Protokoll der Sitzung vom 24.01.2008

(Zurufe von der FDP: Zählen! – Antje Hermenau, GRÜNE: Auszählen!)

Das habe ich mir gedacht. Ich bitte die Schriftführer der jeweiligen Fraktionen, ihre Position einzunehmen.

Ich frage noch einmal: Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen.

(Rolf Seidel, CDU, kommt in den Saal und hebt die Hand. – Zuruf: Die jetzt reinkommen, dürfen nicht mehr daran teilnehmen! Das gilt nicht!)

Ab sofort betritt niemand mehr den Saal. Wir zählen jetzt aus.

(Staatsminister Thomas Jurk: Das ist wie gestern mit Frau Ernst! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion, betritt den Saal. – Zurufe: Nein, das geht nicht mehr! Wir zählen!)

Prof. Porsch, die Chance ist vertan. Es tut mir leid. Sie verlassen bitte so lange den Saal.

Hat sich Herr Heinz auch hineingemogelt und ist mitgezählt worden?

(Zurufe von der CDU: Nein!)

In Ordnung. – Jetzt habe ich alle Befürworter. Wer ist dagegen? –

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion, hebt seine Hand zur Abstimmung. – Widerspruch bei der CDU)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Ich sehe keine.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal täuscht die optische Wahrnehmung, deshalb ist es oft gut, wenn man auszählt. Es gibt 42 Jastimmen und 32 Neinstimmen.

(Beifall bei der CDU)

Damit ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses durch das Plenum mehrheitlich bestätigt worden. Wir können den Tagesordnungspunkt beenden.

Meine Damen und Herren! An dieser Stelle möchte ich ein paar Worte zur Geschäftsordnung und zum Umgang

miteinander sagen. Ich finde, gerade diejenigen, die hier versucht haben, sich noch hineinzumogeln, sind lange genug dabei, um zu wissen, dass das so nicht geht. Ich appelliere einfach an die Fairness im Umgang miteinander.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN sowie der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 13

Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen

Drucksache 4/10835, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Es ist keine allgemeine Aussprache vorgesehen. Ich frage dennoch, ob ein Abgeordneter das Wort wünscht. – Das kann ich erkennen. Wir beginnen mit Frau Hermenau, Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie waren die Erste.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Nicht, dass Sie denken, dass wir über irgendetwas Langweiliges aus dem Haushaltsausschuss sprechen, nein, wir sprechen hier über die Bürgschaft, die uns im Dezember mit einer Sondersitzung in Atem gehalten hat. Vor diesem Hintergrund sind ein paar Worte im Parlament wahrscheinlich angemessen.

Unsere Fraktion hat nichts dagegen, haushälterisch Vorsorge zu treffen, um künftigen Lasten vorzubeugen. Der Finanzminister schlägt vor, jetzt eine Rücklage zu tätigen, sozusagen eine Vorsorge in Höhe von 825 Millionen Euro, denn es könnte sein, dass doch „ein wenig“ Bürgschaft fällig wird. In diesem besonderen Fall, bei einer Bürgschaftssicherungsrücklage in Höhe von 825 Millionen Euro, verhält es sich ein wenig anders, obwohl wir generell sehr für nachhaltige Finanzpolitik sind.

Wir lehnen das gewählte Verfahren insgesamt ab und halten es für rechtswidrig. Wir werden das beim Verfassungsgericht einklagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Sie brechen unserer Auffassung nach das Haushaltsrecht des Parlamentes; wir hatten diese Diskussion. Wir werden auch nicht im Nachhinein in irgendeinem untergeordneten späten Tagesordnungspunkt irgendeiner Sache zustimmen, die wir generell in Zweifel ziehen, wie Sie wissen. Wir haben das sehr scharf kritisiert. Selbst der Präsident des Landesrechnungshofes hat uns in der Ausschusssitzung zugestimmt. Die saubere Variante wäre die Vorlage

eines Nachtragshaushaltes gewesen. Wir werden uns also zu diesem Thema wiedersehen.

Was denken Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, was Herr Finanzminister Tillich machen muss – egal, ob er will oder nicht –, wenn es in diesem Jahr doch noch ganz dicke kommt – was wir erwarten – und die 825 Millionen Euro Bürgschaftsvorsorge eben nicht ausreichen werden? Sie rechnen damit, dass häppchenweise, Jahr für Jahr, ein wenig fällig wird. Aber Sie sehen doch gerade, wie sich die Lage entwickelt. Sie sehen doch, welche Wertberichtigungen große Banken vornehmen. Sie sehen, wie sich die Amerikaner vor einer Rezession fürchten und sogar ein riesengroßes Milliardenprogramm auflegen wollen, um es ein wenig abzumildern. Vor diesem Hintergrund, finde ich, ist es außerordentlich schwierig, sich hier mit dieser kleinen Bürgschaftsrücklage herausretten zu wollen. Die Finanzkrise in den USA gewinnt an Schärfe, die Rezession steht, wie gesagt, wahrscheinlich ins Haus.

