Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Am Rande der Großen Anfrage haben wir schließlich den Blick über die Staatsverwaltung hinaus auf sächsische Schulen gerichtet; denn in den Antworten auf die Fragen, wie Freie Software dort genutzt und gefördert wird und welche Fortbildungsangebote für Lehrer existieren, werden wichtige Weichenstellungen für die Zukunft deutlich. Das Ergebnis: Freie Produkte kommen gelegentlich zum Einsatz; die kategorialen Unterschiede zwischen proprietärer und freier Software werden allenfalls am Rande thematisiert.

Unser Fazit hierzu: Freie Software spielt an sächsischen Schulen keine nennenswerte Rolle.

Angesichts dieser Bestandsaufnahme aus den Antworten stellt sich die Frage, was zu tun ist. Damit meine ich nicht nur den persönlichen Bereich, den ich eingangs berührt habe. Um Ihren Fragen zuvorzukommen: Natürlich habe ich für diese Rede mithilfe des Browsers Mozilla Firefox recherchiert, ich habe sie mit Open Office geschrieben, im OpenDocument-Format abgespeichert und mit Thunderbird durch die Welt gemailt.

Ich meine vor allem die politischen Schlussfolgerungen für die Informationstechnik für den Freistaat Sachsen. Ich kann darin Justizminister Jürgen Martens nur zustimmen, der anlässlich der Berufung des neuen Beauftragten für Informationstechnologie mit dem Satz zitiert wurde: „Es gibt in dem Bereich durchaus Verbesserungspotenzial und Reserven.“

Wir geben uns aber nicht mit dieser Feststellung zufrieden, sondern machen eine Reihe von Vorschlägen, die ich Ihnen anschließend bei der Vorstellung unseres Entschließungsantrages vortragen werde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was wir im Ergebnis dieser Großen Anfrage fordern, ist nicht mehr und nicht weniger als die Abkehr von der staatlichen Unterstützung des Microsoft-Monopols.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Julia Bonk, Linksfraktion)

Mittel, die bisher für proprietäre Lizenzen ausgegeben werden, müssen konsequent in die Neuprogrammierung von IT-Verfahren auf der Basis Freier Software sowie in den Support investiert werden. Das sind nachhaltige Investitionen, durch die einerseits Kosten gespart werden können; andererseits wird die sächsische IT-Branche in ihrer kleinteiligen Struktur gestärkt und der IT-Standort Sachsen gefestigt. In der gestrigen Debatte wurde deutlich, dass die Koalition anscheinend nicht so recht weiß, wie die von ihr propagierte Staatsmodernisierung aussehen soll.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, Ihnen kann geholfen werden; denn eine nachhaltige, sichere und effiziente IT-Strategie auf Basis freier Software wäre zweifellos ein wichtiger Beitrag dazu.

(Beifall bei den GRÜNEN, der Linksfraktion und ganz vereinzelt bei der SPD)

Die CDUFraktion, bitte; Herr Abg. Modschiedler.

Frau Dombois! Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ja auch neu in diesem Parlament. Das ist eine Große Anfrage, damit lernt man erst einmal umzugehen, schaut sich das Ganze an und sagt: Aha, viele Fragen; dann antwortet das Staatsministerium der Justiz und für Europa, und dann geht es ins Plenum. Das bringt nichts, das ist an der Sache vorbei;

(Beifall bei der CDU)

denn bei der Vorbereitung habe ich schon festgestellt, da werden mir Fachtermini um die Ohren geworfen, der Großteil der Leute ist gegangen – Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben das selbst gesagt –, und ich stellte mir einfach nur die Frage: Wie passiert das, wo passiert das und – vor allem – was kostet das? Und genau das steht hier alles noch gar nicht drin.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja!)

Ja, so ist es nun einmal. Aber deswegen ist die Frage: Wie soll das gehen? Es steht auf Seite 21, entsprechende Ziele sollen konkret definiert werden, und dann kann es losgehen; das hat die Staatsregierung selbst gesagt. Konkret definiert ist hier nichts. Hier steht einfach nur drin, jetzt legen wir mal los. Das bringt uns nichts, das ist genau dasselbe, wie wenn ich sage: Ich habe Lust, ein Auto zu kaufen, ich kaufe mir irgendeines – ob es etwas kostet oder nicht, das sehen wir nicht.

