Protokoll der Sitzung vom 31.03.2010

Das ist ungerecht. – Ja, selbst mit „Ihrem“ Mindestlohn von 8 Euro kommen Sie dort nicht weiter. Das habe ich Ihnen gerade vorgerechnet.

(Zuruf des Abg. Thomas Kind, Linksfraktion)

Was man braucht, ist eine Aufwertung, eine Rente nach Mindesteinkommen. Die geringen Beitragszahlungen, die jemand trotz eines geringen Einkommens eingezahlt hat, müssen aufwertet werden.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Genau, richtig!)

Wenn man dieses Modell der Rente nach Mindesteinkommen umsetzt, dann käme man auf 706 Euro.

Lassen Sie mich noch einen Punkt ansprechen, der ebenso wichtig ist: die Eigenvorsorge.

Ihre Redezeit!

Danke. – Die MitarbeiterKapitalbeteiligung, die Kollege Dulig angesprochen hat, die Betriebsrenten, die Riester-Rente, Lebensversicherungen, ein eigenes Haus – all das, die eigene Altersvorsorge, muss gestärkt werden. Natürlich bleibt die gesetzliche Rentenversicherung der Grundbaustein. Aber die Zusatzbeiträge, die zusätzlichen Einnahmen für die Rente, sind ebenfalls wichtig und müssen gestärkt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsministerin Christine Clauß)

Das war Kollege Krauß für die CDU-Fraktion. – Nächster Redner ist Kollege Pellmann für DIE LINKE.

Herr Präsident! Werte Damen und Herren! Das Thema reizt wirklich zur

Debatte. Ich war etwas verwirrt, als ich las, dass die SPD uns heute mit dieser Debatte

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: … beglückt!)

eine Überraschung bereiten wollte. Aber Schuldige an bereits bestehender und wachsender Altersarmut sind bekannt. Ross und Reiter habe ich hier mehrfach innerhalb der letzten zehn Jahre genannt. Ich will das heute nicht tun, sondern ich möchte – ganz im Sinne von Martin Dulig – einige notwendige Dinge aufzählen, damit wir Altersarmut bekämpfen können.

Erstens. Die hiesige Koalition – und diese spreche ich als Opposition an – muss endlich die Realitäten zur Kenntnis nehmen. Ich könnte Ihnen viele Antworten auf Große Anfragen und Stellungnahmen herbeizitieren, in denen die Staatsregierung meint, eigentlich sei es gar nicht so schlimm. Es gibt die Grundsicherung, die Armut verhindern würde usw. usf. Nehmen Sie endlich die Dinge zur Kenntnis, bevor wir darüber reden können, wie es weitergehen könnte!

Zweitens. Das ist die Konsequenz daraus: Herr Krauß, ich erwarte endlich von der Staatsregierung außer drei Anmerkungen, wie Sie diese hier gemacht haben, ein Gesamtkonzept zur Armutsbekämpfung respektive zur Altersarmutsbekämpfung. Das ist natürlich gemeinsam mit dem Bund zu tun. Gerade wir als Sachsen, als das Land mit der ältesten Durchschnittsbevölkerung, auf das die Dinge am deutlichsten zukommen werden, müssen die Initiative ergreifen.

Drittens. Herr Dulig, darin stimmen wir überein: Wir brauchen die Stärkung der gesetzlichen Rentenversicherung, anstatt auf Privatrentenversicherungen zu setzen, die nichts anderes als Profitmöglichkeiten für Versicherungskonzerne sind. Wohin das geführt hat, erleben wir nach wie vor in der Finanzkrise. Wir brauchen – darin stimme ich mit Ihnen überein – in der Tat eine Erwerbstätigenversicherung.

Herr Krauß, natürlich habe ich das hier schon oft gesagt. Aber das ist eben etwas Neues, und das würde die Einnahmensituation der gesetzlichen Rentenversicherung erheblich verbessern und wäre im Übrigen auch solidarisch.

Viertens brauchen wir eine bedarfsorientierte Altersgrundsicherung, die diesen Namen auch verdient. Da hilft beispielsweise das Almosenbürgergeld von der FDP oder das, was Sie, Herr Krauß, heute dargestellt haben, überhaupt nicht. Wir brauchen wirklich eine armutsfeste Altersgrundsicherung.

Fünftens brauchen wir höhere Beiträge für Hartz-IVBetroffene. Da können wir diskutieren, wie wir wollen. Wir wissen doch, wer zehn Jahre lang Hartz IV bekommt – ich hoffe ja, dass es nicht zehn Jahre Hartz IV gibt, aber man darf doch zweifeln –, der erwirbt im Endeffekt nicht einmal einen einzigen Rentenpunkt. Das kann doch keine Lösung sein. Deswegen: Anhebung der Beiträge für Hartz-IV-Betroffene durch die Bundesagentur für Arbeit. Das nützt ja nun alles nichts.

