Erinnern ist wichtig. Erinnern tut not. Und Erinnern ist bisweilen auch schmerzhaft. Das gilt nicht zuletzt auch für meine Partei. Dazu wird meine Fraktionskollegin Dr. Ernst dann noch einige Ausführungen machen.
Erinnern ist allerdings subjektiv und gerade im politischen Raum häufig auch selektiv. In der parlamentarischen Auseinandersetzung wird die historische Wahrheit oft durch politische Zweckmäßigkeit ersetzt und insbesondere uns die Vergangenheit zumeist dann vorgeworfen, wenn man keine sachlichen Argumente mehr zu aktuellen Fragestellungen hat.
Ich will heute nicht der Versuchung erliegen, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, obwohl mir gerade zur Vergangenheitsbewältigung der CDU in ihrer Rolle als langjährige Blockpartei durchaus einiges an Defiziten einfallen würde.
Stattdessen möchte ich mich den vorliegenden Anträgen zuwenden. Dass es insbesondere 2009, dem 20. Jahrestag der Ereignisse von 1989, diverse Veranstaltungen und Projekte geben wird und geben muss, versteht sich eigentlich von selbst. Ob es dafür eines Landtagsbeschlusses bedarf, erscheint zumindest fraglich. Aber er ist mit Sicherheit auch nicht hinderlich, und eine politische Unterstützung des Anliegens kann kaum schaden. Sie ist im Zweifel vielleicht hilfreich.
Auch hier warne ich allerdings vor einer einseitigen Geschichtsbetrachtung mit Blick auf die Begründungen. Es gab in der DDR nicht nur Opfer mit dazugehörigen Tätern. Die allermeisten Bürger haben bei allen Beschwerlichkeiten und Einschränkungen einfach versucht, ihr Leben zu meistern und sich mit dem Staat möglichst wenig anzulegen. Das ist im Übrigen heute nicht sehr viel anders.
Noch einmal: Wir stellen uns der Vergangenheit und gehen auch selbstkritisch mit unserer Schuld und Verantwortung um.
Aber es waren eben nicht nur Bürgerinitiativen, die für demokratische Veränderungen in der DDR eintraten.
Es gab auch in der SED viele Mitglieder, die mit den Zuständen unzufrieden waren – das ist einfach Fakt –, die in der Wendezeit mit demonstrierten und sich danach aktiv an der Umgestaltung und an dem Neuaufbau demokratischer Strukturen beteiligten.
Das nehme ich im Übrigen auch für mich ganz persönlich in Anspruch. Ich war einer von jenen 156 DDR-Bürgern, die 1989/90 mit Sitz und Stimme am Runden Tisch der DDR in Berlin gesessen haben. In meiner damaligen Arbeitsgruppe Bildung, Erziehung und Jugend waren unter anderem Menschen wie Marianne Birthler, die späteren Bundestagsabgeordneten Konrad Elmers und Angelika Barbe, damals noch SPD, oder auch HansJoachim Meyer, damals für die Katholische Laienbewegung, später für die CDU langjähriger Wissenschaftsminister hier bei uns in Sachsen.
Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt; im Übrigen, Herr Hähle, auch erlebt, dass man Anträge nach ihrem Inhalt und eben nicht nach ihrem Absender beurteilte, wie wir es heute allzu oft im Sächsischen Landtag erleben müssen.
Ich hatte bisher angenommen, Herr Kollege Brangs, dass auch Sie für eine sachliche Behandlung von Anträgen stehen und nicht nach dem Absender schauen, sofern es sich um demokratische Fraktionen handelt.
Der friedliche Umbruch im Herbst `89 ist maßgeblich von Leipzig ausgegangen. Wenn es also ein Freiheitsdenkmal im Osten geben soll, dann gehört dies eindeutig nach Leipzig. Allerdings verwundert mich der Antrag der Koalition insofern, als im Bundestag erst kürzlich ein ähnlicher Antrag zur Abstimmung stand, den dort allerdings DIE LINKE eingebracht hatte. CDU und SPD stimmten dort gegen ein Denkmal in Leipzig.
Im Landtag sind CDU und SPD jetzt plötzlich dafür. Mit Logik und verlässlicher Politik hat das relativ wenig zu tun. Wir als Linksfraktion sehen allerdings keinen Grund,
Im Übrigen frage ich: Wer wollte denn etwas haben gegen die „Errichtung eines Freiheitsdenkmals in Leipzig zur Würdigung von Mut und Zivilcourage der sächsischen Bürger beim Einsatz für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte im Jahr 1989“, wie es in der Überschrift des vorliegenden Antrages heißt? Wir jedenfalls haben nichts dagegen.
