Protokoll der Sitzung vom 09.07.2014

Wer möchte sich zu dem Entschließungsantrag äußern? – Herr Abg. Hartmann, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: … stimmen dem gern zu!)

werden dem vorliegenden Entschließungsantrag nicht zustimmen. Ich denke, dass auch in den vergangenen Jahren und Monaten immer wieder deutlich geworden ist, wie betroffen uns die Opfer dieser Gewalttaten gemacht haben und dass sie uns eine Verpflichtung sind, uns mit dem Thema auseinanderzusetzen und dafür Sorge zu tragen, dass sich so etwas in Zukunft nicht wiederholen kann.

(Beifall des Abg. Steffen Flath, CDU)

Es ist auch klar, dass wir uns gegen jegliche terroristische und extremistische Gewalttaten stellen und dass wir die ungeheuerlichen Verbrechen, die durch das NSU-Trio vorgenommen worden sind, ablehnen und verabscheuen.

Die Feststellungen, die in den acht Punkten formuliert werden, beziehen sich auf Themen, über die wir zum Teil miteinander diskutiert haben, zum Teil aber noch diskutieren müssen. Ich bedaure zutiefst, dass Sie diesen Entschließungsantrag heute Morgen eingebracht haben. Es ist aber ganz klar, wir brauchen ihn in dieser Form nicht, weder für das Gedenken noch für den ernsthaften Umgang und die künftige Auseinandersetzung mit dem Thema.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Gibt es weiteren Bedarf, zum Entschließungsantrag zu sprechen. – Wenn das nicht der Fall ist, dann komme ich jetzt zur Abstimmung.

Ich beginne mit der Abstimmung über Punkt I des Entschließungsantrages. Wer möchte dem seine Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte?

(Kerstin Köditz, DIE LINKE: Peinlich!)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist Punkt I dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Punkt II auf. Wer möchte dem seine Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Ohne Stimmenthaltungen und bei einer ganzen Reihe von Stimmen dafür ist Punkt II dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Ich rufe Punkt III auf. Wer möchte dem seine Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? –

Stimmenthaltungen? – Das gleiche Abstimmungsverhalten. Bei Stimmen dafür ist Punkt III dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden. Damit erübrigt sich die Gesamtabstimmung.

Meine Damen und Herren! Mit dem Ende der Aussprache zum Abschlussbericht ist auch die Arbeit des 3. Untersuchungsausschusses der 5. Wahlperiode beendet. Ich denke, ich spreche im Namen des ganzen Hauses, wenn ich die Gelegenheit nutze, dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter, allen Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Ausschusses, den beteiligten Mitarbeitern

der Fraktionen, der Landtagsverwaltung, der Staatsregierung und auch den zusätzlich benötigten Honorarkräften für ihre Arbeit zu danken.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Gleiches gilt natürlich auch den Sachverständigen und Zeugen, die sich geduldig, manche auch an mehreren Tagen, den Fragen der Abgeordneten gestellt und nach bestem Wissen und Gewissen zur Wahrheitsfindung beigetragen haben.

Meine Damen und Herren! Ich kann den Tagesordnungspunkt schließen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Effektive und vernetzte Hilfe für traumatisierte Opfer ermöglichen!

Drucksache 5/12677, Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die CDU. Danach folgen FDP, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, NPD und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht. Ich erteile dem Abg. Herrn Mackenroth das Wort.

(Präsidentenwechsel)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Du Opfer“ – mit dieser Formulierung beschimpfen sich nicht selten Jugendliche. Sie steht oft am Anfang von Aggressivität, macht den Tätern Mut und erniedrigt das potenzielle Opfer schon vorab. Diese Formulierung hat das Zeug zum Unwort des Jahres, weil es klar den Stellenwert der Opfer in unserer Gesellschaft zeigt. Die Opfer sind allein, die Täter stehen im Vordergrund.

Meldungen darüber, dass und wie Menschen zu Opfern werden, nehmen wir als Unbeteiligte oft nur bestürzt zur Kenntnis. Wir wenden uns ab. Im besten Fall sind wir betroffen und geschockt. Dabei ist der Schritt von der einen zur anderen Seite wirklich klein. Jeder von uns kann morgen ein Opfer von Krankheit, von Schicksalsschlägen oder eben auch von Straftaten sein.

