Es war ausgerechnet Justizminister Mackenroth – der jetzt leider nicht mehr anwesend ist, ich hatte mich so gefreut –, der sich sozusagen als letzter Mohikaner dem geballten Willen des Justizapparats entgegengestellt hat, Herrn Röger durch die Zuweisung eines neuen, schönen Amtes zufriedenzustellen.
Ich verweise auf meinen Bericht, der jetzt geheim ist. Ich fordere Sie von der Opposition und von der Koalition wirklich auf: Lesen Sie diesen Bericht! Es ist wirklich ein fantastisches Sittengemälde über die Verquickung und die Art und Weise, wie in der sächsischen Justiz gehandelt wird. Tun Sie sich das an.
Meine Damen und Herren! Zum Schluss bleibt festzustellen, dass sich die Institutionen der parlamentarischen Demokratie hier nicht mit Ruhm bekleckert haben, ich möchte sogar sagen, dass sie versagt haben. Das eigentliche Problem ist, dass wir hier mit rechtsstaatlichen Methoden keine Gerechtigkeit geschaffen haben, sondern dass wir weitere Ungerechtigkeiten aufgehäuft haben und dass wir die Schwächsten, nämlich die ursprünglichen Opfer, auch heute noch als Opfer zurücklassen. Das ist das, was uns wirklich zu denken geben sollte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor sieben Jahren der hier und heute abschließend zu bewertende Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen wurde, hätte bereits der elfzeilige Titel mit völlig neuen Wortschöpfungen Skepsis hervorrufen müssen, was das mögliche Arbeitsergebnis dieses Mammutunternehmens betraf.
Der Untersuchungsgegenstand war nämlich viel zu weit gefasst, um zu einem greifbaren Ergebnis kommen zu können. Es war bei all ihren legitimen Profilierungsversuchen aber nicht die Schuld der Oppositionsparteien, sondern der Verweigerungstaktik der damaligen
CDU/SPD-Regierung geschuldet, dass sich dieser Ausschuss so festgebissen hatte, dass er in der neuen Legislaturperiode ab 2009 erneut eingesetzt werden musste.
Auftrag dieses Untersuchungsausschusses war es, Fehler und Mängel der sächsischen Justiz, der Politik und der Behörden bei der Aufdeckung organisierter Kriminalität aufzuspüren und nachzuweisen. Aber auch nach sieben Jahren angestrengter Aufklärungsbemühungen gibt es nicht viel mehr als Verdachtsmomente für die Existenz korruptiver Verhältnisse in Justiz, Rotlichtmilieu und Immobilienbranche – Verdachtsmomente, die aber nicht belegt werden konnten.
So überrascht es nicht, dass sich die CDU im Untersuchungsausschuss dieser Legislaturperiode wesentlich kooperativer zeigte als im vorangegangenen Untersuchungsausschuss und die Union gebetsmühlenartig erklärte, dass es kriminelle und korruptive Netzwerke in Sachsen weder gegeben habe noch gebe. Fragen und Zweifel aber bleiben, und das nicht nur beim Komplex der herrenlosen Immobilien.
Bemerkenswert und teilweise erschütternd sind aus der Sicht der NPD-Fraktion die Einblicke, die der Untersuchungsausschuss in Funktionsweisen, Defizite und Personalführungsmethoden bei der Justiz, den Ministerien und vor allem dem Landesamt für Verfassungsschutz gewährt bekam. Die dort sichtbar gewordenen Verhältnisse haben etwas von einer bizarren Mischung aus dem staatsautoritären Weißrussland und der Bananenrepublik Burkina Faso. So ist beispielsweise der Umgang mit den beiden damals minderjährigen Zwangsprostituierten, die bei der Vorlage von Fotos potenzieller Verdächtiger durch die Polizei seinerzeit auch zwei hochrangige Juristen als “Kunden“ erkannten, nur als skandalös zu bezeichnen. Dass den Zwangsprostituierten staatlicherseits bereits vorher im Falle einer erneuten Aussage mit einer Strafanzeige gedroht wurde, ist nicht nur ein dreister Einschüchterungsversuch.
Dass diese Drohung kein juristisches Nachspiel für die Urheber hatte, spricht auch Bände über den undemokratischen Korpsgeist bestimmter Richter und Staatsanwälte im Freistaat.
