Protokoll der Sitzung vom 30.03.2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Rohwer, wenn Sie davon sprechen, dass sich Partner an einen Tisch setzen sollten und dazu gebeten werden, dann klang das, was ich am Sonnabend in der Zeitung lesen konnte, als Äußerungen des einen Partners, nämlich von Herrn Wöller und Herrn Unland, nicht wie eine Bitte, sondern wie eine klare Drohung. Da muss man nicht der Partner auf der anderen Seite sein, um das zu verstehen. Daraus war kein Gesprächsangebot herauszulesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte zugesagt – und will nicht auf alle Einzelheiten eingehen, die hier genannt wurden –, dass ich ein paar Vorschläge einbringen möchte. Denn es war heute auch die Rede davon, dass wir konstruktiv sein sollen.

Es geht nicht darum, Gehälter auf Pump zu zahlen, Herr Rohwer, sondern darum, zukünftig zu verhindern, dass wir durch teure, sehr teure Maßnahmen zum Beispiel in der Berufsvorbereitung und bei Jugendlichen, die keine ausreichende Schulausbildung haben, dann überhaupt eine Chance schaffen, dass sie auf den Arbeitsmarkt kommen können. Das zu verhindern, darum geht es in diesem Antrag, und es geht darum, das freie Arbeitsvermögen, das wir bei den Lehrerinnen und Lehrern haben, einzusetzen.

Bieten Sie den Lehrkräften eine vernünftige freiwillige Teilzeit an, und zwar mit einem Abordnungsschutz und einer Vier-Tage-Arbeitswoche, damit mehr bereit sind als nur 1 000, in freiwillige Teilzeit zu gehen. Schon würde sich das Problem reduzieren.

Bieten Sie den Lehrkräften eine vernünftige Altersteilzeitregelung an. Viele Kolleginnen und Kollegen sind bereit, den Referendar, die Referendarin, die sie ausgebildet haben, in ihren Platz eintreten zu lassen, wenn sie selbst die Möglichkeit haben, vernünftig in Altersteilzeit zu gehen, und damit eine Brücke zu bauen. Das würde das Nachwuchsproblem nachhaltig lösen.

Aber es gibt auch noch weitere Möglichkeiten. Wir brauchen qualitative Veränderungen in der Schule. Wir brauchen eine vernünftige Berufsorientierung, und nicht nur über ESF-Mittel, denn die laufen bald aus.

Wir brauchen kleinere Klassen, vor allem in sozialen Brennpunkten, damit Kinder, die ohne Chance sind, tatsächlich eine Chance auf einen Beruf und einen Job bekommen.

Wir brauchen endlich Ganztagsschulen, damit Kinder am Nachmittag von der Straße kommen.

Wir brauchen Nachhilfeunterricht und Hausaufgabenbetreuung – nicht von Frau Schavan finanziert, das können wir selbst. Wir haben die Lehrkräfte in den Schulen.

(Beifall der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Wir brauchen eine Senkung des realen Unterrichtsausfalls auch an den Mittelschulen und an den Gymnasien.

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt noch einen Bereich, für den ich gute Vorschläge machen kann. Wir wissen, dass wir ab 2012/2013 mehr Lehrkräfte benötigen und, Herr Wöller, dass wir die schulpraktischen Übungen in den Universitäten in der Lehramtsausbildung ausbauen wollen und sollen. Dazu sind aber unsere Kolleginnen und Kollegen an den Schulen gar nicht ausreichend vorbereitet. Geben Sie den Mentoren in den Schulen – und zwar mehr als heute – Entlastung und qualifizieren Sie sie, dass sie die schulpraktischen Übungen an den Schulen begleiten können. Das würden viele

Kollegen auch als einen Anreiz ansehen, sich in dieser Aufgabe wiederzufinden.

Und lassen Sie auch mehr Praktika in die erste universitäre Phase hinein. Die heutigen 16 Abordnungen an den beiden Universitätsstandorten sind ein Tropfen auf den heißen Stein. Dann könnten Sie auch endlich das Thema Schulforschung angehen und eine Qualifikation von Lehrkräften in der Berufslaufbahn erreichen.

Das sind ganz konkrete Vorschläge, was man mit dem Arbeitsvolumen, das wir haben, mit den qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern anstellen und machen könnte, um das Ziel zu erreichen – und ich will es noch einmal betonen –: dass kein einziger Schüler in unserem Schulsystem die Schule ohne Schulabschluss verlässt oder mit einem so schlechten Schulabschluss, dass er anschließend keine oder nur eine teure Ausbildung erhalten kann.

Dafür ist jetzt die Chance. Nutzen Sie die Demografierendite. Herr Flath hat Sie schon einmal gelobt. Sie haben jetzt die Chance, dies zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Es gibt noch eine Wortmeldung der Linksfraktion, Frau Falken.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Die Staatsregierung kann zu jedem Zeitpunkt das Wort ergreifen. Ich frage aber jetzt Sie: Möchten Sie das Wort in der zweiten Runde ergreifen? – Möchte noch jemand von den Fraktionen das Wort in der zweiten Runde ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen. Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Das kann ich nicht erkennen.

Wenn Sie nicht sprechen wollen, kommen wir zu den Schlusswörtern. Das wäre die Konsequenz.

(Zurufe der Linksfraktion)

Dann rufe ich die dritte Runde auf. Frau Falken, ich hatte Sie gefragt, ob Sie in der zweiten Runde sprechen wollen. Das haben Sie verneint. Ich rufe jetzt die dritte Runde auf. Möchte eine der Fraktionen das Wort in der dritten Runde ergreifen? – Sie möchten das. Frau Falken, Sie haben das Wort.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: So wenig Courage!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin doch schon sehr erstaunt, Herr Präsident, wie Sie Ihr Amt hier missbrauchen.