Das Zweite ist: Wo tue ich das? Ich tue es hier im Plenum. Man geht jetzt mit dieser Großen Anfrage und den 59 Fragen ins Plenum und sagt dann im Entschließungsantrag: Jetzt geht es los, jetzt wird umgestellt. Wie denn? Was kostet es denn? Wie wird es sich denn weiterentwi

ckeln? Ist denn die Softwarekontrolle billiger als das Paket, das Sie von Microsoft bekommen?

Das will ich doch nur wissen. Ich stehe der Sache gar nicht negativ gegenüber, denn mich interessiert es auch; nur das Ergebnis kenne ich nicht, und bevor ich den ersten Schritt nicht getan habe, fange ich nicht mit dem zweiten an, und das tun Sie hier gerade.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Sie ziehen das Ganze auf das Beispiel München herab und sagen, in München hat es funktioniert. Ich war auch auf dieser Seite. München ist eine Stadt, das ist eine ganz normale Region, hat einzelne Behörden, und damit ist „der Käse gegessen“.

Das Problem hierbei ist: Wir haben es mit einem Flächenstaat zu tun, dem Freistaat Sachsen. Wir haben die Landesdienstbehörden, es geht hinunter bis in die Kleinstbehörden. Hier geht es um die Kommunikation, und zwar die Kommunikation untereinander und auch nach außen. Es muss wenigstens gewährleistet sein, dass es funktioniert.

So etwas, Herr Lichdi, nennt man Machbarkeitsstudie und nicht IT-Strategie. Das ist die nächste Stufe nach der Machbarkeitsstudie.

(Beifall bei der CDU)

Herr Gerstenberg, meine Idee wäre nämlich dazu, dass man erst einmal prüft, ob das Ganze machbar ist, wie es funktioniert, und das tut man da, wo es hingehört, nämlich in einem Ausschuss, und dafür haben wir einen Ausschuss. Wir haben nämlich Herrn Dr. Martens, den Staatssekretär Dr. Bernhardt, der im IT-Rat ist. Frau FerkauPermesang hat mir gesagt, wie es vollständig heißt – drei Zeilen, ein riesenlanger Name –; aber es gibt einen ITPlanungsrat, den wir hinzuziehen und nutzen können. Dann können wir sehen, wie und ob es funktioniert, und machen nicht so etwas Halbgewalktes, bei dem man sagt, wir bauen jetzt eine IT-Strategie auf und stellen sofort alle Server um; wir wissen aber gar nicht, wie es geht und ob es überhaupt funktioniert.

Der letzte Punkt – das finde ich ganz interessant –: Sie sagen unter Ziffer 4, Herr Dr. Gerstenberg, es soll dafür Sorge getragen werden, dass Freie Software als Unterrichtsinhalt in die Lehrpläne aufgenommen wird und dass die Ausstattung der Schulen mit freier Software gefördert wird. Wir sollten doch erst einmal die Schulleute fragen, ob das überhaupt funktioniert. Das haben wir nicht gemacht. Es wird hier einfach über die Fachausschüsse hinweg eine Entscheidung getroffen, und so solle es laufen, und das kann mit der Fraktion nicht gehen. Wenn Sie es geeignet anfangen, sind wir der Sache aufgeschlossen gegenüber; denn wir würden uns auch gern für eine Kostenminimierung aussprechen. Aber wir wissen gar nicht, ob wir Geld sparen.

