Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Diejenigen, die für die Verbesserung des Betreuungsschlüssels kämpfen – wir waren bei einer Veranstaltung in Dresden zusammen – sagen ganz klar: Der sächsische Bildungsplan kann mit diesem Betreuungsschlüssel nicht umgesetzt werden.

(Kerstin Nicolaus, CDU: Richtig!)

Stimmen Sie dem zu oder meinen Sie, dass der sächsische Bildungsplan mit diesem Betreuungsschlüssel umgesetzt werden kann?

Ich bin der Meinung, dass der Bildungsplan dadurch momentan umgesetzt werden kann. Sonst müsste ich sagen: In meiner Einrichtung wird der Bildungsplan nicht umgesetzt. Er wird umgesetzt. Ich lade Sie gerne nach Hartmannsdorf in meine Einrichtung ein. Sie sind herzlich willkommen. Machen Sie sich selbst ein Bild!

Frau Jähnigen, das waren jetzt drei Fragen.

Ich frage die Abg. Frau Nicolaus: Möchten Sie noch weitere Zwischenfragen zulassen?

Wenn wir schon einmal dabei sind, ja.

Wenn wir einmal dabei sind, dann kann die nächste Abgeordnete ihre Frage stellen. Frau Klepsch, bitte.

Frau Nicolaus, vielen Dank. – Ich möchte auf einen Aspekt eingehen, den Sie vorhin angesprochen hatten. Sie sagten, dass außer dem Erzieherinnenpersonal noch weiteres Personal in den Kitas tätig sei. Das seien zum Beispiel Praktikantinnen. Meine Frage lautet: Stimmen Sie mir zu, dass mit der – gestern per Beschluss bestätigten – Halbierung der Stellen für das Freiwillige Soziale Jahr von über 1 100 auf 500 Stellen zusätzliches Personal in den Kindertageseinrichtungen wegfällt?

Ich kann nur für den Bereich sprechen, den ich überblicken kann. Das Freiwillige Soziale Jahr spielt in den Kindertagesstätten eine geringe Rolle. Es geht hier um Praktikantinnen, die in der Ausbildung zur Erzieherin sind und es erlernen wollen, und um Kinderpfleger. Oder man macht einen Vertrag mit einer angehenden Sozialpädagogin, die studiert und ihr Praktikum in der Kindereinrichtung erbringen möchte. Das hatte ich gemeint. Das hat mit dem Freiwilligen Sozialen Jahr eigentlich nichts zu tun.

Es gibt noch eine Nachfrage von Frau Herrmann. Frau Nicolaus, lassen Sie die Zwischenfrage zu?

Bitte schön.

Schönen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin, Sie haben von dem im Gesetz stehenden Betreuungsschlüssel gesprochen. Stimmen Sie mir zu, dass beispielsweise ein Betreuungsschlüssel in der Kita von 1 : 13 in der Realität fast nie erreicht wird, weil zu Buche schlägt, dass Mitarbeiterinnen krank, im Urlaub oder auf Weiterbildung sind und zusätzliche Lücken ausgefüllt werden müssen?

Natürlich, das ist selbstverständlich. Das wussten wir, als wir das Gesetz einbrachten und es verabschiedet haben. Sie können im Protokoll nachlesen, dass dieser Punkt diskutiert wurde. Das ist selbstverständlich. Sonst müsste im Gesetz stehen, dass Ferienvertretungen angerechnet werden müssten. Er ist eigentlich eher eine rechnerische Größe.

Gestatten Sie noch eine Nachfrage, Frau Nicolaus?

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, stimmen Sie mir zu, dass es keinen Betreuungsschlüssel von 1 : 12 in Sachsens Kitas – –

(Kerstin Nicolaus, CDU: 1 : 13!)

von 1 : 13 in Sachsens Kitas gibt?

Realistisch nicht. Das hat auch niemand bestritten. Man kann es ruhig einmal reflektieren: Es ist klar.

Ich habe es eingeführt: Einen Betreuungsschlüssel von 1 : 6 in der Krippe und 1 : 13 im Kindergartenbereich. Das ist nicht realistisch. Es ist on top bei den Krippenbereichen so, dass es meistens acht Kinder sind und im Kindergarten 15 bis 18 Kinder. Das ist realistisch. Das wird auch niemand bestreiten. Das kann man nicht wegdiskutieren. Ich bin der Meinung, dass wir damit klarkommen. Wenn wir mehr wollen, müssen wir die Kommunen und die Eltern ins Boot holen. Man kann darüber reden. Das wäre eine Entlastung für die Erzieherinnen, sodass sie mehr Freizeit haben.

