seit Langem. Es gab auch seinerzeit, im Jahr 2004, schon auf Seite 69 des Koalitionsvertrages, wie bereits erwähnt, eine großspurige Ankündigungsrhetorik dazu – um im Weiteren unter Beweis stellen zu können, dass auch CDU und SPD gemeinsam ebenso wenig handlungsfähig sind, wie es vormals die politische Solonummer der Union war.

Nachdem nach der Koalitionsvereinbarung ein ganzes Jahr lang nichts geschehen war, kündigte Herrn Buttolos Vorgänger de Maizière für das erste Halbjahr 2006 eine Gesamtnovelle der sächsischen Kommunalgesetze an, in deren Rahmen es auch eine eindeutige Rechtsklarheit in Sachen Straßenausbaubeiträge geben sollte.

Doch kurz darauf entschwand Herr de Maizière nach Berlin und mit ihm wohl auch alle seine Akten. Sein Nachfolger, Herr Buttolo, jedenfalls fühlte sich an die Vorgaben seines Vorgängers zumindest ebenso wenig gebunden und das Papier des Koalitionsvertrages ist geduldig, sodass erst einmal weiter nichts geschah.

Immerhin, als de Maizières selbst gesetzte Frist abgelaufen war, verkündete die Abg. Weihnert vom Koalitionspartner SPD Mitte 2006 mit Verweis auf den Koalitionsvertrag selbstgefällig – Zitat –: „Sehen Sie, wir haben uns dessen angenommen“, nachzulesen im Protokoll der 55. Sitzung des Sächsischen Landtags vom 9. Juli 2006. Doch da ging offenbar nicht nur Frau Weihnert selbst ihren eigenen Worten auf den Leim, sondern auch die Staatsregierung nebst gesamter Koalition, weil daraufhin überhaupt nichts mehr passierte – bis zu dem 31. Januar 2007, als ein Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts erging. Das OVG kam nämlich entgegen der Rechtsauffassung der Staatsregierung und der im Freistaat gängigen Praxis zu dem Schluss, dass die Gemeinden weder nach dem § 26 Abs. 1 Sächsisches Kommunalabgabengesetz noch nach dem § 73 Abs. 2 Sächsische Gemeindeordnung verpflichtet sind, Ausbaubeiträge zu erheben und Ausbaubeitragssatzungen zu erlassen. Zum Verdruss der Staatsregierung stellte das OVG sogar fest, dass selbst die Rückzahlung bereits erhobener Beiträge legitim ist. Ich erwähnte aber, dass das aufgrund der Haushaltslage sächsischer Kommunen nicht ganz so einfach sein dürfte, wenn man also 15 Jahre erhoben hat.

Die NPD-Fraktion nahm dieses Urteil, wie Sie wissen, mit einer gewissen Genugtuung zur Kenntnis. Schließlich brachte die NPD-Fraktion ihre ablehnende Haltung zu Straßenausbaubeiträgen an dieser Stelle schon oft zum Ausdruck und hat zu dieser Thematik auch noch einen eigenen Gesetzentwurf im Geschäftsgang.

Die Gesetzesnovelle der Koalition fehlt allerdings immer noch. Die NPD-Fraktion fragt sich inzwischen nicht mehr, ob die Staatsregierung das in dieser Wahlperiode noch schafft, sondern ob sie es überhaupt noch will. Denn geraume Zeit nach dem OVG-Urteil lässt Minister Buttolo wissen, dass das in der Koalitionsvereinbarung angestrebte Ziel durch die jetzige Rechtslage gegeben sei, nachzulesen in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom 26.03.2007.

Warum hat sich die Staatsregierung dann immer genau auf eine gegenteilige Rechtsauffassung gestützt und sich gegen die nun vertretene Rechtsauffassung gesträubt? Herr Buttolo, wollen Sie uns wirklich weismachen, dass die Regierungsgeschäfte künftig nicht mehr von der Staatsregierung, sondern besser von den Verwaltungsgerichten wahrgenommen werden sollen? Die Verwaltungsgerichte werden aber den nach wie vor bestehenden Handlungsbedarf beispielsweise bei der Regelung der Bürgerbeteiligung im Falle der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen nicht beseitigen können. Von daher würde es die NPD-Fraktion schon begrüßen, wenn sich die Staats

regierung endlich gemüßigt sehen würde, ihren politischen Auftrag zu erfüllen.

