Protokoll der Sitzung vom 19.05.2010

(Andreas Storr, NPD: Ja!)

Doch. Dann müssen wir, wenn sich Widerspruch erhebt, darüber abstimmen. Wer dafür ist, dass wir in der Tagesordnung fortfahren, den bitte ich um sein Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Damit können wir, unterstützt durch eine sehr, sehr große Stimmenmehrheit, während des Auszählens in der Tagesordnung fortfahren.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Abkehr von der jetzigen GEZ-Gebühr: Neue Wege zur öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

2. Aktuelle Debatte: Konsequenzen aus der Mai-Steuerschätzung: Jetzt gegensteuern

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Gemäß § 55 unserer Geschäftsordnung dauert diese Aktuelle Stunde zwei Zeitstunden. Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 33 Minuten, Linksfraktion 25 Minuten, SPD 12 Minuten, FDP 14 Minuten, GRÜNE

10 Minuten, NPD 10 Minuten; Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Abkehr von der jetzigen GEZ-Gebühr: Neue Wege zur öffentlich-rechtlichen Rundfunkfinanzierung

Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP

Bevor wir in die Debatte eintreten, möchte ich wie üblich auf unsere Geschäftsordnung hinweisen, wonach Redebeiträge nur in freier Rede gehalten werden dürfen. Das Verlesen eines vorgefertigten Manuskripts ist unzulässig.

Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen CDU und FDP das Wort; die Reihenfolge in der nächsten Runde ist die übliche.

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; bitte, Herr Abg. Clemen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich kann mir heute, wenn ich eine Fischbüchse öffne, nicht sicher sein, ob ich daraus irgendeinen Radiosender höre. Wenn ich meine Mikrowelle anschalte, kann es gleichfalls passieren, und wenn ich auf meinem Handy unter Umständen den falschen Knopf bediene, dann erscheint dort irgendein Fernsehsender.

Was sagt uns das, meine Damen und Herren? Es zeigt uns, dass in zunehmender Konvergenz der Medien das bisherige Modell der gerätebezogenen Finanzierung des Rundfunks ausgedient hat. Die Forderung nach einer Umstellung der derzeitigen Rundfunkgebühr bzw. des derzeitigen Finanzierungsmodells des öffentlichrechtlichen Rundfunks plus der Landesmedienanstalten wurde bereits vor zehn Jahren in diesem Hohen Hause von der CDU-Fraktion vorgetragen. Damals war diese Forderung noch sehr umstritten. Es gab nur wenige, die sich diesem Anliegen so weit annähern konnten. Die Rundfunkgebühr wurde noch für weitestgehend akzeptiert gehalten und es war damals schwierig, eine positive Diskussion zum Beispiel zur Haushaltsabgabe zu führen.

Unser ehemaliger Fraktionsvorsitzender Dr. Fritz Hähle, der den Vorsitz der Kommission der Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU innehatte, hat es unter seiner Federführung im Jahr 2007 geschafft, eine deutliche Mehrheit hinter dieser Idee der Umstellung der Rundfunkgebühr zu einer Haushaltsabgabe zu versammeln.

Warum aber heute diese Aktuelle Debatte? Seit circa 14 Tagen liegt das Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Prof. Kirchhof vor, das untersucht, ob es möglich ist, von der derzeitigen Rundfunkgebühr auf eine Haushaltsabgabe umzustellen. Prof. Kirchhof sieht keine wesentlichen verfassungs- oder europarechtlichen Hinderungsgründe gegen diese Umstellung.

(Andreas Storr, NPD: Auftragsgutachten!)

Natürlich wird – das ist insbesondere unser Petitum – darauf zu achten sein, dass diese Umstellung kostenneutral erfolgt,

(Dr. Johannes Müller, NPD: Das geht gar nicht!)

das heißt, dass bei der Umstellung von der Rundfunkgebühr auf eine Haushaltsabgabe für die Rundfunkempfänger keine stärkere Belastung als bisher erfolgt.

Die Konvergenz der Medienempfänger und der zunehmende Akzeptanzverlust der Rundfunkgebühr – ich hatte es erwähnt – erfordern dieses neue Finanzierungsmodell.

Ein wesentlicher Punkt, der immer wieder ein großes Ärgernis darstellt, ist der geplante Wegfall der sogenannten GEZ-Sheriffs oder, wie sie tatsächlich heißen, der Gebührenbeauftragten. Es gibt viele unter uns, die wissen, wie ärgerlich dort manchmal Auseinandersetzungen wegen Streitigkeiten zur GEZ-Abgabe sind.

(Andreas Storr, NPD: Vor allem, wenn man schwarz sieht!)

Die Haushalts- und differenzierte Unternehmensabgabe kann der Lebenswirklichkeit gerecht werden. Interessant ist in dem Kirchhof-Gutachten, dass er eine Differenzierung bei Unternehmen vorsieht und von einem Sockelbetrag ausgeht und dass diese Idee auf einer mitarbeiterbezogenen Pauschale aufbaut.

