Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren! Noch etwas ist frappierend. Wir diskutieren hier über mehr als 15 Seiten Einsetzungsantrag. Dieser Antrag liegt meinen Fraktionskollegen erst seit gestern vor; Weniger als 24 Stunden Zeit, um sich auf die heutige Debatte vorzubereiten.

(Zuruf von der Linksfraktion)

Man stelle sich nur einmal vor, die Koalition würde derart kurzfristig eine Initiative einbringen. Ich sehe es schon lebhaft vor mir, mit welch wutschäumender Rede Herr Bartl die Missachtung des Parlaments geißeln würde. Meine Damen und Herren von den Linken, Ihre immer getätigten wohlfeilen Worte fallen nun auf Sie zurück. Sie missachten Ihre sonst hier immer eingeforderten Regeln.

Meine Damen und Herren! Die Legende vom „Sachsensumpf“ soll weitergestrickt werden. Einen wirklichen

Aufklärungswillen spreche ich der Opposition ab. Vielmehr ist es doch wohl die Hoffnung auf neue Skandalschlagzeilen, die sie zu diesem Untersuchungsausschuss bringt. Der Freistaat Sachsen hat weiß Gott andere und wichtigere Probleme zu lösen. Sie verschwenden Steuergelder und die Arbeitszeit von Abgeordneten und der Verwaltung. Dass Sie damit dem Freistaat mehr schaden als nützen, nehmen Sie billigend in Kauf.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Herr Bartl mag seinen Wortfetisch weiter pflegen, wo er will. Das Wort „Netzwerk“ scheint dabei besonders beliebt zu sein, wahlweise mit den Worten „korruptiv“ oder „kriminell“ dekoriert.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Erst sah er dieses Netzwerk sachsenweit, jetzt beschränkt er sich auf lokale Netzwerke, aber Hauptsache, das Wort bleibt in der Verwendung. Das zeigt auch die Wendigkeit bei diesem Thema: Was nicht passiert, wird halt passend gemacht!

Sie können aber sicher sein, dass wir in der Ausschussarbeit alles tun werden, um Ihre Selbstdarstellung an dieser Stelle zu unterbinden. Die CDU-Fraktion wird sich an Ihren Spielchen nicht beteiligen. Den „Sachsensumpf“ hat es nie gegeben, und Sie werden auch mit diesem Untersuchungsausschuss nichts anderes herausfinden. Schade um die vergeudete Lebenszeit!

Nur aufgrund der Achtung von Minderheitenrechten in diesem Parlament werden wir uns als CDU-Fraktion der Stimme enthalten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Staatsregierung)

Für die CDU-Fraktion sprach Herr Kollege Piwarz. – Als Nächster spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Biesok.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat in der letzten Legislaturperiode den 2. Untersuchungsausschuss „Kriminelle und korruptive Netzwerke in Sachsen“ gemeinsam mit den Kollegen der Linksfraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingesetzt.

Wir sind aber zu dem Ergebnis gekommen, dass sich für das Vorliegen krimineller und korruptiver Netzwerke unter Beteiligung von Vertretern der Politik, der Wirtschaft, der Justiz und der Polizei keine gesicherten Anhaltspunkte ergeben haben. Wir sind vielmehr zu der Überzeugung gekommen, dass es keine wirksame Aufsicht über das Landesamt für Verfassungsschutz durch das Staatsministerium des Innern gegeben hat und dass es innerhalb des Landesamtes für Verfassungsschutz keine Anweisungen gab, wie die Arbeit des Referates Organisierte Kriminalität überwacht werden soll und ob die

Beobachtung im Bereich der organisierten Kriminalität überhaupt noch verfassungsgemäß war.

Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtages über die Beobachtungstätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz nicht bzw. nur unzureichend informiert wurde. Wir haben daher im Koalitionsvertrag vereinbart, dass das Verfassungsschutzgesetz weiterentwickelt und der Verfassungsschutz in seinen Kernkompetenzen gestärkt werden soll. Ferner soll die Parlamentarische Kontrollkommission im Landtag rechtlich und organisatorisch gestärkt werden.

