Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ständig erreichen uns neue, nicht wirklich erfreuliche Botschaften
im Zusammenhang mit der Thematik Grenzkriminalität, vor allem aus der Lausitz und dem Großraum Dresden. Über die Medien oder in Briefen von betroffenen Bürgerinnen und Bürgern bis hin zur Kfz-Innung wird festgestellt, dass Teilbereiche der Kriminalität, vor allem der Kfz-Diebstahl, aus dem Ruder gelaufen sind.
Erst in dieser Woche hat sich die CDU-Oberbürgermeisterin aus Dresden zu dieser Thematik zu Wort gemeldet. Bereits am 15. November 2007 verabschiedete der damalige Innenminister Dr. Buttolo ein „15-PunkteProgramm zum Aufbau einer grenzbezogenen Sicherheitsarchitektur“ – so die sperrige Überschrift des Papiers. Darin heißt es unter anderem in Punkt 14 – Zitat: „Wir stärken das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung grenznaher Regionen.“ Oder in Punkt 15 steht: „Wir schaffen ein breites Informationsangebot für die Bevölkerung.“
Wenn ich die mir vorliegenden Schreiben aus der grenznahen Region richtig gelesen habe, dann fehlt der Theorie offensichtlich die praktische Umsetzung. So heißt es in einem Schreiben wörtlich: „Wir erwarten wieder verstärkte Kontrollen direkt an der Grenze und nicht nur im Landesinneren, Verstärkung der Präsenz von Polizei und Zoll in der Region und nicht, wie geplant, einen Abzug in Größenordnungen.“
Nun haben Sie, Herr Innenminister, mit einer halbherzigen Stärkung der Kräfte im grenznahen Raum reagiert. Dabei ist nach wie vor die Frage offen, zulasten welcher Dienststellen Sie das getan haben – womit wir beim eigentlichen Problem sind. Sie als Staatsregierung treffen Entscheidungen, die die Sicherheit des Freistaates und die Polizistinnen und Polizisten betreffen, weiterhin aus rein fiskalischen Gründen. Ihre Sicherheits- und Personalpolitik ist geprägt von ständiger Reaktion auf vorhersehbare Lagen, bei denen Sie gezwungen sind – ich verwende einmal, um es freundlich auszudrücken, diesen Vergleich –, eine zu kurze Bettdecke hochzuziehen mit der Konsequenz, dass unten die Füße kalt werden.
Die Ursachen dafür liegen auf der Hand: fehlende Aufgabenkritik, rein fiskalisch ausgerichtete Personalpolitik und eine unausgegorene Struktur. Wenig Hoffnung für eine Verbesserung der Lage machen die täglichen neuen „Wasserstandsmeldungen“ aus Ihrem Ministerium, Herr Staatsminister. Einmal sind es Überlegungen zu weiteren Personaleinsparungen in einer Größenordnung von 1 500 Stellen, die von Ihnen nicht dementiert wurden. Um allen hier im Raum einmal klarzumachen, worüber wir sprechen: Das ist fast die gesamte Bereitschaftspolizei in Sachsen oder der Personalbestand einer mittleren Direktion. Damit würden viele Personalposten im ländlichen Raum verschwinden und die Überalterung der Polizei weiter voranschreiten.
Wenige Tage später wird von einer neuen Dienststellenstruktur mit drei Präsidien nach dem Vorbild der ehemaligen Bezirksbehörden in der DDR gesprochen, und heute durften wir von einer weiteren Variante in einer anderen Tageszeitung lesen. Alles neue Hiobsbotschaften, die zeigen, dass es an Professionalität im Umgang mit einer
solch sensiblen Materie fehlt. Wenn ständig neue Informationen – ob wahr oder in Teilen wahr – an die Öffentlichkeit dringen, trägt das nur zur weiteren Beunruhigung und Demotivierung der Polizistinnen und Polizisten bei.
Die ganze Debatte um den Personalabbau und die Umstrukturierung führen eben nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu mehr Unruhe – nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei den Menschen vor Ort.
