Protokoll der Sitzung vom 11.03.2010

Nein, ich würde gern zum Schluss kommen wollen. – Zum dritten Punkt und zu dem, was wir in den Kindertageseinrichtungen haben: Wir haben hochqualifiziertes Personal. 87 % der Erzieherinnen und Erzieher haben einen Fachschulabschluss, 4 % einen Hochschulabschluss. Andere Bundesländer mit einem vermeintlich guten Betreuungsschlüssel können dieses hohe Niveau an Fachkräften innerhalb der Einrichtung nicht aufweisen. Dort haben circa 75 % der Erzieherinnen und Erzieher einen Fachschulabschluss.

Ich halte es für sehr wichtig, dass wir uns in den nächsten Jahren klar für den Erhalt der Qualität in unseren Kindertageseinrichtungen aussprechen. Ich halte es aber auch für notwendig, ausreichend Kinderkrippen- und Kindergartenplätze vor Ort zur Verfügung zu stellen. Das wird eine große Herausforderung in den nächsten Jahren werden. Das halte ich aber für eine grundsätzliche Voraussetzung, um Beruf und Familie miteinander vereinbaren zu können; denn bevor wir über die Qualität für Wenige reden, müssen wir über die Plätze in Kinderkrippen und Kindergärten für alle als große Herausforderung für nächste Doppelhaushalte sprechen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU – Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht am Mikrofon.)

Frau Dr. Stange, ich deute es sicherlich richtig, dass Sie die Gelegenheit für eine Kurzintervention nutzen wollen?

Herr Präsident, Sie deuten das richtig. – Frau Schütz, ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass vor circa einem Jahr eine gemeinsame Podiumsdiskussion stattgefunden hat, auf der Sie den Teilnehmern dieser Diskussionsrunde versprochen haben, dass, wenn die FDP an die Regierung kommt, der Betreuungsschlüssel gesenkt wird.

Ich gehe davon aus, dass Sie aufgrund Ihres fachlichen Hindergrundes zu diesem Zeitpunkt schon gewusst haben, dass die Senkung des Betreuungsschlüssels erhebliche Kosten verursachen wird. Ich kann mich entsinnen, dass wir bereits im Jahre 2009 die Vorboten der Finanzkrise sehr deutlich zu spüren bekommen haben, also das, was

Sie gerade vorgetragen haben, sicherlich schon damals in Ihrem Kopf war. Dennoch haben Sie den Menschen versprochen, den Bereuungsschlüssel zu senken.

Frau Schütz, möchten Sie die Gelegenheit nutzen, auf die Kurzintervention zu antworten? – Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Dr. Stange, ich kann mich noch sehr gut an diese Podiumsdiskussion erinnern. Ich bin damals gefragt worden, was im Koalitionsvertrag stehen wird, wenn die FDP an der Regierung beteiligt ist. Das ist richtig. Ich habe mich damals sehr deutlich für einen Betreuungsschlüssel im Kindergarten von 1 : 12 ausgesprochen. Ich darf Ihnen auch sagen, dass die Verhandlungen zum Koalitionsvertrag allein zu diesem Punkt mehr als zwei Stunden gedauert haben, weil es für uns ein wesentlicher Schwerpunkt war, diesen Betreuungsschlüssel einzuflechten. Wir haben dann aufgrund der Situation entschieden, diesen Punkt vorerst zurückzustellen, und ich darf für mich persönlich sagen, dass ich an dieser inhaltlich wichtigen Forderung nach wie vor persönlich festhalten werde.

(Beifall bei der FDP – Zuruf der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Als nächste Fraktion ist die NPD-Fraktion an der Reihe. Für sie spricht Frau Schüßler. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem bereits erwähnten Abschlussbericht wurde festgestellt, dass der im Sächsischen Kita-Gesetz festgeschriebene Personalschlüssel von 1 : 6 in den Krippen, von 1 : 13 in den Kindergärten und von 1 : 20 im Hort in der Realität nicht eingehalten wird. Frau Nicolaus hatte vorhin ausführlich darauf hingewiesen.