Mit diesem Vorhaben werden wir Konsequenzen aus den Erkenntnissen des letzten Untersuchungsausschusses ziehen.

Der heutige Untersuchungsauftrag enthält viele Punkte, welche schon in dieser Legislaturperiode behandelt wurden; meine Vorredner haben das ausgeführt. Er enthält einen zentralen Punkt, mit dem man sich gegenwärtig im Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss befasst, nämlich die Grundstücksgeschäfte in der Riemannstraße 52 in Leipzig. Ich hätte mir von den Antragstellern gewünscht, dass sie zunächst die Behandlung des Antrages im Ausschuss – das wäre am 2. Juni gewesen – abwarten, bevor sie diesen Punkt weiter verfolgen.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die Rechte der Opposition werden wir als Liberale wahren. Wir werden uns deshalb bei der Abstimmung über diesen Antrag der Stimme enthalten und somit den Untersuchungsausschuss mit ermöglichen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Für die FDP-Fraktion sprach der Abg. Biesok. – Als Nächster spricht für die NPD-Fraktion der Abg. Schimmer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Leider wurde auch dieser Dringliche Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses – wie im letzten Monat – wieder knapp einen Tag vor der Beschlussfassung eingereicht. Sie führen die von Ihnen hoch gelobte parlamentarische Demokratie doch selbst ad absurdum, wenn Sie den Abgeordneten eine komplexe Materie extrem kurzfristig zur Abstimmung vorlegen.

Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Abgeordnete sich inhaltlich überhaupt mit der vorliegenden Drucksache ernsthaft beschäftigt haben. Dazu fällt mir die Bezeichnung „Scheindemokratie“ ein, die aber in diesem Haus nicht erlaubt sein soll.

Ja, und deshalb erteile ich Ihnen, Herr Abg. Schimmer, dafür auch einen Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Holger Apfel, NPD: Die Wahrheit tut halt weh!)

Also, Herr Dr. Rößler, mit Verlaub: Eigentlich wäre es Ihre Aufgabe als Landtagspräsident, hier kontroverse Debatten zu ermöglichen

(Christian Piwarz, CDU: Und jetzt gibt es den zweiten Ordnungsruf!)

und nicht im Keim zu ersticken.

Herr Abg. Schimmer – –

Ich will es an dieser Stelle mit der Kritik – –

Herr Abg. Schimmer, Ihnen steht es nicht zu, die Ordnungsmaßnahmen des Präsidenten zu kommentieren, und ich erteile Ihnen einen weiteren Ordnungsruf.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wenn Sie das noch einmal machen, entziehe ich Ihnen das Wort.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN – Holger Apfel, NPD: Der Herr Präsident ist halt ein Gott!)

Setzen Sie bitte Ihren Redebeitrag fort.

Ich will es an dieser Stelle mit der Kritik an den Einreichern bewenden lassen, weil der NPD-Fraktion das Aufklärungsinteresse am „Sachsensumpf“ grundsätzlich wichtiger ist als andere Teilaspekte und sie der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses deshalb zustimmen wird.

Meine Damen und Herren! Oft wurde im Zusammenhang mit dem Sachsensumpf von Erfindung und Gerüchten des Verfassungsschutzes gesprochen. Natürlich gab es beim Landesamt für Verfassungsschutz Versäumnisse in der Arbeit des OK-Referates unter Simone Henneck. Vielleicht war ihre Referatsleiterin – bekanntlich eine ehemalige Staatsanwältin und Polizistin – bisweilen etwas übereifrig, und manche Information mag sich im Nachhinein als nicht stichhaltig erwiesen haben. Das ist aber bei Ermittlungen völlig normal und stellt kein Versagen der Ermittler dar. Jahrelang war man zudem mit der Arbeit der Referatsleiterin zufrieden. Sie wurde sogar stellvertretende Abteilungsleiterin.

