Protokoll der Sitzung vom 29.04.2010

Um es einmal mit einfachen Worten auszudrücken: Der Müll-Untersuchungsausschuss ist Müll, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Zu diesem Eindruck kommt zumindest jeder, der das krampfhafte Bemühen von Herrn Lichdi im Umweltausschuss der letzten Legislaturperiode erlebt hat, einen Skandal herbeizureden.

(Zuruf von der Linksfraktion: Er war einmal da!)

Er war einmal da, und dann hat er es bei der Sondersitzung versucht.

Was gibt es an neuen Fakten, die den Untersuchungsausschuss genau jetzt rechtfertigen sollen? Darauf gibt der Antrag auf Einsetzung keine Antwort und die Begründung der Antragsteller erst recht nicht. Das ist auch kein Wunder, denn es geht Ihnen nicht um inhaltliche Aufklärung. Sie verfahren nach einem Prinzip, das man bei der Feuerwehr folgendermaßen beschreiben würde: Man stellt die Löschkanonen auf, wirft sie an und hofft, dass irgendein Bürger denkt, dass es auch ein Feuer gibt. So funktioniert das nicht, liebe GRÜNE und liebe LINKE!

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege Herbst?

Bitte, Frau Kollegin Roth.

Herr Herbst, ich muss noch einmal auf den Anfang Ihrer Rede zurückkommen. Sie sagten, der Ausschuss wäre Müll. Haben Sie vorhin in meinem Redebeitrag verstanden, dass Müll eine wertvolle Ressource ist?

Durchaus.

Dann wissen wir ja Bescheid.

Und? Deswegen reden wir im Ausschuss über Abfallwirtschaft. Da brauchen wir keinen Untersuchungsausschuss, der, wie Sie wissen, nach hinten gerichtet ist und sich nicht mit Gedanken um die zukünftige Müllentsorgung in Sachsen beschäftigt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Dass das alles nur Show ist, zeigte allein Ihre Pressekonferenz am Montag. Ich glaube, wir haben es noch nie erlebt, dass ein Untersuchungsausschuss groß medial angekündigt wurde, aber der Untersuchungsauftrag noch nicht einmal vorliegt.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Er wurde dann hektisch zusammengebastelt. Gestern haben wir ihn erhalten, Herr Dr. Hahn.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Er war Montag da! – Christian Piwarz, CDU: Nein, war er nicht!)

Ein Blick auf die Qualität zeigt ja, wie oberflächlich Sie vorgehen. Statt eines konkreten Untersuchungsgegenstandes gibt es immerhin 19 einzelne Tatbestände. Sie schaffen einen Ausschuss getreu dem Motto: Irgendetwas muss sich doch finden lassen, aus dem sich ein Skandal konstruieren lässt.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung – Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Mein Kollege Piwarz hat es schon richtig angesprochen: Es geht Ihnen nicht um Inhalte, es geht um reine Taktik. Herr Lichdi bekommt seine Spielwiese, auf der er sich austoben kann. Und rein zufällig geht der nächste Untersuchungsausschussvorsitz an die Linksfraktion. Das ist doch nun wirklich ein offenes Geheimnis, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Erlauben Sie eine Zwischenfrage?

Bitte, Frau Jähnigen.

Beim Untersuchungsausschuss geht es ja darum, das korrekte Handeln der öffentlichen Abfallbehörden zu kontrollieren. Halten Sie es für falsch, eine ganze Reihe ungeklärter alter und neuerer Tatbestände für solch einen Untersuchungsausschuss als Auftrag aufzuzählen?

Ich glaube, bei einem Untersuchungsausschuss geht es zunächst darum, das Handeln der Staatsregierung aufzuklären. Wir machen doch im Landtag Politik und keine Rechtsaufsicht für einzelne Umweltentsorger oder Deponiebetreiber.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ende kommen. Auch wenn wir den Untersuchungsausschuss für nutzlos halten, respektieren wir selbstverständlich die Rechte der Opposition. Wir werden uns deshalb enthalten.

(Beifall bei der FDP und der CDU)

Für die FDP-Fraktion sprach Kollege Herbst. – Jetzt spricht die NPD-Fraktion. Bitte, Herr Abg. Müller.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag auf Einset

zung des Untersuchungsausschusses zu den Vorgängen um die sächsischen Mülldeponien wurde seit Monaten angekündigt. Aus diesem Grunde erschließt sich für die NPD-Fraktion nicht, warum der Antrag derartig kurzfristig eingebracht wurde. Die Fraktionsseite der GRÜNEN im World Wide Web ist nicht der normale Geschäftsgang dieses Parlaments. Die Geschäftsordnung ist zwar formal noch eingehalten worden, aber für die nicht an der Antragstellung beteiligten Fraktionen ist es nach meiner Auffassung eine Zumutung, wenn wir heute über einen komplexen Antrag entscheiden sollen, den wir zumindest über den parlamentarischen Geschäftsgang erst seit gestern Nachmittag überreicht bekommen haben. Manche von Ihnen dürften ihn wohl erst heute Morgen zur Kenntnis genommen haben.

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man sie einfach quasi zwischen Tür und Angel behandeln sollte. Vergessen wir nicht, dass Untersuchungsausschüsse eine Menge Geld kosten und deshalb wohlüberlegt sein sollten.

Damit komme ich zur inhaltlichen Bewertung des Einsetzungsantrages.

