Protokoll der Sitzung vom 30.03.2010

Herr Tillich hat kürzlich mit Blick auf den Haushalt gesagt, es gebe keine Schonbereiche. Da will ich dann doch für DIE LINKE ganz klar sagen: Rasenmäher sind völlig ungeeignete politische Gestaltungselemente. – Wir haben uns festgelegt: Keine Kürzung bei der Bildung und bei den sozialen Standards, und selbstverständlich brauchen wir auch einen Schutzschirm für Kommunen. – Das sind unsere drei ganz konkreten Schonbereiche, und mit diesen Prämissen werden wir auch in die Haushaltsdebatte gehen.

Doch was will eigentlich die Regierung, was will die Koalition? Wo sind Ihre Vorschläge zur Verwaltungsmodernisierung, Herr Zastrow? Wo ist Ihr Antrag zur Auflösung der Landesdirektionen? Wo ist Ihr Antrag zur Zusammenlegung von Landesbehörden, zum Beispiel was das Landesamt für Statistik angeht? Wo ist Ihr Antrag für eine gemeinsame Landesbank Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt? – Das sind alles konkrete Dinge, über die wir gern reden wollen.

(Holger Zastrow, FDP: Landesbank? – Christian Piwarz, CDU: Was für eine Bank?)

Ich meine die Förderbank SAB. – Lassen Sie uns über solche Fragen reden. Aber von Ihnen kommen keine

Vorschläge, Sie schweigen sich aus. Gerade deshalb erwarte ich vom Ministerpräsidenten, dass er sich äußert. Was wollen Sie denn machen? Wollen Sie die Betreuungsschlüssel für Kindertagesstätten senken, ja oder nein? Oder wollen Sie ihn erhöhen?

(Holger Zastrow, FDP: Nein!)

Stimmt es, dass Sie die Klassenstärken erhöhen wollen, und wissen Sie, dass das neue Schulschließungen bedeuten würde? Gibt es ernsthafte Überlegungen, in Sachsen zum Beispiel eine Hochschule zu schließen? Wenn ja, welche? Trifft es zu, dass Sie die Mittel im Rahmen des Kulturraumgesetzes in zweistelliger Millionenhöhe kürzen wollen? Was bedeutet das vor Ort? Glauben Sie wirklich, dass Ihre Politik dazu führt, dass junge Lehrer und Polizisten nach Sachsen kommen, wenn Sie aus der Tarifgemeinschaft deutscher Länder austreten wollen?

Die Redezeit, Herr Kollege!

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Kein Ministerpräsident kann auf Dauer farblos bleiben. Deshalb sollte Herr Tillich heute öffentlich Farbe bekennen. Sagen Sie den Menschen, wohin Sie das Land steuern wollen; denn wenn Sie es nicht tun, wird bei immer mehr Bürgerinnen und Bürgern die Einsicht wachsen:

Die Redezeit ist abgelaufen.

Noch nie wurde Sachsen so schlecht regiert wie heute!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das war für die Fraktion DIE LINKE Herr Hahn. – Als Nächstes spricht für die SPD-Fraktion Kollege Pecher.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich stelle erst einmal fest, dass in Sachsen in der Vergangenheit Steuergelder zielgenau und gut für dieses Land eingesetzt wurden und nach wie vor eingesetzt werden, weil ich glaube, der Titel dieser Aktuellen Debatte „Steuergeld verantwortungsvoll einsetzen“ unterstellt, dass das in Sachsen nicht der Fall sein könnte. Das weise ich ausdrücklich zurück.

Kommen wir aber zum Thema Standards. Man muss feststellen, dass in Sachsen im Bereich der Regierung per se eine Standardabsenkung allein aufgrund der Regierungsbeteiligung der FDP stattgefunden hat.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der FDP)

Wenn man sich das Thema dieser Debatte aktuell anschaut, dann muss man auch dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Flath, zugestehen: Es ist aktuell, dass man das Niveau dieser Debatte derart tief fahren kann.

Kommen wir zu der Frage, was die FDP mit dem gesamten Bereich Standardabsenkung verbindet. Da braucht man sich nur einmal den Landesparteitag anzuschauen: „Staatsmodernisierung... werden wir staatliche Aufgaben und Vorschriften streichen, staatliche Förderprogramme reduzieren. Abbau von Stellen, Ausstieg aus der Tarifgemeinschaft.“ – Das verstehen Sie offensichtlich unter Standardabsenkung.