Deswegen werden wir es ablehnen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die Fraktion DIE LINKE, bitte; Frau Abg. Bonk.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Lizenzierte Software ist kostspielig, weil die herstellenden Unternehmen aufgrund fortschreitender Monopolisierung des Marktes oftmals die Preise diktieren, die Rahmenbedingungen notwendiger Aktualisierung bestimmen und über die Schulung des Personals weiteren Einfluss ausüben können. Außerdem werden die Nutzungsmöglichkeiten in vorgeschriebene Bahnen gelenkt, statt den Nutzern eigene Bewegungs- und Entscheidungsspielräume zu überlassen. Lizenzierte Software entspricht daher oftmals nicht den gewachsenen Möglichkeiten der technischen Entwicklung.

Die Verwendung nicht lizenzierter Software stellt nicht nur eine erhebliche Einsparung gegenüber der teuren Bezahlsoftware dar; die Vorteile der Verwendung von freier Software lassen sich, wie Kollege Gerstenberg schon genannt hat, auch noch anders prägnant zusammenfassen. Die vier Freiheiten von Open Source Software lauten nämlich: ausführen, verbessern, verbreiten und verändern. Damit ermöglicht Open Source Software nicht nur die Anpassung der Programme an spezielle Verwaltungserfordernisse, sondern sie erhöht auch die Transparenz des Verwaltungshandelns, weil bei den verbreiteten Lizenzen Veränderungen am Quellcode von außen sichtbar gemacht werden müssen.

Dies sollen erste Argumente sein, warum ein Umdenken in der sächsischen Verwaltung nötig ist.

Zudem unterstützt der Umstieg auf Open Source Software in den Regionen ansässige IT-Unternehmen, die die Anpassung der Programme an die Bedürfnisse der Verwaltung vornehmen, und fördert die Know-howEntwicklung in der Region. Das Geld fließt sozusagen nicht mehr zum Beispiel nach Seattle, sondern stützt Unternehmen und Wissenszuwachs in der Region.

Je mehr Verwaltungen auf nicht lizenzierte Software umsteigen, desto größer ist der zu erwartende Wissenszuwachs der öffentlichen Hand.

In der Großen Anfrage der Fraktion GRÜNE heißt es nun hinsichtlich der Realisierungsmöglichkeiten – ich zitiere: „Für die Machbarkeit einer Umstellung auf FLOSS gibt es gute Beispiele, zum Beispiel große kommunale Verwaltungen wie die Stadt München, und auch in den Verwaltungen einiger Bundesländer kommt es zu einem verstärkten Einsatz. Auf einer Verwaltungstagung in der letzten Woche wurden diese Modelle erneut zentral zur Diskussion gestellt.“

Wie aber sieht die Realität im Freistaat Sachsen aus? Offensichtlich bastelt die Staatsregierung noch an einer eigenen Software-Strategie; denn laut Antwort arbeitet das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa an einer IT-Strategie für die Staatsverwaltung. In

diesem Sinne heißt es, dass der Einsatz von FLOSS im Sinne von Plattformunabhängigkeit ein Handlungsfeld sein wird, das noch offen ist. Kurz: Es wird diskutiert und geprüft.

Aber es finden sich auch einige Widersprüche. Zitat: „Zwischenzeitlich standen die Aufgaben der Optimierung der IT-Organisation der Staatsverwaltung im Vordergrund. Umfang und Ausgestaltung des Einsatzes von Open Source Software sowie Fragen der Plattformunabhängigkeit sind im Rahmen einer noch zu erarbeitenden ITStrategie der Staatsverwaltung an den Zielen der Staatsverwaltung auszurichten. Der Einsatz von Open Source Software sowie Fragen der Plattformunabhängigkeit sind dabei als strategische Handlungsfelder zu definieren.“

Ja, was denn nun? Sind Plattformunabhängigkeit und der Einsatz Freier Software strategische Handlungsfelder oder sind sie es nicht? Ich bin gespannt auf die Stellungnahme der Staatsregierung.