Meine Damen und Herren! Das OVG-Urteil liegt inzwischen ebenfalls bald ein Jahr zurück. Die NPD-Fraktion bezweifelt, dass die heutige Debatte seitens der Staatsregierung verwertbare Eindrücke darüber erbringen wird, was sich hinter dem Schutzschild des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung in Sachen Evaluierung und/oder Novellierung dieses Rechtsbereichs entwickelt. Die NPD-Fraktion wird deshalb dem vorliegenden Antrag die Zustimmung geben.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Die FDP, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat, dieser Antrag hätte sich eigentlich für erledigt erklären lassen. Das ist schon richtig. Das Urteil des OVG vom 31.01. hat die hier zur Klärung anstehenden Fragen – und sie standen wirklich lange genug zur Klärung an – dem Gesetzgeber insofern aus der Hand genommen, als es Klarheit geschaffen hat. Die Unklarheit zwischen Einnahmebeschaffungsgrundsätzen nach § 73 Gemeindeordnung auf der einen Seite und § 26 Kommunalabgabengesetz auf der anderen Seite wurde durch das Urteil in einer selten deutlichen und juristisch wunderbar präzisen Art und Weise geklärt.

(Andrea Roth, Linksfraktion: Stimmt!)

Das Urteil ist wirklich von begrüßenswerter Klarheit, indem es auf einige wenige Grundsätze abstellt und schlicht und ergreifend sagt: Das frühere speziellere Gesetz, was § 26 KAG ist, geht dem allgemeineren, später erlassenen Gesetz § 73 Gemeindeordnung vor. So einfach kann das sein. So einfach können manchmal Gerichte den Politikern zeigen, dass sie leider und oftmals zum Leidwesen der Bürger viel Zeit verbrauchen und nichts Richtiges zustande bringen.

Im Übrigen muss ich Ihnen, Herr Bandmann, widersprechen. Wenn Sie bestreiten, dass es hier eine rechtswidrige Verwaltungspraxis in Sachsen gegeben hätte, dann ist das nicht richtig. Es gab eine Verwaltungspraxis, Kommunen dazu anzuhalten und sogar im Wege der Ersatzvornahme zu bedrohen, eine Straßenausbaubeitragssatzung zu erlassen. Das einfach hinterher abzustreiten gehört sich nicht und schon gar nicht in der Vorweihnachtszeit.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Diese Verwaltungspraxis war, gemessen am Urteil des OVG, schlicht und ergreifend rechtswidrig. Das kann man auch einmal zugeben. Da fällt einem kein Stein aus der Krone. Man kann höchstens befriedigt zur Kenntnis nehmen, dass die Kommunalaufsicht jetzt nicht mehr in dieser Weise handeln kann und es auch nicht mehr tut. Nach meiner Kenntnis ist deshalb dieser Antrag auch insofern entbehrlich, als ich mir nicht vorstellen kann, dass entgegen dem klaren Diktum des Oberverwaltungs

gerichts eine Kommunalaufsicht noch hergeht und einer Gemeinde sagt: Ihr müsst eine Straßenausbaubeitragssatzung erlassen.

Meine Damen und Herren! Anders, als es vielleicht in diesem Antrag klingt, bleibt es den Gemeinden tatsächlich selbst überlassen zu entscheiden. Das sollten wir respektieren und ihnen diese Freiheit nicht nehmen, auch nicht im umgekehrten Sinn. Das heißt, genauso wenig wie es eine Pflicht zur Erhebung von Beiträgen gibt, gibt es ein allgemeines Gebot, keine Beiträge zu erheben. Eine Gemeinde muss das selbst entscheiden, nach ihrer Finanzlage, nach ihren örtlichen Gegebenheiten, zum Beispiel topografischen Besonderheiten und anderem, ob sie Beiträge erheben will oder nicht. Dieses Maß an kommunaler Selbstbestimmung begrüßen wir ausdrücklich. Wir wollen es auch nicht einschränken. Deshalb werden wir uns zu diesem Antrag, der zeitlich überholt ist, enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Enrico Bräunig, SPD)

Die Fraktion der GRÜNEN; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Oberverwaltungsgericht Bautzen hat im Januar 2007 in einer überraschenden Wendung in seiner eigenen langjährigen Rechtsprechung das Recht der Ausbaubeiträge auf neue Grundlagen gestellt. Das OVG hat damit der Praxis der Staatsregierung den Boden entzogen, die Gemeinden im Wege der Kommunalaufsicht zu zwingen, Ausbaubeiträge zu erheben.

Die Linksfraktion begehrt in ihrem heute vorliegenden Antrag Maßnahmen der Staatsregierung, die sicherstellen, dass die bisherige Praxis beendet wird. Die Behandlung ihres nicht mehr ganz frischen Antrages kommt zu spät, denn seit Oktober 2007 hat das SMI ergänzende Anwendungshinweise zur Erhebung von Straßenbaubeiträgen infolge des Urteils des OVG Bautzen erlassen. Kollege Bräunig wies bereits darauf hin. Man hört beim Lesen dieser Hinweise zwar das Ministerium deutlich mit den Zähnen knirschen, aber im Grundsatz erfüllen sie das Anliegen Ihres Antrages.

