Protokoll der Sitzung vom 10.07.2014

Wir wissen: Zu dem Komplex, der mit am weitesten aufbereitet wurde – „Abseits II“ genannt –, in dem es um diese schmutzigen, grenzüberschreitenden Geschäfte mit Kindern geht – Kinderhandel, Zwangsprostitution usw. –, gibt es ein Vorlaufverfahren, und es gibt vier Verfahren gegen Journalisten, die dort berichtet haben, ansonsten nichts. Zum Komplex „Italienische Mafia“ gibt es ein einziges eingeleitetes Verfahren – und Ende. Nichts zu Ende gebracht und keine originären Zeugen verhört – allenfalls die früheren bearbeitenden Staatsanwälte. Da sage ich: So konnte man nicht zur Wahrheit und zum Beweis kommen. Da muss der Ausschuss, wenn er der Wahrheit die Ehre geben will, sagen: Es ist nicht zielführend ermittelt worden. – Genau das ist letzten Endes, was zum Ausdruck kommt.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Kollege Piwarz, ein letzter Gedanke an Sie gerichtet – ich schätze Sie auch als Jurist – zu dem, was am 03.07.2007 gelaufen ist: Frau Skroch, damals Henneck, früh zum Dienst kommend, um den Komplex „Abseits II“ aufzubereiten, tritt mit der Botschaft beim Dienst an: „Ich fühl‘ mich nicht gut, ich bin krank“ – wie sich abends beim Notarzt herausstellt, wegen einer beginnenden Hirnhautentzündung. Sie hat früh erklärt: Ich bin krank, ich will das aber hier machen, ich habe dem Minister versprochen, ich bringe das Dossier, das Behördenzeugnis zu „Abseits II“.

Sie bekommt an diesem Morgen zur Antwort: „Nix da, es bleibt alles auf dem Schreibtisch, Sie fahren zur Vernehmung zur Staatsanwaltschaft Dresden.“ Und auf ihren Einwand – erstens bin ich krank, zweitens bin ich nicht vorbereitet – hört sie: Das ist eine Weisung. Daraufhin fährt sie zur Staatsanwaltschaft, wird sechs Stunden bei der Staatsanwaltschaft vernommen und muss dann mit dem Fahrer, mit dem sie hingefahren ist, zurückgebracht werden. Sie bricht dann im Landesamt zusammen, es muss der Rettungsdienst geholt werden. Der Rettungsdienst steht da, steht draußen mit dem Rettungssanitäter vor dem Raum – und Herr Boos und Herr Dr. Vahrenhold bearbeiten diese Beamtin noch eine knappe Stunde.

(Christian Piwarz, CDU: Das ist nicht richtig! Schildern Sie die Situation richtig!)

Das ist richtig. Das lässt sich von der Zeit belegen, nachdem man objektiv reingeht.

(Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Sie bearbeiten diese Beamtin. Und Sie wissen ganz genau, dass vor dem 03.07. bereits entschieden war, dass ein Disziplinarverfahren gegen Frau Skroch eingeleitet wird. Nur auf die Bitte der Staatsanwaltschaft ist es der Frau Skroch oder Henneck damals nicht bekannt gemacht worden, weil sie sonst an diesem Tag gesagt hätte: „Ich sage hier nichts aus, gegen mich läuft ein Verfahren.“ Das hat man ihr verschwiegen.

Das ist doch so etwas von elementar rechtsstaatwidrig! Das kann doch auch qua Mehrheit nicht gerechtfertigt werden!

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Herr Bartl, Sie gestatten eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Lichdi.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Herr Kollege Bartl, trifft es zu, dass die beiden Rettungssanitäter vor dem Ausschuss ausgesagt haben, dass ihnen während ihrer gesamten Berufstätigkeit eine ähnliche Situation noch nie untergekommen ist, dass sie nämlich eine offensichtlich hochkranke Person ins Krankenhaus befördern wollen und sie daran gehindert werden?