Herr Staatsminister, ich erwarte, dass Sie die entsprechenden Interessenvertreter in Ihre Planung einbeziehen. Stoppen Sie das Durchstechen von Informationen und legen Sie einen durchdachten, auf einer gründlichen Aufgabenkritik beruhenden Plan für eine nachhaltige Sicherheitsarchitektur in Sachsen vor!
Wenn Ihr einziger Plan darin besteht, die Einsparungsvorgaben des Finanzministers umzusetzen, dann, versichere ich Ihnen, geht das Ganze den Bach hinunter. Bereits jetzt arbeiten die Beamtinnen und Beamten der sächsischen Landespolizei an der Grenze der Belastbarkeit. Der Krankenstand wächst, die Motivation ist im Keller und Unsicherheit greift um sich.
In Gesprächen mit Polizistinnen und Polizisten vor Ort wird klar zum Ausdruck gebracht, dass sie ihren Beruf gern ausüben. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, dass Sie an ihnen vorbeiregieren. Sie müssen doch zur Kenntnis genommen haben, welche Konsequenzen der Personalabbau von 2 441 Stellen bereits hatte: In der Kriminalstatistik von 2009 ist ein verstärkter Anstieg der Kfz-Diebstähle zu verzeichnen. Die der Wirtschaftskriminalität zuzuordnenden Delikte sind im Vergleich zum Vorjahr um 1 828 Fälle gestiegen. Die vorgegebenen VorOrt-Zeiten können im ländlichen Raum nicht mehr eingehalten werden – aber den haben Sie ja de facto bereits aufgegeben.
Schon bisher kann davon ausgegangen werden, dass der bereits erfolgte Personalabbau für die sächsische Bevölkerung spürbar ist. Die Weiterführung des Stellenabbaus wird noch mehr als bisher für die Menschen in Sachsen spürbar sein, was sich an den längeren Ausrück- und Anfahrtszeiten manifestiert.
In der Vergangenheit und im Vorfeld der Wahlen wurde seitens der FDP immer wieder deutlich gemacht, dass der Stellenabbau in der sächsischen Polizei beendet bzw. ausgesetzt werden muss, um die Erfüllung der Aufgaben der Polizei zu gewährleisten. Die derzeitige Personalentwicklung der sächsischen Polizei zeigt, dass die FDP an dieser Stelle ganz klar wortbrüchig geworden ist; denn aufgrund Ihres politischen Darstellungsdranges haben Sie, liebe CDU und FDP, im Bereich der inneren Sicherheit einen Koalitionsvertrag geschlossen, welcher die innere Sicherheit für die Bürgerinnen und Bürger Sachsens in Zukunft eher gefährdet als gewährleistet. Zu glauben, mit härteren Sicherheitsgesetzen den unverantwortlichen Stellenabbau bei der sächsischen Polizei kompensieren zu
können, zeugt ganz offensichtlich von mangelndem Sachverstand und Verantwortungsgefühl der Koalition.
Auf der einen Seite wird eine fragwürdige Verschärfung der Gesetzeslage festgeschrieben und auf der anderen Seite der Stellenabbau zementiert. Damit gefährden Sie als CDU mit Ihrem willenlosen und wortbrüchig gewordenen Koalitionspartner FDP in erheblichem Maße die öffentliche Sicherheit im Freistaat.
Mit dem Rückzug der Polizei aus der Fläche aufgrund chronischen Personalmangels besteht die Gefahr von rechtsfreien Räumen. Ob die Bürgerinnen und Bürger der ländlichen Räume damit zufrieden sind, ist mehr als zu bezweifeln.
Meine Damen und Herren, wir als Linksfraktion sind sehr gespannt, welche Vorschläge die Projektgruppe zur Verbesserung der Effizienz und Qualität der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung unterbreiten wird, die Sie, Herr Staatsminister, ins Leben gerufen haben. Wenn Sie, Herr Staatsminister Ulbig, es mit der Arbeit der Projektgruppe ernst meinen, dann können Sie bis zum Vorliegen der Ergebnisse der Projektgruppe, die Sie für Anfang des IV. Quartals 2010 in Aussicht gestellt haben, keine Entscheidungen im Bereich der Polizei durch den Finanzminister zulassen.
