Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Weiter geht es am Frühstückstisch: Müsli, Brot, Käse, Wurst, Kaffee und natürlich Milch stehen auf dem Tisch;

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Und das Ei!)

nicht zu vergessen das Frühstücksei. Familie Mustermann verlässt sich auf gesunde und sichere Lebensmittel. Die Lebensmittelkontrolle ist eine zentrale Aufgabe des Verbraucherschutzes. Allein in Sachsen produzierten im Jahr 2009 über 64 000 Betriebe Lebensmittel. Sie wurden von 175 Lebensmittelkontrolleuren der Lebensmittelüberwachungs- und Veterinärämter in rund 90 000 Kontrollbesuchen überprüft. Dabei arbeitet die amtliche Lebensmittelkontrolle seit dem Jahr 2007 risikoorientiert. Die Einstufung in eine Risikoklasse bestimmt die Kontrollhäufigkeit des Betriebes.

Diesen risikoorientierten Ansatz will ich weiter ausbauen, um zugleich die Effizienz der Kontrollen weiter zu erhöhen, denn das hat sich bewährt. Dafür sprechen die Untersuchungsergebnisse der LUA, unserer Landesuntersuchungsanstalt. Die LUA untersucht die entnommenen Proben. Im Vergleich der Betriebskontrollen zu den untersuchten Proben pro Einwohner zählt Sachsen nach wie vor zur Spitzengruppe.

Es hat sich zudem als richtig erwiesen, die Futtermittelüberwachung direkt mit der Lebensmittelüberwachung zu verknüpfen, das heißt, nicht nur das Frühstücksei bei der Familie Mustermann wird auf Salmonellen untersucht, sondern auch die Legehenne und ihre Eltern und Großeltern. Wir bekämpfen nicht das Problem, sondern wir bekämpfen die Ursache. Damit stellen wir vernetztes Arbeiten entlang der Lebensmittelkette sicher.

Die LUA schützt die Ernährung der Familie Mustermann vom Grashalm bis zum Schnitzel. Die LUA leistet dadurch einen unverzichtbaren Beitrag für den gesundheitlichen Verbraucherschutz in Sachsen.

(Beifall bei der CDU)

Als staatliche Einrichtung und nur als solche gewährleistet sie die Unabhängigkeit der Untersuchungsergebnisse und deren rechtliche Bewertung.

Eine der Herausforderungen der Lebensmittelkontrolle in den nächsten Jahren ist die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, insbesondere im Dreiländereck. Um dies zu unterstützen, hat mein Haus bereits 2005 ein erstes internationales Symposium für Lebensmittelsicherheit organisiert. Für 2011 planen wir das Projekt „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich der Lebensmittelsicherheit zwischen der Tschechischen Republik und dem Freistaat Sachsen“.

Familie Mustermann kann sich nicht nur auf die Sicherheit der Lebensmittel verlassen. Sie kann auch alle Informationen im Internet abrufen. Hier steht zum Beispiel seit 2009 der Pestizid-Report zur Verfügung. Auf www.gesunde-sachsen.de finden Sie die monatlich aktualisierten Untersuchungsergebnisse zu Obst und Gemüse. Ab einer Mindestzahl von zehn untersuchten Proben können Sie sich sogar die Untersuchungsergebnisse für das einzelne Lebensmittel anschauen, zum Beispiel für den Apfel oder die Zitrone. Außerdem veröffentlichen wir seit Februar 2010 alle Warnmeldungen aus dem Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Die hier eingestellten Warnungen wurden von den Herstellern selbst und von der amtlichen Lebensmittelüberwachung initiiert.

Aber, meine Damen und Herren, das reicht mir noch nicht; denn wie ich anfangs bereits sagte, sind die Informationen zwar für alle frei zugänglich, aber wo sie zu finden sind, ist den wenigsten Bürgern bekannt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Wir brauchen eine bessere, zielgruppenorientierte Kommunikation. Deshalb arbeiten wir gemeinsam mit anderen Bundesländern aktiv an der Einrichtung einer gemeinsamen Internetplattform.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Diese einheitliche Plattform soll künftig zentrale Warnmeldungen zu nicht sicheren Lebensmitteln im Internet publizieren, und dies gemeinsam unter der Domain www.lebensmittelwarnung.de. Im Frühjahr 2011 soll diese Website das Licht der Welt erblicken und ständig aktualisiert und weiterentwickelt werden.

