(Beifall bei der Linksfraktion sowie der Abg. Holger Zastrow, FDP, und Astrid Günther-Schmidt, GRÜNE)
Ich bin traurig, dass Städte um den Kreissitz kämpfen müssen, weil sie sonst keine Zukunft für ihre Stadt sehen. Können Sie, Herr Ministerpräsident, und auch alle anderen Minister hier vorn eigentlich nachts wirklich ruhig
schlafen, wenn Sie daran denken, was Sie in den letzten Jahren unseren Städten angetan haben? Eine Stadt wirbt für sich mit folgenden Worten: „Haben wir nicht endlich Stabilität in unserem Landkreis verdient?“; „Richtiges Zeichen für Regionen mit höchster Arbeitslosigkeit?“; „Nicht sehenden Auges eine Problemregion erneut schwächen!“
Es gibt viele Problemregionen und viele Problemstädte in Sachsen. Zu lange wurde nur Leuchtturmpolitik betrieben. Viele Städte hätten den Kreissitz verdient, um ihre Stabilität zu sichern und auch etwas gegen Arbeitslosigkeit zu tun. Aber dieses Prinzip hätte dann für alle gelten müssen, und dies wäre auch eine nachhaltige Aussage für die Zukunft Sachsens gewesen.
Aber – ich komme zurück zur Gesetzesbegründung – wir wollen uns „auf die Leistungsträger konzentrieren“. Was nutzen uns die Kriterien, wenn sie mal so und mal so angewandt werden? Ich habe aber Vertrauen in die Zukunft. In den letzten Wochen und Monaten und auch heute habe ich so viel Engagement, Fantasie und Hartnäckigkeit bei so vielen Menschen erlebt, die sich für ihre Städte, ihre Regionen eingesetzt haben. Im Namen der Fraktion DIE LINKE möchte ich mich dafür bei all diesen Menschen bedanken,
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich last but not least noch ein paar Worte zu der Frage verlieren, ob man kreisfreie Städte ebenso wie Landkreise behandeln kann.
Im vorgelegten Regierungsentwurf ist vorgesehen, die Kreisfreie Stadt Zwickau ebenso wie Plauen, Hoyerswerda und Görlitz einzukreisen. Hoyerswerda und Görlitz haben sich von sich aus entschlossen, die Kreisfreiheit aufzugeben, weil sie sich nicht in der Lage sehen, die durch die Aufgabenübertragung auf sie zukommenden Aufgaben zu erfüllen. Okay. Lassen Sie uns also über Zwickau und Plauen reden.
Zum Vogtländischen Weg ist schon einiges gesagt worden. Ich möchte nur noch ein paar Dinge hinzufügen. Sie haben die Absicht, die Stadt Zwickau mit derzeit 97 000 Einwohnern einzukreisen. In Ihrem Leitbild von 1994 haben Sie eine Mindesteinwohnerzahl von 125 000 für Kreise und von 50 000 für Stadtkreise bzw. kreisfreie Städte genannt. Ich nehme dies als Grundlage und sage: Wir haben einen Aufgabenzuwachs; deshalb kann ein Landkreis nicht mehr 125 000 Einwohner haben, sondern es müssen 200 000 sein. Da kann man durchaus mitgehen.
Aber warum ein Stadtkreis, der einen hohen Verdichtungsraum hat, bei dem die Aufgabenerfüllung hohe Anforderungen stellt, ein Stadtkreis, der aufgrund des kommunalen Finanzausgleichs und der Einwohnerveredlung Mehreinnahmen hat, nun auch 200 000 Einwohner haben soll und nicht, wie es 1994 richtigerweise gemacht wurde, eine Differenzierung zwischen Stadtkreis und Landkreis stattfindet, das will mir nicht einleuchten. Denn wenn Sie diese Differenzierung anwenden würden, würden Sie zu folgendem Ergebnis kommen – ich nehme einen einfachen Dreisatz –: 200 000 verhalten sich zu 125 000, wie sich 80 000 zu 50 000 verhalten. Insofern wäre zumindest überlegenswert gewesen, Zwickau als kreisfreie Stadt zu erhalten.