Die bisher in die Öffentlichkeit gelangten Ansätze lassen Schlimmes ahnen und die Ergebnisse des 15-PunkteProgrammes zum Aufbau einer grenzbezogenen Sicherheitsarchitektur sind auch eher mäßig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Landratsamt Görlitz sichert alle seine Fahrzeuge, für die es keine geschützten Parkplätze gibt, mit einer Parkkralle. Der Oberbürgermeister von Zittau bezeichnet die Lage als fast unerträglich. Eine Region, die vom Tourismus lebt, könne sich Meldungen über Autoklau und Diebesbanden nicht leisten.
Es gibt aber auch andere Meldungen. Die „Lausitzer Rundschau“ berichtete am 27. März: „Ein paar Kilometer weiter hinter Krauschwitz schlängelt sich der Ort Sagar an der Grenze entlang. Von der Fleischerei Zink aus liegen die Grenzpfähle nur einen Steinwurf weit entfernt. Im Dorf hat sich seit dem Wegfall der Grenzkontrollen nichts verändert. ,Diebstahl kommt überall mal vor’, gibt sich der Fleischermeister gelassen.“
Meine Damen und Herren, Sie sehen, Schwarzmalerei ist also keineswegs angebracht; vielmehr ist eine differenzierte Betrachtung notwendig. Ja, wir haben Probleme bei der Kriminalitätsentwicklung in einzelnen Bereichen, etwa beim Kfz-Diebstahl. Hier will ich nichts beschönigen. Fakt ist aber auch, dass die Kriminalität 2009 insgesamt auf den niedrigsten Stand seit 1993 gesunken ist. Sachsen gehört zu den sichersten Bundesländern deutschlandweit. Hierfür gebührt den sächsischen Polizeibeamtinnen und -beamten mein ausdrücklicher Dank und Respekt.
Die Staatsregierung hat im Dezember 2009 den Bericht zur Überprüfung der Stellenausstattung der Polizei im Hinblick auf den Wegfall der Schengengrenze vorgelegt. Dass Sie, meine Damen und Herren von der SPDFraktion, nunmehr einen weiteren Bericht fordern, verwundert mich schon. Schließlich haben doch Sie – als Regierungsfraktion der letzten Legislaturperiode – den vorliegenden Bericht erst beantragt. Vielleicht hätten Sie den Berichtsauftrag ein bisschen besser formulieren sollen, wenn Sie andere Ergebnisse haben wollten.
Aber nicht nur das allein: Unter Ihrer Regierungsbeteiligung wurde der Abbau der 2 441 Stellen im Bereich der Polizei doch erst beschlossen. Ich räume gern ein, dass angesichts der finanziellen Zwänge, in denen sich der Freistaat befindet, heute auch kein Weg mehr daran vorbeiführt. Aber: Wer hat es denn in den finanziell guten Jahren versäumt, Vorsorge zu treffen? Das waren doch wohl auch Sie, oder? Stellen Sie sich hier mal nicht so hin, als seien Sie niemals in der Regierung gewesen!
Wir stehen jetzt gemeinsam mit der Union praktisch mit dem Rücken zur Wand und müssen von heute auf morgen auf 1,7 Milliarden Euro im nächsten Doppelhaushalt verzichten. Das verdanken wir unter anderem Ihnen.
Dabei stellen neue Schulden für meine Fraktion keine Alternative dar; denn auch neue Schulden müssen irgendwann von unseren Kindern und Enkelkindern zurückgezahlt werden. Deshalb, meine Damen und Herren, werden wir am beschlossenen Stellenabbau nicht rütteln.