Meine Damen und Herren, es ist wahr, auf Sachsens Mülldeponien stinkt es, und das nicht nur wegen des dort lagernden Abfalls. Durch oftmals völlig überdimensionierte Deponien sind manche Betreiber regelrecht gezwungen, unter dubiosen Umständen Müll aus aller Herren Länder nach Sachsen zu karren, bekanntlich sogar aus Italien.

Da man mit Müll bekanntlich viel Geld verdienen kann, werden auch Kriminelle angelockt. Ein ehemaliger Insider aus dieser Branche sagte mir schon vor Jahren, Müll sei härter als Rotlicht. Doch genauso wie man die Verfolgung von Exzessen im Rotlichtmilieu in der Regel der Staatsanwaltschaft überlässt, sollte dies auch bei der Verfolgung der Müllmafia der Fall sein. Oder glauben Sie ernsthaft, dass wir als Parlamentarier jetzt auch noch die Umweltsheriffs spielen sollten und dass wir dabei die besseren Aufklärer sind? Nein, die NPD-Fraktion glaubt das nicht.

Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch einen gewissen Aufklärungsbedarf sehen. Aber der könnte auch durch einen Unterausschuss des Umweltausschusses befriedigt werden. Dafür müssen wir nicht mit Tausenden Euro den Steuerzahler belasten, zumal die Einsetzung eines weiteren Untersuchungsausschusses zu einem anderen Thema, dem Sachsensumpf, bevorsteht, bei dem es dann um Verstrickungen der Landespolitik ins kriminelle Milieu gehen soll – eine Absicht, die wir als NPD-Fraktion in diesem Fall ausdrücklich begrüßen.

Meine Damen und Herren, auch wenn wir den Sinn eines eigenständigen Untersuchungsausschusses zur Müllproblematik nicht erkennen können, wird sich die NPDFraktion dem Aufklärungswunsch und dem guten Recht von zwei Oppositionsfraktionen nicht völlig verschließen. Wir werden uns aber aus den genannten Gründen der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die NPD-Fraktion sprach der Abg. Müller. – Möchte die Staatsregierung das Wort ergreifen? – Bitte, Herr Staatsminister Kupfer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! In der Demokratie ist es das Recht der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zu beantragen. Das ist in unserer Sächsischen Verfassung festgeschrieben. Grundlage dafür ist auch die Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages. Von mir wird das ausdrücklich respektiert. Unabhängig davon ist es aber auch erlaubt, über die Sinnhaftigkeit eines solchen Untersuchungsausschusses zu reden und diese zu hinterfragen.

Gegenstand der Untersuchung ist nichts weniger als die gesamte Abfallpolitik der vergangenen zehn Jahre hier im Freistaat Sachsen. Seitdem hat die Staatsregierung eine fast nicht zu zählende Menge von Anträgen, von Kleinen Anfragen, von mündlichen Anfragen beantwortet, und das ausführlich und bis ins Detail, meine Damen und Herren. Die Staatsregierung stand auch stets für weitere Fragen zur Verfügung. Daher weise ich den mit dem Antrag suggerierten Eindruck einer unzureichenden Information durch die Staatsregierung zurück.

Viele der angesprochenen Sachverhalte, insbesondere zu den Abfällen aus Italien und zu den Brandereignissen der jüngsten Vergangenheit, sind heute noch Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen. Herr Lichdi, staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen! Nicht die CDU im Freistaat Sachsen ermittelt, sondern die Staatsanwaltschaft, und Sie als Jurist müssten das eigentlich wissen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir hatten das aktuelle Ereignis in Delitzsch, den Brand in den Kreiswerken. Ich habe den Ausschuss darüber informiert, und ich habe dem Ausschuss auch zugesagt, ihm sofort zu berichten, sobald es neue Erkenntnisse gibt. Ich habe das auch in diesem Fall mit dem Schreiben von heute Morgen getan. Mir ist gestern Abend mitgeteilt worden, dass es nach dem Brand Untersuchungen gab und dass die Landesdirektion dabei festgestellt hat, dass vermutlich mehr Abfälle gelagert worden sind als zulässig. Vermutlich! Die Landesdirektion Leipzig hat die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Dieser Fall wird untersucht. Dort gehört er auch hin.

Meine Damen und Herren, nach wie vor gibt es zu einer Reihe der in Rede stehenden Abfallentsorgungsvorgänge nur konstruierte Vermutungen auf illegales Handeln oder teilweise abenteuerliche Theorien über Verschwörungen von Behörden und Unternehmen. Der Antrag bleibt über weite Strecken unbestimmt. Er dokumentiert an keiner Stelle rechtlich belastbar festgestellte Verstöße, die aus Versäumnissen der Behörden resultieren oder bei denen Behörden durch genehmigungsrechtliche Fehlentscheidungen Vorschub geleistet haben.

Insofern kann die Staatsregierung keinen Bedarf für einen Untersuchungsausschuss erkennen. Vielmehr lässt das Fehlen konkreter Tatsachen jede Menge Raum für Spekulationen und grundlose Schuldzuweisungen. Es besteht die Gefahr, meine Damen und Herren, dass mit den anstehenden öffentlichen Debatten ohne jeden berechtigten Grund nicht nur das Ansehen der staatlichen Behörden, sondern auch eine Reihe von sächsischen Entsorgungsunternehmen geschädigt wird. Davor kann ich nur warnen.

(Beifall bei der CDU und der FDP)