Aber nicht nur Sachsen, sondern auch die Bundesrepublik ist in Sachen Transparenz der Lebensmitteluntersuchungen einen großen Schritt gegangen. Um die Transparenz der Untersuchungen zu erhöhen, wurde 2008 das Verbraucherinformationsgesetz beschlossen. Den Ansatz, Informationen für den Verbraucher zur Verfügung zu stellen, begrüße ich. Die Praxis zeigt allerdings: Dieses Gesetz geht doch noch häufig an der Realität vorbei. Die Hürden, um an Informationen zu gelangen, sind einfach zu hoch. Das Verfahren ist zu stark formalisiert und das Kostenrisiko liegt beim Verbraucher. Die Berücksichtigung der Unternehmerinteressen sorgt zu häufig für die Verweigerung der Informationsherausgabe. Deshalb hält sich die Abfrage in Grenzen.

Ich werde mich auf Bundesebene engagiert dafür einsetzen, dass dieses Gesetz noch verbraucherfreundlicher gestaltet wird.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Ich will es jedoch nicht mit Forderungen an den Bund bewenden lassen. Wenn es darum geht, die Transparenz in der Lebensmittelsicherheit oder – besser – im Verbraucherschutz deutlich zu erhöhen, können wir auch selbst aktiv werden. Der Verbraucher hat ein Recht auf Informa

tionen. Er muss sie unmittelbar und offensichtlich in dem Moment, in dem er verbraucht, erhalten.

Wenn Familie Mustermann nach dem Frühstück die täglichen Besorgungen erledigt, soll sie schon beim Betreten des Ladens erkennen: Ihr sächsischer Bäcker oder Fleischer bietet gute und sichere Produkte an.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte, dass Bäcker, Fleischer und Gastronomen, die mit hervorragenden Werten untersucht werden, umgehend nach den Kontrollen mit einer Positivkennzeichnung an der Eingangstür kenntlich gemacht werden, zum Beispiel mit einem Smiley.

(Beifall der Abg. Prof. Dr. Martin Gillo, CDU, und Michael Weichert, GRÜNE)

Wir erhöhen damit die Transparenz für den Verbraucher und belohnen damit die Betriebe, die sich um gute und sichere Qualität ihrer Produkte bemühen. Sie sollen einen Nutzen davon haben, gute Lebensmittel anzubieten; denn wir sind auch Tourismusland. So schafft eine positive Kennzeichnung auch für unsere Gäste das Vertrauen in den Landgasthof, das Café oder die Eisdiele.

Auch wenn es bundesweit keine Einigung gibt, warum sollte der Smiley beispielsweise an der Eingangstür des Fleischers Ihres Vertrauens nicht ein sächsischer sein? Wir sind bekannt dafür, eigene Wege zu gehen, und deshalb soll es den sächsischen Smiley geben.

(Beifall bei der CDU und des Abg. Michael Weichert, GRÜNE)

Ich werde mich bei unseren Kommunen für diesen Weg einsetzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zurück zu Familie Mustermann. Brötchen und Wurst haben wir schon, auf geht es in den Supermarkt. Wir dürfen es ruhig zugeben: Wir haben doch alle Schwierigkeiten damit, zu erkennen, was auf den Waren aufgedruckt ist. Es steht nicht nur sehr viel darauf, es ist auch schwer lesbar. Wenn wir den demografischen Wandel, wenn wir eine alternde Gesellschaft und wenn wir vor allem unsere eigene Forderung nach umfassender Barrierefreiheit ernst nehmen, dann müssen wir hier etwas tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Angaben auf den Waren müssen größer gedruckt und besser zu lesen sein. Dafür müssen wir mit der Industrie und dem Handel ins Gespräch kommen. Ich werde mich auch dafür einsetzen, dass die Preisangabenverordnung diesbezüglich geändert wird. Wir brauchen einheitliche Bezugsgrößen bei der Grundpreisangabe. Wir brauchen die Angaben nahe an den Waren, und wir brauchen eine bessere Lesbarkeit. Was nutzen uns die Pflichtangaben, wenn wir nicht wissen, was sie bedeuten? Ich möchte, dass der Verbraucher auf den ersten Blick sieht, ob ein übermäßiger Verzehr Gefahren birgt. Auf den ersten Blick heißt für mich: Wir brauchen die schon viel und kontrovers diskutierte Lebensmittelampel.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Bevor Sie mir vorwerfen, ich würde den Bürger an dieser Stelle entmündigen, lassen Sie mich einige Sätze dazu sagen. Auf den Verpackungen stehen im Moment alle Pflichtangaben. Die kritischen Nährwertstoffe, wie Zucker und Fett, sind ebenso zu finden wie die Kalorien. Das alles ist schon sehr gut. Die vom Bund vorgeschlagene 1-plus-4-Kennzeichnung setzt die angegebenen Werte ins Verhältnis zum gesamten Tagesbedarf.

