Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war am 12. Juni letzten Jahres, als das Kabinett beschloss, den Staatsbetrieb Sächsische Informatik Dienste einzurichten.

Es dauerte mehr als sechs Monate, und zwar bis zum 21. Dezember letzten Jahres, bis Finanzminister Tillich den Landtag darüber informieren konnte, dass die Staatsregierung beabsichtigt, diesen Betrieb einzurichten, sodass sich der Haushalts- und Finanzausschuss mit dieser Frage erst am 9. Januar dieses Jahres beschäftigen konnte.

Dabei sind in diesem Bereich, wie ich glaube, sehr viele Fragen offen. Zum Beispiel ist offen: Welches Konzept steckt denn für die Staatsregierung dahinter? Herr Patt, es mag ja sein, dass Sie von der Koalition dort mehr wissen als wir. Allerdings muss ich sagen, dass die von der Staatsregierung verabschiedete Verwaltungsvorschrift bis zum heutigen Tag nicht vorliegt. Bis zum heutigen Tag fehlt uns ein Konzept, wie genau der Staatsbetrieb arbeiten soll. Bis zum heutigen Tag fehlt uns die Vorlage, wie langfristig Mittelausgaben eingespart werden sollen. Das Einzige, was wir bis heute wissen – und das auch nur, wenn man entsprechend im Internet surft –, ist, dass es mittlerweile 125 Mitarbeiter bei dem entsprechenden Betrieb gibt. 242 sollen es werden. Insgesamt werden also 242 Mitarbeiter – ich sage mal – verschoben in einen neuen Einzelplan mit einem Volumen von 26 Millionen Euro.

Natürlich, Herr Patt, können Sie hier für die Koalition Bitten äußern. Doch ich sage Ihnen, Sie hätten diese acht Bitten gar nicht äußern müssen, wenn Sie dem damals von uns vorgeschlagenen Weg gefolgt wären und gesagt hätten: Ja, wenn es einen neuen Einzelplan geben soll, dann soll darüber der Landtag entscheiden.

Das haben Sie in der Haushaltsdebatte vor 13 Monaten abgelehnt. Genau diese Forderung hatten wir. Wir bleiben bei dieser Forderung. Wir haben gesagt: Die Entscheidung über einen neuen Einzelplan muss der Landtag fällen. Aus diesem Grund lehnen wir die Einwilligung zu dieser Vorlage ab.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die SPD-Fraktion möchte nicht dazu Stellung nehmen. – Die NPDFraktion? – Auch nicht. FDP? – Herr Dr. Martens, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist schon erstaunlich, wie mit der jetzt vorliegenden Drucksache versucht wird, einfach mal eben schnell im Vorbeigehen eine neue Behörde mit 400 Stellen im Freistaat Sachsen vorzustellen, nachdem man sie ohne Parlamentsbefassung zum 01.01.2008 errichtet hat.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Ist eine Zusammenführung!)

Wir haben vorgestern über die Verwaltungsreform gesprochen, über die Verschlankung der Staatsverwaltung und über die Reduzierung von Stellen.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Während der Innenausschuss über die Kommunalisierung von mehr als 4 000 Stellen aus der Staatsverwaltung in Sondersitzungen über sechs Wochen und sogar noch länger im Einzelnen diskutiert hat – und das zu Recht –, erachtet es das Innenministerium hier nicht einmal für notwendig, die Gründung dieses Staatsbetriebes und dessen Folgen im Parlament entscheiden zu lassen oder dort auch nur vorzustellen.

Stattdessen erhält der Haushalts- und Finanzausschuss am 9. Januar, also am Tag seiner Sitzung, eine Vorlage, in der über die Umsetzung von immerhin 405 Stellen und ein Budget von 44 Millionen Euro berichtet wird.

Vordergründig geht es um haushaltstechnische Dinge. Allerdings sagen wir: Aufgrund eines Tricks im Haushaltsgesetz musste man nur den Haushalts- und Finanzausschuss befassen. Wir hätten es politisch für redlich erachtet, wenn diese Frage, die nun wirklich wichtig ist im Aufbau und im Gefüge der Staatsverwaltung, hier im Parlament besprochen worden wäre.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

In der Sache selbst stellen sich auch etliche Fragen, die hier nicht beantwortet werden: Was ist zum Beispiel mit einer Aufgabenkritik im Bereich der Datenverarbeitung, der Stellen, der Programme, der Systeme? Was ist mit der Prüfung von Aufgabenverzicht? Und wo liegt das im Übrigen schon seit Langem angekündigte IT-Konzept, das die Staatsregierung immer errichten wollte? Es fehlt.

