Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Wir kommen zum nächsten Fragesteller. Herr Petzold, NPDFraktion, stellt die Frage Nr. 2.

Herr Präsident! Meine Frage bezieht sich auf den Anstieg der Zahl psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Freistaat Sachsen.

Die Zahl der in Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) in sächsischen Krankenhäusern behandelten Kinder und Jugendlichen ist nach Auskunft des Stellvertretenden Geschäftsführers der Krankenhausgesellschaft, Peter Oesch, im Vergleichszeitraum von 2007 auf 2008 um 20 % gestiegen.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Worin sieht die Staatsregierung die Ursachen für den Anstieg psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Freistaat Sachsen?

2. Mit welchen therapeutischen Mitteln wird der steigenden Anzahl psychischer Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen im Freistaat Sachsen entgegengewirkt und wie haben sich diese in der Praxis bisher bewährt?

Für die Staatsregierung antwortet Frau Staatsministerin Clauß.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Herr Abg. Petzold, zur ersten Frage nehme ich wie folgt Stellung:

Es ist zunächst festzustellen, dass aus dem genannten Anstieg der Behandlungszahlen in psychiatrischen Institutsambulanzen nicht zwingend auf eine Zunahme der Zahl psychischer Erkrankungen geschlossen werden darf.

Die wenigen vorliegenden epidemiologischen Studien, in denen psychische Störungen über längere Zeiträume vergleichbar erfasst wurden, legen vielmehr den Schluss nahe, dass es insgesamt keine bedeutsame Zunahme gibt. Auch entsprechende Übersichten im Kinder- und Jugendbereich kommen zu dem Schluss, dass psychische Störungen zumindest in ihrer Gesamtheit keinesfalls dramatisch zugenommen haben. Die Erklärung für die deutlichen Zunahmen in den Krankenstatistiken ist eher in einer verstärkten Würdigung psychischer Störungen zu suchen. Ich verweise auf die Differenzierung des Diagnosespektrums, auf die Entwicklung von Arztgruppen, zum Beispiel Direktzugang zum Psychotherapeuten im Zuge des Psychotherapeutengesetzes, auf die verbesserte hausärztliche Wahrnehmung sowie auf eine vermehrte Akzeptanz psychischer Probleme und Symptome auf Patientenseite. In diesem Sinne kann also von einem wachsenden Behandlungsbedarf gesprochen werden.

Zur zweiten Frage: Die Behandlung erfolgt entsprechend den wissenschaftlich begründeten Leitlinien der medizinischen Fachgesellschaften. Sie besteht in der Regel aus einer Kombination von medikamentösen, psychotherapeutischen, familientherapeutischen und soziotherapeutischen Elementen. Sie kann auch die Durchführung von Förder- und Trainingsprogrammen einschließen. Für therapeutische Interventionen bei psychischen Störungen von Kindern und Jugendlichen ist ein abgestimmtes multiprofessionelles Herangehen aller am Hilfesystem Beteiligten unverzichtbar. Kinder- und Jugendpsychiatrie, Jugendhilfe, Schule und Justiz sollen also im Interesse der Kinder und Jugendlichen eng zusammenarbeiten.

Die Fragestunde beschließt die letzte Fragestellerin, Frau Giegengack, Fraktion GRÜNE. Sie stellt die Frage Nr. 7.

Herr Präsident! Es geht um die Zusammenarbeit zwischen der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung (SLpB) und der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen (BStU).

Presseberichten zufolge plante die BStU Chemnitz eine Vortrags- und Diskussionsveranstaltung mit der Zeitzeugin Sabine Popp, die als 20-Jährige nach dem Schreiben von Losungen wie „Die Mauer muss weg“ durch die Spitzeltätigkeit des IM Holm Singer der staatsfeindlichen Hetze überführt und zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Die SLpB lehnte eine Kooperation mit der BStU Chemnitz für diese Veranstaltung ab. Als Begründung wurde vom Leiter der SLpB die Befürchtung einer „zu einseitigen Darstellung“ angeführt (FP 24.03.2010), auf gerade in Entwicklung befindliche Qualitätskriterien hingewiesen, in die der Vortrag nicht hineinpasse (MoPo 24.03.2010) und die Moderation der Veranstaltung durch den Leiter der BStU Chemnitz kritisiert, da er „nicht neutral“ sei (FP und MoPo 24.03.2010).

Noch 2006 vereinbarten der ehemalige Staatsminister Steffen Flath und die Bundesbeauftragte für die Stasi

Unterlagen Marianne Birthler in einer gemeinsamen Erklärung die Fortführung der „gut funktionierenden Zusammenarbeit“ der SLpB und der BStU in Form von Vorträgen, Lesungen und Diskussionen unter anderem mit Zeitzeugen.

Fragen an die Staatsregierung:

1. Welche Veränderungen haben sich seit Dezember 2006 in der Zusammenarbeit ergeben, die derartige Vorwürfe gegen die BStU rechtfertigen bzw. die Erarbeitung neuer Qualitätskriterien erforderlich machen, und warum werden diese Qualitätskriterien durch die SLpB allein erarbeitet?

2. Teilt die Staatsregierung die Forderung des Chefs der SLpB nach „neutralen“ Vorträgen zur DDR-Geschichte, in denen Opfer und Täter gemeinsam auftreten, um eine einseitige Darstellung zu vermeiden, und wenn ja, wie soll nach Auffassung der Staatsregierung eine Auseinandersetzung mit der DDR-Diktatur stattfinden, wenn sich keine Täter für diese Veranstaltungen zur Verfügung stellen?