Etwas ganz anderes ist es, was jeder Einzelne von uns mit einem solchen Denkmal verbindet. Auch hier will ich noch einmal auf die Zeit der Runden Tische zurückkommen. Diese begann bekanntlich im Herbst 1989.
An den Runden Tischen und auch auf den ersten großen Demonstrationen ging es zunächst mitnichten um eine Vereinigung mit der Bundesrepublik, sondern um durchgreifende Veränderungen innerhalb der DDR, um Meinungs-, Presse- und Demonstrationsfreiheit. Es ging um die Ablösung der alten politischen Verantwortungsträger sowie um die Durchführung freier Wahlen.
Der renommierte Politikwissenschaftler Gert-Joachim Glaeßner beschrieb dies wie folgt – Zitat –: „‚Wir sind das Volk’ lautete der Ruf Hunderttausender Demonstranten auf den Straßen der DDR im Herbst 1989. Es waren diese Demonstranten, die das SED-Regime stürzten. ‚Wir sind ein Volk’ hieß es zu Beginn des Jahres 1990. Es waren nicht mehr“ – –
Ich zitiere. Entschuldigen Sie bitte, Sie können das ja dann gern richtig stellen. Damit habe ich kein Problem. Aber auf den Satz sollten Sie vielleicht hören: „Diejenigen, die gerufen haben ‚Wir sind ein Volk’“, so der westdeutsche Politikwissenschaftler, „waren nicht mehr dieselben Demonstranten.“
Ich wiederhole die Aussage von Glaeßner: „Es waren nicht mehr dieselben Demonstranten, die jetzt die Forderung nach einer schnellen Vereinigung der beiden deutschen Staaten erhoben.“
Ich weiß, dass dies insbesondere von konservativen und CDU-Vertretern gern vergessen wird. Ich teile die Auffassung von Herrn Glaeßner ausdrücklich.
Ich füge auch hinzu: Mir persönlich war diese Umbruchsperiode im letzten Jahr der DDR sehr wichtig. Wenn ich das sage, dann geht es nicht darum, den Fakt der 1990 hergestellten Deutschen Einheit zu ignorieren oder nicht
anzuerkennen. Ich denke aber schon, dass in der Folge ohne jede Not vernünftige Dinge aus der Wendezeit und auch aus der DDR über Bord geworfen wurden und die Chance für eine echte Einheit vertan wurde.
Ich will es Ihnen gleich sagen. Wenn Sie so freundlich wären zuzuhören, werde ich Ihnen gleich sagen, was ich damit meine.
Ich würde mit einem Freiheitsdenkmal in Leipzig zum Beispiel auch die Erinnerung an den hervorragenden Verfassungsentwurf des zentralen Runden Tisches der DDR wachhalten wollen,
der sich zwar im Aufbau und in vielen Punkten an das Grundgesetz der Bundesrepublik anlehnte, aber auch deutlich eigene Akzente setzte. Besonders auffällig waren ein erheblich erweiterter Grundrechts- und Staatszielkatalog sowie die Aufnahme plebiszitärer Elemente. Im Artikel 131 wurde beispielsweise eindeutig das Prinzip „Entschädigung vor Rückgabe“ fixiert, während im späteren Einigungsvertrag unter massivem westlichem Druck eine Umkehrung dieses Grundsatzes erfolgte, was bekanntlich auch bei uns zu erheblichen Verwerfungen führte.
Dass der Runde Tisch für eine gleichberechtigte Vereinigung nach Artikel 146 Grundgesetz plädierte und nicht für einen Beitritt nach Artikel 23, der dann erfolgte, sei nur am Rande erwähnt. Fakt ist jedoch, dass diese Fehlentscheidung mit dem Weg über Artikel 23 bis heute negative Auswirkungen hat. Auch dies hat dazu beigetragen, dass sich viele Menschen im Osten schwer tun, sich mit dem neuen Gemeinwesen zu identifizieren. Weder gab es ein neues, grundlegend überarbeitetes Grundgesetz, noch eine neue Nationalhymne.
Auf Bundesebene haben wir bis zum heutigen Tag keine Möglichkeit für Volksabstimmungen. Das war eine zentrale Botschaft von 1989/90. Sie haben es 17 Jahre nach dem Umbruch noch immer nicht fertiggebracht, diese Volksentscheidung auf Bundesebene zu ermöglichen. Ich kritisiere dies nachdrücklich.
Ja. Wissen Sie, ich hoffe, dass das so im Protokoll steht. Es zeigt Ihre Geisteshaltung in einer Weise, mit der Sie bereit sind, anderen zuzuhören, dass man darauf nicht näher eingehen muss.
Zu erinnern wäre aus meiner Sicht mit einem Denkmal auch an die vom Runden Tisch beschlossene Sozialcharta. Die darin enthaltenen Forderungen nach sozialen Grund