„Um die Sicherheit in den Grenzregionen auch in den nächsten Jahren zu gewährleisten, mussten andere polizeiliche Aufgabenfelder wie Verkehrsüberwachung oder Präventionsaktivitäten zurücktreten.“
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus der CDU und aus der FDP, auf diese Weise verlassen Sie Ihren Anspruch, Garant für die öffentliche Sicherheit zu sein. Eigentlich erfüllen Sie auch den Ansatz Ihres Koalitionsvertrags schon damit nicht mehr; denn Sie nehmen weiterhin zugunsten des Grenzraumes Sicherheitslücken in anderen Räumen stillschweigend in Kauf.
Nun kann man vielleicht darüber streiten, ob eine Verringerung der POLDI-Einsätze in Kindergärten die öffentliche Sicherheit berührt. Geklärt werden muss aber die grundsätzliche Frage, welche Aufgaben die Polizei zukünftig ausführen muss, welche Leistungs- und Qualitätsstandards dabei gelten sollen und wie das Verhältnis von Prävention und Repression sein soll. Dafür ist der Landtag der richtige Ort.
Dabei muss es aus unserer Sicht gerade auch um die Frage gehen, wann eine Bürgerin oder ein Bürger fernab der Grenze mit dem Eintreffen der Polizei bei einem Hilferuf rechnen kann. Mein grüner Fraktionskollege Jennerjahn fragte die Einsätze in der Silvesternacht in Westsachsen ab. Die Ergebnisse, was die Zeit vom Anruf bis zum Eintreffen vor Ort angeht, sind besorgniserregend – ich verweise auf die Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage, Drucksache 5/867 –: 112 Minuten nach Anruf wegen Bedrohung, über eine halbe Stunde nach Anruf zur Gefahrenabwehr, 48 Minuten nach Anruf wegen Körperverletzung oder aber auch Sachbeschädigung mit der Antwort: „keine Kräfte verfügbar, Klärung über Wachschutz“.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da ging es nicht um Diebstahl, da ging es um die Gefährdung von Leib und Leben!
Der dem Parlament von der Staatsregierung vorgelegte Bericht zur Überprüfung der Stellenausstattung ist ungeeignet, eine Auseinandersetzung über die notwendige Stellenausstattung zu führen. In ihm wird sogar pauschal vorgeschlagen, weitere vollzugspolizeiliche Aufgaben wie eben die Verkehrsüberwachung auf die Ortspolizeibehörden zu übertragen – angesichts der Situation in den kommunalen Haushalten eine völlig inakzeptable Sparmaßnahme. Wollen wir angesichts des steigenden Verkehrsaufkommens auf sächsischen Straßen die Überwachung noch weiter zurückfahren? Wir GRÜNEN unterstützen deshalb die Forderung der SPD nach einem umfassenden und substanziierten Bericht über die beste
henden Aufgaben der Polizei, den tatsächlichen Bedarf und die daraus abgeleitete, notwendige Stellenausstattung.
Zu Punkt 2 des SPD-Antrages werden wir uns zum Ende des Doppelhaushaltsjahres allerdings enthalten. Vollzugsaussetzung jetzt, nach dem mit Ihren Stimmen mitbeschlossenen Gesetz, halten wir nicht für zielführend, weil allein mehr Personal noch keine Garantie für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit ist. Wir haben den Ansatz der Expertenanhörung gewählt, und diese werden wir auswerten.
Knackpunkt für die kommende Diskussion um die Stellenkürzungen ist für uns dabei die fehlende Sicherheitsanalyse für Sachsen. Punktuell beschreibende Berichte genügen uns als Entscheidungsgrundlage nicht, zumal wir bei der Entscheidung über den Stellenabbau in der Polizei im gesamten Freistaat auch die Ausstattung anderer Bereiche beachten müssen, besonders der Justiz.
Aktuell verfügt die Polizei in Sachsen über 13 798 Stellen, lesen wir im Bericht der Staatsregierung. Die künftige Stellenausstattung muss sich an der Sicherheitslage in Sachsen orientieren. Das bleibt ein Leersatz, wenn die Sicherheitslage nicht genügend analysiert wird, Herr Innenminister. Rheinland-Pfalz, ein vergleichbares Flächenland im Westen, hat laut Stellenplan im aktuellen Haushalt 2010 eine Stellenzahl von ca. 11 050. Jetzt ist die Sicherheitslage in Sachsen sicherlich anders, steigende rechtsextremistische Gewalttaten und personalintensive Einsatzlagen im Zusammenhang mit Fußballspielen zum Beispiel.