Für die Staatsregierung antwortet Herr Staatsminister Prof. Wöller.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Frau Abg. Giegengack, ich beantworte Ihre Fragen wie folgt:

Zu Erstens: Seit vielen Jahren pflegen die Sächsische Landeszentrale und die BStU eine gute Zusammenarbeit, die auch künftig in keiner Weise infrage gestellt wird. Bedenken bestanden aus der Sicht der Landeszentrale hinsichtlich der Kooperation mit der BStU bei einer geplanten Veranstaltung in Chemnitz. Sie bezogen sich auf die zu erwartende Nennung von Klarnamen ehemaliger Mitarbeiter des MfS. In einem ähnlich gelagerten Fall riet der Sächsische Datenschutzbeauftragte der Landesregierung der Landeszentrale davon ab, als Veranstalter die Verantwortung für die Nennung von Klarnamen zu übernehmen.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die Landeszentrale über einen Bildungsauftrag verfügt, der nicht in jedem Fall mit der wichtigen Aufgabe der Rehabilitierung von Opfern des SED-Regimes deckungsgleich ist. Die Landeszentrale klärt im Rahmen ihres Bildungsauftrags umfänglich über die Staatssicherheit in der DDR, ihre Methoden, Motive, Strukturen sowie ihre Verstrickungen mit der SED-Diktatur auf. Dabei stellt sie Opfer- und gegebenenfalls auch Täterbiografien exemplarisch vor.

Aus den genannten Gründen war der Landeszentrale dafür jedoch die konkrete, von der BStU geplante Veranstaltung nicht als geeignet erschienen. Der BStU ist es jedoch unbenommen, in eigener Verantwortung und im Rahmen ihres Auftrages jederzeit solche Veranstaltungen zur Aufarbeitung des SED- und MfS-Unrechts durchzuführen.

Der Direktor der Landeszentrale hat die Leiter der drei BStU in Sachsen schon vor mehreren Wochen zu einem Gespräch am 28.04.2010 eingeladen, um mit ihnen über die Kriterien für gemeinsame Veranstaltungen zu sprechen. Die drei Leiter der BStU haben die Einladungen angenommen. Deshalb ist die Behauptung unzutreffend, dass die Landeszentrale solche Qualitätskriterien allein erarbeiten würde.

Ich möchte abschließend zur Frage 1 hinzufügen, dass es Ihnen und auch anderen jederzeit unbenommen ist, sich auch an das Kuratorium der Sächsischen Landeszentrale für politische Bildung zu wenden.

Zur zweiten Frage: Der Direktor der Landeszentrale fordert keine neutralen Vorträge zur DDR-Geschichte. Im Gegenteil, die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur in der DDR ist ein wesentlicher Bestandteil der Bildungsarbeit der Landeszentrale. So wurden im Jahre 2009 beispielsweise zahlreiche Veranstaltungen zur friedlichen Revolution durchgeführt, ein Großteil davon durch den Direktor der Landeszentrale selbst und mit großem Erfolg.

Der Direktor der Landeszentrale, Frank Richter, hat in seiner eigenen Vita unter Beweis gestellt, dass er die SED-Diktatur verabscheut und bekämpft hat. Er wurde durch das MfS bespitzelt, das MfS sorgte für die Ablehnung eines Studienwunsches und sein Name stand im Herbst 1989 auf einer Liste zu internierender Personen. Damit erledigt sich die Fragestellung von selbst.

(Annekathrin Giegengack, GRÜNE: Darf ich noch eine Nachfrage stellen?)

Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Nachfrage?

Ja, bitte.

Sie haben als wesentlichen Grund der Ablehnung dieser Veranstaltung

der BStU seitens der Landeszentrale genannt, es sei zu vermuten, dass der Klarname dieses IM genannt werden könnte. Diese Sache hat sich nun erledigt. Wir haben ein Urteil dazu, dass es durchaus möglich ist, diesen Klarnamen zu nennen. Ist davon auszugehen, dass die Sächsische Landeszentrale ihre Entscheidung revidiert und nun doch gemeinsam mit der BStU diese Veranstaltung durchführt?

Richtig ist die Feststellung, dass aufgrund des Urteils, das Sie eben genannt haben und das einschlägig ist, eine neue Situation geschaffen wird. Ich gehe davon aus, dass dieses Urteil in das Gespräch einfließen wird, das der Direktor der Landeszentrale mit den drei Vertretern der BStU führen wird, um dort sozusagen die Kriterien festzulegen, die dann für gemeinsame Veranstaltungen gelten sollen.

Meine Damen und Herren! Alle Fragesteller konnten ihre Fragen an die Staatsregierung stellen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Die Tagesordnung der 12. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages ist abgearbeitet. Das Präsidium hat den Termin für die 13. Sitzung auf Mittwoch, den 28. April 2010, 10:00 Uhr festgelegt. Die Einladung und die Tagesordnung gehen Ihnen zu.

Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen und auch Ihren Familien sowie den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Landtagsverwaltung frohe Ostern und ein paar erholsame Stunden und Tage im Kreise Ihrer Familien.

Damit ist die 12. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages geschlossen.