Warum werden eigentlich Standards gesetzt? Sicher aus ganz unterschiedlichen Gründen. In aller Regel steckt eine gute Absicht dahinter, manchmal auch eine gut gemeinte Absicht; auf jeden Fall Erfahrung, oft auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse, manchmal sind tragische Ereignisse der Auslöser.
Wer setzt Standards? Das Europäische Parlament, der Bundestag, der Sächsische Landtag, manchmal sind es auch Kreistage, seltener sicherlich Stadt- oder Gemeinderäte, Verwaltungen, die Administration auf allen Ebenen, Fachgremien, manchmal auch Kammern oder gesetzliche Unfallversicherungen. Ich glaube, die Kette ließe sich beliebig fortsetzen.
In der Vergangenheit mit ständig steigenden Finanzeinnahmen des Staates, mit Wirtschaftswachstum, mit insgesamt vielleicht auch wachsender, zumindest aber konstanter Bevölkerung war das lösbar. Das hat Deutschland – das muss man feststellen – zu einem weltweit sehr geachteten Gemeinwesen gemacht.
Das gilt es festzuhalten, das gilt es aber auch zu erhalten. Wie aber sieht es aus, wenn man in die Zukunft schaut? Wir tun das häufig hier im Hohen Haus. Wir sehen die demografische Entwicklung mit all ihren Auswirkungen auf die Städte und ganz besonders aufs Land, die finanziellen Rahmenbedingungen, das Auslaufen des Solidarpaktes. Die Finanzeinnahmen des Staates sind auch an die Bevölkerungszahl gekoppelt. Wir, CDU und FDP, haben uns gemeinsam vorgenommen, dass Sachsen 2020 auf eigenen Beinen steht.
Eine Diskussion über Regelungen und Normen, die in den letzten Jahren zu enormen Kostensteigerungen geführt haben, ist notwendig. Beispiele werden in der Debatte angeführt.
Ich habe mich in meinem Wahlkreis gewundert, als mich Kommunen mittlerweile zum zweiten Mal um Unterstützung beim Schulhausbau gebeten haben. Als ich meinte, die Schule sei doch schon saniert worden, wurde mir erklärt, wie die Anforderungen mittlerweile gestiegen seien. Alle zehn Jahre eine Sanierung, vielleicht 2020 alle fünf Jahre?
Ich glaube, wenn man sich näher damit beschäftigt, wird man sehr schnell erkennen, dass wir Grund genug haben, über eine Umsteuerung nachzudenken und sie dann vor allen Dingen auch umzusetzen. Wir brauchen Lösungen, die zu dem Ziel, 2020 hier in Sachsen auf eigenen Beinen zu stehen, passen. Jeder sollte sich die Frage stellen: Können wir uns zukünftig so hohe Standards wie möglich oder nur noch so gute wie nötig leisten?
Ich will, meine Damen und Herren, meinen Beitrag in der Aktuellen Debatte auch dazu nutzen, dem bisherigen Rechnungshofpräsidenten, Herrn Heigl, ein herzliches Dankeschön für seine Arbeit zu sagen.
Ich möchte unseren neuen Präsidenten des Rechnungshofes bitten, dafür Sorge zu tragen, dass der Rechnungshof auch an der Lösung dieser zugegebenermaßen sehr schwierigen Aufgabe mitwirkt. Ich glaube, wir brauchen eine Diskussion über Standards. Wir sollten die Elle der Vernunft anlegen, und wir sollten, wenn wir in die Zukunft schauen, auch ein bisschen maßhalten lernen.