Das konnte sich aber auch jeder, der das reale Leben kennt, ohne diesen Bericht denken. Menschen fallen nun einmal gelegentlich aus, sei es aus gesundheitlichen oder anderen Gründen. Natürlich wäre es zu begrüßen, wenn der Personalschlüssel im Interesse der Kinder verbessert werden könnte, aber bleiben wir realistisch: Die Kassen sind leer, und es stehen weitaus größere Probleme vor der Tür, unter anderem im Schulbereich. Dem momentanen Personalüberhang und den damit verbundenen Zusatzkosten wird in drei Jahren ein Personalmangel folgen, der uns mehr als nur Kopfschmerzen bereiten wird. Das weiß man auch bei den GRÜNEN und räumt in der Begründung zum Antrag ein, die „haushalterischen Rahmenbedingungen von Land und Kommunen berücksichtigen zu wollen“ oder vielleicht bessern zu müssen? Schließlich sitzt mancher Grüne in kommunalen Entscheidungsgremien – Frau Giegengack bis vor Kurzem auch noch – und muss dort auf eine realistische Kassenführung achten.

Wie kann also die Situation im Erziehungsbereich trotzdem verbessert werden? Zunächst sollte jegliche Form von Bürokratie auf den Prüfstand gestellt werden. Ist es denn zum Beispiel notwendig, dass Leitungskräfte 31 %

ihrer Arbeitszeit für Verwaltungsaufgaben und Betriebswirtschaft einsetzen müssen? Die Tendenz, immer mehr Zeit am Rechner und immer weniger Zeit am Kind zu verbringen, sollte gestoppt werden. Hier weisen der Sächsische Bildungsplan und die darin vorgeschriebenen Dokumentationspflichten in die falsche Richtung. Eine mir bekannte Leiterin hat das ziemlich drastisch formuliert – ich zitiere –: „Würden wir alles machen, was wir laut neuem Bildungsplan sollten, brauchte jede Erzieherin noch eine Sekretärin.“

Weil wir einmal bei dem Thema Bürokratie sind: Der vorliegende Antrag spricht von einer „Umsetzungsstrategie zum Aufbau einer unterstützenden Netzwerkstruktur für die Kindertagespflege“. Hat diese Strategie zum Ziel, Tagesmütter besser zu kontrollieren und anzuleiten und, wie es notwendig wäre, die Zugangsvoraussetzungen denen der Kindergärtnerinnen anzugleichen?

Mit einem Grundkurs über sieben Abende, wie es jetzt beispielsweise das Familienzentrum Radebeul anbietet, der als offizielle Zulassung benötigt wird, kann das kaum realisiert werden, so lobenswert diese Initiativen im Einzelnen auch sind.

In Punkt 3 des Antrages der GRÜNEN wird weiterhin eine „Organisations- und Finanzierungsstrategie zum weiteren Ausbau der Fachberatung der Kindertageseinrichtungen“ gefordert. Das wiederum sehen wir ähnlich. Zahlreiche Kindergärtnerinnen empfinden die bislang angebotenen Fortbildungen als nicht ausreichend. Hier fehlt einfach das Fachpersonal in den Jugendämtern.

Nicht akzeptiert werden kann eine bloße Vermehrung des Personals in der übergeordneten Verwaltung. Das würde sich zwar an gewissen Erscheinungen der Personalentwicklung in der Koalition orientieren, aber ebenso wie in der Landesregierung keine messbaren Verbesserungen bringen. Dem Grundanliegen Ihres Antrages können wir folgen, und wir werden ihm zustimmen, auch wenn er kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte.

Danke schön.

(Beifall bei der NPD)

Das war die erste Runde der allgemeinen Aussprache. Ich frage die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Nein. Dann beginnen wir mit der zweiten Runde der allgemeinen Aussprache. Gibt es weitere Wortmeldungen? – Ich frage die einreichende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Sie haben keine Redezeit mehr. Dann bitte für die Fraktion der CDU Frau Nicolaus. – Auch nicht. Für die Fraktion DIE LINKE Frau Klepsch. – Sie möchten auch nicht. Die SPD-Fraktion hat auch keine Redezeit mehr. Die FDP-Fraktion hat noch zehn Sekunden. Möchten Sie diese Redezeit nutzen? – Nein. Die NPD-Fraktion hat noch genügend Redezeit. Es gibt keine zweite Runde. Deshalb frage ich noch einmal die Staatsregierung, ob sie jetzt das Wort ergreifen möchte. – Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in der Debatte über die Personalausstattung, über die Netzwerke zur Tagespflege und über die Fachberater gesprochen. Ich darf in Erinnerung rufen, was meine Kollegin Kerstin Nicolaus schon richtigerweise betont hat: Das sind alles Themen, die in erster Linie die Kommunen betreffen. Es handelt sich um eine kommunale Pflichtaufgabe. Auch das darf bei der Diskussion nicht in Vergessenheit geraten.