Ich gebe Ihnen noch etwas anderes mit: Bei Plauen reden wir über die Probleme des Vogtländischen Weges, über das Kooperationsmodell. Ich rede jetzt nur von der eigenständigen Lösung. Wir haben in Sachsen insgesamt fünf originäre Oberzentren. Das sind Leipzig, Dresden, Chemnitz, Zwickau, Plauen als alleinstehende Oberzentren. Sie wollen zwei eigenständige Oberzentren ihrer Kreisfreiheit berauben und ihnen damit Aufgaben nehmen, die auf jeden Fall für den Erhalt einer ordentlichen Versorgung innerhalb dieses Oberversorgungsraumes notwendig sind. Ich nenne als Beispiel nur den ÖPNV. Dass Sie jetzt in Ihrem Gesetzentwurf diesen Städten das, was Sie ihnen durch die Aufhebung der Kreisfreiheit wegnehmen wollen, durch Sonderregelungen, wonach sie die Trägerschaft über den ÖPNV und auch die Sparkasse erhalten, zurückgeben, ist doch absurd. Lassen Sie ihnen doch gleich die Kreisfreiheit und lassen Sie uns nachher nicht die Debatten im Zusammenhang mit dem FAG darüber führen, wie die Hauptansatzstaffel aussehen soll. Erhalten Sie die Kreisfreiheit für diese beiden Städte oder zumindest für Zwickau!
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Die Konferenz der Minister für Raumordnung hat einmal die Metropolregionen in Deutschland festgelegt. In ganz Deutschland gibt es elf solche Metropolregionen, im Osten Deutschlands zwei. Die Hauptstadtregion hat, glaube ich, einen Sonderstatus, sodass wir sie herausnehmen können. Es gibt noch eine weitere: das Sachsendreieck. Dieses Sachsendreieck besteht aus den Städten Leipzig, Dresden, Chemnitz, Halle und Zwickau. Dort geht es um Fragen von globaler und europäischer Bedeutung. Dies sollte doch eigentlich auch bei diesem Gesetzentwurf beachtet werden. Das ist doch eines Ihrer Prinzipien gewesen. Sie wollen ausgerechnet einer dieser Städte in der einzigen Metropolregion in Ostdeutschland einen Ansehensverlust ohnegleichen bescheren. Das, meine Damen und Herren, ist meines Erachtens nicht von Vorteil für den Freistaat.
Insofern kann ich Sie nur noch einmal inständig bitten, angesichts der Absurdität Ihres Vorhabens, das dem europäischen Gedanken der Vernetzung und der Stärkung des Regionalgedankens widerspricht, noch einmal zu überdenken, ob die Kreisfreiheit der kreisfreien Stadt Zwickau mit ihrer großen Tradition und ihrer großen regionalen Bedeutung nicht erhaltenswert ist.
Die Redezeit der Fraktionen ist ausgeschöpft. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Minister Buttolo, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Volksmund sagt: Wer A sagt, muss auch B sagen. – Für die heutige Debatte heißt das: Da das Verwaltungsneuordnungsgesetz gestern beschlossen wurde, muss heute die Frage nach der geeigneten Struktur für die Erfüllung dieser auf die kreiskommunale Ebene übertragenen Aufgaben beantwortet werden.
Dies tut das Kreisgebietsneugliederungsgesetz. Die Verwaltungsneuordnung ohne die Schaffung leistungsfähiger Strukturen auf Kreisebene bliebe ein Torso. Deshalb brauchen wir ein einheitliches Reformwerk aus Verwaltungsneuordnung und Kreisneugliederung.
Wir stellen Sachsen damit auf die zukünftigen Herausforderungen, wie Demografie, sinkende Zuweisungen von Bund und EU sowie zunehmenden internationalen Wettbewerb, rechtzeitig ein. Wir vereinfachen die Verwaltungsstrukturen und bauen, Herr Zastrow, Bürokratie ab,
indem Doppelzuständigkeiten abgeschafft und Zuständigkeiten gebündelt werden. Mit den Reformen rückt die Verwaltung ein Stück näher an die Bürger heran. Deshalb zum Beispiel werden bisher zentral wahrgenommene Aufgaben auf die Landkreise übertragen und damit kommt es zu einer bürgernäheren kommunalen Selbstverwaltung. Dies stärkt auch den ländlichen Raum.