Für die Fraktion der CDU sprach Kollege Flath. Als Nächster spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Zastrow.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon so: Wir klagen allerorts – in diesem Jahr werden wir das besonders bei den Verhandlungen zum Doppelhaushalt erleben – über fehlende Finanzmittel. Das Geld fehlt an allen Ecken und Enden. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der Staat mit dem Geld, das er einnimmt, nicht klarkommt. Es reicht nicht aus. Unsere Wünsche an den Staat werden immer größer. Obwohl – und das ist das Verwunderliche – die Steuerlast aller Berufstätigen und aller Selbstständigen in unserem Land eine gewaltige Höhe erreicht hat und obwohl auch die öffentliche Hand gerade in den Jahren bis 2008 überall Rekordsteuereinnahmen hatte – Sie wissen, dass sich die meisten Kommunen, der Freistaat und der Bund über
Rekordsteuereinnahmen freuen konnten, und das Jahr 2008 war für den Freistaat Sachsen das bislang beste Jahr –, kommen wir mit dem Geld nicht hin.
Da stellt sich die Frage, wieso das eigentlich so ist. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass wir das Geld nicht nur für sinnvolle und notwendige Dinge ausgeben, sondern auch für Dinge, bei denen wir uns inzwischen fragen müssen, ob wir uns das noch leisten können. Wir brauchen natürlich Regeln, wir brauchen Vorschriften, wir brauchen auch Ordnung im Land, aber die Frage ist schon, ob wir sie immer in diesem Maß brauchen, ob wir sie immer in dieser Ausformung brauchen, ob wir überall Höchststandards brauchen, ob es nicht auch eine Nummer kleiner geht und ob nicht in der jetzigen Zeit eine Nummer kleiner der richtige Weg, die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Zeit wäre, meine Damen und Herren.
Unser wertvolles Steuergeld steckt in genau diesen Standards – Standards, die wir oftmals von der EU oder auch vom Bund vorgegeben bekommen. Wir in Sachsen tun auch unseren Teil dazu. Aber ich will ganz klar sagen, dass auch die Kommunen eine ganze Menge dazu beitragen. Wir als Deutsche haben bekanntlich das Talent, auf alles das, was uns von den oberen Ebenen vorgegeben wird, immer noch eine ordentliche Schippe draufzupacken. Wir leisten uns Vorschriften, die wir nicht mehr bezahlen können. Und: Wir bauen zu teuer. Der Staat baut, wenn er selbst baut, meistens zu teuer. Es ist bekannt, dass Straßenbau in Deutschland teurer ist als an jeder anderen Stelle in Europa.
Genau hier werden wir ansetzen. Wir werden als Sächsische Staatsregierung all diese Standards in der Verwaltung, in der Gesetzgebung, aber auch im Baubereich auf den Prüfstand stellen. Wir werden prüfen, ob wir nicht die überzogenen Standards, die wir in vielen Bereichen haben, auf ein vernünftiges, auf ein normales Maß zurückfahren können. Genau darum geht es in dieser Debatte, meine Damen und Herren.
Beispiele kann man jede Menge nennen. Das werden wir sicherlich in der Debatte noch hören. Ich sage das, weil vorhin nach Beispielen gefragt worden ist. Aber ich sage ganz klar: Wir müssen überlegen, ob die Bauausführungen, die wir beispielsweise bei öffentlichen Gebäuden, bei Schulen und auch bei Kitas anwenden, noch angemessen sind. Das Drama um die Einführung von Notrutschen kennen Sie alle aus Ihren Kommunen, aus Ihren Landkreisen. Ich glaube, dass man sich sinnvollen neuen Regelungen nicht verschließen sollte. Auch das, was im Brandschutz heutzutage gemacht wird, meine Damen und Herren, geht weit über ein vernünftiges Maß hinaus.
Lassen Sie mich eines sagen: Wenn wir weiter mit dieser Vollkaskomentalität auch das unwahrscheinlichste Risiko,
das unwahrscheinlichste Ereignis absichern wollen, dann wird das richtig teuer. Sie brauchen sich nur selbst anzuschauen: Wenn Sie eine Haftpflichtversicherung abschließen wollen und die Versicherung so anlegen, dass Sie den unwahrscheinlichsten Fall, also auch den Fall absichern wollen, der wahrscheinlich nach bestem Wissen und Gewissen niemals eintreten wird, dann wird das sehr teuer. Das macht natürlich keiner. Deswegen versucht jeder, seine Versicherung auf ein vernünftiges Maß hin zu regeln. Genau das muss der Staat auch tun.
