Abgegeben wurden 124 Stimmscheine. Ungültig waren null Stimmscheine. Es wurde wie folgt abgestimmt: Vorsitzender ist Herr Geert Mackenroth, CDU-Fraktion. Er erhielt 101 Jastimmen, 14 Neinstimmen und 9 Enthaltungen.
Stellvertreterin ist Frau Andrea Roth, Fraktion DIE LINKE. Sie erhielt 88 Jastimmen, 18 Neinstimmen und 18 Enthaltungen.
Damit ist Herr Geert Mackenroth als Vorsitzender des 1. Untersuchungsausschusses gewählt. Ich frage Sie, ob Sie die Wahl annehmen.
Danke schön. – Frau Roth ist damit als Stellvertreterin gewählt. Ich frage Sie natürlich auch, ob Sie die Wahl annehmen.
Freie Software in Sachsen – Einsatz von Free/Libre and Open Source Software (FLOSS) in der Landesverwaltung
Drucksache 5/372, Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und die Antwort der Staatsregierung
Ich darf noch, bevor ich jetzt dem ersten Redner das Wort erteile, kurz die neuen Redezeiten bekanntgeben: CDU 80 Minuten, Linksfraktion 56 Minuten, SPD 34 Minuten, FDP 34 Minuten, GRÜNE 30 Minuten, NPD 30 Minuten und die Staatsregierung 56 Minuten.
Als Einbringerin spricht zuerst die Fraktion GRÜNE. Herr Dr. Gerstenberg, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einige unter Ihnen sind vielleicht versucht, bei diesem Tagesordnungspunkt den Saal zu verlassen, weil sie meinen, das verstehe ich ja ohnehin nicht, das geht mich nichts an. Doch sie irren. Dieses Thema geht uns alle an, nicht nur politisch, sondern auch persönlich.
Software geht uns alle an; denn jeder unter uns steht beim Kauf eines neuen Notebooks oder eines PC vor der Entscheidung, welche Programme darauf laufen sollen. Typischerweise wird uns diese Entscheidung abgenommen, denn als Betriebssystem ist Microsoft-Windows schon vorinstalliert, der Internetexplorer ist ohnehin dabei, und wenn es um Büroprogramme geht, dann fällt die Entscheidung für Microsoft-Office, weil es doch überall installiert, von jeher vertraut und scheinbar ohne Alternative ist.
Es sind genau solche Vertriebspraktiken und solche Gewohnheiten, die in der Vergangenheit bei Betriebssystemen und Anwendungsprogrammen zu Monopolstellungen und zur Abhängigkeit von Microsoft und einigen wenigen anderen großen Softwarekonzernen geführt haben.
Doch für unsere persönlichen Entscheidungen gilt das Gleiche wie für die Politik: Es gibt stets Alternativen. In unserem Fall heißt diese Alternative Freie Software. Freie Software bedeutet, dass der Anwender die Freiheit hat, die Software zu benutzen, zu studieren, zu verändern und zu verbessern sowie in ursprünglicher oder veränderter Form weiterzuverbreiten. Für die Nutzung dieser Freiheiten ist das Offenlegen des vom Programmierer geschriebenen Quellcodes eine notwendige Voraussetzung. Eine etwas andere Denkrichtung hat deshalb den Namen Open Source Software geprägt. Als Kompromiss wurde der Begriff Free/Libre and Open Source Software (FLOSS abgekürzt) vorgeschlagen, den wir in unserer Großen Anfrage verwendet haben. – So viel zur Erklärung dieses etwas kryptischen Titels.
Der Freien Software steht die proprietäre oder unfreie Software gegenüber, deren Quellcode streng geheim gehalten wird und die die genannten Freiheiten nicht bietet. Einige dieser proprietären Programme werden kostenlos als sogenannte Freeware weitergegeben. Das wesentliche Unterscheidungsmerkmal ist also nicht der Preis. Es geht hier um „frei“ wie in Freiheit und nicht wie in Freibier.
