Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Vielen Dank, Herr Präsident. – Das hätte man mit einer Frage klären können. Aber ich will gern das Instrument der Kurzintervention nutzen. Herr Minister Wöller, ist Ihnen bekannt, dass mittlerweile eine ganz – –

Sie dürfen keine Fragen stellen, sondern Sie müssen eine Aussage treffen.

Dann fange ich anders an. Mittlerweile hat eine ganze Reihe sächsischer Kommunen einen Elternanteil von über 35 %, die gar nicht mehr beitragspflichtig sind, weil sie ein solch geringes Einkommen haben, dass sie keine Beiträge bezahlen können. Meist handelt es sich in diesen Fällen um Kommunen in Regionen, die von hoher Arbeitslosigkeit geprägt und damit selbst in großen finanziellen Schwierigkeiten sind durch die geringen Einnahmen in den Kommunen. Aufgrund dieser Situation entsteht eine absolute Ungleichgewichtung zwischen den Möglichkeiten, die die Kommunen haben, Kindertagesstätten mit gleicher Qualität zu finanzieren.

Ich bin der Meinung – und das ist auch der Grund gewesen, warum sich der Bund an dem Ausbau der Kindertagesstätten in den nächsten Jahren beteiligt –, dass es eine übergeordnete Verpflichtung des Bundes bzw. des Landes gibt, für eine qualitativen Ausgleich zu sorgen, wenn die Kommunen bzw. die Eltern nicht mehr in der Lage sind, die Qualität in diesem Bereich abzusichern.

Herr Staatsminister, Sie hätten die Möglichkeit, auf diese Kurzintervention zu antworten.

Das mache ich selbstverständlich sehr gern, Herr Präsident. – Frau Kollegin Stange, es ist in der Tat richtig, dass der Bund, den Ausbau der Kapazitäten betreffend, mit im Boot ist. Wir bekommen entsprechend dem Gesetz Geld vom Bund, das bereits jetzt dafür eingesetzt wird, die jeweiligen Betreuungskapazitäten vorzuhalten. Ich erinnere daran, dass wir eine sehr gute Beteiligungsquote haben. Sie ist unter drei Jahren sicher ausbaufähig, aber wir haben ja im letzten Kindergartenjahr eine Quote von deutlich über 90 %, circa 94 bis 95 %. Wir erreichen also viel.

In diesem Maße beteiligt sich der Freistaat. Im laufenden Haushaltsjahr haben wir eine überplanmäßige Ausgabe aufgrund steigender Kinderzahlen. Das ist ein Kostenfaktor – finanziell gesehen –, aber das ist ein höchst erfreuliches Ereignis, weil wir das Geld im Rahmen der Pauschale selbstverständlich gern an die Kommunen weiterreichen, um damit die entsprechenden Betreuungsangebote vorzuhalten.

Einen zweiten Punkt, den Sie angesprochen haben, möchte ich klar beantworten. Ich erinnere an die Diskussion, die wir im vorletzten Jahr im Rahmen der Haushaltsdiskussion hatten. Bei der Beitragsfreistellung des letzten Kindergartenjahres war es so gewesen, dass die Kosten für diejenigen, die sie nicht tragen konnten, die örtlichen Träger der Jugendhilfe übernommen haben. Aufgrund der Beitragsfreistellung durch den Freistaat sind die Träger der örtlichen Jugendhilfe entlastet worden.

Herr Staatsminister, ich bitte Sie, zum Schluss zu kommen.

Dieses Hohe Haus hat in einem Antrag, der eine große Mehrheit gefunden hat, ausdrücklich diese Träger aufgefordert, die Kostenfreistellung für Qualitätsverbesserungen in den entsprechenden Einrichtungen einzusetzen. Ich hoffe, dass das auch unter finanziell schwierigen Bedingungen geschieht.

Danke.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir kommen nun zum Schlusswort. Die Einreicherin, Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, hat die Möglichkeit eines Schlusswortes. Bitte, Frau Giegengack.

Das Bild, das die CDU in dieser Diskussion geboten hat, ist unter ihrer Würde. Bei der FDP hat man ja wenigstens noch gemerkt, dass sie ein gewisses Gewissensproblem hat, wenn sie diesen Antrag ablehnt. Aber dass Sie Frau Nicolaus ins Rennen schicken, die absolut unvorbereitet ist und hier als Superbeispiel ihre Stadt anpreist, finde ich ganz schön heftig. Wir können nicht von der Situation in ihrer Stadt und ihrem Kindergarten auf die Situation in Sachsen schließen.

Ich möchte Sie schon bitten, wenigstens die Abschlussstudie von PädQUIS zur Kenntnis zu nehmen. Kollegen von Ihnen haben das getan. Ich habe es erwähnt. Herr Krauß und Herr Rohwer haben sie gelesen und sind zu dem Ergebnis gekommen, die Staatsregierung aufzufordern, den Personalschlüssel zu verändern.