Dementsprechend fehlt auch ein Konzept, wie sich dieser neu geschaffene Staatsbetrieb in das Gefüge der Verwaltungslandschaft im Freistaat Sachsen selbst einfügt. Die Definition als Abteilung 6 beim SMI allein ist dazu zweifelsfrei nicht ausreichend.

Im Übrigen bleibt auch die Frage: Warum muss das jetzt schon wieder ein Staatsbetrieb sein? Da werden neue Strukturen errichtet. Es muss zum Beispiel ein Verwaltungsrat gegründet werden. Und dieser Verwaltungsrat soll laut Errichtungsvorschrift – Zitat – „mittels Vorgaben von Leitlinien die betriebswirtschaftliche und ergebnisorientierte Steuerung des Staatsbetriebes sichern“.

Allein schon die Formulierung lässt Schlimmes ahnen. Als ob der Betrieb nicht selbst für seine betriebswirtschaftliche Ausrichtung die Verantwortung trägt und auch für die Ergebnisse selbst einzustehen hat, muss ihm das jetzt von einem Verwaltungsrat vorgegeben werden.

Wenn etwas schiefgeht, ist die Ausrede auch schon klar: Das war der Verwaltungsrat.

Sosehr man sich nun bemüht und sagt, der Verwaltungsrat muss betriebswirtschaftlich steuern – eine Aufgabe, die selbstverständlich der Betrieb zu erledigen hat –, so stellen wir uns die Frage: Welche überragenden ITExperten bilden denn den Verwaltungsrat, um diese betriebswirtschaftliche Steuerung vornehmen zu können?

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Dann schaut man sich das an und stellt fest: Der Verwaltungsrat besteht aus je einem Vertreter der beteiligten Staatsministerien sowie der Staatskanzlei. Da ist zweifelsfrei geballtes IT-Verständnis am Werk

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

bei der betriebswirtschaftlichen Steuerung eines solchen Staatsbetriebes, meine Damen und Herren.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Wie bei der Landesbank!)

Ich sehe es dem Kollegen Dr. Gillo an. Er schaut auch ziemlich finster. Ich glaube, Sie teilen meine Skepsis.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Noch nicht einmal eine einheitliche Aufsicht konnte man hier etablieren. Das Landesrechnungszentrum Steuern unterliegt weiterhin dem Weisungsbereich des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen, der andere Teil dem Staatsministerium des Innern.

Meine Damen und Herren! Wir haben es bereits im Zuge der Verwaltungsreform bei der Umbenennung der Regierungspräsidien in Landesdirektionen beanstandet: Auch hier wird ein gutes Stück weit Etikettenschwindel betrieben, und zwar ein ziemlich teurer mit einem ziemlich großen Personalaufwand noch dazu.

Es ist im Übrigen auch keine Frage, dass Staatsbetriebe oftmals ein besonders dynamisches Eigenleben entwickeln und sich in vielen Fällen geschickt einer politischen Kontrolle durch das Parlament entziehen. Das soll nicht verschwiegen werden, sondern da ist durchaus auch wieder Skepsis angebracht, Skepsis gleichfalls in Bezug auf die gesetzlichen Grundlagen der Arbeit dieses Staatsbetriebes, nämlich in dem Bereich der Datenschutzregelungen.

Der Sächsische Datenschutzbeauftragte hat ausdrücklich beanstandet oder darauf hingewiesen, dass die Arbeit eines sächsischen Staatsbetriebes, eines IT-Dienstleisters natürlich den Umgang mit Daten beinhaltet, also die Verarbeitung von Daten im Sinne von Bundes- bzw. Landesdatenschutzgesetz, und dass für diese Bearbeitung und Verarbeitung von Daten durch den Staatsbetrieb eine gesetzliche Grundlage notwendig ist. Diese fehlt allerdings bis jetzt, meine Damen und Herren.