Aber was nützt Familie Mustermann diese Angabe? Vater Mustermann hat schließlich einen anderen Tagesbedarf als Sohn Max und Tochter Marie. Genau an diesem Punkt setzt die Lebensmittelampel an. Sie geht bei allen Angaben von einheitlichen Bezugsgrößen aus, also von 100 Gramm und 100 Millilitern eines zusammengesetzten Lebensmittels. Gegner und Kritiker der Ampel kritisieren vor allem die angeblich unwissenschaftlichen Schwellenwerte, die festlegen, ob die Ampel auf Grün, Gelb oder Rot steht. Das ist für mich jedoch nicht der Punkt. Der Punkt ist: Ich erkenne, dass mein Müsli am Morgen sehr zuckerhaltig ist und ich damit im Verlauf des Tages auf weiteren Zuckergenuss achten sollte.

Damit wird Familie Mustermann nicht gesagt: Das Müsli ist ungesund, kaufe es nicht! Die Kaufentscheidung obliegt immer noch der Familie selbst. Die Ampel entmündigt den Bürger nicht, aber sie erleichtert ihm das Leben ungemein. Es ist wie mit der Ampel im Straßenverkehr. Sie ist leicht zu verstehen. Den Führerschein bekomme ich aber nur, wenn ich auch die Verkehrszeichen kenne, wenn ich weiß, was „rechts vor links“ ist, und wenn ich den Anweisungen eines Verkehrspolizisten Folge leisten kann.

Nun werden Kritiker behaupten, wir beeinflussen damit die Kaufentscheidung. Aber das tun die Hersteller mit ihren Angaben auch. Versuchen Sie einmal bewusst, ungesunden Joghurt zu kaufen. Ein Hersteller, der wegen des hohen Zuckergehaltes auf seinem Produkt eine rote Ampel findet, wird bei der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe umdenken. In Großbritannien hat das bereits sehr gut funktioniert.

Sehr geehrte Damen und Herren! Fertig mit dem Einkauf, fährt Familie Mustermann auf dem Nachhauseweg noch tanken. Auch ihr wird der Blick auf die Preise die Tränen in die Augen treiben. Umso mehr verlässt sich Familie Mustermann darauf, dass 1 Liter Benzin 1 Liter Benzin ist. Das kann sie auch, weil die Zapfsäule geeicht ist. Der Sächsische Staatsbetrieb für Mess- und Eichwesen ist dafür da, dass drin ist, was drauf steht. Er ist im bundesweiten Vergleich mehr als gut aufgestellt. Beim letzten Verbraucherindex der Verbraucherzentralen haben wir für die Messdichte unseres Mess- und Eichwesens sehr gute Werte bekommen.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Sachsens Verbraucherinnen und Verbraucher können sich darauf verlassen, dass das Taxameter, das Blutdruckmessgerät und die Waage am Obststand ein gerechtes Maß sind. An dieser Stelle kann ich sagen: Nein, wir müssen nichts Neues schaffen, wir müssen nichts verändern. Ja, wir können zufrieden sein mit dem, was wir haben.

(Demonstrativer Beifall des Abg. Thomas Jurk, SPD)

Wir werden dafür sorgen, dass es auf diesem hohen Niveau weitergeht.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zurück zu Hause, nehmen sich Mustermanns Zeit für die Zukunftsplanung. Dabei haben sie insbesondere die Finanzausstattung der Ausbildung des Sohnes Max im Auge. Verunsichert durch die Finanzturbulenzen der letzten Monate, wollen sie größtmögliche Sicherheit bei der Geldanlage. Ich will jetzt meinem Herrn Kollegen Finanzminister nicht zumuten, persönlich bei Mustermanns vorzusprechen. Das heißt, weder mein Haus noch die anderen Ministerien sind in der Lage, Verbraucherinformationen und -beratung komplett allein zu bewerkstelligen. Deshalb hat sich der Freistaat vor mehr als 20 Jahren entschieden, die Dienste der Verbraucherzentralen in Anspruch zu nehmen.