Einen weiteren Vorwurf möchte ich ganz klar von mir weisen. Ich habe überhaupt nichts schlecht- oder kaputt geredet. Doch wenn wir einmal beim Schlechtreden sind: Sie müssen auch die Ergebnisse der Vorschuluntersuchungen zur Kenntnis nehmen. Dabei weist ein Drittel der Kinder Sprachprobleme auf. So supertoll scheint es in unseren Kindertagesstätten auch nicht zu laufen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ein dritter Punkt. Meine Fraktion fordert überhaupt nicht, dass das Land, was den Personalschlüssel und die Fachberatung angeht, hier allein ins Rennen geht. Da müssen Sie wenigstens einmal unseren Antrag lesen. Darin steht ganz klar, dass wir eine gemeinsame Strategie zwischen Land, Kommunen und Eltern wollen. Wir bringen das jetzt ein, damit dies in die Haushaltsverhandlungen aufgenommen werden kann. Wir wollen keine Hauruck-Aktion, keinen Alleingang des Landes. Wir wollen eine gemeinsame, abgestimmte Strategie. Wir haben lange genug im Landtag darüber diskutiert. Es ist endlich an der Zeit, dass wir es umsetzen!

Ich möchte noch einmal kurz auf die Kampagne der Freien Wohlfahrtsverbände hinweisen: „Weil Kinder Zeit brauchen“. Viele von ihnen haben den Goldenen Schlüs

sel bekommen, und sie haben jetzt die Gelegenheit, deutlich zu machen, dass sie ihr Versprechen halten. Wir fordern eine namentliche Abstimmung.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Wir werden jetzt die namentliche Abstimmung vorbereiten. Es dauert etwa 3 Minuten, und dann beginnen wir mit dem Namensaufruf der einzelnen Abgeordneten.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir beginnen jetzt mit der namentlichen Abstimmung. Ich bitte den Abg. Modschiedler, der heute Schriftführer ist, die einzelnen Abgeordneten aufzurufen.

Wir kommen zur namentlichen Abstimmung in der 10. Sitzung am 11. März 2010

über die Drucksache 5/1519. Wir beginnen mit dem Buchstaben G.

(Namentliche Abstimmung – Ergebnis siehe Anlage)

(Kurze Unterbrechung)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen gern das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zur Kenntnis geben: Für den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1519 haben 53 Abgeordnete mit Ja gestimmt, 69 Abgeordnete haben mit Nein gestimmt. Damit ist die Drucksache 5/1519 nicht beschlossen und dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 8

Nordsachsen vor der Zahlungsunfähigkeit bewahren – Lebensfähigkeit und kommunale Vielfalt aller sächsischen Regionen zum entscheidenden Kriterium der sächsischen Wirtschafts- und Finanzpolitik machen!

Drucksache 5/1513, Antrag der Fraktion der NPD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: NPD, CDU, DIE LINKE, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Ich erteile der Fraktion der NPD als Einreicherin das Wort. Herr Schimmer, Sie können den Antrag der NPD-Fraktion einbringen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der drohende Staatsbankrott Griechenlands ist derzeit das Medienthema Nummer eins. Gern verdrängt wird dabei, dass die Schuldenkrise schon längst auch in Deutschland angekommen ist und hier insbesondere Kommunen und Landkreise Haushaltsdefizite in einem existenzbedrohenden Ausmaß aufweisen.

Bei uns im Freistaat ist insbesondere der neue Landkreis Nordsachsen betroffen, der in seinem Anfang Januar beschlossenen Haushalt für das Jahr 2010 Einnahmen in Höhe von 233 Millionen Euro ausweist, während sich die geplanten Ausgaben auf 258 Millionen Euro, also 25 Millionen Euro mehr, belaufen. Damit sind ungefähr 10 % der Ausgaben nicht durch Einnahmen gedeckt, und das, obwohl bei der Aufstellung des Haushaltes an allen Ecken und Enden gespart wurde – laut Feststellung des Landrates Michael Czupalla sogar so rigoros, dass jede weitere Einsparung den sozialen Frieden bedrohen würde, wobei wir dann auch endgültig hier in einigen Regionen Sachsens bei griechischen Verhältnissen angekommen sind.

Die Schulden des Landkreises belaufen sich schon heute auf mindestens 106 Millionen Euro, was einer Pro-Kopf

Verschuldung von rund 500 Euro entspricht – doppelt so viel wie die durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung der sächsischen Landkreise.

Bei diesem Stand der Dinge ist die um ein positives Finanzierungssaldo der Kommunen bemühte Sächsische Staatsregierung natürlich kaum geneigt, einer zusätzlichen Kreditaufnahme Nordsachsens zuzustimmen. Andererseits ist sie aber auch nicht bereit, mit einer Finanzspritze helfend einzuspringen, beispielsweise für die Altlasten, die sich aus dem Sanierungsvertrag für die kurz vor der Insolvenz im Jahr 2004 stehende Sparkasse TorgauOschatz ergeben haben, die dann von der Sparkasse Leipzig übernommen wurde.