Eine besonders zwielichtige Rolle spielten wieder einmal die Präsidenten und Vizepräsidenten des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Man kann sich hier lebhaft vorstellen, mit welch rechtsstaatswidrigen Methoden der Verfassungsschutz gegen die von ihm zu observierenden Personen und Parteien vorgeht, wenn man im Ausschuss mitbekommen hat, wie das Landesamt für Verfassungsschutz gegen eigene, in Ungnade gefallene Mitarbeiter vorgegangen ist und noch vorgeht. Von den Vernehmungsmethoden und Einschüchterungstaktiken der Präsidenten und Vizepräsidenten des Sächsischen Verfassungsschutzes können sich Inlandsgeheimdienste aus totalitären Staaten in der Tat noch eine Scheibe abschneiden.
Nach jahrelanger Arbeit dürfte es der Untersuchungsausschuss eigentlich nicht bei einem sogenannten Abschlussbericht belassen, sondern müsste vielmehr ein „Schwarzbuch des Sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz“ auflegen. Darin müsste es um Strafversetzungen unbotmäßiger Mitarbeiter, um Aktenvernichtung, Täterführung, chronische Erinnerungslücken maßgeblicher VSRepräsentanten und Zeugenbeeinflussung sowie Prozessverschleppung gehen, um VS-Machenschaften im Bereich des Untersuchungsgegenstandes des U-Ausschusses zu vertuschen.
Arbeit und Ergebnisse des 2. Untersuchungsausschusses zur Aufklärung krimineller und korruptiver Netzwerke haben der NPD einmal mehr gezeigt, dass sie mit ihrer Einschätzung richtig liegt, dass der Verfassungsschutz die Verfassung so wenig schützt wie das Frostschutzmittel den Frost.
Meine Damen und Herren, dieser skandalumwitterte Inlandsgeheimdienst namens Verfassungsschutz gehört abgeschafft. Wenn es nach abschließender Bewertung der NPD auch keinen sogenannten Sachsensumpf gab, so gab es aber doch immerhin ein sehr unappetitliches Feuchtgebiet, in dem Prinzipien der Gewaltenteilung zum Schutz bestimmter Machtgruppen außer Kraft gesetzt wurden, und damit bis heute dem Rechtsstaat und dem Ansehen des Freistaats ein schwerer Bärendienst erwiesen wurde.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Reihen der Fraktionen? – Herr Bartl für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kollege Piwarz, Sie haben uns bzw. mir vorgeworfen, die hauptsächlichen Skandalisierer gewesen zu sein, die 2007 letzten Endes dafür gesorgt haben, dass die Problematik „Sachsen-Sumpf“Affäre in die Öffentlichkeit gekommen sei. Das ist so nicht richtig.
Sie wissen, Herr Piwarz, dass Herr Staatsminister Dr. Buttolo in dieser besagten „Mafia-Rede“ am 5. Juni 2007 – wenn ich das einmal vorhalten darf – Folgendes vor diesem Hause sagte: „Es ist klar, dass das perfide Netzwerk, das ins Visier des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden gelangt, versuchen wird zurückzuschlagen. Dies ist aus ihrer Sicht verständlich. Die OK wird mit den für sie typischen Mitteln zurückschlagen, da wir das Netzwerk zerstören. Anders als die PDS es immer darstellt, ist nicht das LfV das Problem, sondern das Netzwerk Organisierte Kriminalität“; Beifall bei der CDU und der Staatsregierung.
Herr Präsident! Herr Bartl, ich hatte Ihre Ausführungen vorhin in meiner Rede zitiert. Sind Sie mit mir einer Meinung bzw. haben Sie die gleiche Erinnerung wie ich, dass Staatsminister a. D. Dr. Buttolo in seiner Vernehmung im alten Untersuchungsausschuss der 4. Wahlperiode sehr deutlich gemacht hat,
Ich gebe Ihnen darin recht, dass der Herr Staatsminister das gesagt hat. Allerdings hat er es gesagt, nachdem ihm bereits am 18.06.2007, wie wir heute wissen, durch den am 15.06.2007 ins Amt gekommenen neuen Präsidenten Boos mitgeteilt worden ist, dass alles, was bisher durch die PKK und andere bewertet worden ist, falsch sei. Er habe – Boos – innerhalb von drei Tagen erkannt, dass das Referat Organisierte Kriminalität – jetzt sage ich es einmal so definiert – ein einziger Miststall ist, und wer das in drei Tagen leisten kann, bei 15 600 zusammengetragenen Seiten, der kann, bitte schön, im Zirkus auftreten.
Dort beginnt das Problem. Wenn ein Staatsminister im Juni vor dieses Hohe Haus tritt und dem Hohen Haus sagt „Wir rücken jetzt zusammen, weil uns das Netzwerk an die Gurgel greift“,
dann darf doch wohl die Opposition davon ausgehen, dass ein Staatsminister das, was er hier sagt, kalkulieren kann.