Wenn wir uns also – nicht ganz so uneigennützig – um die Opfer kümmern, dann leisten wir ein Stück soziale Wiedergutmachung und helfen gleichzeitig den in Not geratenen Mitmenschen und lindern Leid, eine Grundhaltung von Menschlichkeit und Solidarität, die ich als kulturelle Leistung unserer Gesellschaft kennzeichne und die nach meinem Menschenbild unsere Gesellschaft prägen sollte.

Versetzen wir uns in die Opferrolle. Wie geht es Menschen, die solche Taten unmittelbar erleben? Wer kümmert sich um sie? Wie ergeht es Menschen, die Opfer von Gewalt, Raub, Vergewaltigung und dergleichen geworden sind?

Im Ermittlungsverfahren und im Strafprozess steht zu Recht die Aufklärung, steht der Täter im Mittelpunkt. Das Opfer bleibt mit seinen Schäden, mit seinem Trauma oft allein, es ist bloßes Objekt im Verfahren. Wer hilft dem Opfer, um im Anschluss an das Erlebte ohne Ängste weiterleben zu können?

Diesen Fragen widmen wir uns, die Fraktionen der CDU und der FDP, mit dem vorliegenden Antrag. Nach unserer Einschätzung gibt es in diesem Bereich trotz der unbestreitbar von der Staatsregierung und den Opferverbänden bereits entfalteten umfangreichen Bemühungen nach wie vor einiges zu verbessern.

Als Landesvorsitzender des Weisser Ring e. V. kann ich aus erster Hand berichten. Gleichzeitig bin ich damit Vertreter der bedeutendsten Opferschutzorganisation in Deutschland. Auch in dieser Eigenschaft möchte ich vorab allen, die sich zum großen Teil auch ehrenamtlich für die Verbesserung der Situation der von Straftaten Betroffenen einsetzen, meinen ausdrücklichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ohne das Ehrenamt in diesem Bereich, ohne deren Unterstützung wäre die Verarbeitung geschehenen Unrechts für die Betroffenen größtenteils nicht, jedenfalls aber deutlich schwerer möglich.

Einige Zahlen: Zwar erholen sich mehr als 50 % der traumatisierten Menschen innerhalb weniger Stunden oder Tage, bei etwa 15 % der Traumatisierten verbleiben jedoch psychische Folgeschäden, zum Beispiel posttraumatische Belastungsstörungen. Nimmt man allein Gewaltdelikte, so liegt das Risiko bleibender psychischer Schäden sogar bei 56 %. Symptome wie Angstzustände, Albträume oder eine große Schreckhaftigkeit sind zum Teil so stark, dass es zu dauerhaften Einschränkungen im alltäglichen Leben kommt.

Betroffene sind nur bedingt und zum Teil gar nicht mehr in der Lage, ihren Alltag zu bewältigen. Zu den durch die Traumata verursachten Zuständen kommen gegebenenfalls Existenzängste, Versagensängste, das Gefühl der Hilflosigkeit. Ergebnis fehlender Traumaverarbeitungen sind gar nicht so selten dauerhafte Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Verrentung. Auf die dadurch entstehenden enormen Kosten für unsere Volkswirtschaft will ich nur am Rande hinweisen. Die Wissenschaft jedenfalls belegt: Für traumatisierte Opfer ist nur schnelle Hilfe auch gute und nachhaltige Hilfe.

Meine Damen und Herren, eine zeitnahe Versorgung der Betroffenen verringert die Wahrscheinlichkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung entscheidend.

Deshalb begrüßen wir als Koalitionsfraktion ausdrücklich den von der Staatsregierung eingeleiteten Aufbau der sogenannten Traumaambulanz. Hier erhalten Opfer einer Straftat schnelle und professionelle Hilfe, damit sich ihr Leiden nicht verschlimmert. Ihnen helfen nämlich nur niedrigschwellige und professionelle Angebote, die sie auch erreichen. Werden unerkannte Traumafolgestörungen schnell und fachgerecht behandelt, dann können sie vollständig ausheilen. Der Zeitfaktor ist entscheidend. Die Wartezeit für eine langfristige psychosoziale Nachsorge liegt aber derzeit bei mehreren Monaten bis hin zu einem halben Jahr. Noch einmal: Die Wissenschaft sagt unmissverständlich: Werden Traumata innerhalb von 14 Tagen erstbehandelt, vermindert sich das Risiko dauerhafter Schäden um weit über 50 %.