In dieser Situation sind sich Landrat, Kämmerer und die Mitglieder des Finanzausschusses des Kreistages einig, dass dem Landkreis eigentlich nur noch übrig bleibt, Zahlungsunfähigkeit, also Insolvenz, anzumelden. Eine formelle Insolvenz ist zwar aus rechtlichen Gründen nicht möglich; aber es muss unseres Erachtens sehr wohl möglich sein, eine faktisch gegebene Nichtzahlungsfähigkeit festzustellen; denn eine Tatsache wird ja nicht dadurch besser oder erträglicher, dass man sich weigert, sie anzuerkennen.

Es wäre ja auch wirklich geradezu ein Wunder, meine Damen und Herren, wenn es keine Probleme mit den öffentlichen Finanzen geben würde – in einer Region, die allein seit 1995 15 % ihrer Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter verloren hat, fast 40 % weniger Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren hat und 60 % der Arbeitsplätze im

produzierenden Gewerbe eingebüßt hat. Zwischen Torgau und Delitzsch gibt es heute kaum noch Industrie. Diesen gewaltigen Substanzverlust hat Nordsachsen allein in den vergangenen 15 Jahren erlitten und es wird in Zukunft so weitergehen. In den kommenden zehn Jahren bis 2020 wird der Landkreis weitere 14 bis 15 % seiner Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter verlieren, sodass der Gesamtverlust zwischen 1995 und 2020 mehr als ein Viertel betragen wird.

Es ist völlig klar, dass ein derartiger Verlust an Menschen und Arbeitsplätzen eine dramatische Beschädigung der volkswirtschaftlichen Basis nach sich ziehen muss, das heißt, an Löhnen und Gehältern, Steuern, Abgaben, ortsgebundener Kaufkraft usw. Das spiegelt sich natürlich auch in den Einnahmen und Ausgaben der Kommunen wider. 1995 lagen die Kreiseinnahmen auf dem Gebiet des heutigen Landkreises Nordsachsen bei fast 500 000 Euro. In den folgenden Jahren sanken sie auf 350 000 Euro, um anschließend wieder etwas anzusteigen und sich bis 2005 auf etwa 400 000 Euro einzupendeln, also im Schnitt etwa 20 % weniger als zehn Jahre zuvor.

Alle diese Zahlen belegen, dass der Landkreis vor einem existenziellen Problem steht. Meine Fraktion kann und will sich nicht anmaßen, für dieses finanzpolitische Einzelproblem eine Patentlösung anzubieten. Wir wollen aber darauf hinweisen, dass es sich bei aller Besonderheit einiger Einzelelemente der nordsächsischen Krise, wie etwa des Ablösevertrags über 21 Millionen Euro für die frühere Sparkasse Torgau-Oschatz, trotzdem im Kern nicht um ein Sonderproblem Nordsachsens mit einzigartigen Ursachen, sondern vielmehr um ein strukturelles und vor allem systembedingtes Problem aller Landkreise handelt, ein Problem, das schon in mittelfristiger Perspektive die Überlebensfähigkeit eines Großteils der sächsischen Regionen und damit des Landes Sachsen insgesamt ernsthaft infrage stellen wird.

Dass dies nicht nur für die nordsächsische Problemlage, sondern für alle sächsischen Landkreise gilt, bestätigte der nordsächsische Landrat Michael Czupalla in einem Interview mit der „Torgauer Zeitung“. Ich zitiere wörtlich:

„Es gab unlängst einen kommunalpolitischen Abend, an dessen Ende die Erkenntnis stand, dass spätestens 2013 alle zehn sächsischen Landkreise Löcher im Haushalt haben werden. Es herrscht Einigkeit, dass ohne zusätzliche Verschuldung nichts mehr geht.“

Im selben Interview beantwortete Czupalla auch die Frage, welche Spielräume es bei dem riesigen nordsächsischen Haushaltsloch noch gebe. Seine kurze und bündige Antwort lautete – ich zitiere –: „Zusätzliche Verschuldung zulassen oder die Landkreise abschaffen. Das muss ich knallhart sagen.“

Ich habe heute noch einmal meinen Mitarbeiter gebeten, bei allen Landesdirektionen anzurufen. Er hat mir mitgeteilt – das zeigt, dass wir wirklich vor einem Landesproblem stehen –, dass, Stichtag heute, sieben von zehn Landkreisen und zwei von drei kreisfreien Städten noch

keinen genehmigten Haushalt haben. Es handelt sich um die Landkreise Erzgebirge, Zwickau, Bautzen, Sächsische Schweiz, Görlitz, Nordsachsen, Leipziger Land sowie die kreisfreien Städte Chemnitz und Leipzig. Wenn ich mich dann an die Diskussion mit Finanzminister Prof. Unland im Haushalts- und Finanzausschuss erinnere, muss ich doch sagen: Wir haben in den Regionen wirklich ein strukturelles Problem der Unterfinanzierung.