Der Freistaat unterstützt diese Kommunen. Das hat er auch in der Vergangenheit getan. Aber wir müssen die Dinge geraderücken und sagen, wer die gesetzliche Zuständigkeit hierfür hat. Deshalb sind Vergleiche mit dem Schulbereich nur bedingt tragfähig. Dort sieht die gesetzliche Lage anders aus.

Meine Damen und Herren! Es ist sinnvoll, dass wir diese Debatte gemeinsam mit den Trägern, mit den Kommunalverbänden und mit der Liga der freien Wohlfahrtsverbände diskutieren. Im Übrigen – auch das möchte ich betonen – betreffen diese Themen auch die Eltern, die diese Aufgaben mit ihren Beiträgen finanzieren. Wir werden die Gespräche in der nächsten Zeit dazu nutzen, gemeinsam nach den besten Lösungen zu suchen.

Lassen Sie mich kurz auf die einzelnen Punkte im Antrag eingehen. Zu Punkt 1, der schrittweisen Verbesserung des Personalschlüssels: Mit der Einführung des Sächsischen Bildungsplans im Jahre 2006 sind die Anforderungen an das Fachpersonal zweifellos gestiegen.

Die Staatsregierung hat bei der Aufstellung des Entwurfs des Haushaltsbegleitgesetzes 2009/2010 entsprechend reagiert und die Verbesserung des Personalschlüssels im Kindergarten von bisher 1 : 13 auf 1 : 12 berücksichtigt. Ich erinnere an die Debatten, die wir in diesem Hause dazu geführt haben. Bekannt ist, dass diese Option – das sage ich deutlich – leider nicht umgesetzt werden konnte; denn obwohl es sich bei der Kindertagesbetreuung um eine kommunale Pflichtaufgabe handelt, waren die Kommunen nicht bereit, die Hälfte der Mehrkosten zu finanzieren.

Qualitätsstandards zu erreichen, die den aktuellen Anforderungen entsprechen, kann nicht die alleinige Aufgabe des Freistaates Sachsen sein. Bisher konnte keine Zusage der Mitfinanzierung durch die Gemeinden erreicht werden. In Anbetracht der Haushaltssituation – auch das ist in der Debatte zum Ausdruck gekommen – wird über Verbesserungsmöglichkeiten im Rahmen der Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2011/2012 im Sächsischen Landtag zu entscheiden sein.

Zu Punkt 2, Umsetzungsstrategie zum Aufbau einer unterstützenden Netzwerkstruktur für die Kindertagespflege. Die Infrastruktur für das Angebot der Kindertagespflege zu gestalten ist auch Aufgabe der Gemeinden und örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dennoch unterstützt die Staatsregierung bereits das Vorhaben, eine Netzwerkstruktur für die Kindertagespflege aufzubauen. Im vergangenen Jahr initiierten und förderten sie

die Informations- und Koordinierungsstelle für Kindertagespflege, kurz: IKS. Die IKS ist eine landesweite Kontaktstelle für örtliche Akteure. Sie vernetzt, begleitet und berät Kindertagespflegepersonen. Außerdem initiiert sie die Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und Arbeitskreisen zum kollegialen Fachaustausch, in denen zahlreiche Initiativen entwickelt und Impulse gegeben werden.

Zu Punkt 3, Organisations- und Führungsstrategien zum weiteren Ausbau der Fachberatung der Kindertageseinrichtungen. Eine qualifizierte Fachberatung gehört zur Qualitätssicherung und Entwicklung jeder Kindertageseinrichtung. So steht es auch im Sächsischen Gesetz zur Förderung von Kindern in Kindertageseinrichtungen. Um die Qualität der Fachberatung weiterzuentwickeln, schreibt die Verwaltung des Landesjugendamtes die Orientierungshilfe zur Fachberatung in Kindertageseinrichtungen fort. Das Ergebnis soll dem Landesjugendhilfeausschuss im IV. Quartal 2010 vorgelegt werden. Vorab findet im II. Quartal 2010 ein Fachgespräch statt, bei dem sich die Mitglieder des Landesjugendhilfeausschusses und die Fachöffentlichkeit eine Meinung über die anstehenden Probleme und Lösungsmöglichkeiten bilden können.