Machen wir es doch einmal praktisch an dem Bereich der Bildungspolitik fest: Teilzeitarbeit für Lehrer. Sie wollen junge Leute ausbilden und bieten ihnen für die Perspektive als Standard Teilzeitbeschäftigung und auch noch mit niedrigerer Bezahlung. Das hat zur Folge, dass diese jungen Leute in die Altbundesländer gehen. Das definiert die Perspektive „Geberland“ vollkommen neu. Warum stellen Sie denn nicht gleich Bildungschecks nach BadenWürttemberg und Bayern aus?

(Beifall bei der SPD)

Dann können Sie sich doch die Ausbildung sparen, die ausgebildeten Lehrer gehen dann eh nach drüben.

Schauen wir auf das Thema Jugendpauschale. Sie bringen es fertig, die Mittel des Landes um 4 Millionen Euro zu senken, obwohl Sie ganz genau wissen, dass spätestens im Jahr 2011 die Rechtsaufsicht bei den Kreisen eingreifen und die Kofinanzierung ebenfalls kürzen wird. Damit machen Sie aus der Kürzung von 4 Millionen Euro eine Kürzung von 8 Millionen Euro. Das sind Standardabsenkungen, die real stattfinden.

Oder schauen Sie sich die Zusätzlichkeitskriterien an, die Sie eingebracht haben, damit Sie die 140 Millionen Euro Mindereinnahmen in Sachsen verkaufen können. Selbst der Baugewerbetag in Zwickau – weiß Gott keine SPDKlientel – kritisiert dieses Vorgehen massiv, weil Sie damit Folgeinvestitionen in den Kommunen blockieren. Das sind Standardabsenkungen, die Sie durchführen.

Ich muss deutlich sagen: Ich stelle es mir toll vor, wenn die Leuchten von der FDP dann eingekeilt zwischen Finanzministerium, Fachministerium, Rechnungshof und SAB sitzen und über Verwaltungsvorschriften und Standards diskutieren wollen. Gestatten Sie mir zu sagen: Ich habe mir das Wort „Arm“ vor dem Wort „Leuchten“ verkniffen, denn was dabei herauskommt, das wage ich mir gar nicht auszudenken. Das, was eigentlich des Pudels Kern ist, dass man Verwaltungsvorschriften und Förderprogramme a) mit den Betroffenen diskutiert und b) zum Beispiel in den Fachgremien diskutiert, das sagen Sie nirgendwo. Das wollen Sie auch gar nicht, weil Sie es letztendlich nicht hinbekommen.

Von daher kann ich die Debatte, die für mich inhaltsleer ist – es gibt inhaltlich spannendere Debatten – mit einem Eulenspiegelbild zusammenfassen: Wir diskutieren hier, hier entsteht ein zugeschüttetes Loch.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion sprach Herr Kollege Pecher. – Als Nächstes ist die Fraktion der GRÜNEN mit Frau Kollegin Hermenau an der Reihe.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Herr Zastrow, Sie meinten, das Geld fehle an allen Ecken und Enden, es müsse auch mal eine Nummer kleiner gehen. Diese Einsicht hätte ich mir in den letzten Jahren gewünscht, als es um die Waldschlößchenbrücke ging. Aber lassen wir das.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Geld volkswirtschaftlich vernünftig auszugeben, das wäre in der Tat ein neuer Standard. Diesen sollten wir auch miteinander vereinbaren, wenn wir in den nächsten Jahren ein zufriedenes Land haben wollen. Aber was Sie vorschlagen, auch was in der Presse zu lesen war, – Sie wollen Ihren Parteitag hier ein bisschen verlängern –, das heißt eigentlich, dass Sie volkswirtschaftlich unsinnige Projekte weiterführen und nur die Kosten dafür absenken wollen. Das ist das, was Sie vorschlagen. Das liegt Ihnen als Verpackungskünstler, das ist klar. Sie haben sich selber auf Ihrem Parteitag als gefährlich eingestuft. Da hat bei allen „das große Zittern begonnen“, denn wir erachten es als gemeingefährlich, was Sie hier vortragen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Eigentlich geht es – das ist meine Auffassung – um ein neues Kommunikationsmäntelchen für Ihr undurchdachtes Einsparen, weil Sie nicht in der Lage sind, volkswirtschaftlich sinnvolle und nachhaltige Maßnahmen von betriebswirtschaftlich sinnvollen Maßnahmen, die Ihnen persönlich bekannt sind, zu unterscheiden.

Da ist meine erste Kernthese, dass Ihnen von der FDP die Themen ausgegangen sind. Sie hatten ja auch nur ein Thema – da kann man schnell eine Bruchlandung erleiden –, das war das Thema Steuersenkung. Das ist auch ein Ablenken von Ihrem Politikversagen. In Ihrem Leitantrag liest man, dass nur der Mittelstandsbauch übrig ist, für den Sie Steuern senken wollen. Das ist CDU pur. Um das herauszukriegen, hätte man die FDP nicht gebraucht.