Ja, das haben die beiden Rettungssanitäter ausgesagt – nachdem sie belehrt worden sind über ihre Wahrheitspflicht und die strafrechtlichen Folgen falscher Aussagen. Sie haben auch gesagt: Als Frau Skroch schon auf der Trage war, mussten sie noch einmal anhalten, nachdem sie aus dem Zimmer herausgekommen ist, weil Frau Skroch noch die Schlüssel abgenommen worden sind. Und nachdem der Rettungsarzt informiert war, wurde gegen diese hochkranke Frau noch das Disziplinarverfahren eröffnet.

Das Problem ist: Als Frau Henneck eine Strafanzeige gegen ihre beiden Vorgesetzten, den Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz und den Vizepräsidenten, wegen Körperverletzung, wegen Nötigung erstattet, kommt es zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die sächsische Staatsanwaltschaft – und das Verfahren wird eingestellt nach § 170, ohne die beiden Beschuldigten auch nur zu hören. Weder Boos noch Vahrenhold sind als Beschuldigte vernommen worden; es ist sofort der Deckel nach § 170 Abs. 2 draufgemacht worden. Das nenne ich Botmäßigkeit als Ermittlungseinheit!

(Christian Piwarz, CDU: Nicht herumschreien!)

Herr Bartl, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Nolle, bitte.

Herr Kollege Bartl, trifft es zu, dass die draußen vor der Tür des Ruheraumes wartenden Rettungssanitäter mehrfach versucht haben, dass man die „Behandlung“ von Frau Skroch jetzt beendet und sie ins Krankenhaus fahren lässt?

Und trifft es auch zu, dass ein Rettungssanitäter ausgesagt hat, dass sie den Notarzt deswegen gerufen haben, weil sie glaubten, selbst nicht genug Autorität zu haben und der Rettungsarzt mit mehr Autorität dafür sorgte, dass diese Sonderbehandlung – diese weißrussische Sonderbehandlung – von Frau Skroch endlich beendet wurde?

(Patrick Schreiber, CDU: Das ist unglaublich! Das ist eine Lüge! Vorsicht, was Sie jetzt sagen! – Weitere empörte Zurufe von der CDU)

Ich sage tatsächlich das, was ich verantworten und beweisen kann. Hineinschauen in die Vernehmung des Rettungssanitäters!

(Patrick Schreiber, CDU: Schauen Sie ins Protokoll!)

Der Rettungssanitäter hat gesagt: Ich habe den Rettungsarzt informiert, um – sinngemäß – die Autorisierungsschwelle zu erhöhen, weil wir nicht ausreichten, die Patientin mitnehmen zu können, sie herausgegeben zu bekommen. Das hat er definitiv ausgesagt.

(Patrick Schreiber, CDU: Schauen Sie ins Einsatzprotokoll!)

Das hat der Rettungssanitäter vor dem Ausschuss ausgesagt – lesen Sie das Protokoll nach; das ist sogar in Auszügen im Minderheitenbericht zitiert an der Stelle, wo wir die entsprechende Darlegung bringen. Das ist genau die Aussage gewesen.

(Patrick Schreiber, CDU: Schwachsinn!)

Ein letzter Punkt, Kollege Piwarz – auch von Rechtspolitiker zu Rechtspolitiker –: Sie haben es angedeutet, gegen Frau Henneck/Skroch, gegen Herrn Wehling sind nunmehr seit insgesamt sieben Jahren – sieben Jahren! – die verschiedensten Disziplinarverfahren, Strafverfahren und dergleichen mehr eingeleitet; sie sind wiederholt dienstenthoben worden – teilweise über Jahre –, dann wieder in den Dienst versetzt worden, dann kam die Anklageschrift, dann wieder die Dienstenthebung und Ähnliches mehr.

Die Anklageschrift gegen Frau Skroch und Herrn Wehling mit dem Vorwurf der Verfolgung Unschuldiger, eines Verbrechens, ein Jahr Mindestfreiheitsstrafe, bis zu zehn Jahren, liegt seit dem 10.11.2010 bei der 3. Großen Strafkammer des Landgerichtes Dresden – vier Jahre, ohne dass auch nur entschieden ist, ob man diese Anklage eröffnet, ob man sie annimmt, ob man verhandelt.