Nun möchte ich mich noch einmal dem Thema der Fachberatung widmen. Es ist richtig, dass der Landesjugendhilfeausschuss den Beschluss gefasst hatte. Ich weiß, dass das Ministerium an einer Strategie arbeitet – im Speziellen für eine Vernetzung der Tagesmütter. Dem wollen wir nicht vorgreifen. Deswegen werden wir ihren Antrag ablehnen.

Ich möchte ein positives Beispiel anbringen: unseren Landkreis Zwickau. Wir haben in unserem Haushalt 65 000 Euro für die Fachberaterinnen und Fachberater eingestellt.

Wir bedienen uns der Akademie EUBIOS. Dort werden die Fachberater und Erzieherinnen ausgebildet. Unser Hauptfokus liegt darin, dass Fachberaterinnen und Fachberater vor Ort in die Kitas gehen und den Finger in die Wunde halten, um Weiterbildung zu praktizieren.

Das geschieht unabhängig von den gesamten Weiterbildungsverfahren, die von den Leiterinnen der Einrichtung und den Erzieherinnen selbstständig durchgeführt werden.

Frau Giegengack, dazu habe ich von Ihnen kein Wort gehört. Wir müssen aus meiner Sicht sehr positiv betrachten, dass die Erzieherinnen und Erzieher sehr engagiert sind und selbstständig nach vorn gehen. Sie ringen darum, weitere Lehrgänge zu besuchen, um dem Sächsischen Bildungsplan gerecht zu werden. Ich bin der Meinung, dass unsere Erzieherinnen und Erzieher einen guten Job für unsere Kinder im Freistaat Sachsen machen.

Vieles über ihr Pflichtniveau hinaus leisten sie auch im ehrenamtlichen Bereich. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Zum Schluss möchte ich Ihnen sagen, wie es eigentlich begonnen hat. Wir haben viele Wünsche. Wir möchten vieles noch tun in diesem Bereich, wir haben auch vieles schon getan, das hier nicht ausgeführt wurde. Wir haben in Qualität investiert. Wir haben ein Vorschuljahr, das andere überhaupt nicht haben. Darauf können wir gemeinsam stolz sein, dass wir das errungen haben. Das ist eine Klasseleistung. Die lassen wir uns von Ihnen auch nicht kaputt reden.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Als nächste Fraktion spricht die Fraktion DIE LINKE, Frau Klepsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, viele richtige fachliche Details zu dem vorliegenden Antrag sind schon genannt worden. Ich will sie nicht alle wiederholen, aber noch einmal auf ein paar wesentliche Punkte eingehen.

In Erinnerung an unsere gestrige Debatte zu den Einsparungen im Sozialbereich könnte man nun meinen, der vorliegende Antrag der GRÜNEN zu den Qualitätsverbesserungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung käme zum falschen Zeitpunkt, weil wir gerade sparen müssen und weil das Geld weniger wird.

Wer sich jedoch mit der Begründung des Antrages der GRÜNEN beschäftigt, der wird zu dem Schluss kommen, dass das stetige Beharren auf dem Thema Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten und Verbesserung der Fachberatung im Parlament der einzige Weg ist, längst notwendige Schritte einzuleiten. Deshalb ist es richtig, dass wir hier und heute und zum wiederholten Male über dieses Thema sprechen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat erkannt, dass sie ein flächendeckendes Netz an Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr braucht. Sie hat in der letzten Legislaturperiode des Bundestages endlich den Ausbau der Kindertagesbetreuung angestoßen und die Weichen für mehr Krippenplätze gestellt.

Doch ausreichende Kapazität und schöne Häuser sind nur die eine Seite der Medaille. Mindestens genauso wichtig ist die Qualität der Betreuung. Denn ein kostenfreies Vorschuljahr – das sei noch einmal gesagt – ersetzt eben nicht die bessere Personalausstattung und auch nicht die qualitativ hochwertige Umsetzung des Bildungsplanes.

Der Freistaat Sachsen kann auf eine lange Tradition der Kindertagesstätten zurückblicken. Es ist festzustellen, dass Erzieherinnen und Erzieher – von denen es leider immer noch viel zu wenig gibt –, also das pädagogische Personal, eine hervorragende und engagierte Arbeit leisten. An dieser Stelle auch von mir vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und der SPD)

Doch gerade weil es uns wichtig ist, eine hohe Bildungs- und Erziehungsqualität in den sächsischen Kindertagesstätten und bei der Kindertagespflege zu gewährleisten, müssen wir auch über den Personalschlüssel, das Thema Tagesmütter und über Fachberatungen sprechen und Verbesserungen treffen. Warum?

