Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Meine Damen und Herren! Wir Nationaldemokraten ziehen aus den hier in aller Kürze referierten Tatsachen zwei politische Schlussfolgerungen:

Erstens. Die Mehrzahl der sächsischen Regionen, also der größte Teil von Sachsen, ist unter der derzeitigen globalkapitalistischen politischen Ökonomie und mit den gegebenen Startbedingungen offenbar nicht lebensfähig. Deswegen brauchen wir eine Verstärkung der regionalen und nationalen Wirtschaftskreisläufe, und zwar auch, wenn dies gegen herrschende markt-, handels- und geldpolitische Doktrinen verstößt. Die Bewahrung des Landes muss stets Vorrang vor der rücksichtslosen Durchsetzung einer nur exportorientierten Globalisierungspolitik haben.

(Beifall bei der NPD)

Zweitens. Da der Erosionsprozess unseres Landes offenbar schneller läuft als wirtschaftspolitische Systemveränderungen durchführbar sind, müssen vorerst kurzfristig umsetzbare und pragmatische Maßnahmen ergriffen werden, um den Verfall der bedrohten Regionen zumindest zu verzögern.

In dem Ihnen vorliegenden Antrag, meine Damen und Herren, sind diese beiden Punkte als Ersuchen an die Staatsregierung etwas ausführlicher formuliert. Hierfür bitte ich Sie um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der NPD)

Als Koalitionsredner ist Herr Michel von der CDU-Fraktion gemeldet. Herr Michel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der NPD stellt einen Mix aus einer Einzelfallbetrachtung, demografischen Schlagwörtern und Zitaten dar. Substanzielles oder ein Gesamtkonzept sind nicht zu erkennen.

(Arne Schimmer, NPD: Das ist bei Ihnen nicht zu erkennen!)

Lassen Sie uns die einzelnen Punkte des Antrags doch einmal näher anschauen.

In Punkt 1 thematisiert die NPD die Haushaltslage des Landkreises Nordsachsen. Diese ist – das ist sicherlich unbestritten – schwierig. Jedoch stellen die Punkte 1 und 2 des Antrags nur die halbe Wahrheit dar. In der Begründung steht kein Wort zu den Investitionen in den Flughafen; kein Wort zum Thema Sparkasse; kein Wort dazu, dass die bestellten Wirtschaftsprüfer aus Bedarfszuweisungen bezahlt werden; kein Wort dazu, dass § 22 Fi

nanzausgleichsgesetz für außergewöhnliche Belastungen Bedarfszuweisungen ermöglicht.

Punkt 3 des Antrags fordert den Schutz vor einem „sozioökonomischen und kulturellen Verfall“. Was Sie darunter verstehen, wird nicht erläutert. Was ist denn Ihr sozioökonomisches Leitbild? Nichts, aber auch gar nichts wird klar definiert. Eine Aneinanderreihung von Zitaten.

Die Begründung macht den Antrag auch nicht besser. Was Sie mit den Zahlen aus dem Jahr 2003 erreichen wollen, erschließt sich mir nicht.

Wie sieht Ihr kommunales Leitbild aus? Wie ist Ihre Modellfinanzlage, wie Ihre Modellfinanzstruktur? Nichts!

Laut Antragspunkt 3 soll eine kurz-, mittel- und langfristige Mindestausstattungsanalyse gefertigt werden. Wie definiert die NPD die kommunale Mindestausstattung?

Die Krone wird dem Antrag mit Punkt 4 aufgesetzt. Nachdem unter Punkt 3 die Analyse gefordert worden ist, soll laut dem folgenden Punkt – ohne dass die Analyseergebnisse überhaupt bekannt oder vorher definiert sind – schon die Umsetzung von Reformen auf Bundes- oder EU-Ebene gefordert werden.

Meine Damen und Herren von der NPD, Ihr Antragsmix ist nix. Die Koalition wird dem Antrag nicht stattgeben.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Michel hat für die Koalition gesprochen.

Die Linksfraktion hat zwar noch Redezeit, aber keinen Redebedarf. Die anderen Fraktionen – SPD, FDP, GRÜNE – haben entweder nur noch ganz wenig oder gar keine Redezeit mehr. Möchte die Staatsregierung in der ersten Runde sprechen? – Das ist nicht der Fall. Dann Herr Dr. Müller in der zweiten Runde. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Michel, ich muss sagen, inhaltlich war das bei Ihnen auch nicht viel. Es hilft nichts, das Problem zu verdrängen.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Herr Piwarz, mit Ihnen spreche ich im Moment nicht.

(Christian Piwarz, CDU: Aber ich mit Ihnen!)

Das ist mir jetzt ganz egal.

Herr Michel, die Finanzlage der Landkreise – das wissen Sie vielleicht noch deutlich besser als ich – ist bei allen ganz miserabel. Das einfach zu ignorieren, ist sicherlich der schlechteste Weg.

Nordsachsen steht nur exemplarisch, weil sich der Landrat an die Öffentlichkeit gewandt hat. Die anderen sind im Moment noch etwas in der Deckung. Aber da kommt noch einiges. Dessen bin ich mir sicher.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als im November vergangenen Jahres angesichts der sich abzeichnenden Haushaltslücke ein Hilferuf des Landkreises

Nordsachsen an die Staatsregierung erging, erklärte Ministerpräsident Tillich, nach seiner Einschätzung trage in erster Linie der Landkreis selbst die Verantwortung für die eingetretene Situation; denn der neue Kreis habe ja bei der Gebietsreform 2008 20 Millionen Euro als Prämie für den Zusammenschluss der Altkreise Delitzsch-Eilenburg und Torgau-Oschatz erhalten. Bevor über eine Staatshilfe gesprochen werden könne, müsse geklärt werden, wo diese Millionen geblieben seien.