Freie Software führt längst kein Nischendasein mehr. Eine ganze Reihe von Behörden, Kommunen und Bundesministerien nutzt mittlerweile Freie Software. Dazu gehören der Deutsche Bundestag, das Auswärtige Amt, die Polizei in Niedersachsen, die Landeshauptstadt München und das Bistum Würzburg.
Bei einem Blick über die Grenzen hinaus finden wir Freie Software in der Stadtverwaltung Wien, bei der französischen Gendarmerie, und auch der Staat Kalifornien, sicher ein Mutterland von Mikroelektronik- und Softwareentwicklung, fördert diese Entwicklung. Das alles ist kein Zufall, denn es gibt mindestens vier gute Gründe, Freie Software zu nutzen: Das sind Kosten, Sicherheit, Benutzerfreundlichkeit und ihre gesellschaftliche Bedeutung.
Mittel- bis langfristig lassen sich erhebliche Kosten einsparen, da keine proprietären Lizenzen von monopolistischen Herstellern wie Microsoft mehr erworben werden müssen. Entwicklungs- und Supportverträge können flexibel vergeben und dadurch die kleinen und mittelständischen heimischen IT-Unternehmen gestärkt werden. Die Software- und Datensicherheit hängt nicht mehr von intransparent arbeitenden Herstellern ab, sondern wird für die staatlichen Verwaltungseinheiten überprüfbar und kann im Bedarfsfall auch direkt verbessert werden. Die Abhängigkeit von der Unternehmenspolitik und den Veröffentlichungszyklen proprietärer Softwareunternehmen fällt weg, und die eingesetzte Freie Software kann in ihrer Funktionalität flexibel an den Bedarf der Nutzer angepasst werden. Zudem ist die langfristige und nachhaltige Verfügbarkeit der verwendeten Programme gesichert.
Vor allem aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, liegt die Kontrolle der IT-Infrastruktur nicht mehr in den Händen weniger Hersteller. Einfluss und Macht über Arbeitsabläufe, über sensible Kommunikation und Daten werden nicht länger an externe Akteure abgegeben. Durch den Einsatz freier Software verhindern staatliche Stellen ihre Abhängigkeit von solchen Akteuren, und sie gewinnen an Souveränität und Transparenz. In einer Gesellschaft wie der unseren, die in starkem Maße auf digitale Kommunikation angewiesen ist, gewinnt diese Freiheit der Kommunikationsmittel zunehmend an Bedeutung.
Unsere Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat deshalb im November 2009 eine Große Anfrage zum Thema „Freie Software in Sachsen“ gestellt. Durch die Ergebnisse dieser Großen Anfrage liegen der Öffentlichkeit erstmals umfassende Informationen über die Softwarelandschaft und die Rolle Freier Software in den sächsischen Ministerien und den nachgeordneten Behörden vor, und die Potenziale einer Umstellung auf Freie Software werden deutlich erkennbar.
Uns hat zunächst interessiert, wie der Status quo in der sächsischen IT-Landschaft ist. Die Staatsregierung hat dazu eine Bestandsaufnahme zum Stichtag 15.11.2009 vorgenommen. Das Ergebnis: Ministerien und nachgeordnete Behörden nutzen fast nur proprietäre Software, für die jährlich 9,3 Millionen Euro an Lizenzgebühren ausgegeben werden. Nur 1,7 % der gehaltenen Softwarelizenzen stammen aus dem Bereich der Freien Software und bleiben kostenfrei. Es kommen vor allem veraltete Microsoft-Produkte zum Einsatz. Das gilt überraschenderweise auch für die Server, obwohl die freien Produkte selbst von der Staatsregierung als wettbewerbsfähig und teilweise überlegen anerkannt werden und bei denen für proprietäre Lizenzen besonders hohe Kosten anfallen.
So verursachen im Serverbereich nur 16 % aller landesweiten Lizenzen 58 % der Lizenzgebühren. Trotz dieser Tatsachen kommt bei Servern unverständlicherweise so gut wie keine Freie Software, nämlich 0,8 %, zum Einsatz. Zusätzlich zu den 9,3 Millionen Euro Lizenzgebühren fallen jährlich 4,3 Millionen Euro Kosten für Softwaresupport an, die bei konsequentem Einsatz Freier
Ich ziehe daraus das Fazit 1: Die IT-Landschaft der sächsischen Staatsverwaltung ist durch die Monokultur teurer Microsoft-Produkte geprägt. Das enorme Sparpotenzial bei den Lizenzen wird auf Kosten des Steuerzahlers nicht benutzt. Selbst in Bereichen, in denen Freie Software nachweislich überlegen ist, wird sie kaum angewendet.