Dies alles sind Gründe genug – das werden Sie nachvollziehen können –, warum wir Liberalen dieser Einwilligung bzw. dieser Unterrichtung so unsere Zustimmung nicht erteilen werden.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Die Fraktion GRÜNE.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Verzichtet!)

Gut, Sie verzichten. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten! Herr Martens, wir sprechen hier über die Einwilligung gemäß § 12 Abs. 15 Haushaltsgesetz – Gleiches gilt für Herrn Hilker – und nicht über die Strategie und die Ausrichtung sächsischer Informatikdienste.

Ich habe den Haushalts- und Finanzausschuss in seiner 41. Sitzung am 9. Januar 2008 über meine Einwilligung in die Umsetzung von Stellen und Haushaltsmitteln im Zusammenhang mit der Gründung des Staatsbetriebes Sächsische Informatik-Dienste unterrichtet und um die nachträgliche Genehmigung des Landtages gebeten. Ich möchte kurz die Gründe dafür erläutern.

Die Staatsregierung hat am 12. Juni 2007 beschlossen, einen sächsischen Staatsbetrieb Informatik-Dienste als zentralen IT-Dienstleister der Staatsverwaltung im Geschäftsbereich des sächsischen Innenministeriums zu errichten. Ziel ist es, Hard- und Software zusammenzuführen und zu standardisieren. Außerdem sollen die Verfahrensentwicklungen durch den vereinheitlichten Betrieb wirtschaftlicher und leistungsfähiger gestaltet werden. Der Staatsbetrieb wurde zum 1. Januar 2008 errichtet. Die Umsetzung wird allerdings aufgrund der Aufgabenvielfalt und Aufgabenfülle in Stufen erfolgen und voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2010 abgeschlossen sein. Die Betriebsaufnahme erfolgte zum 1. Januar 2008 mit einer Zentrale, drei Niederlassungen – in Kamenz, in Dresden und in Lichtenwalde – sowie dem Landesrechenzentrum Steuern. Die Zentrale des Staatsbetriebes wird ihren Sitz in Kamenz haben. Bis dort die Standortvoraussetzungen geschaffen sind, also voraussichtlich bis zum Jahre 2010, sitzt auch die Zentrale in Dresden.

Die Niederlassung Dresden wird gebildet aus der Landespolizeidirektion Zentrale Dienste, Abteilung 2. Die Niederlassung Kamenz wird gebildet aus der ITAbteilung des Statistischen Landesamtes und die Niederlassung Lichtenwalde wird gebildet aus der IT-Abteilung der Landesanstalt für Landwirtschaft.

Zur Betriebsaufnahme werden die erforderlichen Stellen – das ist der Antrag gewesen, den ich dem Haushalts- und Finanzausschuss zur nachträglichen Genehmigung vorgelegt habe –, Haushaltsmittel und Verpflichtungsermächtigungen einschließlich der Haushaltsvermerke aus den bisherigen Einzelplänen an den Staatsbetrieb umgesetzt. Das Finanzministerium hat in die erforderlichen Umsetzungen auf die entsprechend einzurichtenden Zuschusstitel eingewilligt.

Insgesamt werden 405 Planstellen und Haushaltsmittel in Höhe von circa 36,6 Millionen Euro, Herr Martens, umgesetzt, das heißt, es kostet nicht mehr. Darauf hat auch Kollege Patt hingewiesen. Es ist ein haushaltsneutraler Prozess erfolgt. Die getrennte Veranschlagung des

Rechenzentrums Steuern im Einzelplan 04, Herr Martens, trägt den verfassungsrechtlichen Vorgaben Rechnung. Das Rechenzentrum Steuern ist in einen gesonderten Behördenstrang der Steuerverwaltung zu integrieren. Dabei wird das Rechenzentrum Steuern Teil des Staatsbetriebes sein, untersteht bei der Dienst- und Fachaufsicht aber weiterhin dem Finanzministerium.

Ich möchte, meine Damen und Herren, bitten, dass der Sächsische Landtag die nachträgliche Genehmigung der Stellen- und Mittelumsetzung billigt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Vor der Abstimmung frage ich noch den Berichterstatter des Ausschusses, ob er das Wort ergreifen möchte. – Das kann ich nicht erkennen.

Dann, meine Damen und Herren, stimmen wir über die Beschlussempfehlung des Ausschusses, Drucksache 4/10838 ab. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? –