Die Linksfraktion erhält das Wort; Herr Hilker, bitte. – Sie lassen Herrn Dr. Schmalfuß den Vortritt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir werden uns bei der heutigen Abstimmung zur vorliegenden Drucksache der Stimme enthalten. Neben den anderen Drucksachen in der Beschlussempfehlung, die unstrittig sind und auch bei den anderen Fraktionen im Haushaltsausschuss zustimmungsfähig waren, bezieht sich unsere Enthaltung ausdrücklich auf die Bürgschaftssicherungsrücklage in Höhe von 825 Millionen Euro. Was eine Bürgschaft ist, oder wie immer man die Garantie für die Sachsen LB benennen will,
Bei jeder Bürgschaft besteht die Gefahr der Inanspruchnahme, sonst gäbe es sie nicht. Insofern haben wir überhaupt kein Verständnis dafür, dass durch die Staatsregierung versucht wird, offenkundige Probleme kleinzureden. Die Gründe für unser Abstimmungsverhalten zu der jetzigen Drucksache sind Ihnen gleichfalls alle bekannt. In der Sondersitzung am 20. Dezember 2007 hatten wir hierzu bereits eine leidenschaftliche Debatte geführt.
Heute Vormittag, als es um die Erweiterung des Untersuchungsausschusses ging, hatten wir nahezu das gleiche Thema, und bei der jetzigen Debatte hat sich bei den Argumenten kaum etwas geändert.
Für die FDP-Fraktion steht bei der Frage der Bürgschaft nicht die Haushaltstechnik im Vordergrund. Für uns, Frau Hermenau, ist die Frage eines Nachtragshaushaltes demokratietheoretisch ein spannendes Thema, vom Ergebnis her aber irrelevant. Für unsere Fraktion sind nur zwei Fragen relevant: Gab es im Morgengrauen des 13. Dezember 2007 eine Alternative zu einer Bürgschaft? Wenn nein, wollen wir dann mit einer Ablehnung der von der Staatsregierung vorgeschlagenen Lösung das Signal aussenden, dass wir uns an die Vereinbarung nicht mehr gebunden fühlen? Die Antworten sind für die FDPFraktion klar: zweimal nein.
Es gab am 13. Dezember 2007 aus zeitlichen Gründen auch zu einer Bürgschaft keine Alternative. Es war Gefahr im Verzug, inhaltliche Alternativen haben auch die Kollegen von der Linken und den GRÜNEN nicht aufbieten können. Aus staatspolitischer Vernunft werden wir als Fraktion die Bürgschaft heute nicht ablehnen.
Die Frage nach der Verantwortung für das finanzielle Desaster aber ist eine andere. Darüber werden wir noch zu anderer Gelegenheit sprechen müssen; denn eines ist klar: Die Verantwortung haben die Staatsregierung und die sie tragenden Koalitionsfraktionen zu tragen. Insofern bekommen Sie von uns heute keine Zustimmung zur Bürgschaft. Die Suppe sollen die Verantwortlichen schon selbst auslöffeln.
Staatspolitische Verantwortung heißt nicht nur, dass man in Krisenzeiten zusammensteht. Staatspolitische Verantwortung heißt auch, die Schuldigen zu benennen und zur Verantwortung zu ziehen, politisch, zivilrechtlich und strafrechtlich.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der hier vorliegenden Drucksache schließen wir die Vorgänge um die Garantie als Ausfluss der Solvenzsicherungsvereinbarung am 12. und 13. Dezember 2007 für die Legislative ab.
Man kann sicher über die Alternativen Nachtragshaushalt oder Garantie diskutieren. Unter dem gegebenen Zeitdruck ist diese Garantie für uns alternativlos gewesen. Der Haushalts- und Finanzausschuss hat in seiner Sitzung am 19. Dezember 2007 der Ausreichung einer Gewährleistung in der Höhe von 2,75 Milliarden Euro zugestimmt.