(Widerspruch bei der FDP und der CDU – Zuruf: Sie kennen die Regeln nicht!)

Frau Falken, ich erteile Ihnen hiermit einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Ich möchte mich als Erstes ganz herzlich bei Herrn Colditz bedanken, weil ich schon glaube, dass jemand, der so lange als Politiker im Bildungsbereich arbeitet, das Auf und Ab erlebt hat, heute hier eine Rede gehalten hat, die ihm sicherlich nicht leicht gefallen ist; deshalb meinen Dank dafür.

(Beifall des Abg. Heiko Kosel, Linksfraktion)

Herr Rohwer, wenn Sie hier im Bildungsbereich mit anderen Bundesländern vergleichen wollen, dann muss ich Ihnen sagen, dass das sehr schwierig ist. Wir haben das in diesem Hohen Hause sehr häufig diskutiert. Vergleiche im Bildungsbereich von einem Bundesland zum anderen sind äußerst schwierig und eigentlich so gar nicht zu machen, zumindest, wenn es um irgendwelche Zahlen geht. Das sage ich, weil wir in letzter Zeit auch immer wieder vom Finanzminister hören, dass es eine SchülerLehrer-Relation gibt, die in Sachsen relativ gut, in anderen Bundesländern wesentlich schlechter ist. Das ist aber eine Größenordnung, die man so nicht wirklich vergleichen kann. Wenn Sie sich das genauer anschauen – vielleicht haben wir auch im Schulausschuss noch einmal Zeit, das zu behandeln – dann werden Sie sehen, dass es auch wirklich nicht funktioniert.

Herr Bläsner, der SPD hier Vorwürfe zu machen, dass sie in der Regierung war und bestimmte Dinge nicht abgestimmt hat, ist sicherlich Ihr gutes Recht. Aber schauen Sie sich doch einmal an, was Sie den Bürgerinnen und Bürgern im Wahlkampf im Freistaat Sachsen versprochen haben.

Frau Falken, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich würde gern noch den Satz zu Ende führen.

Ja, bitte.

Schauen Sie sich einmal an, was Sie vor der Wahl den Gewerkschaften und Verbänden im Wahlkampf geschrieben haben und was Sie jetzt wirklich umsetzen. Das geht meilenweit auseinander, und hier betreiben Sie einen klassischen Wahlbetrug.

(Beifall bei der Linksfraktion und der SPD)

Herr Rohwer, bitte.

Frau Kollegin Falken, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich darüber gesprochen habe, was einem Land insgesamt zur Verfügung steht, und nicht über irgendwelche Schüler-LehrerRelationen?

Das habe ich zur Kenntnis genommen, aber ich gehe davon aus, dass Ihr Vergleich natürlich für den Bildungsbereich zählt. Sonst

wäre er an dieser Stelle einfach nicht korrekt, denn wir reden in dieser Debatte gerade über den Bildungsbereich. Da hätte der Präsident Sie eigentlich unterbrechen müssen. In der „LVZ“ vom 26.03.2010 steht mit großen Lettern geschrieben: „Lehrermangel trifft erste Grundschulen“.

In der Paul-Robeson-Grundschule in Leipzig gibt es Klassenzusammenlegungen. Zwei erste Klassen werden zu einer ersten Klasse zusammengelegt, und zwar über Wochen und Monate. Es gibt ausgesetzte Zensuren, weil der Unterrichtsausfall so groß ist, dass man gar nicht mehr vertreten kann, weiter zu zensieren, weil der Unterrichtsstoff gar nicht behandelt worden ist. Es gibt den Wegfall von Förderstunden in Größenordnungen. Es gibt die Streichung von Integrationsstunden, die ja eigentlich in diesem Freistaat ein Heiligtum sein müssten. Es gibt die Streichung des Ergänzungsbereiches. Das sind Dinge, die nicht erst kommen, sondern das sind klare Festlegungen, die bereits heute auf der Tagesordnung stehen, und zwar nicht nur an Grundschulen – dort natürlich verstärkt –, sondern auch bei anderen Schularten.

Die Schülerzahlen steigen. Wenn die Schülerzahlen steigen, dann kann es nicht sein, dass es eine weitere Teilzeit im Lehrerbereich gibt. In der Stadt Leipzig ist es in Mitte notwendig, dass man eine neue Grundschule baut, weil inzwischen so viele Kinder geboren werden, dass schon für das kommende Schuljahr in diesem Stadtbezirk die Grundschulen nicht mehr ausreichen werden, um alle Schüler zu fassen. Grundschulkombinate will und möchte ich mir nicht vorstellen.

(Frank Heidan, CDU: Müssen Sie auch nicht!)

Herr Staatsminister, Sie haben heute in dieser Runde sowohl von der CDU als auch von der FDP gehört, dass sich offensichtlich die Gewerkschaften aus Ihrer Sicht verweigert haben – zumindest trifft das für die GEW zu –, an den gestrigen Sondierungsgesprächen teilzunehmen. Ich sage Ihnen: Wenn Sie Ihre Festlegungen schon in den Medien verbreiten, dann sind Gespräche mit Gewerkschaft und Verbänden nicht mehr notwendig.

An dieser Stelle möchte ich – auch für das Protokoll – feststellen, dass Sie sich offensichtlich diesem Hohen Hause verweigern, da Sie nicht bereit sind, zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen.

(Staatsminister Prof. Dr. Roland Wöller: Warten Sie doch mal ab!)

Schauen wir mal. Ich habe ja noch genügend Zeit.