Aber wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, wie wir die Polizeibeamten von artfremden Tätigkeiten entlasten können. Im Koalitionsvertrag haben CDU und FDP hierzu bereits verankert, das Beschaffungswesen der Polizei privatwirtschaftlich zu organisieren. Staatsminister Ulbig hat zudem das Projekt zur Verbesserung von Effizienz und Qualität der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung auf den Weg gebracht. Bis Anfang des IV. Quartals dieses Jahres sollen Vorschläge zur weiteren Fortschreibung der Aufgabenorganisation der sächsischen Polizei erarbeitet werden.
Meine Damen und Herren! Wir als Koalition machen das, was notwendig ist und was finanzierbar ist. Anders als
Sie, meine Damen und Herren, haben wir jetzt kein Geld mehr für Wahlgeschenke. Uns fehlt im kommenden Doppelhaushalt das Geld. Ich weiß, bei Ihnen war das anders; das waren noch schöne Zeiten.
Noch ein paar Worte zu den Pressemeldungen der letzten Woche, als über den Abbau weiterer 1 500 Polizeistellen spekuliert wurde. Meine Damen und Herren, seien Sie versichert: Das ist reine Panikmache vonseiten der Gewerkschaft der Polizei.
Genauso wird auch am vereinbarten Einstellungskorridor von 300 Polizeibeamten jährlich, der von CDU und FDP beschlossen wurde, festgehalten. Wir rütteln nicht daran. Wir halten uns an das, was wir beschließen. Wir setzen Prioritäten, auch im Sinne kommender Generationen.
Als nächste Rednerin ist Frau Jähnigen für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gemeldet. Frau Jähnigen, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Auch wir halten natürlich Aufgabenanalyse und -kritik der Polizei für unabdingbar vor weiterem Stellenabbau. Das haben meine Mitgrünen in vielen Landtagsdebatten gesagt. Es ist erschreckend, dass wir an dieser Stelle bis jetzt eigentlich nicht weitergekommen sind. Der gut informierten Gerüchteküche nach steht uns die nächste Strukturreform ins Haus. Wie schon öfters, wird sie am Parlament vorbei geplant. Wenn ich sehe, wie viele Informationen in den letzten Tagen aus nicht öffentlichen Beratungen an die Öffentlichkeit gedrungen sind, spricht das weder für diese Planung noch für die Arbeitsatmosphäre in Polizei und Regierung. Das ist bedauerlich.
Die Abschaffung der Polizeidirektionen ist ein altes Rezept, aber leider kein altbewährtes. Die Führungsebene soll gestrafft werden. Mehr Bündelung soll erreicht werden. Es soll möglichst mehr Polizeipräsenz auf der Straße herauskommen. Die Wirkung aber wurde bisher nicht nachgewiesen! Hinzu kommt die heute in der „Bild“-Zeitung aufgeworfene Frage, ob bei Einführung der neuen Struktur nicht erhebliche Gelder fehlinvestiert wurden.
Ich fordere den Innenminister deshalb heute auf: Stellen Sie klar, inwieweit es derartige Pläne gibt, wie sie vorbereitet werden sollen und wann das Parlament in diese Planung einbezogen wird! Setzen Sie der Gerüchteküche ein Ende!
Es war ja schon mehrfach die Rede von dem Bericht, den uns die Staatsregierung Ende des vorigen Jahres vorgelegt hat, Drucksache 5/860. Dieser Bericht schildert aus der Sicht unserer Fraktion die Situation nur höchst bruch
stückhaft und wenig kritisch. Deshalb haben wir auch die Expertenanhörung dazu im Innenausschuss beantragt.
Alarmierend ist allerdings schon in diesem unvollständigen Bericht die Aussage, dass polizeiliche Aufgaben wegen der Schwerpunktbildung im Grenzraum woanders nicht wahrgenommen werden können. Wörtlich heißt es da:
„Um die Sicherheit in den Grenzregionen auch in den nächsten Jahren zu gewährleisten, mussten andere polizeiliche Aufgabenfelder wie Verkehrsüberwachung oder Präventionsaktivitäten zurücktreten.“