Selbstverständlich müssen wir uns an dieser sachsenspezifischen Lage orientieren. Nun scheint das Vorhandensein der Grenze zu Tschechien und zu Polen ein wichtiger Gesichtspunkt, aber nicht der einzige zu sein. Diese sicherheitspolitische Schwerpunktbildung zulasten der Verkehrsüberwachung und sonstiger Prävention gehört mit auf den Prüfstand.
Deshalb brauchen wir – ich wiederhole es – eine Sicherheitsanalyse und eine Aufgabenkritik vor der Diskussion über Stellenabbau und neue Strukturen. Polizeiarbeit muss sich immer an den konkreten Bedürfnissen der einzelnen Menschen ausrichten. Wir im Parlament müssen die Sicherheitslage und die Arbeit der Polizei konkret analysieren und daraus konkrete Qualitäts- und Leistungsstandards für die Polizei definieren. Erst dann kann über die Stellenausstattung entschieden werden.
Die erste Runde beschließen wir mit dem Redebeitrag der NPD-Fraktion. Herr Storr, Sie haben das Wort.
der Linken und der SPD tatsächlich die Probleme im Zusammenhang mit dem Wegfall der Grenzkontrollen und der Erweiterung des Schengenraumes entdeckt haben.
Ich habe in der letzten Woche mit Verwunderung in einer Wochenzeitung im Landkreis Görlitz gelesen, dass die SPD vor Ort es zunächst gutheißt, dass im nördlichen Teil des Landkreises Görlitz die Grenzkalamität noch nicht angekommen ist, aber sich gleichzeitig dagegen ausspricht, dass dort eine Brücke über die Neiße bei der Gemeinde Krauschwitz errichtet wird, weil das wohl auch möglicherweise die Kriminalität erhöhen würde. Das halte ich tatsächlich für einen Fortschritt. Das sollte hier ausdrücklich festgehalten werden: dass offenbar DIE LINKE und die SPD zumindest aufgehört haben, sich der Realität zu verweigern, im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien, die nach wie vor das Problem kleinreden oder sogar leugnen.
Aber zurück zum Antrag. Der Bericht der Staatsregierung zur Überprüfung der Stellenausstattung der Polizei im Hinblick auf den Wegfall der Schengengrenzen entspricht in keiner Weise dem Auftrag des Sächsischen Landtages nach einer Überprüfung der Stellenausstattung der Polizei. Im Gegenteil, der Stellenabbau von 2 441 Stellen, davon 2 297 Stellen im Polizeivollzugsdienst, ist weiterhin beschlossene Sache. Damit nicht genug, weitere 1 500 Stellen sollen bei der Polizei gestrichen werden.
Die Stellenabbaupläne der Staatsregierung vollziehen sich vor dem Hintergrund einer Polizeireform, die heute organisatorisch gar nicht klar umrissen ist. Die Ausgleichsmaßnahmen für den Fortfall der Schengengrenzen, die die Staatsregierung ergreifen will und die im vorliegenden Bericht genannt werden, sind Allgemeinplätze und lassen einen konkreten Stellenbedarf überhaupt nicht erkennen.
Auch muss die Frage gestellt werden, ob tatsächlich die Kriminalität nicht nur statistisch, sondern auch tatsächlich gesunken ist. Mit dem Wegfall der Kontrollen unmittelbar an den Grenzen und drastisch gesunkener Verkehrskontrollen, wie sie auch in dem Bericht erwähnt werden, ist es zwangsläufig, dass die statistisch erfasste Kriminalität in diesem Bereich sinken muss. Die rückläufige Anzahl von Straftaten in einigen Deliktfeldern ist aber kein wirklicher Maßstab, um den tatsächlichen Stellenbedarf im Bereitschaftsdienst der sächsischen Polizei ermitteln zu können.
Fakt ist – der Bericht der Staatsregierung räumt dies auch ein –, dass die Kriminalitätsbelastung der Grenzregion weiter überdurchschnittlich hoch ist.
Die Eigentumskriminalität, also ein Bereich der Straftaten, von dem die Bürger ganz direkt betroffen sind, ist gestiegen und nicht gesunken.
Ausländerrechtliche Verstöße, die in der statistischen Erfassung deutlich gesunken sind, betreffen die Bürger dagegen deutlich weniger bis gar nicht. Deshalb ist die Aussage im Bericht der Staatsregierung, dass sich die Bürger in den Grenzregionen durch den Anstieg der
Eigentumskriminalität zunehmend bedroht fühlen, eine begriffliche Abschwächung der tatsächlichen Entwicklung; denn die Bürger fühlen sich nicht nur bedroht, sondern ihr Eigentum ist auch tatsächlich zunehmend gefährdet und nicht nur eingebildet oder gefühlt.