Es ist schon so, wie es Kollege Schmalfuß gesagt hat: Es gab einen enormen Druck, wir konnten eigentlich keinen anderen Weg gehen. Dieser Weg war der einzig gangbare.
Mit der genehmigten Garantie durch den Haushalts- und Finanzausschuss konnte die Umsetzung der Solvenzsicherung weiter vorangebracht werden. Der eventuelle Schaden um die Vorgänge aus der SLB konnte vernünftig begrenzt werden.
Es ist natürlich nur legitim, wenn der Finanzminister entsprechend einer soliden und verantwortungsvollen Haushaltspolitik Vorsorge für eine eventuelle zukünftige Belastung des Haushaltes trifft. Mit der Garantie – darum redet niemand herum – ist natürlich die Möglichkeit der Belastung des Haushaltes gegeben. Deshalb ist es angemessen, wenn man entsprechend Vorsorge trifft. Deshalb wurde ganz ordnungsgemäß durch das Staatsministerium der Finanzen ein entsprechender Antrag auf Einwilligung gemäß § 37 Sächsische Haushaltsordnung in einer überplanmäßigen Ausgabe bei dem Kapitel Zuführung in die Bürgschaftssicherungsrücklage gestellt.
Ich will noch einmal den Zeitraum verdeutlichen. Eingangsdatum im Landtag war der 21.12.2007. Es war gut, dass wir diesen Antrag ordnungsgemäß in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 9. Januar 2008 behandelt haben. Wir hatten vorher eine Anhörung am 19.12.2007 in der entsprechenden Sitzung unseres Haushalts- und Finanzausschusses. Damals wurden genau dieselben Argumente ausgetauscht, die Antje Hermenau jetzt vorgebracht hat, die auch von anderer Seite kommen werden und die schon Kollege Schmalfuß äußerte. Es gab verschiedene Argumentationen. Zum Schluss war es so, dass der Haushalts- und Finanzausschuss mehrheitlich mit entsprechenden Stimmenthaltungen dem Antrag zugestimmt hat.
Nun haben wir eine Bürgschaftsrücklage in Höhe von 825 Millionen Euro vorgelegt bekommen. Davon stammen 638 Millionen Euro aus Steuermehreinnahmen, meine Damen und Herren, und 187 Millionen Euro aus sonstigen Mehreinnahmen und Minderausgaben. Wir treffen hier Vorsorge.
Natürlich hätten wir uns alle vorstellen können, mit diesen Steuermehreinnahmen und den anderen Mitteln etwas anderes zu machen. Das ist überhaupt keine Frage. Aber wir mussten diese Vorsorge treffen. Mit diesem Betrag ist ein knappes Drittel der Garantiesumme abgedeckt. So weit, so gut – jetzt können wir nur hoffen, dass diese Vorsorge wenigstens über eine gewisse Zeit, vielleicht aber auch insgesamt ausreicht.
Meine Damen und Herren! Hier war Gefahr im Verzug. Wir mussten handeln. Der unter Zeitdruck einzig gangbare Weg ist von uns eingeschlagen worden. Ich danke allen dafür. Besonders geht mein Dank auch an die FDP, die
sich aus staatspolitischer Sicht, weil dieser Weg alternativlos erschien, angeschlossen hat. Wir werden – davon gehe ich aus – diesen Weg mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen weitergehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die uns jetzt zur Abstimmung empfohlene Vorlage hat ihre Vorgeschichte in mehreren Sondersitzungen sowohl des Haushalts- und Finanzausschusses als auch des Landtages.
Wir sollen über 825 Millionen Euro abstimmen, die in eine Bürgschaftssicherungsrücklage gehen. Es ist zuallererst zu fragen, wie Sie, Herr Staatsminister Tillich, bzw. die Staatsregierung genau auf diese Summe gekommen sind. Herr Dr. Rößler hat es schon angedeutet: Die Staatsregierung hat das Geld, das übrig ist, zusammengekratzt. Da können Sie, Herr Dr. Rößler, natürlich nicht davon sprechen, dass Sie Vorsorge treffen.