Man muss sich einmal vorstellen, wenn man in der Situation dieser beiden Beamten ist, für die der Freistaat Sachsen Fürsorgepflicht hat, was das menschlich mit einem macht.

(Zuruf des Abg. Christian Piwarz, CDU)

Beide mussten sich erst wieder durch neue Klagen, die erst im letzten Jahr entschieden worden sind, in den Dienst zurückklagen – mit jetzt minderer Tätigkeit, die sie verrichten müssen. Das hat mit Rechtsstaat nichts mehr zu tun!

(Empörte Zurufe von der CDU)

Wenn Ihnen nichts weiter einfällt, kommen Sie mir gern mit meinem 24 Jahre zurückliegenden Leben – gern, das nehme ich so entgegen.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das haben sie 40 Jahre mitgemacht!)

Das ist jetzt nicht mein Problem. – Kollege Piwarz, es hätte an dieser Stelle die Größe aufgebracht werden können – auch von der Koalition – zu sagen, das wollen wir geklärt haben; wir wollen geklärt haben, warum genau diese Kammer, bei der dieses Verfahren seit nunmehr vier Jahren liegt, vor einem Dreivierteljahr noch die ganzen Staatsschutzdelikte dazubekommen hat. Da entscheidet über die Personalbereitstellung sehr wohl der Justizminister.

(Christian Piwarz, CDU: Nein, das ist genau nicht das Thema!)

Der Justizminister entscheidet über die Personalbereitstellung.

Meine letzte Bemerkung. Es geht bei dem ganzen Komplex „Sachsen-Sumpf“ um eine einzige grundsätzliche Frage: Welche Kraft bringt die Gesellschaft hier im Freistaat Sachsen auf, wenn eine solche Situation, ein solcher komplexer Verdacht in der Welt ist, das wirklich vernünftig und sauber zu klären? Und warum muss immer aus dem Interesse von Machterhalt und Schutz der in Funktion Befindlichen und dergleichen mehr auf höherer Ebene der Sachverhalt auf eine Art und Weise geklärt werden, dass auch Menschen, die sich in Zeugenfunktion, in Beamtenfunktion, in sonstiger Tätigkeit für den Freistaat Sachsen zur Verfügung gestellt haben, Schäden fürs Leben davontragen müssen?

Es ist ein Drama, dass ein Verfassungsschutzbeamter von Ende 30, der nichts anderes gemacht hat als sich zu weigern, Quellen zu offenbaren, zu legendieren, so lange strapaziert worden ist und von der Ebene als Undercover zum Streifendienst versetzt wird, dass er mit 38 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand gehen muss, weil er nicht mehr dienstfähig ist.

Das sind Fakten, die sich nicht wegschweigen, nicht rechtfertigen lassen, und die hätten auch qua Mehrheit als falsch erklärt werden müssen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Für die CDUFraktion Herr Abg. Piwarz; bitte, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin ja den Kollegen Bartl und Lichdi durchaus dankbar, dass sie zumindest einige Details stärker beleuchtet haben, um die wir uns im Ausschuss gestritten haben – während das Geschwafel von Herrn Stange und Herrn Nolle eher allgemeiner Natur gewesen ist und vor allem versucht hat zu vertuschen, dass an diesen ganzen „Sachsen-Sumpf“-Vorwürfen nichts drangewesen ist.

Aber, Herr Kollege Bartl, Sie wissen auch, dass es zu dem, was Sie an Fragestellungen – als Frage ist es durchaus zulässig – aufgeworfen haben, ganz andere Darstellungen im Ausschuss gegeben hat und dass letztendlich eine Aufklärung, was zum Beispiel am 03.07. genau passiert ist, im Ausschuss nicht mit letztlicher Gewissheit dargestellt wurde.

Kollege Schreiber hat es vorhin schon in seinem Zwischenruf dargestellt, dass es erhebliche Diskrepanzen gibt zwischen dem, was Frau Skroch uns geschildert hat, zwischen dem, was das Einsatzprotokoll hergibt, und dem, was Herr Vahrenhold und Herr Boos uns geschildert haben.

(Beifall des Abg. Peter Schowtka, CDU – Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

Das möchten Sie, bitte schön, dem Landtag auch noch mitteilen.