Nachdem das Urteil bereits ausführlich erläutert wurde, möchte ich die Debatte zum Anlass nehmen, zumindest noch zur Frage einer Abschaffung der Straßenausbaubeiträge und einer wirksamen Bürgerbeteiligung zu sprechen.

Heißt das nun, nach dem OVG-Urteil sollen die Kommunen Straßenausbaubeiträge abschaffen? Viele Gemeinden, unter anderem die Stadt Chemnitz, haben das bereits beschlossen. In Dresden tobt gerade ein heftiger Kampf darum.

Ich glaube, dass die völlige Abschaffung ungerecht wäre. Denn die alleinige Finanzierung durch Steuern gibt oft den Anliegern einen Vorteil, der auch den Wert ihres

Grundstücks steigert. Das ist nicht wegzudiskutieren. Dieser Gedanke des wirtschaftlichen Vorteils ist auch der Schlüssel für eine sinnvolle Eingrenzung von Straßenausbaubeiträgen. Es ist eben kein Vorteil, wenn Bürger zur Finanzierung einer überörtlichen Durchgangsstraße herangezogen werden, die ihnen oft nur mehr Lärm, mehr Schadstoffe und einen geringeren Verkehrswert ihres Grundstücks einbringt. Wir können allgemein feststellen: Je größer die Straße, desto geringer der tatsächliche Vorteil für die Anlieger. Dies bedeutet aber auch, dass echte Anliegerstraßen im Sinne von Wohnstraßen tatsächlich einen Vorteil bringen, für den es auch gerecht ist zu bezahlen.

Nach meiner Wahrnehmung ist ein zentraler Punkt in der Debatte der berechtigte Unmut der Bürgerinnen und Bürger, die für Kosten von Straßen herangezogen werden, von denen sie keinen Vorteil haben, die lange vernachlässigt wurden und nun mit einem Luxusstandard saniert werden. Plötzlich werden Straßen zu Anliegerstraßen erklärt, um einen möglichst hohen Anteil der Kosten bei den Bürgerinnen und Bürgern eintreiben zu können.

Deshalb halten wir es für dringend erforderlich, dass der Landesgesetzgeber hier tätig wird und engere Grenzen für das Jonglieren mit den Straßenkategorien zieht. Weiterhin halten wir eine echte Bürgerbeteiligung bei innerörtlichen und überörtlichen Durchgangsstraßen für erforderlich. Hier müssen der Ortsbeirat oder der Ortschaftsrat sowie die Anlieger zwingend vor der Ausbauentscheidung und nicht erst danach informiert werden. Eine Information kurz vor Baubeginn, wie hoch die Beiträge ausfallen werden, ist eine Scheinbeteiligung und verärgert die Bürger zu Recht.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Bei Anliegerstraßen, bei denen das öffentliche Interesse nach der Entscheidung des Sächsischen Landtages nur bis 25 % der Kosten reicht, halten wir eine verbindliche Entscheidung der Anlieger im Verhältnis zu ihren potenziellen Ausbaubeitragsanteilen für zulässig.

Die Staatsregierung hat dagegen auf eine Anfrage des Kollegen Patt von der CDU-Fraktion geantwortet, dass eine Bürgerentscheidung über den Ausbau am § 9 des Sächsischen Straßengesetzes scheitern würde. Diese Vorschrift gibt vor, dass das Straßennetz im öffentlichen Interesse auszubauen ist. Bei Anliegerstraßen tritt aber gerade das öffentliche Interesse hinter den privaten Interessen zurück. Deshalb halte ich diese Rechtsauskunft der Staatsregierung für falsch. Sie passt aber zur beteiligungsfeindlichen Grundhaltung des SMI, wie wir sie bei allen Initiativen für mehr kommunale Demokratie oder bei der Verwaltungsreform zu erleiden haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir denken, dass sich der Antrag durch die Verwaltungsvorschrift des SMI erledigt hat. In der jetzt zentralen Frage einer besseren Straßenkategorisierung und einer Bürgerbeteiligung führt er nicht weiter. Über eine Abschaffung muss kommunal

entschieden werden. Wenn die Linksfraktion den Antrag dennoch zur Abstimmung stellt, werden wir uns enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wird weiterhin von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Dann frage ich die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Flath, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! In diesem Tagesordnungspunkt vertrete ich den Innenminister, Herrn Kollegen Dr. Buttolo. Er befindet sich im Haus und lässt sich entschuldigen, da er momentan an einem Gespräch wegen Unklarheiten betreffs der Tagesordnung teilnimmt.

Nach den Redebeiträgen der Abg. Bandmann und Bräunig kann ich mir erlauben, meine Rede zu Protokoll zu geben, wenn Sie nicht protestieren.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Protest sieht anders aus.

Gut. – Dann kann ich das Schlusswort aufrufen. Herr Dr. Friedrich, bitte.