Sechstens – das wiederhole ich ganz bewusst – brauchen wir den gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen ihn, damit Menschen, die arbeiten, heute vernünftig leben können und damit auch für ihre Rente vorsorgen. Insofern hängt beides zusammen und lässt sich auch in keiner Weise trennen.

(Alexander Krauß, CDU: Wir brauchen mehr Kinder, die für die Rente einzahlen!)

Was war mit Kindern? Lieber Herr Krauß, ich habe meine Pflicht mit drei Kindern getan. Ich weiß nicht, wie weit Sie schon sind. Damit kommen Sie mir nicht. Sie sind ja noch jung, und ich hoffe, dass gerade Ostern eine gute Zeit ist, in der man so was dann machen kann.

(Allgemeine Heiterkeit)

Lassen Sie mich deshalb noch eine letzte Bemerkung machen – ja, ich merke schon, Ostern reizt zu solchen Dingen –, Herr Krauß. Da komme ich wieder auf Sie zurück. Wissen Sie, ich bin es langsam leid. Anstatt Konzepte zu entwickeln, wie wir den Dingen begegnen, kommen Sie mir hier ständig mit dem demografischen Wandel als Totschlagargument. Wenn Sie nicht weiterkommen, dann flüchten Sie sich in den demografischen Wandel. Das lasse ich Ihnen nicht mehr durchgehen. Vielleicht haben Sie zu Ostern die Chance, darüber nachzudenken, wie es weitergehen kann. Das wünsche ich Ihnen. Vielleicht können wir beim nächsten Mal dann schon die ersten Resultate erleben.

Danke schön.

(Beifall bei der Linksfraktion und der SPD)

Das war der Abg. Pellmann für die Fraktion DIE LINKE. – Als Nächstes spricht die FDP-Fraktion mit Frau Kollegin Schütz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Dulig, ein mutiger Debattentitel, das sage ich einmal vorangestellt, denn die DIW-Studie mag ja neu sein, die Erkenntnisse daraus sind aber nicht aktuell. Sie sind seit Längerem bekannt; denn auch mit der Einführung von Hartz IV durch Sie, durch die SPD und die GRÜNEN, wurden ja nicht nur die vollen Rentenanteile vonseiten des Staates in die Rentenkasse für die Arbeitslosen gezahlt. Sie bringen hier Ansätze, was die jetzige Regierung alles tun sollte. Aber was Sie in Ihrer Regierungszeit nicht geschafft haben, das soll von der jetzigen Regierung realisiert werden.

Wir werden uns der Problematik stellen, keine Frage. Aber ich muss noch einmal den Begriff von gestern aufnehmen. Es zeugt schon von einer politischen Amnesie, die Sie hier offenbar zeigen, dass Sie jetzt die Rolle rückwärts von Hartz IV in der Opposition machen und die Regierenden auffordern, wieder geradezubiegen, was Sie aus dem Lot gebracht haben.

(Dr. Dietmar Pellmann, Linksfraktion: Lieber eine Rolle rückwärts als gar keine!)

Was wir alles brauchen und wollen, ist hier mehrfach genannt worden. Dass die Problematik so steht, wie sie steht, ist auch klar. Aber die Realität ist doch unsere demografische Entwicklung. Natürlich kann ich die gesetzliche Rente als die größte Säule fordern. Wenn ich aber 1990 noch vier Arbeitende auf einen Rentner hatte und weiß, dass ich 2030 nur noch zwei Arbeitende auf einen Rentner habe, dann sind das die Realitäten, und ich kann nicht mehr von einer Rentenfinanzierung sprechen, die auch weiterhin auf den derzeitigen Füßen stehen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Was ich denke, Herr Dr. Pellmann – noch einmal an Sie gerichtet –, ist, dass es nicht allein die Armutsbekämpfung ist, sondern dass es wichtig ist, Arbeitsanreize zu schaffen, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, tatsächlich für ihr Alter selbst vorzusorgen. Da haben wir ja auf Regierungsseite und auf Bundesebene die ersten wichtigen Schritte getan. Wir haben die Änderung der Hinzuverdienstgrenze auf Bundesebene, die wir durchsetzen werden; denn wenn es derzeit keinen Anreiz dafür gibt, etwas zu tun, und davon auch mehr behalten zu können, dann ist mir klar, dass derjenige sagt: Warum soll ich denn etwas tun? Denn wenn ich etwas tue, habe ich am Ende genauso viel, als wenn ich heute liegenbleiben könnte. Wo sind wir denn in diesem Land hingekommen?!