„Das Geld hätte auch zur Schuldentilgung verwendet werden können.“ So soll es Ministerpräsident Tillich laut MDR Sachsen gesagt haben, eigentlich eine Dreistigkeit gegenüber den Haushaltspolitikern des Landkreises, denn laut Landkreiskämmerer sind zwei Drittel dieser Gelder in die Schuldentilgung geflossen. Im vermeintlich guten Jahr 2008 betrugen nach den mir vorliegenden Angaben die Ausgaben der beiden Vorgängerlandkreise lediglich 390 Millionen Euro. Das sind sage und schreibe 28 % weniger als im Vergleichsraum zu 1995, also 13 Jahre zuvor, und zwar ohne Berücksichtigung, dass wir in der Zeit auch eine erhebliche Teuerungsrate hatten. Das Jahr 2008 schlossen die beiden Altkreise durch rigorose Einsparungen in ihren Haushalten übrigens mit einem positiven Saldo von circa 9 % der Einnahmen ab. – So sind die Fakten, die mir vorliegen, meine Damen und Herren.

Die Staatsregierung legt ja großen Wert auf ihre finanzpolitische Solidität. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber sie scheint dabei zu vergessen, dass sie vor allem Verantwortung für die ökonomische und soziale Existenzfähigkeit unseres gesamten Landes trägt. Diese drückt sich nicht nur in vermeintlich vorbildlichen Finanzierungsseiten des Staatshaushaltes aus, sondern vor allem in der Tragfähigkeit der sozioökonomischen Grundlagen überall im Land.

In der Januarsitzung des Haushalts- und Finanzausschusses dieses Landtages fragte mein Kollege Schimmer den Finanzminister, ob man nicht angesichts der strukturellen finanziellen Unterversorgung der sächsischen Kommunen die Finanzverteilung zwischen Land und Kommunen überdenken müsse. Diese Finanzverteilung ist ja bekanntlich die Schlüsselgröße des kommunalen Finanzausgleiches und beträgt seit Jahren unverändert 64,3 % für das Land und 35,7 % für die Kommunen. Darauf antwortete Prof. Unland: Die sächsischen Städte und Gemeinden und Landkreise seien überhaupt nicht finanziell unterversorgt, denn sie hätten ja im Gegensatz zu den Kommunen der westlichen Bundesländer eine negative Kreditaufnahme.

Diese Argumentation halte ich angesichts der permanenten Haushaltsnotlage für alle Landkreise und einer einhergehenden sozioökonomischen Notlage, die, wenn man mit offenen Augen durch die ländlichen Regionen geht, auch sehen kann, für gelinde gesagt leichtsinnig; denn wie zum Beispiel der nordsächsische Landrat Czupalla festgestellt hat, ist es für die sächsischen Landkreise nicht mehr möglich, ausgeglichene Haushalte aufzustellen. Mir als Kreisrat und Fraktionsvorsitzender meiner Partei im Kreis

Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist genau bewusst, wo die Probleme liegen. Wir haben noch keinen aktuellen Haushalt, weil wir eine Finanzierungslücke von etwa zehn Millionen haben. Darüber sind sich alle sächsischen Landräte einig. Wie kann die Staatsregierung vor diesem Hintergrund behaupten, es gebe keine finanzielle Unterversorgung der Kommunen? Das würde ich mir gern einmal von Ihnen, Herr Prof. Unland, erklären lassen.

Der Zustand weiter Teile unseres Landes steht im krassen Gegensatz zur Prahlerei der Staatsregierung über die soliden Staatsfinanzen. Das sind in erster Linie noch die Finanzen des Freistaates, aber nicht die der Kommunen.

Sozioökonomische und demografische Studien belegen, dass der überwiegende Teil Sachsens zur Kategorie „Schrumpfende und alternde Städte und Gemeinden mit hoher Abwanderung“ gehören, Demografie Typ IV laut Wegweiser Kommune der Bertelsmannstiftung. Hier findet eine Entwicklung statt, die bald unumkehrbar sein

wird, wenn wir nicht bald handeln. Darum bitte ich Sie, meine Damen und Herren.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Die CDU-Fraktion signalisiert keinen weiteren Redebedarf. Ich frage die Staatsregierung. – Auch nicht. Damit gibt es noch die Möglichkeit einer dritten Runde. – Das wird nicht gewünscht. Damit hat die NPD-Fraktion das Schlusswort. – Das Schlusswort ist gehalten.

Meine Damen und Herren! Ich stelle Ihnen nun die Drucksache 5/1513 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache bei einigen Stimmen dafür mehrheitlich nicht beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist damit beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 9

Nachträgliche Genehmigungen gemäß Artikel 96 Satz 3 der Verfassung des Freistaates Sachsen zu über- und außerplanmäßigen Ausgaben und Verpflichtungen

Drucksache 5/1441, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort? Das kann ich nicht erkennen. Wünscht der Berichterstatter des Ausschusses, Herr Michel, das Wort? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Drucksache 5/1441 ab. Ich bitte Sie bei Zustimmung um Ihr

Handzeichen. – Danke schön. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit ist der Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses bei einigen Stimmenthaltungen und zahlreichen Gegenstimmen mehrheitlich zugestimmt. Der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 10

Beschlussempfehlungen und Berichte der Ausschüsse