(Eva Jähnigen, GRÜNE, steht am Mikrofon.)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte schön.

Herr Staatsminister, Sie haben ausgeführt, dass es sich bei diesen Aufgaben um kommunale Pflichtaufgaben handelt und der Freistaat diese unterstützt, und das sozusagen ergänzend. Ist Ihnen bewusst, dass Artikel 85 unserer Verfassung vorsieht, dass kommunale Aufgaben vom Freistaat mitfinanziert werden müssen, gerade wenn sie ausgeweitet werden? Stimmen Sie mir zu, dass der Sächsische Bildungsplan einen Anspruch an die kommunale Aufgabenausführung stellt, der mitfinanziert werden muss, insbesondere weil es eine Pflichtaufgabe ist?

Es ist richtig, dass der Freistaat Sachsen in der Pflicht steht, die Kommunen bei der Aufgabenerfüllung zu unterstützen. Wie ich ausgeführt habe, hat er das in der Vergangenheit getan, und das wird er auch in Zukunft tun. Mehr noch, wir haben mit Einführung des Bildungsplanes bessere finanzielle Möglichkeiten sowohl bei der Erstattung von laufenden Kosten als auch deutlich erhöhte Ansätze im Investitionsbereich geschaffen.

Ich möchte aber deutlich machen – deshalb bin ich dankbar für die Zwischenfrage, Frau Kollegin –, dass wir über drei Ebenen sprechen. Erstens geht es um Sozialpolitik, indem wir Eltern und Kindern aus sozial und einkommensschwachen Schichten die Möglichkeit geben, in den Genuss dieser Betreuung und Förderung zu kommen. Zweitens geht es um die Frage der Verteilung der Kosten zwischen den Trägern, den Kommunen und dem Land.

Drittens – und das gerät mir ein wenig aus dem Blick – geht es um die Frage der Qualität. Wie verbessern wir die Qualität der Bildung? Denn wir haben ja gehört – und das ist auch meine Meinung –, dass es auf den Anfang ankommt, also so früh wie möglich zu fördern. Deshalb sage ich: Alles zusammen wird nicht gehen.

Neben aller berechtigten Sozialpolitik und neben allen berechtigten Forderungen der Verteilung der Kosten sollten wir uns jetzt darauf konzentrieren, die Qualität zu verbessern. Aber das geht nicht ohne die Eltern, und es wird auch nicht ohne die Träger gehen. Erst wenn sie ihr Einverständnis gegeben haben, was in der Vergangenheit leider nicht einholbar war, werden wir auch substanzielle Fortschritte erzielen können.

Herr Staatsminister, gestatten Sie noch eine weitere Zwischenfrage?

Nein, ich würde gern meine Ausführungen zu Ende bringen.

(Dr. Eva-Maria Stange, SPD, steht am Mikrofon.)

Es gibt noch eine weitere Fragestellerin, und zwar Frau Dr. Stange. Gestatten Sie diese Zwischenfrage?

Nein, vielen Dank. – Im Fortbildungsprogramm des sächsischen Jugendamtes werden die Fachberaterinnen und Fachberater für Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege besonders berücksichtigt. Es werden Jahrestagungen, berufsbegleitende Grundkurse, Qualifizierungen zu einem speziellen Themenfeld und weitere themen- und methodenorientierte Kurse angeboten.

Meine Damen und Herren! An all diesen Themen arbeitet mein Haus bereits intensiv. Jedoch geht es um kostenintensive Standards, bei denen in erster Linie darüber zu diskutieren sein wird, wie sie gerade in der derzeitigen Situation zu finanzieren sind. Dieser Debatte kann man nicht über einen Antrag an die Staatsregierung gerecht werden. Deshalb bitte ich um Ablehnung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Frau Dr. Stange, Sie haben noch einmal die Möglichkeit einer Kurzintervention.

(Heiterkeit)