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Derzeit verdienen nämlich zum Beispiel 140 000 ALG-IIEmpfänger genau die anrechnungsfreien 100 Euro, die sie mit Langzeitarbeitslosigkeit verdienen dürfen. Das festigt ihre Situation. Durch die Maßgabe, dass über die Möglichkeit des Mehrverdienstes auch mehr behalten werden kann, schaffen wir es, mehr Beiträge in die Rentenversicherung einzuzahlen und auch mehr in die private Vorsorge zu investieren. Jeder finanzielle Schritt, den ein Leistungsempfänger selbstständig tut, soll nicht durch zunehmende Abzüge bestraft, sondern durch höhere Anrechnungsfreiheit belohnt werden.

Thema sind dort vor allem die Ferienjobs für Jugendliche. Wissen Sie, ein Jugendlicher, ein Kind in einer Hartz-IVFamilie sagt: Ich möchte hier raus, ich möchte etwas tun, ich möchte mir ein zusätzliches Taschengeld verdienen, wie auch immer, ich gehe vielleicht Zeitungen austragen oder suche mir in den Ferien einen Job im Autohaus. Was passiert mit ihm? Er bekommt schon frühzeitig mitgeteilt: Arbeiten lohnt nicht, denn jeder Euro mehr, den er verdient, wird auf die Bedarfsgemeinschaft angerechnet. Das wird es unter FDP- und CDU-Regierung auf Bundesebene schon diesen Sommer nicht mehr geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Wir werden uns dafür einsetzen, dass diese Situation verbessert wird.

Zu einem Exkurs in die Rentenangleichung reicht für mich die Zeit nicht mehr, ich kann hier nur meinen Redner von der CDU unterstützen. Wir sind für die Rentenangleichung, denn wir dürfen eines nicht verges

sen: Es gibt mittlerweile in Westdeutschland genauso Gebiete mit niedrigen Löhnen, es gibt genauso Regionen mit geringen Einkommen. Hier diese Trennung zwischen Ost-West und Nord-Süd weiter in unserem Land voranzutreiben wird nicht unser Anreiz sein. Wir stehen zu einer Rentenangleichung Ost-West.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Das war Frau Kollegin Schütz für die FDP-Fraktion. – Für die Fraktion GRÜNE spricht Kollege Weichert.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die DIW-Studie hat gezeigt, dass unser System so nicht funktioniert. Sobald jemand aus dem Arbeitsmarkt herausfällt oder nur sehr wenig verdient, wird er Almosenempfänger, und zwar sein Leben lang. Wir haben Grundsicherung im Alter immerhin seit 01.01.2003. Bedenklich sind aber die Zuwächse, die wir haben, vor allem deshalb, weil sie die Kommunen belasten. In Sachsen war die Entwicklung von 2006 von 8 889 bis 2008 auf 9 833. Das sind 500 Zugänge pro Jahr.

Die Gründe sind klar: hohe Arbeitslosigkeit, hoher Anteil von Beschäftigten in leichten, schlecht bezahlten Teilzeitjobs, Minijobs usw., die wir dann auch noch mit Hartz IV aufstocken müssen. Besonders trifft es die gering Qualifizierten, weil diese häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen sind. Es wird für diese Personengruppe ganz schwierig, das Rentenniveau zu halten.

Diesen Befund bestärkt auch eine Studie, die meine Fraktion 2008 beim Ifo-Institut in Dresden zum Thema: „Mittelfristige Einkommensentwicklung in Sachsen“ in Auftrag gegeben hat. Dort wird klar herausgearbeitet, dass die durchschnittlichen Renteneinkommen in der Gruppe mit niedrigem Ausbildungsniveau massiv sinken.

In der Gruppe mit mittlerem Ausbildungsniveau sind bei den Frauen Zuwächse zu verzeichnen, in der Gruppe mit hohem Ausbildungsniveau bei Frauen und auch bei Männern. Aber insgesamt sinkt das Rentenniveau bei den Frauen deutlicher als bei den Männern. Warum ist das so? Das liegt unter anderem daran, dass die Rentenstruktur von dem Ein-Ernährer-Modell ausgeht und die ganz typischen puzzleähnlichen Erwerbsbiografien von Frauen, die einfach Lücken durch Erziehungszeit oder Teilzeitarbeit haben, nicht genügend berücksichtigt werden.

Heute schon sind zwei Drittel der Sozialhilfeempfänger Frauen über 65. Die Tendenz für die nächsten 20 Jahre: Die Altersarmut nimmt zu und Frauen sind weiterhin stärker betroffen. Besonders können Sie hier an die Single-Rentnerinnen denken, weil sie keine Absicherung durch ihre Männer oder Witwenrente und Ähnliches haben.