Um Vorsorge treffen zu können, müssten Sie genau benennen, wie viel Geld Sie in den nächsten Monaten oder Jahren brauchen. Es sei denn, Sie hoffen darauf, dass es noch weitere Steuermehreinnahmen gibt, sodass der Finanzminister im Verlauf weitere Bürgschaftssicherungsrücklagen erstellen kann und somit die Risiken abgedeckt sind. Damit wird der Tathergang verschleiert und der Sächsische Landtag kann über wesentliche Dinge nicht entscheiden.
Ich will noch einmal deutlich machen, wie viel 825 Millionen Euro in sächsischen Tatsachen sind. Frau Stange könnte davon zehn Jahre lang die TU Dresden finanzieren. Sie, Herr Staatsminister Jurk, könnten zehn Jahre lang die Technologieförderung des Freistaates Sachsen verdoppeln. Sie, Frau Orosz, könnten allein von den Zinsen die Jugendarbeit für zehn Jahre verdreifachen. Das sind die Tatsachen. Das geht dem Freistaat Sachsen verloren. Dem Parlament geht verloren, darüber mitbestimmen zu können.
Natürlich kann man sagen, es wäre keine Zeit gewesen, einen Nachtragshaushalt zu verabschieden. Wer dies sagt, macht dies meiner Meinung nach wider besseres Wissen. Wer die Verfassung und unsere Geschäftsordnung kennt, der weiß, dass ein Nachtragshaushalt auch ohne 1. Lesung eingebracht werden kann, der weiß, dass man ein beschleunigtes Verfahren durchziehen und in drei bis vier Wochen – sogar noch schneller, wenn man will – die entsprechenden Entscheidungen treffen kann.
Von uns gab es die entsprechenden Zeichen. Wer das nicht wollte, das war die Koalition. Es gab nicht den Grund, dass zu großer Termindruck bestand, sondern Sie hatten Angst, dass Sie für diesen Nachtragshaushalt nicht die Mehrheit in den eigenen Reihen bekommen. Denn nur deshalb haben Sie dieses Verfahren abgelehnt. Wir sagen:
Wir sind der Gesetzgeber und wir haben darüber zu entscheiden, wie mit den sächsischen Steuermitteln umzugehen ist.
Die jetzt vorliegende Bürgschaft wird in Anspruch genommen werden. Dies ist klar, dies wird von keiner Seite bestritten. Aber dann sehen Sie sich die Definition an. Was ist eine Bürgschaft nach Sächsischem Haushaltsgesetz, was ist eine Bürgschaft nach Sächsischer Haushaltsordnung oder auch nach dem Gutachten des Juristischen Dienstes des Landtags? – Das, was wir heute beschließen, das, wofür wir die Bürgschaftssicherungsrücklage beschließen, ist keine Bürgschaft und deshalb lehnen wir diese Einwilligung ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das vergangene Jahr endete wie ein böses Märchen: zerplatzter Traum vom schnellen Geld mithilfe der Landesbank. Die politische Abrechnung steht noch aus, aber schon jetzt bekommen wir die ersten haushaltspolitischen Rechnungen für das kollektive Versagen des Managements und des Verwaltungsrates präsentiert. Oder soll man nicht schon eher von einem Offenbarungseid sprechen, den Sachsen eines Tages wird leisten müssen, wenn die Verluste aus den Hochrisikogeschäften mit Schrottimmobilien, verursacht durch die SAB-Töchter in Dublin, endgültig verbucht sind?
Der Finanzminister und der Ministerpräsident wollen sich einen Persilschein für diesen künftigen Offenbarungseid vom Landtag ausstellen lassen und sich ihren Bürgschaftsdeal, der im Dezember hinter verschlossenen Türen und im kleinen Kreis am Parlament vorbei ausgehandelt wurde, nun nachträglich bestätigen lassen. Wie schon in der Sondersitzung im Dezember legt der Finanzminister keine Zahlen zu bisherigen oder noch zu erwartenden Verlusten vor. Wie schon im Dezember gibt es keine Information darüber, welche Papiere mit welcher Laufzeitstruktur und welcher Bonität noch in den Depots in Dublin liegen, genauso wenig darüber, in welchen Ländern schwerpunktmäßig angelegt wurde und welche Leichen demzufolge noch in verbriefter Form in den Depots vergraben sind.