Wie die Diskussion gegenwärtig zeigt, scheint das Kirchhof-Modell breite politische Unterstützung zu finden, wobei es durchaus Nuancen dahin gehend gibt, ob diese Umstellung gebührenaufkommensneutral erfolgen oder ob es unter Umständen einen Aufwuchs geben soll.

Wir als CDU bekennen uns zum dualen Rundfunksystem in Deutschland. Wir bekennen uns sowohl zu einem leistungsfähigen öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem als auch einem leistungsfähigen privaten Rundfunksystem. Wir sind der Meinung, dass wir in Deutschland eines der besten Rundfunksysteme der Welt haben

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

und dass es uns gelingen muss, dieses duale Rundfunksystem auch in Zukunft zu erhalten. Der durch Kirchhof angeregte sukzessive Wegfall der Werbung und des Sponsorings muss – das haben wir vorhin in der Debatte gesehen – vor dem Hintergrund damit eventuell einhergehender weiterer Belastungen der Bevölkerung diskutiert werden. Ebenso ist die Einrechnung der Haushaltsabgabe in den Grundbedarf von Hartz-IV-Empfängern zu überprüfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Clemen. – Jetzt sehe ich am Mikrofon 7 eine Wortmeldung. Geht es um eine Kurzintervention?

Es geht um eine Kurzintervention. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Clemen hier widersprechen: Kostenneutral kann und soll das nicht sein, denn es sollen ja ausdrücklich Mehreinnahmen generiert werden; das ist der Sinn dieser ganzen Maßnahme.

Zum Zweiten geht es auch deshalb nicht kostenneutral: Wenn es auch nur einen geringen Teil der Bevölkerung betrifft, aber es gibt Personen, die im Moment keine Rundfunk- und keine Fernsehgeräte haben, die also bis jetzt völlig gebührenfrei ausgehen, und diese werden dann auf alle Fälle belastet, sodass es für diesen Personenkreis auf keinen Fall gebührenneutral gehen kann. – Das möchte ich hier richtigstellen.

Das war eine Kurzintervention des Abg. Müller. – Es gibt die Möglichkeit, auf diese Kurzintervention zu reagieren. Besteht das Bedürfnis?

(Robert Clemen, CDU: In der zweiten Runde!)

Ich sehe das jetzt aktuell nicht.

Wir kommen nun zur miteinbringenden Fraktion der FDP. Für diese Fraktion spricht Kollege Herbst; bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am heutigen Vormittag hat der Euro die GEZ-Gebühr geschlagen, aber beide haben eines gemeinsam: Es sind hoch emotionale Themen. Zu Recht hat sich die Opposition – auch wir in der Vergangenheit – oft beschwert, dass Medienstaatsverträge zwischen den Staatskanzleien ausgehandelt werden und die Parlamente erst dann davon erfahren, wenn die Vorlage entscheidungsreif ist, wenn man also nur noch zustimmen oder ablehnen kann.

Insofern ist es gut, dass wir heute – und damit rechtzeitig – dieses Thema aufgreifen können und dass eine klare politische Willensbildung im Plenum erfolgen kann. Das Gutachten von Herrn Kirchhof – mein Vorredner hat es angesprochen – gibt nicht auf alle Fragen eine Antwort, aber es eröffnet den Weg zu neuen Antworten, und das war höchste Zeit.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Die Akzeptanz für die GEZ-Gebühr und für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sinkt. Dieser Prozess wurde bisher nicht gestoppt. Die Bürger fragen sich bei jeder Erhöhung: Wo ist eigentlich mein Mehrwert? Oft können sie keinen erkennen.

Das Kirchhof-Gutachten zeigt – darin liegt die Chance –: Es gibt verfassungskonforme Alternativen. Mit einer Medienabgabe sind zahlreiche Vorteile verbunden. Beispielsweise fällt die Mühe der Gerätedefinition weg, ob

für Radios, Fernseher, Handys, Computer oder andere „neuartige Rundfunkempfangsgeräte“. Auch ein Teil der GEZ-Spitzelei ist nicht mehr notwendig.

Das Gutachten geht in die richtige Richtung. Aber man sollte nicht vergessen: Es gibt noch Stolpersteine auf diesem Weg. Denn die Erfassung der Haushalte setzt die Beantwortung der Frage voraus: Was ist eigentlich ein Haushalt? Insofern ist die Situation deutlich schwieriger, als wenn jede Person eine Abgabe zahlen müsste. Es gibt keine klare Erfassung aller derzeit bestehenden Haushalte in Deutschland.

Die Akzeptanz und die Chancen zur Durchsetzung eines Umstiegs im Bereich der Rundfunkfinanzierung hängen am Ende von einem einzigen Fakt ab: der Höhe der Gebühren, die auf jeden Haushalt entfällt. Ich sage für die FDP-Fraktion ganz klar: Für uns gibt es eine Umstellung nur, wenn damit keine versteckte Gebührenerhöhung durch die Hintertür verbunden ist.