Erstens – es ist schon darauf hingewiesen worden –, weil der Landtag in der letzten Legislatur den Sächsischen Bildungsplan als Handlungsempfehlung für alle Kindertagesstätten beschlossen hat und damit die Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher gestiegen sind.

Ich will Ihnen, wenn Sie es nicht so genau kennen, vielleicht noch ein einige Stichpunkte dazu nennen. Neben der bereits angesprochenen gesetzlich geforderten Umsetzung des Bildungsplanes kommen dazu die gesetzlich geforderte Einführung von Maßnahmen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung und die ebenfalls gesetzlich geforderte Durchführung eines Schulvorbereitungsjahres. Das heißt, dass dann eine einzelne Erzieherin mit einer Gruppe von Kindergartenkindern zur nächsten Grundschule geht, dass die Grundschule in den Kindergarten kommt. Das ist einfach ein noch höherer Betreuungsaufwand.

Des Weiteren sind das die verstärkte Beobachtung von Bildungsprozessen der Kinder und die Dokumentation der pädagogischen Arbeit. Die Dokumentation findet eben nicht statt, wenn die Betreuerin in der Gruppe ist, sondern danach.

Und weiter: die verbindliche Kooperation zwischen Kindertageseinrichtungen und Schulen, die Beteiligung bei der Umsetzung von Ganztagsangeboten und die Zusammenarbeit mit den Eltern bis hin zu den Angeboten der Familienbildung.

Dazu vielleicht ein Aspekt: Im Landesjugendhilfeausschuss haben wir uns neulich wieder einmal mit dem Thema Sprachförderung beschäftigt, mit einem Modellprojekt aus Leipzig. Im Gespräch mit den Kolleginnen der Universität Leipzig, die dieses Projekt durchgeführt haben, ergab sich, dass es gerade bei bildungsfernen Familien sehr schwierig ist, dass die Erzieherinnen überhaupt die Eltern zum Gespräch bewegen. Dort wird natürlich mehr Zeit benötigt, um mit diesen Eltern ins Gespräch zu kommen und zu beraten, was sie für die Sprachförderung ihres Kindes tun können.

Im Ländervergleich der pro-Kind-Ausgaben von Land und Kommunen nimmt Sachsen derzeit nur den 11. Platz ein. Deshalb müssten wir folgende Rahmenbedingungen verbessern: die Fachkraft-Kind-Relation, die Anerkennung der kinderfreien Zeit in der pädagogischen Arbeit, damit man eben zum Beispiel Dokumentationen verfassen kann, die Anrechnung von Ausfallzeiten auf den Personalschlüssel – Frau Giegengack hat schon darauf hingewiesen –, die Freistellung für Leitungsaufgaben sowie die Möglichkeit, die Fachberatungen in Anspruch nehmen zu können.

Warum müssen wir uns noch mit dem Antrag heute beschäftigen? Erstens hatte ich schon gesagt. Zweitens, weil aufgrund des erhöhten Bedarfs an Krippenplätzen in den letzten Jahren das Defizit vor allem in den Großstädten durch den Ausbau der Kindertagespflege ausgeglichen wurde. Kindertagespflege heißt aber konkret, dass in der Mehrzahl Frauen mit den unterschiedlichsten beruflichen Qualifikationen, jedoch nicht immer mit einem speziellen Abschluss als Staatlich anerkannte Erzieherin oder als Diplomsozialpädagogin, die Gelegenheit ergriffen haben, ihr eigenes und bis zu vier weitere Kinder bei sich zu Hause zu betreuen. Deren Situation zu verbessern ist Punkt 2 des Antrages der GRÜNEN.

Drittens ist schon genannt worden: weil bereits der Landesjugendhilfeausschuss im Juni 2009 per Beschluss das zuständige Ministerium und die Kommunen aufgefordert hat, eine gemeinsame Strategie zur schrittweisen Verbesserung der Personalausstattung in Kindertageseinrichtungen und in der Fachberatung zu entwickeln.

Inzwischen waren Landtagswahlen. Papier ist geduldig. Der Götze des Sparens droht über uns. Offenbar haben sich auch die inhaltlichen Zielsetzungen geändert, liest man im schwarz-gelben Koalitionsvertrag nach. Dort ist nur noch von der Förderung von Betriebskindergärten, von flexiblen Öffnungszeiten in Kindertageseinrichtungen, von flexiblen Angeboten und einem Ausbau der Kindertagesstätten die Rede.

Dass diese Angebote, dass diese vielen neuen Kindertagesstätten, vor allem die flexibel geöffneten Kitas, nicht zuletzt mit ausreichend qualifiziertem Personal besetzt sein müssen, ignoriert der Koalitionsvertrag völlig. Das ist noch einmal an Sie gerichtet, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.