Eine Systemumstellung ist sicherlich nicht einfach zu haben. Aber die – vorsichtig formuliert – zögerliche Haltung von Verwaltung und Staatsregierung kostet den Steuerzahler Geld, und zwar rund 9,3 Millionen Euro jährlich an durchschnittlichen Lizenzkosten allein für die gesamte Staatsverwaltung und noch einmal 8,75 Millionen Euro für nachgeordnete Behörden und Einrichtungen. Hinzu kommen jährliche Supportkosten von noch einmal rund 4,3 Millionen Euro. Das haben auch die Antwort auf meine Kleine Anfrage und die angehängte Tabelle gezeigt. Darüber hinaus wird deutlich, dass jährlich weitere rund 1,2 Millionen Euro für Fortbildungskosten ausgegeben werden. Das ist eine Menge Geld, wenn man sich nur die jährlichen Kosten anschaut. Demgegenüber stehen lediglich 1,7 % der Softwarelizenzen aus dem Bereich der freien Software. Darauf ist Kollege Gerstenberg schon eingegangen.

Deswegen kann man zusammenfassend sagen: Es muss tatsächlich das Ziel sein, das teure Microsoft-Monopol in der Landesverwaltung zu brechen.

Abgesehen von einer möglichen einseitigen Abhängigkeit von Softwaremonopolisten spielt hier auch der Sicherheitsaspekt eine wichtige Rolle. Freie Software bietet noch immer die umfassendsten Möglichkeiten, Sicherheitslücken aufzuspüren und zu beheben bzw. sie entstehen erst gar nicht. Ich kann nicht verstehen, warum diese Sicherheitsaspekte in den Erwägungen der Staatsregierung keine Rolle spielen sollen.

Erhellend ist auch die Antwort bezüglich der Prüfung unterschiedlicher Lizenzmodelle. Dort heißt es: „Eine generelle, übergreifende Prüfung von FLOSS-Lizenzmodellen hat bisher nicht stattgefunden.“

Selbst wenn die Lizenzmodelle je Anwendungsfall geprüft werden, so ist der Freistaat vertraglich nicht wirklich unabhängig. Denn – so heißt es in der Antwort –: „Im Fall von Microsoft-Lizenzen ist die Staatsverwaltung dem Select-Vertrag des Bundesministeriums des Innern beigetreten. In diesem Vertrag werden der öffentlichen

Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen besonders günstige Konditionen für die Beschaffung von Microsoft-Produkten eingeräumt.“

Auch so kann sich ein Quasi-Monopolist die beherrschende Marktstellung sichern. Der Köder „Sonderkonditionen“ wird auch dann geschluckt, wenn insgesamt preiswertere Freie-Software-Optionen zur Verfügung stünden. Das finde ich angesichts immer dramatischerer Haushaltslöcher schon bemerkenswert.

Kollege Modschiedler, es wäre Teil der Erarbeitung einer solchen IT-Strategie, eine Machbarkeitsprüfung durchzuführen, aber von der Staatsregierung! Das erwarten wir auch von der Staatsregierung.

Zur Funktion der Großen Anfrage: Ihre Aufgabe ist es nicht, Antworten zu geben, sondern auf Problemstellungen in der Staatsregierung hinzuweisen. Dafür bin ich der Fraktion GRÜNE an dieser Stelle ausgesprochen dankbar.

Es mag ja sein, dass die Einführung neuer Kommunikationssoftware technisch komplex und für die Nutzer mit Umstellungen verbunden ist. Aber ich beziehe mich erneut auf meine Kleine Anfrage: Die Umstellung der Server in der Verwaltung ist möglich. Einerseits fallen hier besonders hohe Lizenzkosten an. Andererseits ist der Umstellungsaufwand geringer, also welchen Browser Sie benutzen. Neben den langfristigen Einspareffekten würde bei einer konsequenten Übernahme freier Softwareprodukte die heimische mittelständische IT-Wirtschaft vom Support profitieren können. Offensichtlich gibt es aber in der sächsischen Verwaltung und in der Staatsregierung noch verbreitet Vorbehalte gegenüber alternativen Softwarelösungen, frei nach dem Motto: Das haben wir schon immer so gemacht! Und das, obwohl die Staatsregierung selbst zugibt, dass der Einsatz von FLOSS-Produkten auf der derzeit eingesetzten Hardware grundsätzlich möglich ist. Zögern kostet, meine Damen und Herren.