Erst als ein Sündenbock für das Versagen der Staatsregierung gefunden werden musste, wurde sie zum Abschuss freigegeben. Die Exekution übernahm der neue Präsident des Verfassungsschutzes Reinhard Boos höchstpersönlich. Noch auf der Liege im Krankenzimmer des Landesamtes wurde Frau Henneck von ihm und seinem Stellvertreter gedemütigt, bis Sanitäter in die lebensbedrohliche Situati

on eingriffen. Der Vorgang ist so ungeheuerlich, dass ich ihn hier noch einmal erwähnen muss.

Während über die Vorgänge beim Verfassungsschutz einiges ermittelt werden konnte, blieben einzelne Aspekte des „Sachsensumpfes“ unbearbeitet. Es fehlte schlicht die Zeit, diesen Dingen auf den Grund zu gehen, weil insbesondere die CDU die Aufnahme der Arbeit mit allen juristischen Mitteln verzögerte. Dadurch wurde die Untersuchung um ein ganzes Jahr verzögert. Wie soll dabei eine umfassende Aufklärung möglich sein?

Ich darf an dieser Stelle auf das Minderheitenvotum meines Fraktionskollegen Jürgen Gansel verweisen, der die NPD im „Sachsensumpf“-Untersuchungsausschuss der 4. Wahlperiode vertreten hat, und möchte daraus kurz zitieren: „Die NPD-Fraktion stellt fest, dass die im Einsetzungsbeschluss des Landtages der 4. Wahlperiode vom 19. Juli 2007 zur Untersuchung aufgetragenen Sachverhalte größtenteils gar nicht, in anderen Fällen auch nicht annähernd erschöpfend untersucht werden konnten.“

An dieser Einschätzung hat sich für die NPD seitdem nichts geändert. In unserem Minderheitenvotum haben wir bereits für eine Neuauflage des Untersuchungsausschusses plädiert. Nach wie vor stehen viele kriminelle Machenschaften im Raum. Einschätzungen der sächsischen Justiz zu diesen Fällen können keine politische Bewertung ersetzen, zumal es beim „Sachsensumpf“ bekanntlich auch um mögliche kriminelle Verstrickungen innerhalb der Justiz geht. Nicht zuletzt gilt es also zu prüfen, ob hier nicht etwa von Juristen Persilscheine für Berufskollegen ausgestellt wurden.

Mehr als dubios sind nach wie vor die Vorgänge um das Grundstück in der Riemannstraße 52 in Leipzig. Der Prüfbericht des Rechnungshofes hat bestätigt, dass rechtswidrig erhebliche Fördergelder geflossen sind, für die es nach normalen Maßstäben eigentlich keine Erklärung gibt. Anders sieht die Sache aus, wenn man die Möglichkeit einbezieht, dass die Gelder im Rahmen eines korruptiven Netzwerkes geflossen sind. Dieser Vorwurf muss unbedingt geklärt werden.

Noch schwerwiegender ist der nach wie vor ungeklärte Umgang mit den Erkenntnissen des OK-Referates durch die Strafverfolgungsbehörde. Hier wurde vertuscht und verheimlicht. Es sind Akten vernichtet worden. Und es sind Beamte, die diese Dinge ans Licht bringen wollten, massiv behindert worden.

Last but not least gilt es, das Krisenmanagement der Staatsregierung im Zusammenhang mit dem SachsenSumpf näher zu beleuchten. Viele werden sich noch an die denkwürdige Rede des früheren Innenministers Albrecht Buttolo erinnern, in der er dramatisch die Bedrohung des Freistaates Sachsen durch die Mafia schilderte, die jederzeit zurückschlagen könne.

Das alles, meine Damen und Herren, soll „heiße Luft“ gewesen sein? Nein; es gibt zum „Sachsensumpf“ noch viel aufzuklären. Deshalb wird meine Fraktion, die NPDFraktion, dem vorliegenden Antrag zustimmen.