Sprechen wir doch einmal über diese kleinen Häuslebauer in Amerika, um die es hier eigentlich geht. Solche Hypothekenforderungen privater Häuslebauer aus den USA, die jetzt alle so in die Not rutschen, hat diese Landesbank, die Sachsen LB, außerhalb der Bilanz in ganz großem Stil eingekauft. Ich spreche hier von reichlich 8 Milliarden Euro, die allein in diesem Bereich angelegt worden sind. Wenn Sie also jetzt hier die Vorsorge mit 825 Millionen Euro einstellen, dann wird das nicht ausreichen; und Sachsen haftet ohnehin für den Gesamtschaden, zumindest in Höhe von 2,75 Milliarden Euro. So oder so kann es dann sein, dass in Sachsen gespart wird, bis die Schwarte kracht. Ob nun Methode Rasenmäher oder Staubsauger, das werden Sie dann persönlich entscheiden können; aber im Alleingang. Und wen wird es treffen? Ich bleibe dabei: Es sind die Titel, wahrscheinlich auch im Sozialbereich. Das ist kein populistisches Argument, sondern die rein haushalterische Logik, was die 6erTitel betrifft.

Herr Tillich, Sie haben in der Debatte im Dezember gesagt – Zitat –: „Zum Zweiten haben Sie“, Sie meinten damit mich, „im Prinzip einen Versuch unternommen, etwas darzustellen, was nicht richtig ist. Sie wissen, dass die 6er-Titel im Haushalt Ausgabentitel sind, auf deren gesetzlicher Grundlage die Ausgaben getätigt werden. Das heißt, dem Finanzminister ist es nicht ohne Weiteres möglich, überhaupt eine Haushaltssperre aufzulegen, ohne die gesetzliche Grundlage zu ändern.“

Ja, Herr Tillich, nach § 41 der Sächsischen Haushaltsordnung kann der Finanzminister sehr wohl den Ressorts Haushaltssperren auferlegen, um auf unvorhergesehene Haushaltsentwicklungen reagieren zu können, und zwar im Alleingang, am Parlament vorbei und ohne Einwilligung der betroffenen Ressorts. Das haben wir in den einschlägigen Kommentierungen des Präsidenten des Rechungshofes nachgelesen. Das heißt dann eben ganz konkret: Wenn es die Haushaltsentwicklung erfordert – natürlich kommt dann diese Bürgschaft ganz unerwartet und zufällig daher –, können Sie in fremde Ressorts hineinregieren, ohne deren Einwilligung einzuholen – und natürlich am Parlament vorbei.

Machen wir uns doch nichts vor: Seit Dezember hat sich die Finanzkrise weiter verschärft. Seit gestern gibt es Gerüchte, die französische Bank Société Générale würde demnächst 40 Milliarden Euro Wertberichtigungen abschreiben. Damit würde diese Bank übrigens den weltweiten Spitzenplatz einnehmen, vor der Citigroup mit 24 Milliarden Euro und Merrill Lynch mit 23 Milliarden Euro sowie vor der schweizerischen UBS, die 14 Milliarden Euro abgeschrieben hat.

Das sind zurzeit die größten Kapitalvernichter auf dem US Subprime Market. Aber diese hatten von diesen schlechten Paketen Volumina, die ungefähr dem Volumen entsprechen, das diese kleine, mickerige Sachsen LB hatte. Wenn diese Wertberichtigungen in diesen Größenordnungen vornehmen müssen, dann glauben Sie doch nicht, dass Sie mit Ihren 825 Millionen Euro „um die Ecke“ kommen werden. Vor diesem Hintergrund sind wir davon überzeugt, dass die Bürgschaft in diesem Jahr in einer viel höheren Größe fällig wird, und nicht in kleinen Häppchen über mehrere Jahre.

Wir werden ja sehen, was wir alles noch erleben werden. Würde man diese schlecht gewordenen Papiere, diese Immobiliengeschichten in Amerika, derzeit mit den Abschlägen, die marktüblich zurzeit ungefähr bei 35 % rangieren, verkaufen, dann müsste man diese 35 % Wertberichtigung unterstellen. Dies entspräche einer Summe von 2,6 Milliarden Euro – zufälligerweise fast genauso viel wie die Bürgschaft, von der die Rede ist und von der Sie jetzt aber nur 825 Millionen Euro einstellen wollen. Also, Nachtigall, ick hör’ dir trapsen. Sie können das übrigens, wenn Sie wollen, am sogenannten APXIndex ganz einfach selbst nachrechnen, der die Wertentwicklung der Triple-A-gerateten Papiere USamerikanischer Forderungen abbildet. Das ist ganz einfach. Man kann das herausbekommen. Die Bürg

schaftssicherungsrücklage wird also, davon bin ich überzeugt, nicht ausreichen. Die Gesamtbürgschaft wird sehr wahrscheinlich in einer erheblich größeren Höhe fällig werden.