Sie schreiben auch, dass Sie finanzielle Spielräume schaffen werden, damit Bürger und Unternehmer mehr Verantwortung übernehmen können. Sie haben als Erstes beim Ehrenamt gekürzt. Beim Ehrenamt! Dabei geht es oft um Menschen, die ein geringes Einkommen haben. Von Steuersenkungen haben diese überhaupt nichts, auch nichts von der Steuersenkung für den Mittelstandsbauch, sie werden nicht entlastet.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Es sind mündige solidarische Bürger, die jetzt dafür bestraft werden, dass sie sich so verhalten, wie Sie es proklamieren. Das ist nicht in Ordnung. Das ist die

Besitzstandswahrung des Mittelstandes in diesem Land. Das sage ich Ihnen so deutlich und das halte ich auch für falsch.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Auf alle Fälle erwarte ich von der Staatsregierung dazu aus Sachsen eine Bundesratsinitiative, dass man eine Steuervereinfachung haben möchte. Wir hätten dazu auch ein paar Vorschläge: zum Beispiel die Abschaffung der Absetzbarkeit von Dienstwagen, Parteispenden sowie Verlusten aus Vermietung und Verpachtung. Hätten wir das früher gemacht, hätten wir uns vielen volkswirtschaftlichen Unsinn gespart.

Was die FDP will, ist klar: Sie will alle Standards, die ihren Lobbygruppen im Wege stehen, senken und ohne jede Verantwortung für unsere Lebensgrundlagen agieren. Aber ist das noch die Politik der christlichen Union?

Die Neuordnung des Gemeinwesens als Raubbau durch Lobbygruppen! Das hat schon etwas. Ein „Baum-abGesetz“ ist noch kein Bürokratieabbau, das ist Umweltraubbau.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Die Konsequenz aus der Verwaltungsreform ist, dass wir die Ausgangsbehörde jetzt als Widerspruchsbehörde haben. Das ist aber kein Staatsumbau, sondern das ist Demokratieabbau.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und der SPD)

Der Volksmund sagt: Da wird der Bock zum Gärtner gemacht! – Aktuell wird in § 5 des Landesplanungsgesetzes von Verfahrensvereinfachungen gesprochen. Darüber muss man feixen. Den Planungsträgern soll in Zukunft die Durchführung der Erörterung freistehen. Das ist kein Staatsumbau, sondern das ist Demokratieabbau, die Entmündigung von Bürgern und die Schaffung maximaler Baufreiheit ohne Rücksicht auf Verluste für einige Wenige.

Beim Hochwasserschutz wurden in den letzten Jahren teure technische Maßnahmen gegen die Natur durchgeführt, die genau auch deshalb teuer waren, aber volkswirtschaftlich war das nicht. Im Osterzgebirge wird jetzt geplant, eine Talstraße, eine Besiedlungsachse an der Müglitz zu fluten. Es wird geplant, Flutflächen erneut mit gewerblichen Gebäuden zu bebauen. Das ist nicht nachhaltig, das ist auch nicht volkswirtschaftlich intelligent und betriebswirtschaftlich ist es schon gar nicht, wenn die später wieder absaufen.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Schon seit den Neunzigerjahren ist klar, dass sich durch Großinfrastrukturprojekte Folgekosten auftürmen, die man kaum stemmen kann. Das wissen wir aus überdimensionierten Kläranlagen, das wissen wir auch von zu vielen

Müllverbrennungsanlagen, die Gott sei Dank nicht alle so gekommen sind. Auch wissen wir das aus dem Bereich des Wohnungsbaues. Aber all das ist noch kein Staatsumbau. Wenn Sie eine blinkende Fußgängerampel am Erdbeerfeld weglassen und stattdessen mal einen Kreisverkehr bauen, wäre das zwar gut, aber es wäre noch kein Staatsumbau.

Staatsumbau wäre es, wenn Sie Nah- und Fernverkehr vernünftig miteinander vertakten würden, wie in unserem Konzept „Sachsentakt 21“ dargestellt. Dort hätte man für das gleiche Geld mehr Service. Wenn Sie diesbezüglich schlechte Standards abbauen würden, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Besonders im Verkehr wäre das wichtig, denn das wäre bürgernah, nachhaltig und volkswirtschaftlich auch sinnvoll.

(Beifall der Abg. Eva Jähnigen, GRÜNE)