Mein ausdrücklicher Dank gilt in diesem Zusammenhang auch der Staatsregierung. Unsere Sozialministerin und ihre Staatssekretärin ganz persönlich haben sich des Themas Traumaambulanzen intensiv und beherzt angenommen, nachdem der Weiße Ring es zum Schwerpunktthema des Tages der Kriminalitätsopfer im Jahr 2011 erklärt hatte. Sachsen hat als eines der ersten Bundesländer vorbildlich das Projekt Traumaambulanzen umgesetzt. Übermorgen feiern wir zusammen mit dem Verein „Traumanetz seelische Gesundheit“ an der TU Dresden die Eröffnung der flächendeckenden Traumaambulanz für den Freistaat in neuen Räumen. Der Klinikvorstand konnte von der Notwendigkeit einer solchen Ambulanz überzeugt werden, sodass dort Beratung und Behandlung mit mehr Personal angeboten werden kann. Gute weiterführende Gespräche gibt es für ähnliche Aktivitäten bereits in Görlitz und in anderen Orten in Sachsen.

Noch einmal: Am 11. Juli werden die neuen Räume der Traumaambulanz in der Dresdner Lukasstraße eröffnet. Dies, meine Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, ist in jedem Fall ein guter Tag für die Opfer von schweren Straftaten.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE – Beifall bei der Staatsregierung)

Ein zweites und nicht minder wichtiges Thema, dem sich dieser Antrag widmet, ist das Recht auf materielle Opferentschädigung. Nach dem OEG, dem Opferentschädi

gungsgesetz, haben Opfer vorsätzlicher Straftaten unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Heilbehandlung und Versorgung auch psychischer Schädigungsfolgen. Dieses Gesetz soll eigentlich die Finanzierung der Versorgungsleistungen durch die Traumaambulanzen sicherstellen. Jedoch gibt es nach meiner Kenntnis kaum einen Rechtsbereich, in dem Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderfallen. Im Vollzug und in der praktischen Umsetzung des OEG bestehen nach meiner Einschätzung deutliche Defizite. Das liegt zum Teil daran, dass das OEG noch immer selbst bei Behörden und Anwälten nicht ausreichend bekannt ist. Deshalb erhalten nur wenige Betroffene eine spürbare Hilfe bei der Bewältigung körperlicher, seelischer oder wirtschaftlicher Tatfolgen. Um das zu ändern, bedarf es einer geeigneten Öffentlichkeitsarbeit, zu deren Grundvoraussetzungen die ebenfalls mit unserem Antrag geforderte Vernetzung bestehender Einrichtungen der Opferhilfe zählt.

Andererseits hält das OEG selbst genügend Unwägbarkeiten bereit. Sehr strenge Nachweis- und Dokumentationspflichten sowie lange Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren stehen den notwendigen schnellen Hilfeleistungen oft konträr gegenüber und erschweren den Leistungsbezug nach dem OEG für die Betroffenen ungemein. Sie führen gelegentlich sogar zu einer weiteren Traumatisierung. Der Zeitfaktor ist zwar im Grundsatz nachvollziehbar, da durch das Gesetz nur die Folgen vorsätzlicher Straftaten behandelt und entschädigt werden sollen. Bis zur endgültigen, oft mit Sachverständigenhilfe Jahre dauernden Klärung der Frage, ob Krankheitsbilder Folgen der Straftat sind oder nicht, erhalten Opfer gar keine oder nur vorläufige Leistungen. Dies gilt es nach Meinung der einbringenden Fraktionen in geeigneter Weise zu ändern. Wir wollen mit unserem Antrag einen Beitrag dazu leisten, die Möglichkeiten für Opfer vorsätzlicher Straftaten zu verbessern. Deren psychische Belastungen müssen frühzeitig erkannt werden. Ihre zeitnahe ärztliche Versorgung ist sicherzustellen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und des Abg. Horst Wehner, DIE LINKE – Beifall bei der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Es ist richtig, in der Opferarbeit bleibt insgesamt noch viel zu tun. Die Polizei muss beispielsweise noch mehr als bisher strukturiert dazu angehalten werden, schon bei der Aufnahme von Strafanzeigen und Zeugenvernehmungen Opfer auf die zahlreichen Hilfsmöglichkeiten nicht nur des Weißen Ringes hinzuweisen. Auch in diesem Punkt sind wir im Dialog mit der Staatsregierung und auf gutem Wege. Ein guter Anfang ist im Freistaat mit den Traumaambulanzen allemal gemacht.

Meine Damen und Herren! Abschließend möchte ich auf den hiermit eingebrachten Änderungsantrag hinweisen, mit dem die Frist zur Berichterstattung durch die Staatsregierung bis zum 31. August verlängert wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)