Im Punkt 4 des Berichtes zu den Auswirkungen des Wegfalls der Schengengrenzen auf die Stellenausstattung der Polizei wird auch von der Staatsregierung eingeräumt, dass es in den nächsten Jahren zu einem massiven Präsenzverlust in Sachsen kommen wird. Wie vor diesem Hintergrund die Streichung von nunmehr fast 4 000 Stellen bei der sächsischen Polizei durch Ausgleichsmaßnahmen aufgefangen werden soll, kann bis heute die Staatsregierung tatsächlich nicht überzeugend darstellen und sie wird es nach meiner festen Überzeugung auch bis zur Beratung zum Doppelhaushalt 2011/2012 nicht überzeugend darstellen können, weil dies der Quadratur des Kreises gleichen würde. Deshalb unterstützt die NPDFraktion den vorliegenden Berichtsantrag und wird ihm zustimmen.
Ich frage die Staatsregierung, ob sie nach der ersten Runde das Wort ergreifen möchte. – Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir zur zweiten Runde. Als Redner für die SPDFraktion war der Abg. Jurk gemeldet.
Ohne Zweifel, die SPD hat fünf Jahre das Land mitregiert und wir stehlen uns auch nicht aus der Verantwortung. Wenn man aber fünf Jahre mit dabei war, dann hat man wesentliche Entscheidungen begleitet. Man hat manchmal dafür auch Prügel bezogen. Aber eines lasse ich der FDP wirklich nicht durchgehen: heute so zu tun, dass in fünf Jahren alles verzehrt wurde, was heute alles fehlt. Das ist mitnichten der Fall gewesen.
Mit der Regierungsbeteiligung der SPD hat der Freistaat seit 2006 keine neuen Schulden gemacht, gerade auch in einer Zeit, in der die Steuereinnahmen nach oben gegangen sind.
Wissen Sie, Herr Zastrow, es zeugt wieder einmal von Ihrer Unkenntnis, den Leuten draußen irgendetwas vorzumachen. Ihre Wahlkampfversprechen sind doch schon längst wie Luftblasen zerplatzt. Jetzt versuchen Sie, der SPD zu unterstellen, was wir im Gegenteil gemacht haben. Wir haben Verantwortung für den Generationsfonds übernommen, kurzum für die Beamtenpensionen. Das war aufgrund versicherungsmathematischer Grundlagen richtig, nämlich Vorsorge für die künftigen Lasten zu treffen, damit Beamtenpensionen nicht aus dem laufenden Haushalt beglichen werden müssen. Schon weit mehr als eine Milliarde Euro sind dorthin geflossen.
Wir mussten leider Vorsorge für den SIV, für die Rücklage der Zweckgesellschaft der Sächsischen Landesbank treffen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben sogar Schulden getilgt, damit nämlich die Pro-KopfVerschuldung der Einwohner stabil gehalten wurde. Wir haben Schulden getilgt um die Anzahl der Menschen im Freistaat Sachsen, die nicht mehr die Gesamtbevölkerung ausmachen.
Herr Bandmann, wir haben uns auch dem Problem des Personalabbaues infolge der Demografie und der zurückgehenden Einnahmenstrukturen gewidmet. Weil ich dabei war, weiß ich, wie es gelaufen ist. Es war zur Klausur im März 2006 in Bad Schandau. Da kam bei einer Kabinettsklausur noch wesentlich mehr heraus als heute.
Wir haben uns seinerzeit nach einem langen Vorlaufprozess, hauptsächlich gesteuert durch das Staatsministerium der Finanzen, in die Augen geschaut und besprochen, wie wir mit dem Personal umgehen. Als Sozialdemokrat macht es wenig Freude, über Personalabbau zu reden. Eines muss aber auch gesagt werden: Der damalige Staatsminister des Innern hat die Verantwortung für den Abbau von 2 441 Stellen übernommen. Es ist natürlich schwierig, wenn der zuständige Fachminister sagt, jawohl, ich bekenne mich dazu. Wie er dazu gekommen ist, weiß ich nicht. Fakt ist aber auch, wir haben das am Ende mitgetragen, auch die damalige SPD-Landtagsfraktion. Dazu muss man stehen. Das hat mir sogar die harsche Kritik der GdP eingebracht. Ich musste kennenlernen, wie das ist, wenn man Verantwortung trägt und von einer Gewerkschaft stark attackiert wird. Aber wir haben dazu gestanden.