Beim Staat ist es leider bisher etwas anders. Der Staat geht prinzipiell mit der Maßgabe daran, auch den unwahrscheinlichsten Fall ins Auge zu fassen. Das ist zu teuer. Das können wir uns nicht mehr leisten. Deswegen lade ich Sie herzlich dazu ein, in den nächsten Jahren – so lange wird das dauern – mit uns darüber zu diskutieren, wo wir ein Stück zurückfahren können und wie wir dazu kommen, dass wieder Vernunft und Augenmaß Maßstab unserer Politik werden.
Für die miteinbringende Fraktion der FDP sprach Herr Kollege Zastrow. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Kollege Hahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Flath, Herr Zastrow, warum haben Sie eigentlich diese Aktuelle Debatte beantragt, wenn Sie nichts Konkretes zu sagen haben?
Niemand hier im Haus will Steuergelder verschwenden, und natürlich kann man auch Standards auf den Prüfstand stellen. Die entscheidende Frage aber ist: Welche Standards werden überprüft? Und vor allem: Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die aktuelle Politik und auch für die künftige Haushaltsplanung, über die wir reden? Darauf erwarten die Sachsen von der Regierung Tillich endlich eindeutige Antworten.
Die Koalition aber hüllt sich, wie wir eben gesehen haben, weiter in Schweigen. So viel Unklarheit, so viel Chaos und so viel fehlende Orientierung gab es seit 1990 noch nie bei einer Staatsregierung hier in Sachsen.
Nun nimmt ja die FDP für sich in Anspruch, der Modernisierungsmotor in dieser Regierung zu sein. Deshalb waren wir auch alle ganz gespannt auf den Landesparteitag am vergangenen Wochenende in Chemnitz.
Aber, Kollege Zastrow, außer völlig unqualifizierter Medienschelte wird von diesem Parteitag nichts in Erinnerung bleiben.
Herr Zastrow, aufschlussreich war allerdings die Selbsteinschätzung der FDP durch Sie als Parteichef. O-Ton Zastrow: Wir nehmen weg, wir fordern ein, wir stellen infrage. – Das war wirklich Klartext. In der Tat, Sie nehmen weg. Sie nehmen bei den Bedürftigen und geben es denen, die ohnehin schon ausreichend haben.
Sie fordern zum Beispiel eine schlanke Verwaltung, sorgen dann aber selbst für deren Aufblähung, indem Sie zum Beispiel Parteifreunden lukrative Posten beschaffen.
Ja, es stimmt, Sie stellen infrage. Sie stellen mit Ihrer Politik das Sozialstaatsgebot infrage und auch das längere gemeinsame Lernen, für das Sie im Wahlkampf immer wieder eingetreten sind. Aber Ihr Motto lautet offenbar: Was schert mich mein Geschwätz von gestern. – Sie werden es sich aber gefallen lassen müssen, dass wir Sie daran erinnern, was Sie gestern gesagt haben. Vor allem aber wollen wir selbstverständlich von der Regierung wissen,
was sie heute tut und was sie künftig zu tun gedenkt. Wir wollen wissen, welche Standards Sie ändern wollen, welche vermeintlich überflüssigen Wohltaten Sie abschaffen wollen. Insofern, Herr Kollege Zastrow: Die Abschaffung von Ampeln, die angeblich den Verkehr behindern, oder die Absenkung von Brandschutzbestimmungen an Schulen wollen Sie doch wohl nicht ernsthaft als politische Projekte verkaufen?
Herr Tillich hat kürzlich mit Blick auf den Haushalt gesagt, es gebe keine Schonbereiche. Da will ich dann doch für DIE LINKE ganz klar sagen: Rasenmäher sind völlig ungeeignete politische Gestaltungselemente. – Wir haben uns festgelegt: Keine Kürzung bei der Bildung und bei den sozialen Standards, und selbstverständlich brauchen wir auch einen Schutzschirm für Kommunen. – Das sind unsere drei ganz konkreten Schonbereiche, und mit diesen Prämissen werden wir auch in die Haushaltsdebatte gehen.