Wenn zum Beispiel Leistungen nach dem Bundeselterngesetz oder Landesblindengeldgesetz oder die Feststellung der Schwerbehinderung zukünftig durch die Land
kreise erfolgen, bringt das gerade für die Bürger in den peripheren Regionen Vorteile, wenn sie den Ansprechpartner eben nicht mehr in Dresden, sondern in der Region, zum Beispiel in Görlitz, nicht mehr in Chemnitz, sondern vor der Haustür in Plauen, nicht in Leipzig, sondern vor Ort in Torgau haben.
Wer vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die Leistungsfähigkeit und die Attraktivität der ländlichen Regionen erhalten und stärken und der Abwanderung entgegenwirken will, muss dazu auch verwaltungsseitig das Notwendige tun. Daher bringen wir mehr Verwaltung in die Landkreise, die im Zweifelsfall näher an den Bürgern und näher an den Problemen sind. Das stärkt die kommunale bürgerschaftliche Selbstverwaltung, entspricht den Interessen der Bürger und der Wirtschaft und bringt den Freistaat insgesamt im föderalen Wettbewerb wieder ein Stück voran; denn mit der Reform wollen wir in erster Linie die Herausforderungen der Zukunft meistern. Wir machen die Reform für die Bürger in den Städten und Gemeinden und die Wirtschaft, denn diese wollen auch in Zukunft eine effiziente, transparente und bürgernahe Verwaltung zu bezahlbaren Preisen.
Über den besten Weg dahin wurde – ich habe auch gestern schon darauf hingewiesen – lange und ausgiebig diskutiert. Ich darf einige Daten nochmals zurückrufen:
Am 27. Juni 2006 veröffentlichten wir die Leitlinien für die Reform und starteten die Findungsphase. Herr Dr. Friedrich, ich möchte Sie ausdrücklich darauf hinweisen, dass die von Ihnen häufig strapazierte Buttolo-Karte keinen Kreissitz enthielt. Es waren Vorschläge in dieser Karte enthalten, wie die künftige Gebietskörperschaft aussehen soll. Die Kreissitze sind am 27. Juni und kurz danach, als ich diese Karte herausgegeben habe, keineswegs dabei gewesen.
Ich möchte an dieser Stelle weiter erinnern: Am 19. Dezember wurde der Referentenentwurf verabschiedet und anschließend zur Anhörung gegeben. An dieser Stelle noch einmal ganz deutlich: Ich weise jeden Vorwurf, ich hätte da mit Herrn Jurk oder mit irgendjemand anderem aus der SPD gedealt, konsequent zurück.
Frau Hermenau, Sie können sicherlich davon ausgehen, dass der Entwurf der Neugliederung der Kreise keineswegs eine Vorgabe vom Ministerpräsidenten oder vom stellvertretenden Ministerpräsidenten war, sondern es war das Ergebnis meiner Diskussion im Lande,
es war das Ergebnis der Abwägung innerhalb meines Hauses. Wir haben diesen Referentenentwurf als Innenministerium herausgegeben und ich weise jeglichen Deal zurück.
Am 15. Mai brachten wir den Regierungsentwurf in den Landtag ein. In der Tat, zu diesem Zeitpunkt war es nicht mehr der Entwurf des Innenministers, sondern der Entwurf der Staatsregierung, der Entwurf der Koalition, die das Ganze über den Lenkungsausschuss mit begleitet haben.
Am 6. Juni letzten Jahres habe ich an dieser Stelle in meiner Rede anlässlich der 1. Lesung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung an die gemeinsame Verantwortung in den anstehenden Lesungen und Gremiensitzungen appelliert, um den Erfolg des Projekts nicht zu gefährden.
Für die Ausschussberatungen ist nun festzustellen: Es hat eine intensive parlamentarische Diskussion stattgefunden. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken, bedanken aber nicht nur bei den Mitgliedern des Innenausschusses, die den Regierungsentwurf sehr intensiv diskutiert haben, sondern ich möchte mich vor allen Dingen bei den Mitarbeitern hier im Hohen Hause, in den Verwaltungen und in den Kommunen bedanken, die durch konstruktive Mitarbeit zum Gelingen des Gesetzentwurfs beigetragen haben.