Aber wir haben in der damaligen Kabinettsklausur auch eine klare Aussage gemacht: Wir wissen ja nicht, wie sich die Sicherheitslage entwickelt. Herr Flath schaut zu mir – ja, wir haben darüber gesprochen, was machen wir denn in den folgenden Jahren. Damals war für mich noch nichts über den Beitritt von Polen und Tschechien zum Schengenabkommen bekannt. Der kam dann am 21. Dezember 2007. Ich weiß auch nicht, ob die Verantwortlichen in Europa tatsächlich alle Probleme durchschaut und überschaut haben, die auf uns dann zugekommen sind. Damit will ich nicht sagen, dass man die Grenzen schließen soll. Mich wundert aber schon, wie zurückhaltend Europa ist. Ich gebe Ihnen recht, Herr Bandmann, wir können nur erfolgreich sein, wenn wir mit den Nachbarländern kooperieren. Ich weiß, dass es mit den Tschechen manchmal etwas einfacher ist als mit den Polen. Aber auch das muss gemacht werden. Aber auch diese Länder, die den Schengenbeitritt wollten, müssen sich ihrer Verantwortung stellen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Kommen wir noch einmal zu dem Bericht. Ich sage Ihnen klar und deutlich, das ist nicht der Bericht, den ich erwar
tet hätte. Da kann man darüber reden, wie die Formulierung des Antrages gestaltet ist, aber für mich ist das nicht ausreichend, um wirklich entscheidend politische Weichen stellen zu können. Deswegen erwarte ich schon, dass mir berichtet wird, meinetwegen auch am 3. Juni. Aber jetzt wie das Kaninchen auf die Schlange zu starren, was am 3. Juni geschieht, halte ich für nicht angezeigt.
Die Schwächen des Berichtes werden auch offenkundig, wenn ich da lese: „Die Befürchtungen, insbesondere der Bevölkerung in den Regionen, dass es nach dem Wegfall der stationären Grenzkontrollen zum explosionsartigen Anstieg der Kriminalitätszahlen entlang der sächsischen Außengrenzen kommen könnte, haben sich nicht bewahrheitet.“
Da muss man sich aber ein paar Zeilen weiter die Zahlen einmal richtig durchlesen, dann relativiert sich diese Aussage schon sehr massiv. Dazu muss gesagt werden, dass manche kriminellen Netzwerke erst einmal geschaut haben, wie sie ihre Diebstähle in Zukunft durchführen können. Das ist ein fortlaufender Prozess. Ich habe bei meinem Besuch in der Polizeidirektion OberlausitzNiederschlesien in Görlitz gelernt, dass es exponentiell einen Anstieg bei Kfz-Diebstählen gibt. Dazu brauche ich keine neuen Fakten, sehr geehrter Herr Bandmann. Das weiß ich ganz genau. Es gibt einen massiven Handlungsbedarf.
Wenn ich im Bericht weiterlese „Auswirkungen des Wegfalls der Schengengrenzen auf die Stellenausstattung der Polizei“, geht das nicht ohne den Blick auf die Bundespolizei. Das steht ja auch im Bericht: „Darüber hinaus hatte die Bundespolizei die geplante Umverteilung ihres bis Jahresende 2007 an den Grenzübergangsstellen eingesetzten Personals zunächst zurückgestellt und die Beamten zur Verstärkung der Sicherheit im Grenzgebiet eingesetzt. Da nunmehr die Bundespolizei mit der Umsetzung ihres Personalkonzeptes begonnen hat, muss in den nächsten Jahren mit einem massiven Präsenzverlust gerechnet werden. Um die damit verbundenen Auswirkungen auf die objektive Sicherheitslage, vor allem auch das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, möglichst gering zu halten, darf die Landespolizei in ihren Aktivitäten bei der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in den Grenzregionen nicht nachlassen.“
Jetzt frage ich: Was liegt an Zahlen von der Bundespolizei vor? Wenn ich recht informiert bin, ist der Bundesminister des Innern, Herr de Maizière, einstmals nicht nur Mitglied der Staatsregierung gewesen, sondern er kommt aus Sachsen und hat noch seine Vernetzung hierher. Ich erwarte ganz einfach, dass die Zahlen auf den Tisch kommen, damit wir addieren können, was noch an Polizei in der Grenzregion vorhanden ist, meine sehr verehrten Damen und Herren.