Das darf doch wohl vorausgesetzt werden. Wenn der Redenschreiber ihn so weit geführt hat, dass er überhaupt nicht darüber nachgedacht hat, das nicht überprüft hat, dann legen Sie es, bitte schön, nicht der Opposition oder irgendwelchen Dritten zur Last.
Zweitens. Sie sagten, Kollege Piwarz: Keiner der Zeugen, die als Staatsanwälte vernommen worden sind, hat vor dem Ausschuss bestätigt, dass es Einflüsse seitens der Staatsregierung gab. Sie waren dabei, Herr Piwarz. Ich schätze Sie als Kollegen, und ich muss mich auch bei Ihnen als Obmann der CDU-Fraktion für die konstruktive, sachliche Zusammenarbeit bedanken.
Aber Sie haben den Eißer-Bericht doch genauso gelesen, der dem Ausschuss vorliegt, den Bericht des wachen Auges des Landgerichtspräsidenten aus Waldshut
den wir zum Halbtagsbeamten bestellt haben. Er schreibt – das ist schwarz auf weiß niedergelegt – beim vierten Besuch am 05.07.2007: „Besprechung mit Frau Staatssekretärin Hauser, Herrn Dr. Sprenger, Abteilung 3, Herrn Generalstaatsanwalt Dr. Schwalm, Herrn Henning Drecoll über Fragen der Pressepolitik, ob es geboten sei, nach § 71 Abs. 2 Verfügungen jetzt schon zu treffen; Zusammenhänge mit dem Disziplinarverfahren, Stand der Aktenübersendung.“
Das heißt im Klartext: Am 04.07.2007, eineinhalb Monate nach Übersendung der ersten Dossiers, wird im Justizministerium mit den ermittlungsleitenden Staatsanwälten beraten, ob man die Verfahren nach § 170 Abs. 2 einstellt. Das ist doch eine glatte Verletzung der Gewaltenteilung. Im laufenden Verfahren hat die Staatsanwaltschaft allein die Herrschaft. Dort hat kein Justizminister und kein Abteilungsleiter aus dem Justizministerium etwas zu suchen, auch kein waches Auge, das dem Ruf nach Sachsen gefolgt ist.
Hinzu kommt, dass der nächste Satz in der ganzen Sache lautet: „Der besonders aufgebauschte Komplex ‚Abseits III‘ ist nahezu einstellungsreif. Was noch fehlt, ist eine endgültige Aktenlieferung durch das LVS.“ – Also Einstellung nach § 170 Abs. 2, Strafklageverbrauch
letzten Endes, ohne dass die Akten da sind – und das wird im Justizministerium beredet. Wenn dann von der Ausschussmehrheit erklärt wird, dass es keine sachwidrigen Einflüsse gab, dann ist das nicht wahr, und dann ist das nicht nachvollziehbar.
Richtig ist: Man muss alles bewiesen haben, bevor man beschuldigen kann. Aber die Voraussetzung dafür, dass man beweisen kann, ist, dass man ermittelt. Nun wissen Sie doch: Von den insgesamt 58 Verfahren, die diese „Sachsen-Sumpf“-Ermittlungseinheit eingeleitet hat, sind knapp 60 % Gegenverfahren, also Verfahren gegen Menschen, die versucht haben, Sachverhalte im „SachsenSumpf“-Komplex aufzuklären; Verfassungsschutzbeamte, Rechtsanwälte, Journalisten, die darüber berichtet haben, Zeugen, von denen heute die Rede war, usw.
Wir wissen: Zu dem Komplex, der mit am weitesten aufbereitet wurde – „Abseits II“ genannt –, in dem es um diese schmutzigen, grenzüberschreitenden Geschäfte mit Kindern geht – Kinderhandel, Zwangsprostitution usw. –, gibt es ein Vorlaufverfahren, und es gibt vier Verfahren gegen Journalisten, die dort berichtet haben, ansonsten nichts. Zum Komplex „Italienische Mafia“ gibt es ein einziges eingeleitetes Verfahren – und Ende. Nichts zu Ende gebracht und keine originären Zeugen verhört – allenfalls die früheren bearbeitenden Staatsanwälte. Da sage ich: So konnte man nicht zur Wahrheit und zum Beweis kommen. Da muss der Ausschuss, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, sagen: Es ist nicht zielführend ermittelt worden. – Genau das ist letzten Endes, was zum Ausdruck kommt.