Alles, was wir allabendlich in den Finanznachrichten hören, sind Hiobsbotschaften zu der dramatisch eskalierenden Krise an den amerikanischen Immobilienmärkten. So sprach zum Beispiel der US-Notenbankchef in der letzten Woche von einem Abschreibungsbedarf, der sich auf Hunderte von Milliarden Dollar belaufe. Das alles wird flankiert von einer geradezu unerträglichen Schönrederei des Ministerpräsidenten. Herr Milbradt verkündete Anfang Januar gegenüber der „SUPERillu“ ernsthaft, dass niemand wisse, ob und in welcher Höhe die Bürgschaft
jemals in Anspruch genommen werde. Diesen Blödsinn kann man wirklich nur der „SUPERillu“ erzählen. Jeder, der auch nur mit geringsten Kenntnissen über die Kapitalmärkte ausgestattet ist, weiß, dass das Geld weg ist.
Aber als ob es der Ministerpräsident regelrecht darauf anlegt, die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates zu verhöhnen, legt er im Interview mit der „SUPERillu“ noch mal nach und behauptet, dass es wegen der Bank zu keinerlei Einschränkungen im gesellschaftlichen Leben Sachsens kommen werde. Bei Jugend, Sozialem, Schule, Infrastruktur oder Wirtschaftsförderung müsse nicht gekürzt werden, so der Ministerpräsident. Herr Milbradt, lassen Sie solche Sprüche bloß nicht Ihre ehemaligen Kollegen an der Wilhelms-Universität Münster hören. Nicht dass die Ihnen die Türen einmal vor der Nase zuschlagen, wenn Sie da mal zu einem Besuch vorbeischauen wollen.
Die Bürgschaft über sage und schreibe 2,75 Milliarden Euro, die Sie sich vom Landtag bestätigen lassen wollen, ist keine Illusion, sondern eine bittere, ernste Realität mit vielen heute noch gar nicht überschaubaren Wirkungen auf die Zukunft Sachsens. Natürlich wird das Bürgschaftsvolumen, diese 2,75 Milliarden Euro, nicht mehr für Wirtschaftsförderungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, sondern eben jene aus dem sächsischen Haushaltsplan verdrängen. Ich dachte bisher immer, dass man zumindest als Professor der Finanzwissenschaften wissen würde, dass man jeden Cent nur einmal ausgeben kann. Aber Sie belehren uns wieder mal eines Besseren.
Aber wir lehnen die nachträgliche Genehmigung dieser Bürgschaft nicht nur deshalb ab, weil wir genau wissen, dass dies der Strick ist, an dem man ein ganzes Land aufhängen wird, sondern wir werden uns auch hüten, Ihre verfassungswidrige Lancierung dieser Monsterbürgschaft am Parlament vorbei auch noch mit den Stimmen der NPD nachträglich zu legitimieren.
Die Grundsätze der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit hätten einen Nachtragshaushalt erforderlich gemacht, doch Sie zogen eine Nacht-und-Nebel-Aktion mit Kungelrunden in Frankfurt, Leipzig und Dresden vor. Wie Verbrecher in der Nacht traf man sich hinter verschlossenen Türen, um mit einer Bürgschaftslösung den einstigen haushaltspolitischen Musterknaben Sachsen über Nacht zu einem Fall für den Insolvenzverwalter zu machen. Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir Ihnen diese Verhaltensweisen, die an die Methoden eines sizilianischen oder süditalienischen Mafia-Clans erinnern, durchgehen lassen werden. In Ihrer Arroganz der Macht wird es Sie nicht sonderlich interessieren, aber Fakt ist: Den Ausverkauf Sachsens werden Sie heute ohne unsere Stimmen betreiben müssen.