Zum Zweiten wollte unsere Fraktion wissen, wie die Staatsregierung die Sicherheitsrisiken beurteilt. Informationssicherheit ist für den IT-Einsatz in der staatlichen Verwaltung aus offensichtlichen Gründen von großer Bedeutung. Die ständige Verfügbarkeit und die Stabilität der staatlichen Verwaltungs- und Kommunikationsinfrastruktur, aber auch der vertrauliche, am Datenschutz orientierte Umgang mit Bürger- und Unternehmensdaten fordern nachweislich sichere Software.
Die Staatsregierung ist der Ansicht, dass die Nutzung der Microsoft-Produktkette im Vergleich mit freien Alternativprodukten zu Sicherheitsvorteilen für die Landesverwaltung führt. Sie vertritt damit das Prinzip Sicherheit durch Geheimhaltung. Diese Einschätzung wird jedoch grundsätzlich weder vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI, noch von führenden Forschern auf dem Gebiet der IT-Sicherheit geteilt. Laut BSI bietet Freie Software bedeutende strategische Vorteile für die Gewährleistung einer sicheren IT-Infrastruktur. Es stellt ausdrücklich fest: „Die Prüfung von Software auf Sicherheitslücken sollte immer möglich sein. Beim Einsatz von Software kann dies ein K.-o.-Kriterium sein. Es steht Vertrauen versus Wissen.“
Das führt zum Fazit Nr. 2. Die Staatsregierung ignoriert die Position des BSI sowie grundlegende Erkenntnisse der IT-Sicherheitsforschung. In der Situation Vertrauen versus Wissen hat sie sich für Vertrauensseligkeit statt Wissen entschieden.
Angesichts dieses ernüchternden, alarmierenden Ist-Zustandes interessierte unsere Fraktion zum Dritten, ob im Rahmen der IT-Politik freie Alternativen zur derzeitigen Softwareausstattung zumindest geprüft werden. Eine solche Prüfung muss sowohl Kriterien der Machbarkeit und des Aufwandes als auch Kosten- und Sicherheitsaspekte berücksichtigen, vor allem aber eine langfristige, transparente und nachhaltige IT-Strategie im Blick haben.
Es stellte sich heraus, dass die Staatsregierung gegenüber freier Software eine – freundlich formuliert – tendenziell abwartende Haltung einnimmt. Sie begründet dies vor allem mit kurzfristigen Mehrkosten, der Komplexität der Umstellung, fehlenden freien Fachverfahren und mangelnden offenen Standards zum Datenaustausch mit Kommunen, Bund und Ländern. Kriterien der Nachhaltigkeit und Sicherheit spielen offenbar eine untergeordne
Nicht einmal der Beschluss des Rates der IT-Beauftragten aus dem Jahr 2008 zum Einsatz des OpenDocumentFormates in der Bundesverwaltung hat diese Haltung verändert. Die Regierung besitzt vor allem keine zeitgemäße IT-Strategie. Eine solche Strategie soll zwar entwickelt werden – allerdings auf der Grundlage einer veralteten Migrationsstudie aus dem Jahr 2005.
Außerdem werden in Ministerien und nachgeordneten Einrichtungen nahezu keine Maßnahmen getroffen, um die Akzeptanz Freier Software unter den Beschäftigten zu fördern und die Fixierung auf Microsoft-Arbeitsumgebung zumindest zu lockern.
Fazit 3: Eine Migration zu Freier Software wird von der Staatsregierung offensichtlich nicht ernsthaft in Betracht gezogen; die teils widersprüchliche Argumentation deutet darauf hin, dass eine Migration zu Freier Software keineswegs nicht machbar ist, sondern entweder gescheut wird oder schlicht nicht gewollt ist.