13 Beratungsstellen gibt es über das ganze Land verteilt. Jeden Tag verhelfen rund 90 kompetente Mitarbeiter vor Ort den Verbrauchern zu ihrem Recht. Sie beraten kompetent und umfassend, nicht ganz kostenfrei; aber der Freistaat trägt den wesentlichen Teil der Kosten, damit Verbraucherberatung funktioniert.

(Beifall bei der CDU)

Familie Mustermann kann sich mit ihren Fragen zur Sicherheit von Finanzdienstleistungen vertrauensvoll an die Verbraucherzentrale wenden. Dies soll auch so bleiben. Wir kennen die Vorteile einer langfristigen Zusammenarbeit mit der Verbraucherzentrale. Auf diesem existierenden Vertrauen haben wir aufgebaut und gemeinsam nicht nur die Finanzprobleme des laufenden Jahres geklärt, sondern auch gestern eine Vereinbarung mit der Verbraucherzentrale über Leistungen und Gegenleistungen abgeschlossen. Diese Vereinbarung wahrt die Unabhängigkeit der Verbraucherzentrale und sichert die Beratungsdichte auf hohem Niveau – nicht nur in den großen Städten, sondern auch in ländlichen Regionen.

Diese intensivere Zusammenarbeit bringt aber mehr als nur Vorteile für den Verbraucher. Durch das gute Miteinander staatlichen und nichtstaatlichen Handelns können wir endlich mehr Transparenz im Lande schaffen, eine umfassendere Beratung sichern und natürlich auch unsere Kräfte bündeln. Das wird in der augenblicklichen Finanzsituation immer wichtiger. Das ist auch der einzige Weg, um alle unsere Angebote dauerhaft zu sichern: Kooperation.

Wir werden auch in Zukunft wichtige Projekte des Verbraucherschutzes kofinanzieren, zum Beispiel die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung. Diese

kümmert sich für Familie Mustermann darum, dass die Essensversorgung in Schule und Kita auch qualitativ überprüft wird.

Aber wir haben auch neue Ideen. So soll es eine spezielle Jugendverbraucherschutzseite im Internet geben. Gemeinsam mit anderen Bundesländern möchten wir die Verbraucherbildung unserer Jugendlichen verbessern. Auch hier gilt es – ich wiederhole mich gern –, die neuen Medien verstärkt zu nutzen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bereits vieles getan, damit Familie Mustermann gesund durch den Tag kommt, selbstbestimmt einkauft und sich im Zweifel Rat holen kann. Jetzt will Familie Mustermann etwas ausspannen. Dennoch lässt sich die fünfjährige Marie nicht davon abbringen, ein Fahrradtraining mit Opa Mustermann einzufordern, und plötzlich passiert es: Nicht Marie stürzt, aber Opa Mustermann kommt zu Fall. Er muss zum Arzt. Aber zu welchem?

Letztes Jahr haben wir bundesweit 5 Millionen Euro in die Modellphase für eine unabhängige Patientenberatung gesteckt. Wir haben in Sachsen derzeit eine unabhängige Patientenberatungsstelle in Leipzig – zu wenig, wenn sich die Verbraucher im Gesundheitswesen zurechtfinden sollen. Es gilt auch hier: Der Verbraucher und der Gesundheitsanbieter müssen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren können. Wir haben Beratungsportale für unseren Gaslieferanten, wir können Strompreise bundesweit vergleichen – nur bei der Frage, wer an uns herumdoktert und wo und wie an uns herumgedoktert wird, müssen wir auf unser Glück vertrauen. Das kann und darf nicht sein. Wir wollen, dass die bundesdeutschen Krankenkassen die Mittel für die unabhängige Patientenberatung in den kommenden Jahren aufstocken.

Opa Mustermann hat seinen Arzt gefunden. Er schickt ihn ins Krankenhaus. Die Wunde muss genäht werden, und damit komme ich zu einem großen Zukunftsthema: die Bedeutung der Krankenhaushygiene.

Die sogenannte Basishygiene wird regelmäßig überprüft. Dabei steht die Händedesinfektion in unseren Krankenhäusern und Heimen an allererster Stelle. Dennoch ist MRSA weltweit auf dem Vormarsch. MRSA sind Bakterien, die im Krankenhaus erworben werden und häufig gegen mehrere der geläufigen Antibiotika resistent sind. Ich möchte ein wirklich nachhaltiges Konzept zur Bekämpfung von MRSA entwickeln.