Sie haben, wenn Sie die 825 Millionen Euro einstellen, wie Sie es vorhaben – einfach mal so in einen Titel des Haushaltes –, im Prinzip 1,9 Milliarden Euro noch nicht abgebildet, je nachdem, wie die Steuermehreinnahmen im Jahr 2008 ausfallen. Es gibt eine Schätzung aus dem letzten Jahr, die sehr optimistisch war. Inzwischen wurden die Wachstumszahlen für das Jahr 2008 vom Bundeswirtschaftsminister korrigiert. Man darf davon ausgehen, dass in der Mai-Steuerschätzung die optimistischen Steuerschätzungen für 2008 wieder nach unten korrigiert werden. Das heißt, Ihre Steuermehreinnahmen in 2008 dürften niedriger ausfallen als erwartet. Sie haben auf jeden Fall 1,4 bis 1,9 Milliarden Euro, von denen Sie nicht genau wissen, wie Sie sie abbilden sollen.

Ja, und dann wird es spannend. Hätten wir den Nachtragshaushalt gehabt – oder würden wir ihn noch bekommen –, könnten wir im Parlament entscheiden, wie wir uns auf eine solche Krise bzw. einen Notfall einrichten.

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Herr Milbradt hat in der „SUPERillu“ vor etwa zwei Wochen im Rahmen dieser neuen Charme-Offensive – Sie haben das verfolgt: Quietscheentchen usw. – gesagt: „Ich kann allen versichern, dass es wegen der Bank zu keinen Einschränkungen im gesellschaftlichen Leben in Sachsen kommt, dass bei Jugend, Sozialem, Schulen, Infrastruktur oder Wirtschaftsförderung nicht gekürzt wird.“ – Sie werden verstehen, Herr Tillich, dass ich da ein Bedürfnis habe, dies in einem Nachtragshaushalt abzusichern, damit ich mich letztendlich nicht nur auf die Aussagen des Ministerpräsidenten beim Quietscheentchenkauf verlassen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wo wollen Sie denn dieses Geld aus dem Hut zaubern, wenn die Bürgschaft in einer Höhe fällig wird, die über diesen 825 Millionen Euro liegt? Das wäre, wenn es hart auf hart kommt, jeder zwölfte Euro des Landeshaushaltes, um dieses Desaster abzudecken. Es ist doch nicht so, als ob es da kein Problem gäbe. Ich kenne zwar hier und da kleine Sparbüchsen im Landeshaushalt – dabei schmunzeln wir uns beide gegenseitig einmal an –; die braucht man auch einmal, sie entstehen so „fast aus Versehen“. Aber 1,2 Milliarden Euro oder noch mehr haben Sie in keiner Sparbüchse liegen, dessen bin ich mir ganz sicher. Ich habe vielleicht nicht alles entdeckt, aber diese Summe wäre irgendwie herausgekommen.

Ich bin schon erstaunt, dass ein gelernter Volkswirt und Finanzwissenschaftler wie Herr Prof. Milbradt in diesen ganzen wohlgefälligen Interviews um Quietscheentchen und Bürgschaften immer wieder mal unterschlägt, dass es auch Opportunitätskosten gibt und dass es dafür ein Prinzip gibt. Einmal anders gesagt, ganz plastisch: Was hätten wir denn mit den schönen 2,75 Milliarden Euro

alles machen können, wenn wir dieses Geld nicht für die Bürgschaft der Sachsen LB gebraucht hätten? Man hätte zum Beispiel 12 Milliarden Euro Schulden, die wir haben, um ein Viertel auf rund 9 Milliarden Euro senken können. Dies hätte eine Zinsersparnis in Höhe von rund 150 Millionen Euro eingebracht.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Jährlich!)

Wer das einmal in sächsischen Preisen haben möchte: Das wären ungefähr 2 900 zusätzliche Lehrer, um es auf den Punkt zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun gehen alle davon aus, dass die Bürgschaft nicht fällig wird, aber ich sage Ihnen: Wir werden wahrscheinlich mehr als die 825 Millionen Euro hineinstecken müssen. Die Frage, woher das Geld kommt, ist völlig ungeklärt. Sie dürfen das nachher selbst erledigen, Herr Tillich. Weder Ihre Fachkollegen in den Ministerien noch die Parlamentskollegen haben eine Möglichkeit, wirklich einzugreifen.

Vor diesem Hintergrund ist es wohl offensichtlich, dass wir die Klage vor dem Verfassungsgericht in Leipzig durchziehen müssen. Vielleicht entscheidet das Gericht ja auch rechtzeitig. So oder so sehen wir uns zu diesem Thema alle hier wieder. Mit Ihren Listenaufstellungen und der heutigen Entscheidung ist das Problem eben nicht gelöst, sondern es wird noch mit einem, wie ich finde, umstrittenen Verfahren zusätzlich belastet.

(Beifall bei den GRÜNEN)